Uran-Waffen im Einsatz: Irak, Kosovo, ...
Evangelische Akademie Mühlheim an der Ruhr, 21. bis 23. Januar 2000
Tagungsnachlese
(von Dipl. Phys. Olaf Swillus)
Die NaturwissenschaftlerInnen-Initiative "Verantwortung für Friedens- und Zukunftsfähigkeit" und der IPPNW luden zu einer Tagung ein, in der es um "DU-Muniton" ging: Munition die abgereichertes Uran oder "Depleted Uranium" (DU) enthält. Diese Munition wurde sowohl im Kosovo als auch in der Golfregion verwandt.
Grundlagen
Abgereichertes Uran
Aus Uranerz gewonnenes Uran ("Natururan"), enthält
99.3 Prozent U-238, 0.7 Prozent U-235
und 0.0054 Prozent U-234 (ein Zerfallsprodukt des U-238).
Zur Verwendung für nukleare Sprengköpfe oder zur sogenannten "friedlichen" Nutzung der Kernenergie in Atomkraftwerken, ist nur das Uranisotop U-235 geeignet.
Daher wird das spaltbare Isotop U-235 in aufwendigen und teuren Verfahren angereichert. Angereichertes Uran enthält zum Beispiel 20 Prozent U-235. Übrig beibt Uran mit einem geringeren Anteil an U-235. Dieses sogenannte "abgereicherte Uran", oder "Depleted Uranium" (DU) ist also ein Abfallprodukt der Kernwaffenproduktion und der Atomindustrie.
Aus Abfall wird Rohstoff für den Krieg
Dieser nukleare Abfall hat neuerdings eine waffentechnische Anwendung gefunden, die schon im Golfkrieg, und jetzt auch im Krieg der NATO gegen Jugoslawien eine Rolle spielte: Panzerbrechende DU-Munition, die einen Kopf aus dem billigen und preiswerten DU enthält.
Was Waffentechniker sich davon versprechen:
DU hat eine höhere Dichte als Blei, ist zudem billiger, und steht in ausreichenden Mengen zur Verfügung. Es ist entzündlich und beim Einschlag der Munition durch Panzerstahl verbrennt ein Teil des Urans zu Uranoxid.
Das macht diese Munition zu einem sehr "effektiven Panzerknacker", es durchdringt aber auch spielend Betonwände von Bunkern.
Das Disaster, der Skandal:
Doch dieser Uranoxid-Staub ist ein sehr erstes Gesundheitsproblem, das auch die Zivilbevölkerung der Kriegsgebiete auf unabsehbare Zeit belasten wird. Während sich die Experten um Wirkungsketten und letzte Gewissheiten streiten, deuten die Gesundheitsprobleme in der Golfregion an, was die Bevölkerung im Kosovo und in Jugoslawien in ein paar Jahren erwarten wird. Es sind im übrigen auch die Probleme einiger US-Golfskriegs-Veteranen, die mit dem Staub in Berührung gekommen sind. Die Erkrankungen dieser Soldaten, auch bekannt als Golfkriegs-Syndrom, wurden zunächst Giftgasen zugeschrieben, - die wahre Ursache kommt aber immer mehr zutage, seit Veteranen aussagen, die ihrer Krankheit wegen nichts mehr zu verlieren haben.
So sind Veteranen empört darüber, dass Schulungsfilme, in denen der vorsichtige Umgang mit DU-Munition gezeigt wurde, zurückgehalten wurden. Die dafür Verantwortlichen meinten wohl, dass die Moral der Soldaten untergraben würde, wenn sie wüssten welche Gesundheitsgefahren von der eigenen Munition ausgeht. Vielleicht erschienen ihnen auch die Vorsichtsmassnahmen übertrieben, die in den Filmen gezeigt wurden.
Zu Unrecht, wie wir heute mit hinreichender Gewissheit wissen.
Vermutungen und Gewissheiten:
Zu dieser Gewissheit kamen wir, Naturwissenschaftler, Juristen und engagierte Laien aus Deutschland, den Niederlanden und Jugoslawien nach kontroversen Diskussionen. Wir sahen Filme, hörten Augenzeugenberichte und schlugen uns mit Statistik und Grundlagen der Radiologie und Medizin herum. Einerseits berichteten Menschen, betroffen vom Elend in den Kriegsregionen, die sie als hilflose Zeugen aufgesucht hatten, andererseits erörterten Naturwissenschaftler "statistische Signifikanz". Auf naturwissenschaftlicher Ebene konnte festgestellt werden, dass noch viele Fragen offen bleiben, viel Forschung nötig wäre, usw ...
Ein Glück, dass auch Juristen zugegen waren, die die "hinreichende Wahrscheinlichkeit" eines Sachverhalts zu würdigen wussten, und auch über Beweisumkehr nachdachten, anstatt nur die gesicherte unanfechtbare naturwissenschaftliche Wahrheit im Sinn zu haben.
Die gegebenen Indizien machen eine Kampagne zur Ächtung von DU-Waffen sehr aussichtsreich, wobei die Haager Landkriegsordnung eine gute Grundlage für eine juristische Argumentation bildet. (Art. 22: "Die Kriegsführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes.") (Art. 32: Verbote ... )
Brutalisierung des Krieges
Das Dilemma dieser juristischen Erörterungen, liegt natürlich darin, dass die Haager Landkriegsordnung den Krieg bereits voraussetzt. Besser wäre es Kriege ganz zu vermeiden.
In der Haager Landkriegsordnung geht es aber darum "unnötige" Brutalisierung von Kriegen zu vermeiden.
Doch Kriege sind auch dann brutal, und betreffen Zivilbevölkerung, wenn "erlaubte" Bomben Chemieanlagen treffen. Die Bombardierung der Chemiewerke und Industrieanlagen in Pancevo, Kragujevac, Novi Sad, Bor, Nis, Cacak, Smederevo, Kraaljevo und Novi Beograd erfüllen bereits den Tatbestand des Einsatzes von Giftgas.
1,2 Dichlorethan (ECD), Vinylchorid Monomer (VCM), Dioxine, Furane, Phosgene, Besopyren, Ammoniak, polychorierte Biphenyle (PCBs), Quecksiber, und noch viele andere giftige Stoffe, wurden in grossen Mengen vorsätzlich freigesetzt, und werden ähnlich wie das freigesetzte Uran der DU-Munition, auf unabsehbare Zeit Krankheiten in der Bevölkerung auslösen.
Ob diese Krankheiten (Immunschwächen, Nierenvergiftungen, Tumore, ...) durch Dioxine, PCP oder Uran-Vergiftung entstanden sind, mag am Ende noch die Wissenschaft interessieren, - den Opfern ist es egal.
Bei allen strittigen Fragen bleibt die Gewissheit: Krieg ist ein Verbrechen.
Wir müssen das Verbot der DU-Waffen als ersten Schritt zur Ächtung aller Kriege anstreben !