Dr. Wolfgang Näser: UE "Deutsche Landes- und Kulturkunde" / UE "Deutsche Sprache und Literatur im 20. Jahrhundert" (für Ausländer)
WS 2004

Text zum 21./22.12.2004:
Erzgebirgische Weihnachten

"Wenn die Tage immer kürzer werden, wenn es draußen kalt und drinnen warm wird, beginnt für uns Leute aus dem Erzgebirge (dem "deutschen Weihnachtsland") die gemütlichste Zeit im Jahr. Wer kann schon widerstehen, wenn es die ersten Pfefferkuchen beim Bäcker um die Ecke gibt? Und hin und wieder ertappt man sich dabei, wie sehr man sich den Duft von Räucherkerzchen herbeisehnt. Dann ist es endlich so weit, die Adventszeit beginnt und nach und nach stellt sich bei jedem Menschen die Vorfreude auf das Weihnachtsfest ein. Lieder vom Advent, das erste Lichtlein, das den Raum erhellt, und, unter den Dächern in Kisten verpackt, läßt sich etwas hören, das sich regt. Es sind unsere so ins Herz geschlossenen Räuchermännchen.

Den ganzen Sommer über haben sie geschlafen, nun sind sie munter und wissen, es ist Zeit, im ganzen Haus Weihrauchduft zu verbreiten: unter ihresgleichen auf Fensterbänken, in Regalen oder als Alleinunterhalter auf dem gedeckten Kaffeetisch. Nicht wegzudenken sind unsere Räuchermännchen. Und unten im Keller, da wird gewerkelt, hier noch was am Weihnachtsberg und an der Pyramide gebastelt, da noch ein frischer Pinselstrich für den alten Bergmann aufgetragen.

Oft begleitet von Gedanken an das letzte Weihnachten, findet dann alles in der Stube seinen Platz. Jetzt in der Adventszeit ist für alle Kinder eine Zeit der Freude angebrochen, es gibt viel zu erleben und mitzumachen. Dem Vater helfend unter die Arme greifen, bei Mutter in der Küche Sternchen formen, lecker schmeckende Plätzchen backen, mal was aus der Teigschüssel naschen und es gar nicht erwarten können, bis die Mutter die noch warmen Plätzchen aus dem Ofen holt. Gegen Abend, wenn es langsam dunkel wird, gehen in den Fenstern viele, viele Lichtlein an. Große und kleine Lichterbögen, wunderschöne Adventssterne (auch eßbar, siehe hier; -> Geschichte), Engel und Bergmann. Wohin das Auge auch blickt, alles ist hell erleuchtet in diesem unserem Weihnachtsland. Überall hört man erzgebirgische Weihnachtslieder, Menschen sind unterwegs und in der kalten Schneeluft riecht es nach Gebratenem und süßer Leckerei.

Es ist Weihnachtsmarkt, da trifft man sich, da ist man lustig. Es gibt viel zu bestaunen, zu essen und zu trinken. Hier und da kauft man noch ein kleines Geschenk für die Lieben. Es ist nun gar nicht mehr weit, dann ist der 24. Dezember - Heiligabend. An diesem Tag fängt der Vater schon zeitig früh damit an, das sorgfältig auserwählte Tannenbäumchen in die gute Stube zu stellen. Ist das geschafft, wird aus diesem kleinen Bäumchen langsam ein richtiger Weihnachtsbaum. Geschmückt mit vielen bunten Kugeln, Glöckchen, Sternen und Lichtlein, ist er nun der Stolz der ganzen Familie. Hin und wieder dringen aus der Küche verführerische Düfte. Heute gibt es, so wie jedes Jahr im Erzgebirge, an Heiligabend das "Neunerlaa"*). Der Abend ist gekommen, und überall in den Häusern sitzen die Familien an festlich geschmückten Tischen; begleitet vom Läuten der Kirchenglocken, wird es ganz still und ums Herz ganz warm. Im Gebet bitten wir Herrn Jesus, Gast bei uns zu sein, und bedanken uns für die reichlich gedeckte Tafel. Wenn das Abendessen vorbei und die Mutter froh ist, daß es allen gut geschmeckt hat, sieht man überall kleine Kindernasen an den Fensterscheiben kleben. Wann kommt endlich der Weihnachtsmann?
*) Neunerlaa (Neunerlei) = typisches erzgebirgisches Gericht in der Weihnachtszeit mit neun Speisefolgen, denen eine besondere Bedeutung zugesprochen wird

Voller Erwartung wird gelauscht, und da, ganz deutlich, hört man ihn durch den tiefen Schnee stapfen. Er pocht an die Tür und kommt herein, mit einen riesigen Sack voller Geschenke. Dann droht er allen mit seiner großen Rute: "Wart ihr alle artig?", aber alle braven Kinder haben nichts zu befürchten. Und nun ist die Zeit der Bescherung. Viele Päckchen holt der Weihnachtsmann aus dem Sack, und wer ein Liedchen singen oder ein Gedicht aufsagen kann, der wird auch beschenkt.

Alle kleinen Hände sind damit beschäftigt, die großen und kleinen Päckchen auszupacken. Mit leuchtenden Augen stellt ein jeder fest, der Weihnachtswunschzettel ist auch in diesem Jahr angekommen. Langsam geht der Tag zu Ende, und alle sind in ihren Herzen glücklich. Ganz zeitig am nächsten Morgen, dem 1.Weihnachtsfeiertag, werden in den Kirchen die Christmetten gefeiert. Nächtliches Läuten der Glocken läßt alle wissen, ´s Christkind wurde geboren".

(Quellen: 1. Text: http://www.tourismus-erzgebirge.de; 2. Bild: http://www.erzgebirge.de/texte/erzgebirge/tourismus. Da in (1) alle Links gesperrt (!) sind, habe ich sie durch eigene ersetzt, W.N.)

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