für eine Anfrage vom hr, Studio Kassel:

Jemandem ein X für ein U vormachen

Die von vielen unreflektiert angewandte Redensart denkt um 2 Ecken herum:

Zum einen steht im lateinischen Alphabet das Schriftzeichen V auch für den Lautwert /u/, z.B. in CIRCVS oder EDVCATIO. Gleichzeitig ist V das Zahl-Zeichen für /5/ und, vertikal gesehen, die Hälfte von X, dem Zahl-Zeichen für /10/. Steht nun auf einer Schulden-Tafel (oder, wie man auch sagte, dem Kerbholz, in das entsprechende Kerben eingeritzt wurden), statt des wahrheitsgetreuen Vs ein X, so wird dem Schuldner unrechtmäßig das Doppelte des zu Zahlenden abverlangt.

Wie nun aus der Verkettung beider Tatbestände die Redensart zustande kam, bleibt ungeklärt; leider hat sich auch das 32-bändige Wörterbuch der Brüder Grimm nicht dazu geäußert.

W. Näser 26.9.2006