Deutsch im 20. Jahrhundert * Dr. Wolfgang Näser * Mi 16-18, HS 110 Biegenstraße 14 * Beginn 10.4.2002

Einstein, Albert (1879-1955): Eröffnung der 7. Großen Deutschen Funkausstellung am 22.8.1930
(mit hist. Tondokument: für freundliche Unterstützung danke ich Herrn Bernhard WICHERT, Roetgen; das Tondok. wurde von mir bearbeitet)

Anm.: die Bilder stammen größtenteils aus dem Internet. Sollte deren Verwendung gegen irgendwelche Rechte verstoßen, werden sie sofort getilgt. Ich bitte um Nachricht (und Nachsicht)

VORBEMERKUNG: Der weltberühmte Physiker, nach dem ein radioaktives Isotop und das den Photo-Effekt bestimmende Gesetz benannt wurden, kommt am 14. März 1879 in Ulm zur Welt; da er verhältnismäßig spät sprechen lernt, erhält er ab 1884 Privatunterricht, auch Violinunterricht. Ab 1885 besucht er die öffentliche Volksschule in München und wechselt 1888 ins dortige Luitpold-Gymnasium; dieses verläßt er 1894 vorzeitig und folgt der Familie nach Mailand. Nach dem Abitur in Zürich studiert er ab Herbst 1896 am Polytechnikum (der späteren ETH) und macht im Juli 1900 sein Diplom. Nach erfolglosen Bewerbungen um eine Assistentenstelle wird er 1901 Lehrer in Winterthur und Schweizer Bürger; 1902 wechselt er nach Bern und begründet dort mit Maurice Solovine und Conrad Habicht (=> Bild rechts) die "Akademie Olympia", in der wissenschaftliche und philosophische Themen diskutiert werden. "Die Spezielle Relativitätstheorie ist an der Kramgasse 49 in Bern entstanden und die Anfänge der Allgemeinen Relativitätstheorie ebenfalls in Bern."
Ab 1902 techn. Experte am Berner Patentamt, promoviert E. im Juli 1905 mit seiner "neuen Bestimmung der Moleküldimensionen" an der ETH Zürich und publiziert im gleichen Jahr fünf Arbeiten in den "Annalen der Physik", die die Grundlagen der Physik revolutionieren. "Über einen die Erzeugung und Verwandlung des Lichtes betreffenden heuristischen Gesichtspunkt" enthält die Theorie, elektromagnetische Strahlung müsse aus Lichtquanten bzw. Photonen bestehen. Dies wird zur Grundlage einer Quantentheorie der Strahlung und dafür erhält E. 1921 den Nobelpreis. Der Artikel "Zur Elektrodynamik bewegter Körper" formuliert die Prinzipien der speziellen Relativitätstheorie, führt zu einer Neufassung der Begriffe Raum und Zeit und basiert auf dem Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit und auf dem Relativitätsprinzip. In "Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig?" findet sich die berühmte Formel  E=mc2. 1908 habilitiert sich E. an der Uni Bern, wird 1909 Außerordentlicher Professor für Theoretische Physik an der ETH Zürich, 1911 Ordentlicher Professor an der (3/1947 durch Benes-Dekret aufgelösten) Deutschen Universität Prag und 1912 nach Zürich berufen. 1914 zieht er nach Berlin und hält dort am 2.7. seine Antrittsrede als ordentliches hauptamtliches Mitglied der Preuß. Akademie der Wissenschaften und Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik. Nach intensiven Forschungen erscheint im März 1916 die "Grundlage der allgemeinen Relativitätstheorie", deren astrophys. Gegebenheiten 1919 von Arthur Stanley Eddington (Foto: mit E. in Greenwich) und Andrew Crommelin bestätigt werden, was E. zum Traditionsnachfolger des großen Newton und damit weltberühmt werden läßt. Seit 1920 immer häufiger antisemitischen Angriffen ausgesetzt, betätigt er sich auch politisch-pazifistisch (s.a. Lexikon-Artikel), wird 1922 Mitglied der Völkerbund-Kommission für Intellektuelle Zusammenarbeit und unterstützt die Zionisten, vor allem den Plan einer Hebräischen Universität in Jerusalem (der er auch seinen gesamten schriftlichen Nachlass vererbt; im November 1952 lehnt er das Angebot ab, nach Chaim Weizman 2. Staatspräsident von Israel zu werden). Im März 1933 tritt er aus der Preuß. Akademie der Wissenschaften aus und gibt in Deutschland alle akademischen Ämter auf; am Institute for Advanced Study in Princeton (Bild rechts) findet er eine neue Wirkungsstätte, wird kurz darauf USA-Bürger. Bislang überzeugter Pazifist, schreibt er - unter Berufung auf Enrico FERMI und Leo SZILARD - am 2.8.1939 an Präsident Roosevelt, warnt vor einer deutschen Atombombe, empfiehlt "to speed up the experimental work" und initiiert damit eine Entwicklung (Manhattan Project, 8/42 ff.), die sechs Jahre später in Hiroshima und Nagasaki hunderttausende von Todesopfern forderte. 1946 propagiert er in einem offenen Brief an die Vereinten Nationen die Bildung einer Weltregierung als einziger Möglichkeit für dauerhaften Frieden. Der schon ab 1928 Herzkranke stirbt am 18. April 1955 in Princeton.

Vor klobigen Reisz-Mikrofonen stehend und einen luftigen Pavillon im Rücken, eröffnet Einstein (s. Foto unten) am 22. August 1930, also weniger als zweieinhalb Jahre vor HITLERs Machtübernahme, die siebte Berliner Funkausstellung; das (im Original stark verrauschte, mit langen Pausen versehene) Tondokument entspricht leider nicht ganz dem damaligen Standard der mit elektrischen Wandlern arbeitenden Audio-Technik. E.s Rede erschließt in ihrer Menschlichkeit und Schlichtheit auch die Herzen der zahllosen Hörer; zugleich ist sie ein genial-kurzer Rückblick auf die zum hoffnungsvollen Medium Rundfunk hin führende Technikgeschichte. Mit Einstein - das dürfte überdeutlich werden - verlor das "neue Deutschland" seinen genialsten Denker, und hiermit diskreditierte sich der obsiegende Nationalsozialismus schon früh in geradezu verbrecherischer Weise. W.N.

Verehrte An- und Abwesende! Wenn Ihr den Rundfunk höret, so denkt auch daran, wie die Menschen in den Besitz dieses wunderbaren Werkzeuges der Mitteilung gekommen sind. Der Urquell aller technischen Errungenschaften ist die göttliche Neugier und der Spieltrieb des bastelnden und grübelnden Forschers und nicht minder die konstruktive Phantasie des technischen Erfinders. Denkt an Oersted, der zuerst die magnetische Wirkung elektrischer Ströme bemerkte, an Reis, der diese Wirkung zuerst benutzte, um auf elektromagnetischem Wege Schall zu erzeugen, an Bell, der unter Benutzung empfindlicher Kontakte mit seinem Mikrophon zuerst Schallschwingungen in variable elektrische Ströme verwandelte. Denkt auch an Maxwell, der die Existenz elektrischer Wellen auf mathematischem Wege aufzeigte, an Hertz, der sie zuerst mit Hilfe des Funkens erzeugte und nachwies. Gedenket besonders auch Liebens, der in der elektrischen Ventilröhre ein unvergleichliches Spürorgan für elektrische Schwingungen erdachte, das sich zugleich als ideal einfaches Instrument zur Erzeugung elektrischer Schwingungen herausstellte. Gedenket dankbar des Heeres namenloser Techniker, welche die Instrumente des Radio-Verkehres so vereinfachten und der Massenfabrikation anpaßten, daß sie jedermann zugänglich geworden sind.

Sollen sich auch alle schämen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen und nicht mehr davon geistig erfaßt haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frißt.

Denket auch daran, daß die Techniker es sind, die erst wahre Demokratie möglich machen. Denn sie erleichtern nicht nur des Menschen Tagewerk, sondern machen auch die Werke der feinsten Denker und Künstler, deren Genuß noch vor kurzem ein Privileg bevorzugter Klassen war, der Gesamtheit zugänglich und erwecken so die Völker aus schläfriger Stumpfheit.

Was speziell den Rundfunk anlangt, so hat er eine einzigartige Funktion zu erfüllen im Sinne der Völkerversöhnung. Bis auf unsere Tage lernten die Völker einander fast ausschließlich durch den verzerrenden Spiegel der eigenen Tagespresse kennen. Der Rundfunk zeigt sie einander in lebendigster Form und in der Hauptsache von der liebenswürdigen Seite. Er wird so dazu beitragen, das Gefühl gegenseitiger Fremdheit auszutilgen, das so leicht in Mißtrauen und Feindseligkeit umschlägt. Betrachtet in dieser Gesinnung die Ergebnisse des Schaffens, welche diese Ausstellung den staunenden Sinnen des Besuchers darbietet."

Wird ergänzt * Layout, Vorwort, Ergänzungen (c) Dr. W. Näser, MR; Stand: 13.6.2002.