From - Wed Feb 10 12:30:55 1999
Message-ID: <36C16DEE.33E@mailer.uni-marburg.de> Date: Wed, 10 Feb 1999 12:30:54 +0100
From: "Dr. Wolfgang Näser"
Reply-To: naeser@mailer.uni-marburg.de
Organization: Deutscher Sprachatlas, Uni Marburg
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To: harald.schmidt@sat1.de
Subject: Harald-Schmidt-Show vom 9.2.1999; "Lachen auf Rädern"
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Lieber Harald Schmidt,

bisher ein Fan Ihrer Show, muß ich Ihnen meinen Abscheu ausdrücken zum Spot "Lachen auf Rädern" in Ihrer gestrigen Show. Wie Sie einen - zum Spaß porträtierten - sterbenden Mann mit Ihrer Lache genervt und, nachdem Sie ihn zugedeckt, noch mit Ihrer Karnevalströte verspottet haben, das überschritt bei weitem alle Grenzen des Geschmacks und des Zumutbaren. Ich habe unmittelbar danach abgeschaltet und weiß deshalb nicht, wie die - vorwiegend jungen und weiblichen - Zuschauer diese Zumutung aufgenommen und kommentiert haben.

Beißende Satire, guter Witz: warum nicht. Humor ist eine in Deutschland aussterbende Spezies. Doch Humor, wahrer Humor, verletzt niemals einen Menschen, vor allem keinen, der sich, wie ein schwerkranker, sterbender, nicht (mehr) wehren kann. Ich frage mich, was Sie sich eigentlich bei diesem Machwerk gedacht haben (wenn überhaupt). Vielleicht lachen Sie über meine E-mail. Können Sie ruhig. Eines ist sicher: auch Sie werden einmal alt. Und dann wünsche ich Ihnen einen sogenannten Entertainer, der Ihnen dann so an und auf die Nerven geht wie Ihr (fiktiver) Humorist auf Rädern. Denn alt zu sein, einsam auf den Tod zu warten in einem Altersheim, im Bewußtsein des Endstadiums, das ist keine spaßige Sache. Und dann noch verspottet werden: wissen Sie, lieber Harald Schmidt, so zynisch waren einst die SS-Aufseher und Capos in den KZs, wo Wehrlose gefoltert und kaputtgearbeitet wurden. Lesen Sie Paul Celans "Todesfuge".

Humor und Satire: JA BITTE. Aber nur, wenn die Betroffenen, wenn sie es verdient haben, sich wehren können. Wie wäre es denn mal mit einer Satire über sich selbst? Gucken Sie mal in den Spiegel, und Sie finden genug Stoff dafür. Und denken Sie in diesem Sinne daran. daß sich nicht alles dafür eignet, das schnelle Geld zu machen.

Beste Grüße,
Ihr Wolfgang Näser
http://staff-www.uni-marburg.de/~naeser/welc.htm