Massendemonstration gegen die Gesundheitsreform

30 000 Klinik-Beschäftigte gehen in Berlin auf die Straße ­ ÖTV-Chef Mai: Beitragsstabilität darf kein Dogma sein

Berlin ­ Die Beschäftigten der Krankenhäuser laufen Sturm gegen die geplante Gesundheitsreform der Bundesregierung. Rund 30 000 Angestellte haben am Dienstag in Berlin gegen die Sparpläne protestiert. Sie forderten Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) auf, den Kliniken ausreichend Geld für die Behandlung der Kranken bereitzustellen.

„Die Beitragsstabilität darf kein Dogma sein", sagte der Chef der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV). Die Kostendämpfung dürfe nicht weiter auf dem Rücken des Krankenhauspersonals ausgetragen werden. Der Vorsitzende der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), Roland Issen, erklärte: „Wir werden eine weitere Verschlechterung der Arbeitsbedingungen nicht zulassen."

Mai warnte davor, daß die Pläne der Gesundheitsministerin die Qualitiät der Behandlung gefährden. Es dürfe nicht sein, „daß Menschen sterben, weil die Warteliste für die lebensrettende Operation zu lang ist", sagte Mai. Die Deckelung der Krankenhauskosten sei keine Reformpolitik, kritisierten die Gewerkschafter. Die Politik müsse akzeptieren, daß ein Großteil der Krankenhausausgaben Personalkosten seien, die tendentiell stiegen. Denn man könne die Klinikbeschäftigten nicht von der allgemeinen Einkommensentwicklung abkoppeln.

Die Gewerkschaften monierten, daß die Reformpläne 20 000 Arbeitsplätze in den Kliniken „akut gefährden". Ebenso wie der Marburger Bund, der Verband der Krankenhausärzte, lehnten DAG und ÖTV die vorgesehene Einführung eines Globalbudgets, das die Höhe der gesamten Krankenkassenausgaben festlegt, ab. Gesundheitspolitik dürfe nicht allein nach betriebswirtschaftlichen Kriterien gestaltet werden, forderte Mai.

Als „Mogelpackung" bezeichnete der Versitzende des Marburger Bunds, Frank Ulrich Montgomery, die Gesetzesreform von Fischer. Den Kliniken fehlten 1,1 Mrd. DM, um die diesjährige Tariferhöhung von 3,1 Prozent zu finanzieren. Schon in den vergangenen Jahren sei in den Krankenhäusern auf Kosten der Beschäftigten gespart worden. Montgomery kritisierte überdies die „einseitige Stärkung" der Macht der Krankenkassen. Künftig entschieden allein die Kassen über die Verteilung der Budgets. DAG-Chef Issen befürchtet, daß nur die Kliniken überleben werden, „die den Kassen Dumpingpreise anbieten". dsi.

Quelle: DIE WELT, 16.6.99