Klaus Groth (1819-1899):  

            Min Modersprak
(entstanden im Juli 1849 auf Fehmarn; Versuch einer
hochdeutschen Übertragung von Wolfgang Näser [1996])
Min Modersprak, wa klingst du schön! O Muttersprache, klingst du rein! Wa büst du mi vertrut! Wie bist du mir vertraut! Weer ok min Hart as Stahl un Steen, Wär' auch mein Herz wie Stahl und Stein, Du drevst den Stolt herut. Du triebst den Stolz heraus. Du bögst min stiwe Nack so licht Du beugst den steifen Hals so leicht As Moder mit èrn Arm, Wie Mutters lieber Arm, Du fichelst mi umt Angesicht. Du schmeichelst mir ums Angesicht Un still is alle Larm. Und weg ist aller Harm. Ik föhl mi as en lüttjet Kind, Ich fühle wie ein kleines Kind, De ganze Welt is weg. Die Welt ist einerlei. Du pust mi as en Voehrjahrswind Du bläst mir wie ein Frühjahrswind De kranke Boss torecht. Den kranken Busen frei. Min Obbe folt mi noch de Hann' Großvater faltet mir die Hand Un seggt to mi: Nu bè! Nun bete, ist sein Rat. Un "Vaderunser" fang ik an, Und "Vater unser" fang ich an As ik wul fröher dè. Wie ich es früher tat. Un föhl so deep: dat ward verstan, Die Rede wirkt, schenkt neuen Mut, So sprickt dat Hart sik ut. So spricht das Herz sich aus; Un Rau vun'n Himmel weiht mi an, Himmlische Ruhe weht mich an Un allns is wedder gut! Nun ist es wieder gut. Min Modersprak, so slicht un recht, O Muttersprache, recht und schlicht, Du ole frame Rèd! Du alte, fromme Red'. Wenn blot en Mund "min Vader" seggt, Wenn nur ein Mund 'mein Vater' spricht, So klingt mi't as en Bèd. Klingt es wie ein Gebet. So herrli klingt mi keen Musik So herrlich klingt keine Musik; Un singt keen Nachdigal; Singt keine Nachtigall; Mi lopt je glik in Ogenblick Mir läuft im selben Augenblick De hellen Tran hendal. ein Tränenstrom zutal.
Anmerkungen zur Übertragung: Klaus GROTHs Lyrik enthält viele schlichte, aber ungemein kraftvolle Einsilbler
(Rèd, Bèd usw.), auch andere Wörter sind kürzer als ihr
jeweiliges hochdeutsches Pendant. Ist schon das Versmaß
schwierig umzusetzen, so bereitet ein zusätzlicher REIM
fast unüberwindbare Schwierigkeiten. Deshalb ist obiger
Versuch in jeder Hinsicht vorläufig und unvollkommen.

W. Näser 30.7.1996