Textsorte: Andacht (=> Predigt)
Pfr. Jörg Hebrank (Bad Arolsen):
Und Gott der HERR wird die Tränen von allen Angesichtern
abwischen.
Zeitungsandacht (WLZ)
am 21. April 2001 zu Jes. 25, 6-9
Wenn Tränen abgewischt werden müssen, dann ist jemand traurig. Denn wer nicht weint, dessen Tränen brauchen auch nicht abgewischt zu werden.
Vielleicht erinnern wir uns zurück, wie wir manches Mal als Kinder geweint haben. Und wie dann die Mutter oder die Oma, vielleicht auch der Vater oder der Opa oder ältere Geschwister uns getröstet haben. Sie haben uns die Tränen aus dem Gesicht gewischt. Und meistens haben sie wohl gesagt: Hör auf zu weinen! Sei nicht mehr traurig. Es ist doch alles gar nicht so schlimm. Und tatsächlich war es dann auch gar nicht mehr so schlimm. Das aufgeschlagene Knie hat vielleicht immer noch geblutet und auf jeden Fall hat es immer noch genauso wehgetan wie einige Minuten zuvor - aber doch war es eine ganz andere Situation, jetzt auf dem Schoß der Mutter oder eines anderen lieben Menschen zu sitzen und gesagt zu bekommen: Es ist doch alles gar nicht so schlimm! Bei der Mutter fühlten wir uns sicher und geborgen. Und auf ihre Worte, dass alles bald wieder heile würde, konnten und wollten wir uns verlassen.
So wie einen eine Mutter tröstet, so will uns auch Gott trösten. Das hat er uns durch den Propheten Jesaja im Alten Testament zugesagt. Er wischt die Tränen von unseren Gesichtern ab. Und wenn er uns zusagt, dass alles doch gar nicht so schlimm ist und bald wieder besser wird, dann können und wollen wir das glauben. Auch wenn das aufgeschlagene Knie immer noch blutet und ganz schön wehtut.
Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Auf irgendetwas hoffen alle Menschen. Hoffnung gehört zum Wesen des Menschen wie die Luft zum Atmen, das Wasser zum Trinken und das Brot zum Essen. Ohne Hoffnung sind wir hoffnungslos - und damit verloren.
Die Hoffnung ist nötig, solange unser Leben von vielen Krankheiten, Kriegen, Unwetter und schließlich dem Tod bedroht ist. Eine ganze Wirtschaftsbranche lebt davon, dass unser Leben vom Tod bedroht ist und wir diese Bedrohung auch spüren. Sonst würden sich Lebensversicherungen nicht so gut verkaufen. Und doch kann keine Versicherung, kann kein Geld mich vor dem Tod bewahren. Allenfalls kann eine sinnvoll abgeschlossene Lebensversicherung den Angehörigen helfen, sich finanziell über Wasser zu halten, wenn der Ernährer der Familie gestorben ist.
Und auch die Horoskope, die sich in jeder Zeitschrift und Zeitung täglich finden und über viele Radiosender ins Land gesendet werden, zeugen davon, wie sehr wir Menschen von der Bedrohung unseres Lebens wissen und wie wir versuchen, uns dagegen abzusichern. Wenn ich vorher weiß, was kommt, dann kann ich vielleicht noch rechtzeitig etwas dagegen unternehmen ... Aber gegen meinen Tod kann ich nichts unternehmen - selbst dann, wenn ich einige Stunden vorher mit Sicherheit wüsste, dass ich sterben werde. Und daher ist es gut, dass wir vorher nicht wissen, wann unsere Stunde gekommen ist.
Der Prophet Jesaja, den ich hier schon zweimal zitiert habe, berichtet von der Hoffnung, die Gottes Volk in dieser Bedrohung des Lebens nicht auf Lebensversicherungen oder Horoskope, sondern auf Gott setzt.
Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. - Gott wird den Tod verschlingen auf ewig. Das haben wir Ostern in den Gottesdiensten gefeiert.
Die Botschaft von der Auferstehung Jesu Christi müssen wir nun auch in unser Leben hinein buchstabieren. Erst dann bekommt die Botschaft von Gottes Sieg über den Tod ihre wahre Kraft. Aber die Botschaft von der Auferstehung, die für uns erst noch kommt, tröstet uns auch immer wieder in all unserem Kleinmut. Denn auch diesen Kleinmut wird Gott besiegen.
Wir vertrösten uns hier nicht mit dem Sankt Nimmerleinstag. Denn Gott hat es gesagt und auf sein Wort dürfen und wollen wir uns verlassen. Und diese Gewissheit, dass wir in Gottes Hand sind und er es gut mit uns meint, hilft uns, gut zu unseren Mitmenschen zu sein. Wir können es nicht schaffen, das Leid aus dieser Welt von heute auf morgen zu verbannen - aber wir können ein bisschen daran arbeiten, dass es in unserer Umgebung mitmenschlicher, gerechter, freundlicher zugeht. Immer im Vertrauen auf Gottes Hilfe.
Der Herr ist wahrhaftig auferstanden!
Jörg Hebrank, Pfarrer in
Bad Arolsen-Helsen
(übermittelt per E-mail v.
16.7.2001)
Layout: (c) WN * Seite erstellt am 5.8.2002