ISK 1993: MEDIEN und LITERATUR - Kurs 6, Dr. Wolfgang Näser

Text 1:

Die Medien an der Schwelle zum 3. Jahrtausend
Eine Bestandsaufnahme
von Wolfgang Näser

AM ANFANG WAR DAS WORT...

Um 3000 vor unserer Zeitrechnung lernten die Menschen schreiben; Tontafeln mit Keilschrift gehörten zu den ersten MEDIEN, die uns heute Daten und Fakten mitteilen, aus denen wir den Gang der Kultur- und Sozialgeschichte ableiten können. Jahrtausende später wurden in Europa alte Heldenlieder mit vielen tausend Versen mündlich überliefert (orale Tradition) und danach in Klöstern aufgeschrieben; dort entstanden auch URKUNDEN, WEISTÜMER und CHRONIKEN, ohne die wir hinsichtlich des Mittelalters und der frühen Neuzeit nur auf Vermutungen angewiesen wären. FACH-LITERATUR entstand zu Medizin, Botanik, Falknerei usw. In "Summen" dokumentierte man das Gesamtwissen der Zeit. Durch kriegerische Konflikte gingen damals viele Handschriften verloren oder wurden "verderbt", man mußte sie mühsam restaurieren.

Johannes GUTENBERGs Erfindung des BUCHDRUCKs mit beweglichen Lettern läutete um 1445 die Ära der, wie es heute heißt, PRINT-MEDIEN ein. "Und das Wort machte seine Gewalt geltend": Martin LUTHERs sprachlich revolutionäre VOLLBIBEL und die in der Reformationszeit massenhaft gedruckten und verbreiteten TRAKTATE zeigten erstmals die indoktrinierende Wirkung solcher "Massenmedien", und in den Bauernkriegen erwiesen sie sich als eminent politisch. Später kam die auch "Aviso" betitelte ZEITUNG hinzu, im 19. Jahrhundert die ZEITSCHRIFT; beide genießen mittlerweile das Privileg, sogar auf's "stille Örtchen" mitgenommen und dort "konsumiert" zu werden.

100 JAHRE FUNK, 80 JAHRE RADIO

Nach rund vierhundert Jahren Alleinherrschaft wurden die - immer zeitversetzt berichtenden - Printmedien ergänzt durch eine sozusagen in "Echtzeit", also unmittelbar oder direkt auf den Empfänger oder "Rezipienten" einwirkende Form der Nachrichtenübermittlung. Mit den Versuchen von Heinrich HERTZ (1887) und Guglielmo MARCONI (1897) begann das inzwischen fast hundertjährige RADIO-Zeitalter. 1903 wurde die "Gesellschaft für drahtlose Telegrafie" (TELEFUNKEN) gegründet, erste Weltfunkverträge 1906 und 1912 abgeschlossen; als die TITANIC, damals Inbegriff der modernen Technik, an einem Eisberg scheiterte, war ihr Funker so sehr mit Glückwunschtelegrammen beschäftigt, daß er die Warnsignale der nur 8 km entfernten "California" nicht beachtete.

Aus der "Funkentelegraphie" wurde das elektronische RADIO: die erste Rundfunkübertragung fand 1913 in New York statt. Die Station Pittsburgh wurde dadurch bekannt, daß sie 1920 das Ergebnis der Präsidentenwahl früher bekanntgab als die Presse.

Nach aufsehenerregenden Demonstrationen des Rundfunkpioniers Hans BREDOW (1919) ertönte im inflationsgeplagten Deutschland erst am 29.10.1923 aus dem Berliner "VOX-Haus", mit nur 400 Watt Hochfrequenz auf eine primitive Antenne geleitet, die erste Rundfunkstimme. Ein Herr Knöpfke, Direktor der eben gegründeten Radio-Stunde A.G., sprach in eine primitive Mikrofoneinrichtung:

"Achtung, Achtung. Hier ist die Sendestelle Berlin im Vox-Haus auf Welle 400. Meine Damen und Herren, wir machen Ihnen davon Mitteilung, daß am heutigen Tage der Unterhaltungsrundfunkdienst mit Verbreitung von Musikvorführungen auf drahtlos-telephonischem Wege beginnt. Die Benutzung ist genehmigungspflichtig."

"Die schöne Adrienne / hat eine Hochantenne" krächzte es aus den Kopfhörern. Mühsam und abenteuerlich war der Empfang mit "Kristalldetektor" und "langem Draht", der sich bei Gewitter gefährlich aufladen konnte, weshalb es nach jeder Sendung hieß:

BITTE VERGESSEN SIE NICHT, IHRE ANTENNE ZU ERDEN.

1924 gibt es in Berlin die erste deutsche Funkausstellung; aus einem der Antennenmasten wird zwei Jahre später der berühmte Funkturm, "langer Lulatsch getauft. 1926 gibt es schon ein "Radio" für nur 39,50 Reichsmark, es wird innerhalb dieses Jahres eine Million mal produziert; 1928 beginnen Fernsehexperimente, ein Jahr danach schlägt die Geburtsstunde des Weltrundfunksenders". Auch werden schon Sendungen aus Übersee empfangen und, wie man heute sagen würde, per "Ballempfang" an den Berliner Sender weitergegeben. Deutschland ist im "Radio-Fieber". Die "Roaring Twenties" sind kreative Rundfunkjahre. Künstlerische Formen wie das HÖRSPIEL kommen zu erster Blüte.

Die siebente Funkausstellung 1930 wird vom Nobelpreisträger Albert EINSTEIN eröffnet. "Sehr geehrte An- und Abwesende", spricht er ins Mikrofon, "wenn ihr den Rundfunk hört, so denkt auch daran, wie die Menschen in den Besitz dieses wunderbaren Werkzeugs gekommen sind...Gedenket dankbar des Heeres namenloser Techniker, welche die Instrumente des Funkverkehrs vereinfachten und der Massenfabrikation anpaßten, daß sie für jedermann zugänglich geworden sind. Schämen sollen sich die Menschen, die gedankenlos sich der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen und nicht mehr davon geistig erfaßt haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frißt..."

RADIO UND FERNSEHEN IN NAZI-DEUTSCHLAND

Hatte es in den Richtlinien der Rundfunkgesellschaften noch 1926 geheißen: "Der Rundfunk dient keiner Partei", so läßt Adolf HITLER kurz nach der Machtübernahme (30.1.1933) die vorher selbständigen Regional-Sender "gleichschalten" und stellt sie in den Dienst seiner Propaganda. Was Organisation und Programmgestaltung betrifft, so werden alle Kompetenzen an das Reichspropagandaministerium abgegeben. Linientreue Parteigenossen koordinieren von jetzt an Nachrichten und Unterhaltung. Der einfache, insgesamt 4,3 Millionen mal produzierte, nur 75 RM teure "Volksempfänger" VE 301, im Volksmund bald "Goebbels-Schnauze" genannt, trägt die demagogischen Tiraden in jedes Wohnzimmer. 1934 gibt es schon 5 Millionen Rundfunkteilnehmer.

FUNKAMATEURE, die 1923 erstmals den Atlantik überbrückten, machten auf die "Kurzen Wellen" aufmerksam. 1926 nimmt der erste deutsche KURZWELLENSENDER DJA in Königs Wusterhausen bei Berlin seinen Betrieb auf; der Sender Zeesen bringt ab 1929 regelmäßige Programme. 1932 sendet man schon mit drei Richtstrahlern, u.a. in die USA. 1936 kommt eine KW-Livereportage von der "Bremen", die um das Blaue Band kämpft. Die Olympischen Spiele werden von Garmisch und Berlin aus weltweit übertragen. 1939 sendet man auf 18 Wellen in alle Kontinente, darunter auch Südamerika. Die Olympia-Sender werden später von den Russen demontiert, andere von den Amerikanern für die "Voice of America" weiterbenutzt.

Abermillionen Deutsche hängen, als der Krieg ausbricht, an den Lautsprechern, suggestive "Sondermeldungen" berichten von Siegen, dann von "Frontbegradigungen", dann von Bomberpulks, Abermillionen hören ohnmächtig das "Wollt ihr den totalen Krieg", glauben auch danach an den "Endsieg" - "Feindsender" wie die BBC, die von KZs berichten, senden doch nur "Greuelpropaganda"...

"Hier ist der Fernsehsender Paul Nipkow, Berlin..."
Die Machthaber können von hervorragenden deutschen Erfindungen profitieren: 1936, bei den Olympischen Spielen in Berlin, gibt es erste Fernseh-Live-Übertragungen und bereits Großbild-Projektionen in einzelnen "Fernsehstuben". "Fernsehen im Jahre 2000", ein "Fernseh-Bühnenspiel" von Norbert Schultze, wird zur Sensation der 13. Funkausstellung 1937; die Fernseh-AG zeigt schon 441-Zeilen-Fernsehen von höchster Qualität. 1938, als in Berlin-Dahlem Otto Hahn und Fritz Straßmann die Uranspaltung entdecken, startet zur Funkausstellung als erstes FERNSEHSPIEL "Das Flaschenteufelchen" nach R.L. STEVENSON. 1938 gibt es erste Fernseh-TELEFONe, und 1939, kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, existiert der Prototyp des "Fernseh-Einheitsempfängers" FE I, er sollte 650 Reichsmark kosten. Der Krieg verhindert die Ausbreitung des Fernsehens, doch wird im kleinen Kreis eifrig Programm gemacht: im besetzten Paris bis 1944, in Berlin und München für die "Fernsehstuben" und zur Soldatenbetreuung in Lazaretten.

Das Fernsehen wurde in jener Zeit noch als technische Spielerei angesehen; ein anderes "audiovisuelles" Medium hatte schon erste künstlerische Meriten geerntet: der TONFILM. Die stumme "Kinematographie" hatte in den zwanziger Jahren zwar künstlerische Höhen erreicht, doch hatte man die Intensität der Szenerie und Gestik dadurch zu steigern versucht, daß in den Kinos die Stummfilme von Pianisten oder kleineren Salon-Ensembles "live" untermalt wurden oder daß man eigens hierfür entwickelte und produzierte Langspiel-Schallplatten abspielte. Seit etwa 1926 entstand das Lichtton-Verfahren. Nur vier Jahre später produzierte Joseph von STERNBERG nach einem Roman von Heinrich MANN den "Blauen Engel", parallel in englischer und deutscher Fassung. Der Film zeigte eine für damalige Verhältnisse sensationelle Bild- und vor allem Tonqualität; der Entwicklungsstand wurde im Nazi-Staat genutzt, um eine Vielzahl von Unterhaltungs-, Propaganda- und Dokumentarfilmen herzustellen, deren dramaturgische Strategien auch im späteren, demokratischen, Filmschaffen genutzt wurden. Erste FARBTONFILME entstanden ab 1939; "Münchhausen" und "Große Freiheit Nr. 7" haben die Zeiten überdauert; andere, stark ideologisch gefärbte Filme gerieten in Vergessenheit.

PROGRAMME WERDEN ZU KONSERVEN

Ein uralter, auf der Magie der Sprache gründender Menschheitstraum hatte darin bestanden, die menschliche Stimme und die von ihr produzierte Information auf Dauer "festhalten" und quasi als "Konserve" danach beliebig oft "dienstbar" machen zu können. Immerhin hatte bereits um 1878 Thomas A. EDISON eine brauchbare "Sprechmaschine" erfunden, zehn Jahre später kam Emile BERLINERs "Grammophon"; noch in der "Kaiserzeit" erreichte die Schallplatte eine erstaunliche Popularität. Einen gewaltigen Innovations-Schub bedeutete die elektrische Aufnahmetechnik, die nach ihrer Weiterentwicklung in den dreißiger Jahren dem Medium auch wissenschaftliche und didaktische Bereiche eröffnete. "Die Schallplatte ist ja keineswegs eine Unterhaltungsware schlechthin", schreibt Erich SCHWANDT in seinem "Schallplatten-Bastelbuch" (Leipzig o.J.), "sie steht vielmehr unmittelbar neben dem Buch und der Notenschrift, und sie ist in einer Hinsicht noch mehr, sie ist das tönende Buch und die tönende Notenschrift." (S. 10) Dreißig Jahre vor dem SPRACHLABOR-Boom heißt es da:

"In der Sprachpflege macht man ebenfalls in zunehmendem Maße von der Schallplatte Gebrauch, so z.B. um unerwünschte Dialektbildungen unter Lehrern, die ja für die Sprecherziehung in erster Linie maßgebend sind, auszumerzen. Großes Interesse findet z.B. der Einsatz der Schallplatte in sächsischen Lehrerkreisen, um die hier bedeutungsvolle Erziehung zur Hochsprache zu unterstützen." (S. 12)

Schon in den frühen dreißiger Jahren gibt es "Selbstaufnahme-Amateure": sie "schneiden" die Schallereignisse in "Tonfolien", "Selbstaufnahmeplatten"; das Wort "mitschneiden" bürgert sich ein. Ihr Ziel ist möglicherweise die "akustische Familienchronik", das "Familien-Tonbuch", oder sie wollen eine politische Rundfunkrede mitschneiden. "Schallplatten" schnitt auch die Geheime Staatspolizei, wenn politisch Verdächtige abgehört wurden: dies ist Gegenstand einer Szene in "Des Teufels General", 1954 nach einem (1946 uraufgeführten) Bühnenstück Carl ZUCKMAYERs gedreht.

Der Deutsche Rundfunk schnitt (nach Angaben von E. SCHWANDT) allein im Jahr 1937 bereits 80.000 Schallfolien (=biegsame Schallplatten) und verfügte Anfang 1938 über rund 400.000 Wachs-Aufnahmen. Interessanterweise wird schon damals die später von den Japanern als KARAOKE propagierte Bewegung vorweggenommen:

"In diesem Zusammenhang verdient die "Spiel mit"-Plattenreihe Erwähnung, jenes einzigartige Unternehmen, bei dem man z.B. in einem Quartett, dessen Darbietungen man auf Platten nahm, ein Instrument fehlen ließ; dieses Instrument aber spielt nun der Besitzer der Platte." (SCHWANDT, a.a.O. 13)

Schallplatten und Tonfolien können nur einmal "bespielt" werden: bislang fehlte ein beliebig wiederverwendbarer "Tonträger". Ein metallbeschichtetes Band, dessen molekulare Partikel durch die Information "magnetisiert" werden und dessen Magnetisierung sich beliebig oft "löschen" läßt, war die Lösung. Das "Tonband" und zugleich das erste "Magnetophon" präsentierte 1935 die deutsche Firma AEG, und 1943, also vor 50 Jahren, machte die Reichsrundfunkgesellschaft mit studiomäßigen Tonbandgeräten und den bereits 1928 von Georg NEUMANN erfundenen Kondensator-Mikrofonen erste STEREO-Tonaufnahmen.

"Naturgetreuen" Klang, später auch bei uns "HiFi" genannt, erzielte bald auch der RUNDFUNK: 1950 wird im noch stark zerstörten Nachkriegsdeutschland die störungsfreie, breitbandige ULTRAKURZWELLE eingeführt, propagiert als "Welle der Freude" und prädestiniert für MUSIK jeder Art, die ab 1962 auch STEREOPHON ausgestrahlt wird. Die MUSIKTRUHE, später die STEREO-ANLAGE, schafft den KONZERTSAAL IM EIGENEN HEIM, wird zum Status-Symbol, erschließt vielen "Normalbürgern" klassische Kompositionen, sensibilisiert Hörempfinden und Hörgeschmack der Komsumenten. In den siebziger Jahren eröffnet die KUNSTKOPF-STEREOPHONIE neue akustische Dimensionen und bereichert das HÖRSPIEL mit "packenden" dramaturgischen Effekten.

SCHALLPLATTE und TONBAND erscheinen als akustische Medien seit 1950 zunehmend im UNTERRICHT; die 1963, also vor dreißig Jahren, eingeführte KOMPAKT-CASSETTE wird zum weltweit billionenfach verbreiteten Standard-Tonträger in allen nur denkbaren Lebensbereichen und ersetzt in den sog. BLINDEN-HÖRBÜCHEREIEN tausende von Bänden der Belletristik und Fachliteratur. Wertvolle Unterrichtshilfen sind auch die Produktionen des Münchener INSTITUTS FÜR FILM UND BILD IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT (FWU).

Die ersten SCHULFUNK-Programme wurden schon 1926 vom "Deutschlandsender" verbreitet, die ersten SCHULFERNSEH-Programme sendete das BAYERISCHE FERNSEHEN im Jahre 1964; schon vorher hatte es im Sommer nachmittägliche "Ferienprogramme" gegeben mit interessanten Dokumentar- und Spielfilmen zur Kultur-, Technik- und Sozialgeschichte. Heute, im Entertainment-Zeitalter, sind nüchterne "Kulturfilme" nahezu in Vergessenheit geraten. Doch Schulfunk und Schulfernsehen bestehen fort und gehören zum Wertvollsten, das diese Medien zu bieten haben.

AGITPROP IM ROTEN REICH: DAS BEISPIEL DDR

Den Wert des Rundfunks erkannten schnell auch die roten Diktaturen, hatten sich doch bereits 1917 russische Revolutionäre mit einer Sendung "An alle" des jungen Mediums bedient. Der Rundfunk: ein grandioses Mittel für AGITATION UND PROPAGANDA. Radio Moskau verfügte in den 80er Jahren über mehr als 300 (!) der stärksten Kurzwellensender und war überall in der Welt fast "mit dem nassen Handtuch" zu empfangen.

In der zunächst stalinistisch gelenkten "DDR", deren "Ministerium für Staatssicherheit", wie wir heute wissen, die westdeutschen RAF-Terroristen unterstützte, arbeiteten Rundfunk und Fernsehen ähnlich organisiert, mit denselben Zielen und Strategien wie unter HITLER. "Die Partei, die Partei, die hat immer recht", so predigten anfangs Lautsprecher die "Diktatur des Proletariats". Der "Deutsche Fernsehfunk" (später: Fernsehen der DDR) übertrug militaristisch aufgemachte "Kampfdemonstrationen" zum 1. Mai und an die Nürnberger Parteitage erinnernde, riesige Massenveranstaltungen mit freiwilligen Selbstverpflichtungen von "Werktätigen" und Parteihuldigungen "Junger Pioniere". Filme und Fernsehspiele thematisierten kitschig und hausbacken den sozialistischen Alltag in der kleinbürgerlichen Welt der "Arbeiterklasse" und das stets hohen Zielen verpflichtete Wirken der "Intelligenz", "Polizeiruf 110" entlarvte nicht selten "subversive Elemente" aus dem Westen, in "Bunten Abenden" und Live-Reportagen festigten wohldosierte Kabarett-Einlagen und spontane "Singegruppen" den parteilichen "Klassenstandpunkt". Zu Vorbildern wurden die stets um "Welt-Niveau" bemühten "Helden der sozialistischen Arbeit", die "Neuerer-Kollektive" und "verdienten Künstler" im "Ersten Arbeiter- und Bauernstaat auf deutschem Boden". Die DDR-Medien propagierten so auch den "sozialistischen" WORTSCHATZ und zementierten, wie es lange schien, die vielbeklagte "Sprachspaltung" zwischen Ost und West: wer in der "BRD" verstand schon Wörter wie SUBBOTNIK (=freiwilliger Arbeitseinsatz), BROILER (=Brathähnchen) oder KOMBINE (=Mähdrescher, Vollerntemaschine)? Viele im Westen empfanden Bitternis über die in der DDR seit ihrer Anerkennung (1970-72) konsequent betriebene sprachliche ABGRENZUNG, die das gemeinsame Wort DEUTSCH aus offiziellen Bezeichnungen verdrängte. Teil einer "Gehirnwäsche"? Im August 1954 hatte doch noch im Geleitwort zum Lehrbuch "Die deutsche Sprache" (Leipzig) ein gewisser Hauptabteilungsleiter RIEHL erklärt:

"Allen deutschen Patrioten ist heute klar bewußt, daß unsere Nationalsprache ein festes Band zwischen Ost und West unseres Vaterlandes ist. Ihnen ist es daher nicht nur Herzenssache, sondern in der Gegenwart vor allem auch politische Pflicht, unsere deutsche Sprache gegen alle zersetzenden Einflüsse zu schützen."

In einer TV-Sendung "Der schwarze Kanal", die jedem Montagabend einem der oft gesendeten Spielfilme des Dritten Reiches angehängt wurde, hetzte DDR-Chefkommentator Karl Eduard von SCHNITZLER, schnell als "Sudel-Ede" berüchtigt, anhand willkürlich ausgesuchter und zusammenmontierter Programm-Ausschnitte des "West-Fernsehens" gegen die "BRD", ihre "Nato-Bischöfe", ihren mit "SA-Mann Schröder" betitelten Außenminister usw. Die allabendlichen Nachrichten der "Aktuellen Kamera" berichteten über Erfüllung der Normen in den "Volkseigenen Betrieben" und "Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften", Reportagen vermittelten den Alltag in der "Nationalen Volksarmee", propagierten den "Friedensdienst in den Reihen der Bewaffneten Organe". "Wer befehlen will, muß erst einmal gehorchen lernen", sagte ein junger NVA-Offizier in einer Jugendsendung.

Von Burg bei Magdeburg aus sendete, ausgerechnet mit modernstem westlichem Equipment, auf Mittelwelle der sog. "Deutsche Freiheitssender 904" und streute verschlüsselte Agenten-Nachrichten ein; an die Bundeswehrsoldaten richtete sich der "Deutsche Soldatensender 935". Am 13. August 1961, als die ersten Steine der Berliner Mauer, des "Antifaschistischen Schutzwalls", gesetzt wurden, kam im DDR-Fernsehen live ein "Bunter Abend" unter dem Titel "Jetzt schlägt's Dreizehn"; im Zuschauerraum saßen fast nur Uniformierte. Propagandistische West-Sender wie das von München aus operierende RADIO FREIES EUROPA wurden mit Störsignalen zugedeckt. Rundfunk im Kalten Krieg. Antennen als Waffen.

Die politische Dauer-Agitation wurde in der DDR als "Holzhammer-Narkose" empfunden, vor allem von der älteren Generation, die noch die Nazipropaganda über sich ergehen lassen mußte; Wörter wie "herzlich", "friedliebend" oder "demokratisch" wurden in DDR-Medien ihres Sinnes entleert.

Einwohner der Stadt Dresden! 

Am Mittwoch, dem 21. Mai 1980, werden junge Wehrpflichtige eines
Verbandes der Nationalen Volksarmee auf dem Dresdner Altmarkt öffent-
lich vereidigt.
   Das militärische Zeremoniell findet in der Zeit von 16 bis 17 Uhr statt.
Zu den jungen Soldaten und der Dresdner Bevölkerung spricht Genosse
Hans Hübner, 1. Sekretär der Stadtleitung Dresden der SED.
   In der Zeit von 11 bis 18 Uhr finden Platzkonzerte, sine Musikschau des
Bezirksmusikkorps der FDJ sowie Fesselflugvorführungen der GST statt.
   Es besteht die Möglichkeit zur Besichtigung von Ausbildungstechnik der
NVA und der GST, und Feldküchen laden zum beliebten Erbseneintopf-
essen ein.
   Bekunden Sie mit Ihrer Teilnahme die Verbundenheit der Dresdner Be-
völkerung mit unserer Nationalen Volksarmee!
   Je stärker der Sozialismus - desto sicherer der Frieden!
                                                      SED-Stadtleitung
                                                      Rat der Stadt
                                                      Stadtausschuß der
                                                      Nationalen Front 

aus: Sächsische Zeitung, 15.5.1980, Seite 8 

Eine bis an die Zähne bewaffnete, selbst im Zivilleben paramilitärische DDR, die das demokratische Westdeutschland als "militaristisch" und "kriegstreiberisch" bezeichnete und sich selbst als Teil der deutschen Nation von jeder historischen Schuld freisprach, konnte nur als verlogen gelten.

INFORMATION UND NICHTS ALS INFORMATION? 40 JAHRE DEUTSCHE WELLE

Kurz vor dem Juni-Aufstand in der "DDR" nimmt am 3. Mai 1953 im bundesdeutschen Köln die DEUTSCHE WELLE ihren Betrieb auf mit einer Ansprache des damaligen Bundespräsidenten Theodor HEUSS:

"Die Deutsche Welle hat eine ganz einfache Aufgabe, nämlich zu entkrampfen. Und das geschieht, indem sie von Deutschland berichtet - vorzugsweise, doch nicht ausschließlich -, deutsche Musik vermittelt, von Dingen der Kunst und Wissenschaft erzählt. Es soll ein Bild auch der sozialen, der wirtschaftlichen Entwicklung gegeben werden [...]"

Die DW ist kein "Regierungssender", sondern als Mitglied der ARD eine "gemeinnützige selbständige Anstalt des Öffentlichen Rechts", die sich von Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt finanziert.

Schon Ende der 60er Jahre wird die gesamte Sende-Regie computergesteuert abgewickelt; heute (1993) sendet die DW 90 täglich Stunden Programm in 35 Sprachen in alle Kontinente. Daneben vertreibt die DW seit 30 Jahren weltweit und in mittlerweile 7 Sprachen ausgewählte deutsche Fernseh-Produktionen. Sie produziert TV-Programme seit mehr als 25 Jahren. TRANSTEL wurde zu diesem Zweck 1965 als Tochtergesellschaft von ARD und ZDF gegründet und produziert nun pro Jahr etwa 12.000 Programmstunden, die aus den Kölner Studios in 120 Länder der Dritten Welt gehen. Der EUROPEAN TELEVISION SERVICE (ETS) ist eine Anfang der 70er Jahre gegründete Tochter von TRANSTEL und der DEUTSCHEN PRESSE-AGENTUR (DPA) und produziert aktuelle Hintergrundberichte und Magazine, ebenfalls für die Dritte Welt.

40 JAHRE WEST-TV: VOM FERNSEHEN ZUR VIDEOTHEK

Nach Versuchssendungen (1951/52) gibt es 1953 in der Bundesrepublik das erste Nachkriegs-Fernsehen mit "föderalistisch" in der sog. ARD zusammenarbeitenden Regional-Anstalten; als am 2. Juni Elisabeth II. den Thron besteigt, wird dies auch auf die wenigen deutschen Bildschirme "live" übertragen. Die EUROVISION sendet 1954 als sportlichen Höhepunkt das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft aus Bern mit dem überraschenden deutschen Sieg: viele drücken sich an Schaufenstern die Nase platt, in denen fast unerschwingliche Fernsehempfänger auf gutsituierte Kunden warten. Der Fernseh-Abend beginnt mit der "Tagesschau", sie bringt wie die Kino-"Wochenschau" Filmberichte aus aller Welt; dann kommt ein Kulturfilm, dann der Spielfilm oder - selten - ein Fernsehspiel: "Gaslicht" ist eines der ersten. Große und kleine Quizsendungen und "Bunte Abende" sind von Anfang an dabei. Es ist noch die Zeit der großen Tanzorchester und Big-Bands, die, wie auch die Sänger, "live" auftreten. Das sogenannte PLAYBACK, wozu "Stars" wie Michael Jackson extra eingeflogen werden, um im Fernsehen Mundbewegungen zu einem Hintergrund-Tonband zu machen, wurde erst in den siebziger Jahren zur Unsitte.

1962 nimmt das ZWEITE DEUTSCHE FERNSEHEN in Mainz seinen Betrieb auf, dann folgen, sozusagen als Bildungs- und Erziehungsfernsehen, die regionalen DRITTEN PROGRAMME. Nach Versuchssendungen ab 1963 startet im Herbst 1967 das FARBFERNSEHEN: Erfinder des hervorragenden PAL-Systems ist Walter BRUCH, er bediente 1936 eine der Olympiade-Fernsehkameras. Später reihen sich die ARD (als "Eins Plus") und die Dritten Programme (als "3-Sat") in die KABEL-Anbieter ein und bekommen, was das künstlerische Niveau betrifft, durch das Programm "Arte" Konkurrenz. Je nach Reichweite der SATELLITEN sind diese Programme auch im Ausland zu empfangen; das gilt auch für die seit dem 1.4.1992 seitens der DEUTSCHEN WELLE (s.o.) ausgestrahlten aktuellen TV-Programme mit Nachrichten, Kommentaren, Magazinen und Hintergrundberichten.

Aus dem schon in den 50er Jahren verwandten AMPEX-Verfahren der magnetischen Bildaufzeichnung entstanden um 1970 die ersten "Heim"-Videorecorder; VHS, das japanische "Video Home System", wurde in den achtziger Jahren zum eigentlichen Standard, heute kostet vom Material her die private Video-Aufnahmestunde nur noch etwa zwei bis vier Mark. VIDEOTHEKEN schossen bald auch hierzulande wie Pilze aus dem Boden; ARD, ZDF und Dritte Programme konnten so viel Information, Kultur und Politik anbieten wie sie wollten, doch das "Volk", die sogenannte "breite Masse", hatte nach einem harten Arbeitstag meist keinen Sinn für Belehrung, schuf sich daher schon bald ein "alternatives Fernsehen" und legte Videos auf. Medienpädagogen wie der bekannte Heribert HEINRICHS warnten schon Anfang der achtziger Jahre vor einer unkontrollierten Machtübernahme der elektronischen Medien. Das BUCH geriet ins Hintertreffen: "in Deutschland hat sich der Trend zum Zweit-Buch durchgesetzt", witzelte Niedersachsens Kultusminister REMMERS. Pädagogische Initiativen und der Buchhandel steuerten dagegen mit der Losung "Lesen ist Fernsehen im Kopf".

ZAPPEN ODER VERZICHTEN? WENIGER WÄRE MEHR

Fernsehen, Video und Computerspiele haben bei vielen Kindern und Erwachsenen Buch und Zeitung verdrängt, lassen für viele das Leben zu einem "Erleben aus zweiter Hand" werden. Wie jüngst festgestellt wurde, ist in der ehemaligen DDR nach der Vereinigung das BUCH als Bildungs-Medium durch den westlichen Entertainment-"Segen" von Platz 2 auf Platz 9 verdrängt worden.

Das Kabel- bzw. Satellitenfernsehen bietet rund dreißig empfangbare Programme: Resultate sind nicht selten Ratlosigkeit, Familienkrach, Machtkämpfe um die Fernbedienung, gelangweiltes Hin- und Herschalten zwischen den Programmen, das "Zappen". Auch die HÖRFUNK-Programme haben zugenommen: renommierte Anstalten wie der WDR in Köln haben bis zu fünf parallele Programme, Regionalstudios wie "Radio Lahn" vom HESSISCHEN RUNDFUNK und Privatsender wie "Radio FFH" berichten Lokales und tingeln mit "Disco-Parties" durch die Dörfer. Rundfunk und Fernsehen haben das Image der Exklusivität verloren: Kameras und Mikrofone werden in der Öffentlichkeit meist nur gelangweilt registriert. Wir sind überfüttert. Aus früherem Genuß ist stumpfsinnige, routinemäßige, gedankenlose Nahrungsaufnahme geworden. Die neuen Medien: Fluch oder Segen?

MEDIEN UND SOZIALER WANDEL NACH '68

Ein Mensch, erst zwanzig Jahre alt,
Beurteilt Greise ziemlich kalt
Und hält sie für verkalkte Deppen,
Die zwecklos sich durchs Dasein schleppen.
Der Mensch, der junge, wird nicht jünger:
Nun, was wuchs denn auf seinem Dünger?
Auch er sieht, daß trotz Sturm und Drang,
Was er erstrebt, zumeist mißlang,
Daß auf der Welt als Mensch und Christ
Zu leben nicht ganz einfach ist,
Hingegen leicht, an Herrn mit Titeln
Und Würden schnöd herumzukritteln.
Der Mensch, nunmehr bedeutend älter,
Beurteilt jetzt die Jugend kälter,
Vergessend früh'res Sich-Erdreisten:
"Die Rotzer sollen erst was leisten!"
Die neue Jugend wiedrum hält...
Genug - das ist der Lauf der Welt!

Eugen ROTH (1895-1976)

Vergangenes vergoldend, gedenken die Medien einer Revolution: aus Sehnsucht? Grund genug, die von ihnen damals begleitete, berichtete, dokumentierte Zeitgeschichte aus eigenem Erleben rückschauend zu beleuchten.

1968 gab es, ausgehend von Paris, Studentenunruhen; einer ihrer Führer, Daniel COHN-BENDIT, ist heute "Stadtrat für Multikulturelles" in Frankfurt am Main.

Innerhalb eines schon von den BEATLES und den ROLLING STONES (1963) markierten sozialen Wandels zeigten sich in der Bundesrepublik schon ab 1966/67 und verstärkt seit dem Tode Konrad ADENAUERs (19.4.1967) schnell zunehmend antibürgerliche bis radikal antidemokratische Tendenzen. Als Gegenpol zu der, von vielen als Verlegenheitslösung kritisierten, "Großen Koalition" entstand eine sog. Außerparlamentarische Opposition (APO), die "Neue Linke" orientierte sich an revolutionären Theorien Fidel CASTROs, Che GUEVARAs und den "Worten des Vorsitzenden" MAO TSE TUNG, aber auch an den Gedanken deutscher Professoren wie der Soziologen HABERMAS und MITSCHERLICH. Als im Juni 1967 Schah Reza Pahlevi Berlin besucht, kommt es zur Gewalt: "Ho-Ho-Ho-Tschi-Minh" schreien die Studenten, persische Schahanhänger prügeln dagegen, der Student Benno OHNESORG wird Opfer einer Polizeikugel; der linke Studentenführer Rudi DUTSCHKE, später Professor in Dänemark, wird Ostern 1968 von einem rechten Attentäter schwer verletzt; Pfarrer Heinrich ALBERTZ, Berlins regierender Oberbürgermeister, erhebt ihn zum Symbol des Widerstandes.

"Macht kaputt, was euch kaputt macht", ist militanter Slogan der linken Nonkonformisten. Der Protest gegen Vietnamkrieg und bürgerliches "Establishment" gerät zur unerbittlichen Abrechnung mit Staat, Kirche und moralischen Normen; Fritz TEUFEL und Rainer LANGHANS gründen die ersten "Kommunen", autonome Wohngemeinschaften, wo man sich in jeder Hinsicht auslebt: "Wer zweimal mit dem-/derselben pennt, gehört schon zum Establishment". "Sexpol", die Kombination von kompromißlos intoleranter, radikaler Poltik und aggressivem, provokativem Sex, wird zum Programm, der Orgasmus zum Diskussionsthema und Lebenszweck. Die Zeitschrift "Pardon" schockiert mit übelsten Polit-Pornos.

SCHLAGT DIE GERMANISTIK KUNZ UND KLEIN!
(Marburger Revolutions-Losung von 1968; Die Professoren Josef KUNZ und Johannes KLEIN verfaßten wichtige Kompendien zur deutschen Novelle)

Studenten sprechen vom "Mief von tausend Jahren /unter den Talaren", wollen die "alten Zöpfe" abschaffen; tolerante Hochschullehrer, die "Scheißliberalen", akzeptieren die Diskussion; andere schwimmen gegen den Strom, wehren sich gegen die propagierte "Geschichtslosigkeit" in Forschung und Lehre.

Studentische Aktionsgruppen organisieren "Sit-ins" oder stürmen Vorlesungen und Seminare, um "Öffentlichkeit herzustellen"; Farbbeutel und faule Eier fliegen nach vorn, hochrangige Professoren werden niedergeschrien, Marxens und Engels' Werke zur Lieblingslektüre und Marburgs germanistische Institute kurzzeitig in "Liebknecht-Luxemburg-Institut" umbenannt. Studentische Kader, die ROTEN ZELLEN (ROTZ), verstehen sich als Avantgarde einer Art "Kulturrevolution".

Planvolle ANARCHIE artikuliert sich bundesweit in "Gewalt gegen Sachen": zunächst wird erst einmal "gezündelt": Kaufhäuser, Symbole des verhaßten Kapitalismus, werden in Brand gesetzt. Es gehört zu Marburgs "Medienkultur", daß damals in der vom Allgemeinen Studentenausschuß (AStA) herausgegebenen Zeitschrift MARBURGER BLÄTTER alle "Sympathisanten" zur Herstellung von "Molotow-Cocktails" animiert werden.

Rundfunk und Fernsehen zeigen in zahllosen Diskussionen, Berichten und Kommentaren die internationalen Zusammenhänge dieser aus heutiger Sicht "verrückten" Zeit. Überall in der westlichen Welt wenden sich junge Menschen gegen überkommene Lebensnormen, suchen neue Wege. Nach dem WOODSTOCK-Festival propagieren in den USA naturhaft-naiv lebende "Blumenkinder" MAKE LOVE, NOT WAR. Weg mit der Gewalt, hin zu einem kollektiven LOVE-IN. Die FRIEDENSBEWEGUNG formiert sich, mit OSTERMÄRSCHEN, mit Sit-Ins vor Kasernentoren und Waffenlagern. PETTING  STATT PERSHING, heißt es später.

Ein Professor meinte hierzulande, Haschisch sei "eine Droge zur Bewußtseinserweiterung"; bald hieß es "Hast du Haschisch in der Tasche, hast du immer was zu naschen." Der "Joint" ging herum in Kommunen, später auch in Diskotheken. Die Medien waren - auch in provokativen TV-Jugendsendungen wie "Show Pänggg"- voll im Trend, verharmlosten jahrelang den, als "Befreiung" (miß)verstandenen, Rauschgiftkomsum.

Mitten in diese Aufbruchs-Stimmung hinein servierten die Medien eine Weltsensation: im Juli 1969 brachte die von Wernher von BRAUN konstruierte, 111 Meter hohe, 300 Tonnen schwere "Saturn 5" erstmals 3 Menschen zum Mond. Eine ganze Nation hängt vor dem Bildschirm, als es heißt "The Eagle has landed". Ganze Nachmittage oder Abende lang sollte von da an jedesmal das "reguläre" Programm ausfallen, wenn weitere Mond-Missionen live übertragen wurden. Dann, vor zwanzig Jahren, wurde es still um den Mond.

Angesichts der Olympischen Spiele warnen deutsche Intellektuelle vor einem Medienrummel: München soll nicht wieder "Hauptstadt der Bewegung" werden. Die Olympischen Sommerspiele 1972 werden medienwirksam mißbraucht, als ein Mordkommando arabischer Terroristen die israelische Mannschaft überfällt.

1973 transportieren die Medien ein neues Wort: UMWELTVERSCHMUTZUNG. Das AUTO, "der Deutschen liebstes Kind", wird im Fernsehen selbst als Lotteriegewinn zum Umwelt-Feind Nummer Eins; es gilt, die erste Öl-Krise der westlichen Welt zu überwinden. Eine unermüdliche Seelenmassage bekehrt ein ganzes Volk von Autoliebhabern zeitweilig zu freiwilligem Verzicht und (heute fast unvorstellbaren) AUTOFREIEN SONNTAGEN.

Nach diesem Intermezzo überwiegen andere Sorgen. Der - erst nach massivem politischem Druck ergangene - Radikalenerlaß vom Januar 1972 soll verhindern, daß Anarchisten und andere Staats-GEGNER zu Staats-BEAMTEN ernannt werden. Der Erlaß wird diskutiert, nur zögerlich umgesetzt, die Unsicherheit bleibt. Auch nachdem die Spitze der, übrigens auch aus Frauen rekrutierten, BAADER-MEINHOF-BANDE verhaftet war, wurde in den "wilden" siebziger Jahren die inzwischen sozialliberal regierte, doch hilflos, unentschlossen und konzeptionslos wirkende Bundesrepublik von einem grauenhaften TERRORISMUS überzogen mit dem Ziel, den Staat zu destabilisieren und die Ordnungsmächte so lange und so heftig zu provozieren, bis von einem "Polizeistaat" gesprochen werden konnte. Rundfunk und Fernsehen wurden zum Sprachrohr terroristischer Mordkommandos, Bombenleger, Geiselnehmer und anderer linksradikaler Psychopathen. Die in eigens errichteten Hochsicherheitstrakten einsitzenden prominenten Terroristen konnten über Anwälte konspirieren und hatten, was damals viele "Normalbürger" in Wut setzte, ein mediales Feedback via Radio, Fernsehen und Zeitungen, die in den Prominentenzellen uneingeschränkt zur Verfügung standen. Als skandalös wurde damals auf konservativer Seite ein Brief des Justizreform-Initiators und Bundespräsidenten Gustav HEINEMANN empfunden, der mit "sehr geehrte Frau Meinhof" versuchte, die in Stammheim einsitzende, berüchtigte Chef-Terroristin zu einem Gespräch zu bewegen.

Wohl einmalig in der publikatorischen Landschaft ist das SPIEGEL-Buch "Der Minister und der Terrorist"; als sich einige Mitglieder der "Rote Armee Fraktion" (RAF) von ihrer Vergangenheit lossagten, schrieb es der damalige Innenminister Gerhart BAUM zusammen mit dem Ex-Kaufhausbrandstifter Andreas BAADER.

Mit der 68er-Revolution blühte, auch in Marburg, ein "alternatives" Medium auf, die spontane Subkultur der GRAFFITI; die von anonymen "Sprühern" an öffentlichen" Wänden verewigten Losungen sind nicht immer witzig (Freiheit für die Alpen, nieder mit dem Watzmann), sie artikulieren oft politischen Unmut(Chile Si, Junta No; USA = SA = SS), propagieren Anarchie (legal - illegal - scheißegal) oder rufen gar zu Verbrechen auf: Polizistenmord - Lieblingssport / Copkilling is fun war monatelang in Marburgs Rudolphsplatz-Unterführung zu lesen, bevor es schließlich von städtischen Arbeitern entfernt wurde; Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Attentat "zierte" an gut sichtbarer Stelle noch länger eine Hauswand oben in der Reitgasse, in Nähe der altehrwürdigen Universitätsbuchhandlung N.G. ELWERT.

FILM, FERNSEHEN und THEATER erlebten seit 1968 in Deutschland der Anti-Baby-Pille eine beispiellose "Befreiung". Nicht nur Oswalt KOLLEs Aufklärungsfilme ("Das Wunder der Liebe"), sondern auch innovative, avantgardistische Film- und Theaterproduktionen und als Kunst inszenierte "Happenings" kamen ohne Nacktszenen nicht aus. Der bekannte Schauspieler Heinz BENNENT, dessen kleinwüchsiger Sohn David bekanntlich die "Blechtrommel" (1979) schlägt, agiert in einem Video-Film nach WEDEKINDs "Lulu" als Liebhaber seiner meist nackt auftretenden 16-jährigen Tochter Anne.

Die TV-Spätprogramme wurden zum Forum unkonventioneller Filmnovitäten; in schäbigen Milieus, in der Fixerszene und auf Autofriedhöfen, offenbarten sich die Konflikte einer orientierungslosen Generation. Ein Name ließ aufhorchen: Rainer Werner FASSBINDER: ich erinnere eine Szene, wo der der noch junge Regisseur, äußerst ungepflegt und in einer schäbigen Lederjacke, eine junge Frau ohrfeigt. Ausdrucksstarke, unverbraucht wirkende Schauspieler sollten die Nachkriegsepoche aufarbeiten in allen ihren Dimensionen. Kritische Intellektuelle und avantgardistische Fernsehleute begrüßten in Faßbinder eine Art Messias des neuen deutschen Films, doch empörten sich damals viele Fernsehzuschauer über die ihnen schier endlos vorkommende, als Zumutung und harte Geduldsprobe empfundene Saga "Berlin Alexanderplatz"(1979), kritisierten das ungewohnt düstere Ambiente, den Hang zur Brutalität und den "Schmuddel-Sex". Aus heutiger Sicht könnte man zu dem Schluß kommen, daß, unter dem Deckmantel der Kunst, in der damals fast ausnahmslos von Männern hergestellten, "sozialkritischen" Produktionen die Frau ebenso zum Lust-Objekt abgestempelt wurde wie in den bis etwa 1980 massenhaft entstehenden, harmlosen Softporno-Filmen ("Liebesgrüße aus der Lederhose"). Faßbinder, der in knapp 14 Jahren 41 (!) Spiel- und Fernsehfilme drehte, starb im Juni 1982, erst 36jährig, an einer Überdosis von Kokain und Barbituraten und wurde, wie Marilyn Monroe, in den Medien zur Legende.

Neue Töne wurden in den achtziger Jahren angeschlagen. NO FUTURE war der Slogan einer Jugend, die keine Ideale mehr finden konnte. Junge Frauen skandierten "Mein Bauch gehört mir"; die Medien wurden zum Transportmittel eines militanten Feminismus. Hauptthemen waren der (bis heute unbewältigte) Abtreibungsparagraph 218 und die Gleichstellung der Frau in Beruf und Gesellschaft. Ende 1982 kommt mit Kanzler KOHL die konservative "Wende" in der Politik. In der Pop-Musik gibt es die "Neue deutsche Welle": NENA singt "99 Luftballons" gegen die Rüstung, und der Rocksänger Udo LINDENBERG fragt: "Entschuldigen Sie, ist das der Sonderzug nach Pankow / ich muß mal eben dahin, mal eben nach OstBerlin / ich muß was klären, mit eurem Oberindianer / ich bin ein Jodeltalent und will da spielen mit 'ner Band". Am 30. August 1983 stürzt sich ein 23jähriger türkischer Asylbewerber aus dem sechsten Stock des Berliner Verwaltungsgerichts in den Freitod. Die Medien analysieren und kommentieren den "Fall Altun". Frank SCHWALBA-HOTH, Abgeordneter der Grünen im Hessischen Landtag und später im Europa-Parlament, bespritzt dort am 3.8. den US-General WILLIAMS mit eigenem Blut: eine "gewaltfreie Aktion". Und der 53jährige Grünen-MdB Klaus HECKER wird bekannt als "Busen-Grabscher". In den Medien gibt es einen neuen Begriff: Sexismus. "Esoterik-Trips" werden Mode, und die Medien berichten von "Psi"-Phänomenen.

"Es gibt viel zu tun, packen wir's an", formuliert in den Achtzigern eine Ölgesellschaft. Profit und Wachstum sind wieder in, das Leben wird nüchterner. 1982/83 gibt es erste Meldungen über eine neue, seltsame Krankheit namens AIDS *): sie wird in den Medien zum "Dauerbrenner". AIDS reformiert Gesellschaft und Moral. Gib AIDS keine Chance heißt es von nun an millionenfach in einer beispiellosen Werbekampagne. Die Kondom-Industrie verdient Milliarden. Fünfzehn Jahre nach Teufel und Langhans bekennt sich auch die Jugend zur Monogamie, holt den Begriff "Treue" aus der Mottenkiste. "Por-NO" protestieren junge Frauen, die in den Medien nicht mehr "vermarktet" werden wollten. "Alle Menschen werden prüder", textet später ein Kabarettist. Das Atomunglück, der "Super-GAU +)", im ukrainischen TSCHERNOBYL okkupiert vom Mai 1986 an die Medien und sensibilisiert hierzulande selbst das letzte Bergdorf; BECQUEREL erobert vorübergehend die Alltagssprache. Die Anti-Atomkraft-Bewegung eskaliert: Projekte in BROKDORF und GROHNDE werden Ziel gewalttätiger Aktionen. In Hamburg kesselt am 8. Juni die Polizei bis in die Nacht Demonstranten ein - die Hafenstraße wird als Anarchisten-Ghetto berüchtigt und, was viele loyale Bundesbürger erstaunt, in den Medien zum "rechtsfreien Raum" erklärt.
-----------------------------
*) = Acquired Immune Deficiency Syndrome   +) = Größter annehmbarer Unfall

Im Zuge einer "neuen Sachlichkeit" verbannen die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zunehmend das, was sie als "banale Unterhaltung" ansehen, überlassen dieses Terrain den Kabelprogrammen. Politische und sozialkritische Information werden großgeschrieben. ARD, ZDF und die Dritten Programme bombardieren mit Politmagazinen, werden exklusive Foren der sozialen Gleichstellung, der Vergangenheitsbewältigung und Ausländerproblematik.

Es soll eine Zeit gegeben haben, so vor rund dreißig Jahren, wo es im Fernsehen noch richtiges Varieté gab, mit Humoristen, die eine ganze Sendung ausfüllen konnten, deren Späße niemanden verletzten und allen Freude machten, wo einfach gelacht und nicht immer bei allem versteckte Anspielungen gesucht wurden. Und im TV-Karneval ("Mainz wie es singt und lacht") gab es den BAJAZZ MIT DER LATERNE und später den TILL, die - in der Tradition des Hofnarren - den Regierenden sagten, was sie so alles an Mist gebaut hatten...

Daten-Fetischismus, Digitalisierung, totale Erfaßbarkeit haben uns ernüchtert. Wir sind humorlos geworden. In jahrzehntelanger Gehirnwäsche haben uns die Medien hypersensibilisiert. Wir müssen unsere Worte auf die Goldwaage legen, damit sich ja keine "Randgruppe" beleidigt, "ausgegrenzt" fühlt. Wo der Humor fehlt, winken Neurose und Herzinfarkt...

Wehret den Anfängen!
Wieder haben sich die Fronten verhärtet. Wieder ist POLARISIERUNG angesagt. Was berichtet und kommentiert wird, lehrt uns das Fürchten. Keine Lehren aus der Vergangenheit? Gibt es nach diesen 25 Jahren etwa eine neue Revolte? Die Wiederkehr des Bekannten?

WISSEN IST MACHT - MANIPULATION IST DIE GANZE MACHT

Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 5 Abs.1)

Sind wir wirklich eine "informierte" Gesellschaft? Was über TELEX in den Agenturen hereinkommt, wird selektiert (auch das reportierte Unrecht?); auch aus ökonomischen Gründen wird vieles weggelassen. Der politischen Zweckmäßigkeit gehorchend, werden Schulbücher umgeschrieben (Geschichte) oder in ihrer Textauswahl dem Zeitgeist angepaßt. Bestimmte Bücher werden verboten, bestimmte Filme dürfen nicht gesendet werden. Eine TV-Reihe wie das britische "Allo-allo" wäre in der Bundesrepublik undenkbar.

Medien, das hat man auch n a c h dem "Dritten Reich" erlebt, können unter dem Aspekt bestimmter "Sprachregelungen" und "Rücksichten" die Realität verzerren und verfälschen, sie können wichtige Informationen unterschlagen, Ereignisse und Fakten willkürlich uminterpretieren (aufbauschen, verharmlosen, "gesundbeten") oder verschweigen. "Penetrant" wiederholtes Präsentieren bestimmter Meldungen, Sachverhalte und - möglicherweise falscher - Aussagen ist nichts anderes als GEHIRNWÄSCHE: eine Art diktatorischen Medienmißbrauchs, der nicht immer zum gewünschten Erfolg führt.

MEDIEN, GEWALT UND EGOISMUS

In einem Europa, das alt, müde und von vielen Konflikten abgenutzt erscheint und Mühe hat, verlorengegangene moralische Normen neu zu definieren, haben die neunziger Jahre auch hinsichtlich der MEDIEN zur Ernüchterung geführt und einen Prozeß des kritischen Nachdenkens eingeleitet. Denn BRUTALITÄT, seelische GRAUSAMKEIT und GEWALT in Literatur (Comic, Krimi, Phantasy), Film, Fernsehen und Video haben in den hochzivilisierten westlichen Ländern die seelische VERROHUNG und die KRIMINALITÄT sprunghaft ansteigen lassen: heute, wo man die aus der Pflicht und Eigenverantwortung genommenen Kinder vor LANGEWEILE und ERLEBNISARMUT bewahren und straffällige Jugendliche entertainmentgerecht mit einer "Erlebnis-Pädagogik" läutern will, gibt es auch in Deutschland bereits Banden von 10-14jährigen, die sich mit bewaffnetem Raub, Vergewaltigungen und anderen Taten "hervorgetan" haben, und es gibt 16jährige SKINHEADs, die in gedankenloser Nachahmung nicht davor zurückschrecken, Häuser anzuzünden und wehrlose Menschen darin verbrennen zu lassen.

Bedrohlich steigende Scheidungsraten, das immer moderner werdende Prinzip der "Eineltern-Familie", das opportunistische Zurückdrängen des Rechts-Unrechts-Bewußtseins und Pflichtgefühls, ein an "endzeitliche" Verhältnisse erinnernder, hemmungsloser Drang nach Selbstverwirklichung und Genuß und in diesem Rahmen die mediengesteuert steigenden Lebensansprüche haben dazu geführt, daß in einer an ERFOLG und PROFIT orientierten Welt viele Kinder allein gelassen werden und dann zu Hause oder bei Freunden GEWALT konsumieren: entweder als ACTION-Filme im KABELFERNSEHEN oder in Gestalt von HORROR-, HARDCORE- oder sogar KANNIBALISMUS-Videos, die sie sich über Erwachsene aus VIDEOTHEKEN besorgt haben.

ZU VIELE STIMULI MACHEN KRANK.

Verantwortungsvolle Pädagogen und Psychologen warnen seit Jahrzehnten vor den gefährlichen Folgen der REIZBERFLUTUNG; schwere VERHALTENSSTÖRUNGEN im Kindes- und Jugendalter werden immer häufiger. Viele Kinder sind hyperaktiv, können sich nicht (mehr) konzentrieren, haben es nie lernen können, still zu sitzen, haben nie die Chance gehabt, auf ein leises Geräusch zu hören und sich an einem feinen Klang zu erfreuen. Hunderttausende Jugendliche in diesem Lande haben in Diskotheken irreparable Gehörschäden bekommen. Viele Kinder, die mit dem Beat- und Stampfrhythmus und dem Gekreisch der Rockmusik aufwuchsen und aus opportunistischen Gründen nie mit etwas Anderem bekannt gemacht wurden, wissen gar nicht, wie Musik von natürlichen Instrumenten klingt.

TV und Video diktieren den Stundenplan schon im Kinderzimmer. Die ständige Stakkato-Musikberieselung durch den WALKMAN(tm), die auditive und visuelle Hektik der Video-Clips (MTV), immer aggressivere Computerspiele und, im Zuge der Einführung neuer interaktiver Medien, demnächst auch eine mit Konflikt und Gewalt angereicherte "virtuelle Realität" werden in dieser "brave new world" die körperlich und seelisch noch "unfertigen" jungen Menschen vollends vereinnahmen und ihnen das nehmen, was sie dringend nötig hätten: den Erwerb körperlich-geistiger Harmonie und auf diesem Wege die nötigen Phasen der Verinnerlichung, Ruhe und Besinnung.

Ihr wißt nicht, was ihr den jungen Menschen mit Fernsehen und Video antut, mahnen nicht nur die Anthroposophen. Die Kinder sehen "Rambo" in RTL plus, wälzen sich im Schlaf und gehen am nächsten Morgen mit Augenringen zur Schule. Unsinn, entgegnen andere. Sie haben die Augenringe, weil die Schule sie überfordert. Und überhaupt: was sind schon "Momentaufnahmen" in unserer schnellebigen Zeit? Wer erinnert sich in drei Monaten noch daran, wie - live im Fernsehen - ein verrückter Steffi-Fan der Monika Seles ein Messer in den Rücken rannte?

Wir haben überhaupt keine Zeit mehr, die vielen Eindrücke zu verarbeiten, erwidern die Mahner. Es gibt nicht mehr das Auf und Ab von Ruhe und Bewegung, wir werden zur Maschine, die ständig auf Hochtouren läuft.

Zerstört eine Hektik, die gnadenlos einpeitscht, die Oszillation des Lebens? Versperrt sie den Blick zurück? Wat jeht mich mein Jeschwätz von jestern an, soll doch schon Konrad ADENAUER gesagt haben...

MEDIEN SOLLEN AUFKLÄREN, ABER MIT DEN MENSCHEN NICHT SCHINDLUDER TREIBEN.

Die Grenze zwischen berechtigter Kritik und Enthüllungs-Journalismus ist fließend. (Lothar LOEWE im ARD-"Presseclub", 9.5.1993)

Im Zeitalter des COMPUTERs und der totalen ELEKTRONISIERUNG spricht man oft und gern vom "gläsernen Menschen". Nicht nur die Fiktion, sondern auch die traurige Realität konfrontiert mit skrupellosem Sensations-Journalismus. Versteckte Mikrofone und Kameras sollen das Privatleben prominenter Mitmenschen ausspionieren; Telefone werden angezapft und abgehört, Gesprächstransskripte ungeprüft publiziert. "BILD sprach als erste mit dem Toten": darüber lachte man noch in den 50er Jahren. Die sog. McCARTHY-Ära der 50er Jahre, später bei uns die BARSCHEL-Affäre und andere journalistische Hetzjagden haben gezeigt, daß und wie die Medien unter dem Vorwand der "Informationspflicht" jegliche Menschlichkeit verachten und den Ruf ganzer Familien auf lange Zeit vernichten können. Aufklärung um jeden Preis?

Die Bevölkerung ist sensibel geworden. Auch im Zusammenhang mit der VERBRECHENSBEKÄMPFUNG diskutiert man den "totalen Lauschangriff". "Der Staat hat im Schlafzimmer nichts zu suchen", sagt Klaus BEDNARZ in der ARD-Sendung "Pro und Contra" vom 27. Mai 1993.

MEDIEN, VOYEURE UND DAS SCHULDGEFÜHL

Schreckensbilder haben einen ganz spezifischen, ästhetischen Reiz. (Dietrich LEDER im WDR 5, 28.5.1993)

Geradezu tonisierend soll auf die fast schon sensationsmüden Konsumenten eine neue Mach-Art des privaten Fernsehens wirken: REALITY TV oder, wie es ein Autor nannte, "Boulevard-Fernsehen". Gewalt und Katastrophen auf dem Bildschirm sind real, das Blut ist echt, die Leiche wirklich tot. Der Zuschauer wird auch hier zum VOYEUR.

Wo bleibt, so fragen viele, der sogenannte gute Geschmack? Was, meinen viele, will sich der Journalismus noch alles herausnehmen? Andere sagen: was wollt ihr überhaupt? Reality TV ist doch nur eine Variante dessen, was die TV-Nachrichten seit vielen Jahren zeigen: und wenn wir wieder und wieder die Bilder aus Bosnien sehen, sind wir ja ohnehin fast schon abgestumpft. Das ist ja das schlimme, entgegnen die Kritiker, die Menschen werden es leid, ständig mit dem Unglück konfrontiert zu werden, diese Abgestumpftheit überträgt sich doch auf die Realität, da lassen wir draußen auf der Straße das Opfer liegen, gehen einfach vorbei, der Anblick rührt uns nicht mehr. Die Kinder, meinen diese Kritiker, können ja auch nicht mehr unterscheiden zwischen Fiktion und Realität, verwechseln allzuoft Tag und Traum. Wie sollen sie in kritischen Fällen, wo der "deus ex machina" ausbleibt und sie sich selbst helfen müssen, eine situationsgerechte Entscheidung treffen, verantwortlich handeln?

Werden wir nicht von den Medien zu Voyeuren gemacht? "Wir bleiben mit unserem Ü-Wagen in Solingen." Muß das sein, wenn sich dort schon alles beruhigt hat? Warum läßt man, nach dem Türkenmord, die durch anschließende Unruhen, Straßenkämpfe, Plünderungen und Millionenschäden leidgeprüften Bürger nicht ganz einfach in Ruhe? Warum, fragen sich viele, wird von den Medien immer und immer wieder unter dem Vorwand der Aufklärung und Informationspflicht in Wunden herumgestochert, die auf diese Weise nie verheilen können?

Medien, entgegnen die Journalisten, verstehen sich als Mahner, sie wollen aufrütteln, wollen verhindern, daß man verdrängt oder vergißt. Das mag sein, sagen die anderen, doch kann dies zu sehr unerwünschten Folgen führen. Wenn man einer Nation trotz ihres ständigen Bemühens um Wiedergutmachung und Demokratie seit einem halben Jahrhundert unablässig die historische Schuld vorwirft, so kann tiefempfundene, tätige Reue in Unmut, ja in Haß umschlagen und diese Nation zum Risikofaktor werden in einem zu Integration und dauerhafter Konfliktfreiheit strebenden Staatenverbund.

Jeder Psychologe weiß es: Wirft man einem Kind, das sich um Besserung bemüht, trotzdem immer wieder vor, wie schlecht und böse es ist, dann führt, je nach Temperament und Gemütslage, dieses "anti-pädagogische" Handeln zu entsprechend gravierenden, die Zukunft des Kindes schädigenden Konsequenzen: 1. das stille, introvertierte Kind wird apathisch, verliert Urteilsfähigkeit und Kreativität, 2. das nüchtern denkende Kind analysiert seine Lage, sieht sich um die Frucht seiner Bemühungen betrogen und wird nach dem Motto "jetzt erst recht" noch böser, 3. das gefühlsbetonte, stark empfindende Kind erträgt die ständige Erniedrigung noch eine Weile, dann reißt ihm der Geduldsfaden und es schlägt alles um sich herum kurz und klein.

Verantwortlicher Journalismus, das sollte sich herumgesprochen haben, hat sehr viel mit Pädagogik zu tun und noch viel mehr mit Menschen und und ihrer nur begrenzt belastbaren Psyche...

Schlüsselloch-Journalismus, Reality TV und Informationspflicht sind Aspekte, die in unserem Kurs kritisch hinterfragt werden können, so unter dem Aspekt der persönlichen Entfaltung, der Menschlichkeit, des friedlichen Zusammenlebens und der Menschenwürde.

MEDIEN, REVOLUTIONEN UND DIE VERANTWORTUNG

"Deutschland, einig Vaterland": eine unübersehbare Menschenmenge drängt 1989 zähflüssig durch Leipzigs Straßen. Tausende von DDR-Bürgern überklettern Botschaftszäune, lassen alles zurück. Das marode DDR-Regime sieht sich gezwungen, im November die Mauer zu öffnen. Berlin ist im Freudentaumel, der Fall der Mauer wird Medien-Hit, die sensationsmüde Welt konsumiert kommunistische Agonie wie einen Durbridge-Krimi. Endlose "Trabi"-Schlangen quälen sich durch schmale Zaunlücken; im goldenen Westen wird das "Begrüßungsgeld" kassiert und der Konsum konsumiert. Die verhaßte Mauer kommt unter den Hammer: "Mauerspechte" sichern Souvenirs, Steine und Betonstücke wandern in ferne Kontinente. Wie hatte noch Egon BAHR gesagt: Genossen, das könnt ihr euch abschminken. Oskar LAFONTAINE hatte im Fernsehen vor "Deutschtümelei" gewarnt. All das haben wir "Westler" in den Medien erfahren, sind skeptisch geblieben, bestaunten in unserer Saturiertheit, wie sich "drüben" ein ganzes Volk mobilisierte zu einer friedlichen Revolution. Polen und die damalige Tschechoslowakei dienten als Vorbilder, die friedlichen Revolutionen brachten den jahrzehntelange heruntergewirtschafteten, einst so mächtigen Ostblock zu Fall. Unglaubliche Mißstände und menschenverachtende Politik ließen sich nicht mehr verheimlichen. Diktatorische Systeme, auch als Volksdemokratien getarnt, haben nur noch wenig Chancen in einer Zeit, wo die Welt über Satelliten im Sekundentakt informiert wird.

Je euphorischer Revolutionen verlaufen, desto bitterer ist ihr Nachgeschmack. So wurde auch die "Katerstimmung" im Osten von den Medien gehegt und gepflegt; Redakteure, die sich jeden Tag nach einer neuen "Story" umsehen, sind sich nur selten bewußt, was sie noch am Vortage in den Köpfen ihrer Zuschauer angerichtet haben.

MEDIEN SCHAFFEN VIELFALT.

Trotz aller - sicherlich in vielem berechtigter - Kritik lassen sich ohne langes Nachdenken hinsichtlich der modernen Medien viele Pluspunkte finden. Es hieße, "Eulen nach Athen zu tragen", wollte man betonen, daß gerade wir modernen Menschen den Hauptteil unserer Bildung und Information der Existenz dieser Medien verdanken, daß die Medien in dieser Hinsicht alles anbieten, daß es keinen Sinn hat, sie ausschließlich zu kritisieren, sondern daß Wege zu finden sind, die Menschen von klein auf zu einem verantwortlichen Umgang mit den Medien zu erziehen, sei es als PRODUZENTEN oder KONSUMENTEN.

Verschiedenheit und "Strategien" der Medien schaffen VIELFALT (der Aufmachung), FREIE WAHL der Information und neue, innovative Formen der KREATIVITÄT; das Leben erscheint bunter und vielfältiger, wird durch mediale Verarbeitung in vieler Hinsicht besser begreifbar. Kreativität: das bedeutet nicht nur Gestaltung des Bildes und der Bildsequenz, sondern auch der SPRACHE, weswegen wir auch den Wandel der deutschen Sprache in den Medien und hier auch die medienspezifische WERBESPRACHE betrachten werden. Daß Medien auch "Sprache schaffen", erkennen wir bereits an Wendungen wie "dafür habe ich keine Antenne" (= keine Ader, kein Verständnis) oder "der Film läuft [bei mir] nicht" (= das kannst du mit mir nicht machen, dazu kannst du mich nicht bewegen /herumkriegen) oder an sog. Sponti-Sprüchen wie "Es gibt viel zu tun, lassen wir's sein". Wenn wir heute von "High-Tech-Unternehmen" sprechen, so haben wir diesen Ausdruck ebenso von den Mediennachrichten und -kommentaren übernommen wie "Null-Runde" oder "Solidarpakt".

Neben den informativen, "an alle" sendenden Medien, mit denen wir uns befassen, hat die technische Entwicklung interaktive, individuelle Kommunikationsmedien geschaffen wie Telefon, Telefax, CB-Funk oder den alle Grenzen überwindenden AMATEURFUNK: sie können Einsame und Kranke aus der Isolation befreien.

DIE MEDIEN UND DIE MUSEN: WER DIE WAHL HAT, HAT DIE QUAL

Sicherlich gehört es zum Charakter einer jeweiligen Zivilisation oder einer kultur- und sozialgeschichtlichen Epoche, welcher Stellenwert innerhalb des fast unübersehbaren Medien-Angebots neben INFORMATION und UNTERHALTUNG der musischen Vermittlung eingeräumt wird. Legt man einzig die - oft als entscheidend angesehen - "Einschaltquoten" zugrunde, führt die KULTUR in den Medien eher ein Schatten-Dasein; ein Blick in die Programm-Zeitschriften kann vom Gegenteil überzeugen. Wer - zu welcher Tageszeit auch immer - über die Rundfunkskala dreht, ist in puncto Kultur nie alleingelassen. Ein Sender, der etwas auf sich hält, hat mittlerweile vier oder fünf Programme bzw. Sender-Ketten und kann in diesen alle nur denkbaren Sparten bzw. Genres berücksichtigen. "Hör' mal wieder Radio": dieser Slogan gilt heute mehr denn je zuvor.

Der Rundfunk macht kein Aufsehen hinsichtlich seiner Programme: er bietet sie an und sendet sie: man muß nur zugreifen bzw. hinhören. Der Rundfunk ist - diese banale Aussage sei gestattet - die Domäne der BLINDEN, die hier ein akustisches Abbild aller Facetten, Nuancen und Farben ihrer Welt erhalten. Für den Rundfunk gilt dasselbe wie für eine gute MUSIK-AUFNAHME: er muß auch das umsetzen, was der sehende Mensch an OPTISCHER Information empfängt.

GLOSSAR medienspezifischer Ausdrücke (Auswahl)
(c) Wolfgang NÄSER, Marburg 4/93 ff.
 
AKTUELLES SPORTSTUDIO samstägliche ZDF-Abendsendung mit aktuellen Beiträgen 
und Interviews 
Amateurfunk  [e. amateur radio, ham radio]: offizieller Funkdienst im 
Rahmen des Weltnachrichtenvertrages; Teilnahme erfordert 
umfangreiche postalische Prüfung; -> interaktives Nach-
richtenmedium, das dem Teilnehmer durch SENDEN und 
EMPFANG den weltweiten Austausch privater Nachrichten 
und Daten (auch digital) gestattet 
ARD  Arbeitsgemeinschaft der [Öffentlich-rechtlichen] Rundfunk-
anstalten [in der Bundesrepublik] Deutschland[s] 
ARTE  zweikanalig deutsch/französisch (per Satellit) ausgestrahl-
tes Kultur-Fernsehprogramm mit täglich neuem themati-
schem Schwerpunkt (Themen-Abend) 
AUSLANDSJOURNAL ZDF-Konkurrenzsendung zum ARD-WELTSPIEGEL
Austastlücke  Signal-Lücke zwischen dem Aufbau zweier Fernsehbilder, 
in der zusätzliche Informationen (Videotext, Computer-
programme etc.) übertragen werden 
BOULEVARD BIO  -> Talkshow mit dem Entertainer Dr. Alfred BIOLEK und 
(meist exzentrischen) geladenen Gästen 
BR  Bayerischer Rundfunk (München) 
Cyberspace  von Rechnern erzeugte Scheinwelt in 3-D (->SPIEGEL
33/92) Syn.: -> virtuelle Realität 
DAS WORT ZUM SONNTAG  eine der ältesten ARD-Sendungen; samstags gegen 22 Uhr 
mit (meist auf Aktuelles bezogenen) Worten eines/einer 
Geistlichen 
DER GROSSE PREIS -> Quiz-Sendung des ZDF (donnerstagabends; mit Lot-
terie, deren Einnahmen der "Aktion Sorgenkind" zufließen; 
ab Juli 1993 -> moderiert von Carolin REIBER (BR) 
Deutscher Fernsehfunk  ehemaliges Fernsehprogramm der DDR; im Rahmen der 
politischen Abspaltung später umbenannt in "Fernsehen 
der DDR" 
Deutsches Fernsehen  ehemalige Bezeichnung für das seit 1952/53 ausgestrahl- 
te erste deutsche Fernsehprogramm (jetzt = ARD) 
Deutschlandfunk  Unabhängiges Programm der ARD (Studio: Köln) mit 
Nachrichten, aktuellen Magazinen und Hintergrundberichten
aus Deutschland (LW, MW, UKW [Raum Köln] und 
via Satellit) 
Deutsche Welle  Übersee-KW-Programm (Studio: Köln, Sender: Jülich, 
Wertachtal und ausländische Relais), sendet seit 1953 
in nunmehr 35 Sprachen Nachrichten, Magazine, Hinter-
grundberichte aus Deutschland 
Edutainment  [education + entertainment] 
EIN KESSEL BUNTES  ehemals beliebteste Unterhaltungs-Show des DDR-
Fernsehens (mit Karsten SPECK), übernommen von 
der ARD 
Einschaltquote  Zahl, die angibt, wieviel Prozent aller Zuschauer ein 
bestimmtes Programm eingeschaltet haben; elektro- 
nisch als Repräsentativwert ermittelt durch das sog. 
TED-Verfahren 
Entertainer  eigentl. 'Unterhaltungskünstler'; der -> Show- oder 
-> Talk-Master in Rundfunk und Fernsehen 
Erlebnisgesellschaft  Charakterisierung unserer Gesellschaft, die ohne 
ständige Überflutung durch -> Entertainment nicht 
existieren kann: Unterhaltung und Abenteuer werden 
zur SUCHT; totaler, andauernder Medien-Konsum hindert 
die Menschen daran, zu innerer Ruhe, Harmonie, Ausge-
glichenheit zu kommen 
Erstsendung  "Uraufführung" in Rundfunk oder Fernsehen 
Fernbedienung  Lehnübersetzung aus e. remote control (unit) 
Fernsehspiel  Lehnübersetzung aus e. teleplay, screenplay 
FRÜHSTÜCKSFERNSEHEN [aus engl. breakfast TV:] aktuelle Nachrichten-/Kommen- 
tarsendung (ARD + ZDF) zwischen 6 und 9 Uhr morgens 
Gameshows  früher: Spielshows, Shows mit Spiel-Einlagen (Kandidaten) 
Glotze  umgangsspr./Slang für 'Fernseher' 
HEUTE mehrmals täglich ausgestrahlte ZDF-Nachrichtensendung 
Hörfunk  = Rundfunk 
Hörspiel  eine der ältesten Programmformen im Rundfunk; im dt. 
Rundfunk seit 1924 
HR  Hessischer Rundfunk (Frankfurt) 
Hypertext  Computergestützte Informations-Strategie, bei der 
Hintergrundinformationen (z.B. Hilfstexte) zu bestimmten 
markierten Begriffen abgerufen werden können; künftig 
auch in Formen eines interaktiven Fernsehens 
Infotainment  [Information + Entertainment] 
interaktive Medien  CD- und Fernsehmedien, auf denen Handlungsabläufe 
präsentiert werden, in die, nach dem Muster der 
-> Computerspiele, vom Zuschauer (Konsumenten) 
eingegriffen werden kann (s.a. -> virtuelle Realitäten) 
KABELKANAL kommerzielles Kabel-/Satellitenfernsehprogramm 
LINDENSTRASSE seit mehreren Jahren eine der beliebtesten deutschen 
Fernsehserien, 1 x wöchentlich, unter Einbezug des 
aktuellen "Zeitgeistes" 
Live-Sendung  gleichzeitig mit dem Bild-/Tonereignis ausgestrahlte 
Reportage/Show 
mdr  Mitteldeutscher Rundfunk 
Moderator (Verb:
moderieren) 
Redakteur, der ein Programm präsentiert und sich durch 
individuelle Gestaltung hierin profiliert 
MONITOR  hier: aktuelles politisches Magazin der ARD 
(DIE) MONTAGSMALER  dienstags (!) ausgestrahlte, aufgezeichnete Spielshow, 
in der Erwachsene und Kinder als Kandidaten Gegen-
stände und Begriffe zeichnen/erraten müssen 
NDR  Norddeutscher Rundfunk (Hamburg) 
n.t.v.  deutsches Pendant zu CNN oder SKY NEWS, kommer-
zielles Kabel-/Satellitenfernsehprogramm mit stündlich 
aktualisierten Nachrichten 
O-Ton-Sendung  Reportage mit Tonaufnahmen originaler Hör-Situationen 
Pantoffelkino  umgangssprachl. für 'Fernseher' 
Playback  in der Fernseh-Show wird nicht wirklich (=live) ge- 
sungen, sondern es werden zur eingespielten -> 
Tonkonserve nur die passenden Mundbewegungen gemacht; 
inzwischen so üblich, daß im gegenteiligen Fall "live ge-
sungen" eingeblendet wird 
PRESSECLUB Live-Diskussion mit Journalisten, Sonntags 12 Uhr, ARD 
PLUSMINUS  aktuelles Wirtschafts-Magazin 
PRO 7  kommerzielles Kabel-/Satellitenfernsehprogramm, sendet, 
im Gegensatz zu "RTL plus" und "SAT 1", internationale 
Spielfilme mit vergleichsweise geringem Gewalt- und 
Sex-Anteil 
Quizmaster  der -> Moderator, Showmaster einer -> Quiz-Sendung 
Quiz-Sendung  Rundfunk- oder Fernsehsendung, in der von Kandidaten 
Fragen zu ausgewählten Themenbereichen beantwortet 
werden müssen 
RB  Radio Bremen 
Realityshow  Fernseh-Unterhaltungssendung mit risikoreichen, aben- 
teuerlichen Spiel-Einlagen (das Kandidaten-Risiko ist 
keine Fiktion!) 
Reality TV  Fernseh-Berichterstattung mit - meist abschreckenden - 
Original-Bildern von Katastrophen 
REPORT  vgl. MONITOR; aktuelles ARD-Magazin (München) 
Regionalprogramm  von e. Landesrundfunkanstalt (z.B. BR, HR) gesendetes, 
nur regional empfangbares Rundfunk- oder Fernsehpro-
gramm in der Vormittags- bzw. Vorabendzeit 
RTL  Radio-Télé Luxembourg (Privatsender, bietet über Kabel 
bzw. Satellit an: RTL plus, RTL 2, RTL Véronique (ndl.) 
Rückblende  künstlerisches Mittel bei FILM und FERNSEHSPIEL
fließender Übergang zu Ereignissen der Vergangenheit, 
die zur aktuellen Situation geführt haben 
Schüssel  umgangssprachl. für 'Satelliten-Empfangsantenne': "4,5 
Millionen deutsche(r) Haushalte haben bereits eine -- auf 
dem Dach" (DAS ERSTE 3/93, S. 63) 
SDR  Süddeutscher Rundfunk (Stuttgart) 
SFB  Sender Freies Berlin 
Showmaster  = Spielleiter, Moderator einer Unterhaltungssendung 
in Rundfunk und Fernsehen 
SONNTAGSMAGAZIN sonntägliche ARD-Sendung mit aktuellen Beiträgen 
Spielshow  'Bunte Sendung mit spielenden Kandidaten' 
SR  Saarländischer Rundfunk (Saarbrücken) 
Störsender  zur Zeit des sog. Kalten Krieges bes. von östlichen Staaten
meist UdSSR) eingesetzte, sehr starke Sender zur 
Überlagerung westlicher Rundfunkprogramme 
SWF  Südwestfunk (Baden-Baden) 
TAGESSCHAU mehrmals täglich ausgestrahlte ARD-Nachrichtensendung 
Talkmaster  => Moderator einer -> Talk-Show 
Talkshow  Fernsehsendung, in der prominente bzw. exzentrische 
Persönlichkeiten zu bestimmten Themenkomplexen befragt 
werden und mehr oder ausführlich ihre Ansichten "prä- 
sentieren" können 
Tonkonserve  älteres Wort für auf Platte oder Band aufgezeichnetes 
akustisches Ereignis (Kommentar, Hörspiel, Konzert) 
TV-Dreiteiler  dreiteilige Fernseh(spiel-)serie 
UKW  =Ultrakurzwelle; hier: Rundfunkbereich zwischen 88 und 
108 MHz, in Deutschland seit etwa 1950, wurde damals 
populär als "Welle der Freude" hauptsächlich durch eine 
allmorgentliche Live-Sendung des -> Hessischen Rund-
funks, den sog. "Frankfurter Wecker" 
Videotext  Bildschirm-Textnachrichten, die inzwischen auch von 
privaten Sendern angeboten werden und in der sog. 
-> Austastlücke gesendet werden 
virtuelle Realität  künstliche, von Computergraphiken erzeugte Umwelt 
VOX  kommerzielles Kabel-/Satellitenfernsehprogramm, 
sendet aktuelle Berichte, Magazine und Spielfilme 
WDR  Westdeutscher Rundfunk (Köln) 
Wellenbereiche  Frequenzbereiche oder Bänder, auf denen Rundfunk- 
und Fernsehprogramme ausgestrahlt werden: 
Langwelle (long waves, amplitude modulation)
Mittelwelle (medium waves, amplitude modulation)
Kurzwelle (short waves)
Ultrakurzwelle (very high frequencies, VHF) 
2. und 3. TV-Programme: UHF (ultra high Frequencies) 
WELTSPIEGEL Journalisten berichten in diesem aktuellen -> Magazin
über Ereignisse in allen 5 Kontinenten 
Werbespot  "Amerikanische Fernsehzuschauer haben in den letzten 40 
Jahren etwa eine Million Werbespots gesehen. Das ist 
GEHIRNWÄSCHE, eine Verschmutzung, um die sich eine 
geistige Ökologie kümmern muß" (Norman MAILER in 
"Wochenpost", zit. DAS ERSTE 4/93, 3) 
WWF  1. World Wildlife Foundation 
2. World Wrestling Federation (Catcher!) 
3. Westdeutsches Werbe-Fernsehen 
Zapping  eigentl. 'jemanden verschwinden lassen'; das Hin- und
Herschalten zwischen einzelnen Programmen/kanälen 
mittels Fernbedienung 
ZDF  ZWEITES DEUTSCHES FERNSEHEN: (seit 1962) 
Konkurrenz- bzw. Kontrastprogramm zum ursprüngl. 
ersten Programm der ARD (seit 1952/53); Sitz: Mainz-
Lerchenberg 
Z.E.N.  Zuschauen-Entspannen-Nachdenken; in bayr. Fernsehen 
(BR 3) abendl. etwa zur Programmhälfte eingeschobene, 
ca. fünfminütige meditative Sendung mit entspannenden 
Bildern und (meist anspruchsvollen, literarischen) Texten 
Zweikanalton-Sendung  Ausstrahlung eines Spielfilms mit zwei Ton-Kanälen: der
Zuschauer kann wählen zwischen dem Original-Ton bzw. 
einer anderssprachlichen -> Synchronisation 

Alle Rechte (c) Wolfgang Näser 7/93 ff.
Text und Glossar neu gesetzt am Sonntag, dem 23. Juli 2000; bei dieser Gelegenheit wurde die der Sächsischen Zeitung v. 15.5.80 entnommene Anzeige ("Einwohner der Stadt Dresden") eingebaut, die verdeutlichen soll, daß in puncto Militarismus und Manipulation die sogenannte DDR ihrem braun-diktatorischen Vorbild in nichts nachstand.