Übungen zur schriftlichen Kommunikation, WS 1989/1990
Dr. Wolfgang Näser Gruppen I und II
Text zum 30.11.1989
Japan-Zentrum eröffnet
Lehre und Forschung auf das moderne Japan konzentriert
[aus: Marburger Universitäts-Zeitung Nr. 207, 23. November 1989, S. 1]
Auf das moderne Japan konzentriert sich das neue Japan-Zentrum der Phi-
5 lipps-Universität Marburg, anläßlich dessen Gründung am 3. November, dem
Tag der Kultur in Japan, ein Festakt stattfand. Zielsetzung und personel-
le Besetzung des Japan-Zentrums berechtigen zu großen Hoffnungen, betonte
der Präsident der Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Prof. Dres. h.c.
mult. Horst Albach, in seinem Festvortrag. Der japanische Generalkonsul
10 in Frankfurt, Dr. Tadao Araki, sprach im Zusammenhang mit der Errichtung
des neuen Zentrums von einem "epochemachenden Entschluß". Er äußerte sich
zuversichtlich, daß das Japan-Zentrum "in einer der traditionsreichsten
Universitäten Europas" Großes leisten werde.
15 Das neue Japan-Zentrum führt die japanbezogenen Lehr- und Forschungsakti-
vitäten verschiedener Fachgebiete der Philipps-Universität interdiszipli-
när zusammen. Ihm gehören zur Zeit vier Professoren an: Prof. Dr. Erich
Pauer (Japanologie - sozialwissenschaftliche Richtung; Geschäftsführender
Direktor); Prof. Dr. Michael Pye (Religionswissenschaft), Prof. Dr. Jens
20 Rickmeyer (Japanologie - sprachwissenschaftliche Richtung) sowie als Gast-
professor Prof. Dr. Tamotsu Isomura (Rechtswissenschaften / Japanisches
Recht). Die Gastprofessur soll abwechselnd mit einem Rechts- und einem
Wirtschaftswissenschaftler besetzt werden. Hinzu kommen drei wissenschaft-
liche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie ein Lektor.
25 NEUE STUDIENGÄNGE
Während die traditionelle Japanologie in aller Regel philologisch orien-
tiert ist, liegt der Schwerpunkt des Marburger Zentrums neben der sprach-
wissenschaftlichen Forschung auf gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und
kulturellen Entwicklungen und Strukturen im modernen Japan und ihren hi-
30 storischen Voraussetzungen. Die Lehre soll Studierende für eine wissen-
schaftliche Beschäftigung mit Japan oder für ein breites Feld auf Japan
bezogener Beruftstätigkeiten befähigen. Dies geschieht entweder im Rahmen
der japanologischen Studiengänge oder in Form eines interdisziplinären
Wahlfach-, Ergänzungs- bzw. Aufbaustudiums für Studierende anderer Fächer.
35 Im Rahmen des Magisterstudiums bietet das Japan-Zentrum im Prüfungsgebiet
Japanologie jeweils im Haupt- und Nebenfach einen Studiengang mit sozial-
wissenschaftlicher und einen mit sprachwissenschaftlicher Ausrichtung an.
Dem Zentrum angegliedert ist eine Bibliothek, deren Bestand sich in den
vergangenen beiden Jahren deutlich erhöht hat. 1987 zählte die Bibliothek
40 etwa 9.000 Bände. Dank erhöhter finanzieller Zuwendungen hat sich der Be-
stand mittlerweile fast verdoppelt. Unterstützt wurde der Aufbau der Bi-
bliothek nicht zuletzt durch eine Reihe größerer Schenkungen deutscher
und japanischer Institutionen, Unternehmen und Organisationen, für die
Universitätspräsident Prof. Dr. Dietrich Simon seinen besonderen Dank
45 aussprach. 1990 stehen dem Zentrum weitere 100.000 Mark an Bibliotheks-
mitteln zur Verfügung.
Als Sonderabteilungen der Bibliothek sind hervorzuheben eine Sammlung von
rund 600 japanischen Firmengeschichten sowie eine Materialsammlung zu den
japanischen Technopolis-Projekten. Die Zeitschriftensammlung und eine Dia-
50 thek befinden sich im Aufbau.
Mit der Besetzung der beiden Japanologie-Professuren zum Wintersemester
1987/88 und der Gastprofessur für Japanisches Recht zum Sommersemester
1989 wurde ein umfangreicher Lehr- und Studienbetrieb aufgenommen. Mitt-
lerweile sind in Marburg 67 Studierende für Japanologie im Hauptfach und
55 zwölf Studierende im Nebenfach eingeschrieben. Hinzu kommen Gasthörer bzw.
eine große Zahl von Studierenden, die im Japan-Zentrum nur die japanische
Sprache erlernen.
Rasch angewachsen ist in kurzer Zeit auch die Zahl derjenigen Marburger
Studierenden, die mit Förderung des Deutschen Akademischen Austauschdien-
60 stes, des japanischen Kultusministeriums oder mittels "Auslands-BAFöG" zu
Studienaufenthalten nach Japan reisen. Zur Zeit halten sich neun Studie-
rende der Philipps-Universität zu Studienzwecken in Japan auf.
Die Philipps-Universität habe mit der Errichtung ihres Japan-Zentrums ein
Beispiel für Profilierung in den Geisteswissenschaften gegeben, erklärte
65 Ministerialdirigent Herbert Wolf vom Hessischen Ministerium für Wissen-
schaft und Kunst in einem Grußwort. Die in den Marburger Naturwissenschaf-
ten bewährte Konzentration und Schwerpunktbildung sollte verstärkt auch auf
geisteswissenschaftliche Fachgebiete übertragen werden.
Das Marburger Japan-Zentrum sei in der Bundesrepublik bislang ohne Konkur-
70 renz, stellte der Uni-Präsident fest. Zwar sei auch an anderen Universitä-
ten der Versuch gemacht worden, interdisziplinäre Forschungsstätten für Ja-
panologie zu etablieren, doch nirgends seien diese Bemühungen so erfolgreich
und vielversprechend verlaufen wie an der Philipps-Universität. Angesichts
der schwierigen Arbeitsmarktlage für junge Akademiker sei es von großer Be-
75 deutung, daß den Studierenden am Marburger Japan-Zentrum eine so glänzende
Ausbildung ermöglicht werde.
Der japanische Generalkonsul, der die Philipps-Universität bereits als Stu-
dent kennengelernt hat, gab den Studierenden drei Ratschläge mit auf den
Weg: geduldig die japanische Sprache zu erlernen, "denn der Gewinn ist sehr
80 groß"; Wissenschaft mit praktischer Arbeit zu verbinden, denn nur so könne
man etwas bewirken; drittens sich zur eigenen identität zu bekennen, "denn
ein Deutscher, der sich der deutschen Kultur schämt, wird von den Japanern
nicht geachtet".
Der Festvortrag von Prof. Albach beschäftigte sich mit dem Thema "Japani-
85 scher Geist und internationaler Wettbewerb".
Albach machte deutlich, daß die These vom angeblich brutalen Wettbewerb auf
den japanischen Märkten eher in den Bereich der Mythen gehöre. Diese These
vertrage sich weder mit dem japanischen Geist noch mit den empirischen Fak-
ten. Wettbewerb in Japan sei zudem kein Preis-, sondern stets ein Leistungs-
90 wettbewerb. Auf den Weltmärkten verhielten sich japanische Unternehmen aller-
dings ganz anders als auf dem heimischen Markt. Hier führten sie in der Tat
92 einen harten Preiswettbewerb mit dem Ziel der Markteroberung.
AUFGABEN und ANREGUNGEN
1. Erstellen Sie eine alphabetische Wortliste zum Text, ggf. mit Hilfe eines
PC-Programms; beachten Sie dabei bitte besonders die von der Wortbildung
her "schweren" oder Ihnen in anderer Hinsicht "seltsam" erscheinenden Wör-
ter. Versuchen Sie, diese mit kurzen Definitionen zu versehen.
2. Listen Sie aus Ihrem Wortverzeichnis oder dem Text alle jene Wörter auf,
die dem Berufs- und Arbeitsfeld "Universität" angehören. Diese Aufgabe
führt Sie zu der generellen Fragestellung nach einem textspezifischen
Wortschatz. Die Fortgeschritteneren unter Ihnen werden auch in der Lage
sein, so etwas wie eine "verfasser-individuelle Diktion" (Art und Weise
zu reden, hier: zu schreiben) auszumachen. Wenn ja: worin besteht diese?
3. Setzen Sie den Text oder ausgewählte Passagen hieraus in die indirekte
Rede.
4. Schreiben Sie alle für Sie wichtigen idiomatischen Wendungen heraus;
achten Sie hierbei bitte besonders auf die Präpositionen.
5. Paraphrasieren Sie den Text nach Ihrem individuellen Stil-Empfinden.
6. Schreiben Sie einen Kommentar zum Text bzw. zu der hierin berührten
Thematik.
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