Thema Januar [1998]: Mobbing

"Der Wind wird rauher - und es kann jeden treffen. Schikanen, Intrigen und zwischenmenschliche Konflikte hat es schon immer gegeben. Gesellschaftliche Veränderungen, ein sich wandelndes Wertesystem, das sich im rücksichtsloseren Umgang miteinander festmachen läßt, geben Mobbing einen immer größeren Stellenwert. Die schlechte Arbeitsmarktlage begünstigt verstärktes Konkurrenzdenken ebenso wie die Unsicherheit des eigenen Arbeitsplatzes. Eine "zur Leistung erzogene Gesellschaft" achtet darauf, daß nur der Starke der Erste ist. Politische Vorgaben, daß nur der Starke gewinnt, daß Schwäche bestraft wird, erleichtern im Verbund mit der gesellschaftlichen Akzeptanz, daß der Starke Recht hat, dieses unchristliche Verhalten.

Zwischenmenschliche Konflikte nehmen daher auf allen betrieblichen Ebenen zu. Die ausgemachten Opfer sind oftmals dem psychischen Druck nicht gewachsen. Die Situation erscheint aussichtslos. Der Betroffene steht allein, wird nicht ernst genommen. Er gerät immer mehr aus Verunsicherung in Isolation. Mobbingopfer berichten, daß Selbstmord als letzte Möglichkeit oft schon gedacht wird, bevor man sich um Hilfe kümmert. Es gibt kein Patentrezept gegen Mobbing. Betroffene können [wir] alle sein und Mobbing kommt mittlerweile überall vor. In Betrieben, Verwaltungen, ja selbst in der Kirche sind Mobbingfälle dokumentiert.

Untersuchungen sagen, daß zu 80% von oben nach unten gemobbt wird und Kolleginnen untereinander öfter mobben als Kollegen. Untersuchungen sagen ebenfalls, daß Mobbing wirtschaftlich große Schäden hervorruft. Man spricht von 2 Billionen DM für das Jahr 1996, die durch die Auswirkungen des Mobbings, wie sinkende Arbeitsmoral, sinkende Arbeitsleistung, Sabotage, Abfindungsgelder, Rehabilitationsmaßnahmen oder Schadensersatz zusammengekommen sind. [...]

Was ist MOBBING eigentlich?

Anpöbeln, attackieren, angreifen - mit diesen Worten läßt sich das englische "to mob" übersetzen, das dem Phänomen einen Namen gibt.

- Nach herrschender Auffassung ist Mobbing das gegen die Person gerichtete unfreundliche Handeln in Wort und Tat. Systematisch und wiederkehrend.

- Diese Handlungen werden über einen längeren Zeitraum regelmäßig wiederholt. Etwa ein halbes Jahr und einmal wöchentlich.

- Das Ansehen des Opfers wird durch Mobbing absichtlich geschädigt mit dem Ziel, das Mobbingopfer aus seiner Position zu vertreiben.

Gefährdet sind wir zunächst alle und können daher auch zu Betroffenen werden.

Daß auch in der Kirche gemobbt wird, zeigt, daß die Wertekrise auch an uns nicht vorbeigegangen ist, obwohl wir in den biblischen Vorbildern wirksame Möglichkeiten haben, dem Mobbing zu entgegnen. Wir müssen sie nur ernster nehmen und auf uns selbst anwenden.

Brüderlichkeit, einander annehmen und gegenseitig entlasten sind jahrtausendealte Mobbingkiller, die es in unserer Zeit wieder einzusetzen gilt. Die Worte der Bibel wie z.B. Römer 15,7 "Nehmet einander an, so wie Christus uns angenommen hat" oder Galater 6,2 "Einer trage des anderen Last" sind für Christen in den Alltag zu übernehmen.

Nicht nur die Parteien, die das "C" in ihrem Namen führen, sind in unserem christlich geprägten Abendland von der Kirche auf ihre Handlungsmuster hin zu hinterfragen, wie dies auch bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu geschehen hat. Auch als Gemeinden sind wir einander hinterfragbar.

Daß dies kein Allheilmittel gegen Mobbing ist, wissen wir aus der Praxis. Hier bedarf es der täglichen Überprüfung und Korrektur unserer Handlungen. Oder - gut biblisch - der täglichen Sündenvergebung.

Für die rauhe Wirklichkeit gibt es Gesetze und Tarifverträge, die unserer Gesellschaft den hemmungslosen Umgang miteinander verbieten. Sie anzuwenden ist für den Betroffenen manchmal nicht einfach, aber leider oft genug der einzige Ausweg.

Manfred ABT in Kirche in Marburg 1/98, Seite 4 f. (Adaptation und Bearb. W. Näser 150298)