Dr. Wolfgang Näser
Philipps-Universität Marburg, Sicherheitsreferent des Fachbereichs 09
Tel. 06421-28-23508 * Fax 28-28936 * E-mail naeser@mailer.uni-marburg.de


Im einer per Fax von der Philipps-Universität Marburg am 1. Juli 1999 weitergeleiteten, von mir per 6.8.99 ins Web gestellten Mitteilung hatte die Fa. Becher Schweißtechnik (Im Rudert 11, 35043 Marburg Tel. (06421) 9452-0, Fax (06421) 945252, e-mail: ABS@becher-gmbh.de) ausgeführt:
Aus gegebenem Antaß möchten wir Sie über folgenden Sachverhalt in Kenntnis setzen:

Fall 1: Ein Schaltwärter eines E1ektrizitätswerkes versuchte einen Leistungsschalter einzuschalten, wobei ein kurzzeitiger Lichtbogen auftrat.

Fall 2: Ein Elektro-Schweißer klappte die Gesichtsmaske auf, Um das Heranfahren der Schweißelektrode besser beobachten zu können. Versehentlich streifte er das Schweißgut und erzeugte einen Lichtbogen.

Beide Herren hatten Kontaktlinsen getragen. Nach Feierabend entfernten sie zu Hause die Kontaktlinsen, rissen aber zugleich die Hornhaut der Augen ab und erblindeten.

Gefährdung: Elektrische Lichtbögen erzeugen Mikrowellen, die den FIüssigkeitsfilm zwischen der Kontaktlinse und der Hornhaut augenblicklich austrocknen, so daß die Hornhaut an den Linsen festklebt. Diese Veränderung ist schmerzlos und wird nicht wahrgenommen. Lichtbögen entstehen beim Elektro-Schweißen und können auch bei einem Kurzschluß in elektrischen Anlagen entstehen.

Dringende Empfehlung: Sollten Kontaktlinsenträger einem elektrischen Lichtbogen ausgesetzt worden sein, wird dringend geraten, die Kontaktlinsen nicht zu entfernen, sondern eine Augenklinik bzw. [einen] Augenarzt aufzusuchen. Ein Augenarzt hat noch die Möglichkeit, das Augenlicht zu retten.

Schutzmaßnahmen:
1. alle betroffenen Mitarbeiter sind über den o.g. Sachverhalt zu informieren.
2. Kontaktlinsenträger sind darauf hinzuweisen, daß bei Arbeiten, wo ein Lichtbogen entstehen kann, keine Kantaktlinsen zu tragen sind. Das gleiche gilt auch für planendes und kontrollierendes Personal, das sich in der Nähe von z.B. E-Schweißarbeiten authält.
3. Fremdfirmen und Besucher sind über den Sachverhalt zu informieren.

Wie mich die Fa. Becher am 6.3.2000 telefonisch informiert, habe sie nach etwa 2 Monaten obige Ausführungen dementiert.

Per Schrb. v. 3.3.2000 (Az. 6/331/164/657, feg/fee) nimmt die Norddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft, Fachausschuß "Eisen und Metall I" wie folgt Stellung:

"Leider müssen wir feststellen, dass es sich hierbei [um] Falschinformationen handelt. Um es gleich klar zu stellen, derartige Horrornachrichten entbehren jeder Grundlage."

Weiter heißt es da:

"Abschließend stellt sich die Frage, ob das Tragen von Kontaktlinsen beim Lichtbogenschweißen tatsächlich so unproblematisch ist, wie es nun den Anschein hat? Die Praxis hat gezeigt, dass das Tragen von Kontaktlinsen für die Schweißer problematisch sein kann, da die für die Pflege der Kontaktlinsen vor Ort notwendige Hygiene nicht immer gewährleistet ist. Dies trifft insbesondere für Baustellen und für Bereiche zu, in denen es verstärkt zu Schweißrauchentwicklung kommt, also in engen Räumen, an Arbeitsplätzen mit ungünstiger Körperhaltung oder ohne Schadstofferfassung an der Entstehungsstelle (Absaugung). Aber auch Schleifarbeiten im Rahmen der Schweißnahtvor- oder -nachbereitung wären hier zu erwähnen."

Die BG verweist ferner auf eine frühere eigene Stellungnahme v. 2.9.83 (Az. 6/331/164/657/feg/fee gro-ktr) unter dem Titel "Keine Gefahr durch Kontaktlinsen für Schweißer" und Stellungnahmen zu dem Artikel "Hornhautverletzungen bei Kontaktlinsen-Trägern, ausgelöst durch Mikrowellen" in: Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin, 34. Jg., Serie 206, Heft 3/99, S. 129. A.a.O. Heft 5/99 äußert die Bau-BG Rheinland und Westfalen, AK Augenschutz (Schumannstr. 8, 53113 Bonn) dazu:

"Natürlich sind Augenschädigungen durch starke Strahlungen oder Spritzer beim Lichtbogenschweißen möglich, wenn auf die vorgeschriebene persönliche Schutzausrüstung verzichtet wird. In Extremfällen kann bei einer schweren Augenverletzung nicht völlig ausgeschlossen werden, daß das Tragen von Kontaktlinsen die Unfallfolgen kompliziert."

Fünf Zeilen später heißt es:

"Als Fazit vertreten wir die Auffassung, daß eine Einsatzbeschränkung für Kontaktlinsenträger nicht unterstützt werden sollte, da aus oben genannten Gründen eine zusätzliche Gefährdung aus unserer Sicht nicht hergeleitet werden kann."

Ich stelle die obigen Aussagen zur Diskussion.
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Bibliograph. Hinweise und WWW-Links:

  1. Schriftenreihe der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Fb 756 "Elektrooptische Schweißerschutzfilter und Abschirmungen an Schweißerarbeitsplätzen“, E. Sutter, A. Schirmacher, I. Decker, R. Zeise, G. Ott, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund/Berlin, ISBN 3-89429-851-0
  2. Physikalisch-Technische Bundesanstalt
  3. Kontaktlinsen-Probleme
  4. Das Trockene Auge - eine ernstzunehmende Krankheit
  5. Loss of Stratospheric Ozone and Health Effects of Increased Ultraviolet Radiation
  6. Environmental Effects of Ozone Depletion 1998 Assessment- Hazards for Humans

Wird ggf. ergänzt. Marburg, den 6. März 2000     gez. W. Näser