Wesen und Form der Korrelation

Von Wolfgang Näser  (1969) * Monika Rössing-Hager °) gewidmet

1. Definitionen

Quot capita, tot sententiae.
Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht.
Wenn das sich so verhält, dann habe ich mich geirrt.
Er ist zwar faul, aber nicht dumm.
Kentauren sind Fabelwesen, halb Mensch, halb Tier.
Erstens habe ich keine Zeit, zweitens nicht die nötige Geduld.
Je eher du kommst, desto besser wird es sein.
Das ist weder geschickt noch vorteilhaft gelöst.

Bei allen diesen Sätzen fällt auf, daß zwei Aussagen (a,b) mittels einer grammatischen Erscheinung in eine deutliche Beziehung zueinander gesetzt werden, eine Beziehung, die das eine vom anderen nicht ausschließt. Angesichts dieses Phänomens ist man zu dem deutschen Terminus Wechselbeziehung (Duden) gekommen, in der traditionellen lateinischen Grammatik spricht man von der Korrelation, d.h. einer fest zusammen-(lat. cum)hängenden Beziehung (relatio). Das Phänomen der Korrelation soll in den folgenden kurzen Ausführungen näher betrachtet und zugleich der Versuch einer Definition, einer Abgrenzung im wörtlichen Sinne, unternommen werden.

1. Als Korrelation können wir zunächst ein bestimmtes Verhältnis zweier Aussagen (a,b) verstehen, das durch bestimmte Partikeln, die Korrelate, hergestellt wird, zu denen diese Aussagen als Anglieder hinzutreten. Die Aussagen er ist krank und er kann nicht kommen können z.B. für sich allein stehen, andererseits in eine deutliche Wechselbeziehung zueinander treten: Weil er krank ist, deshalb kann er nicht kommen oder Wenn er krank ist, dann kann er nicht kommen. Aus diesen Beispielen erkennen wir:

a) Weil und deshalb, wenn und dann beziehen sich unmittelbar aufeinander. Sie dienen als Korrelate dazu, eine Beziehung von Aussagen zueinander herzustellen.

b) Die Korrelate bezeichnen Art oder Natur dieser logischen Beziehung (hier: Grund oder Bedingung).

In den Beispielen

lassen sich beide Aussagen tatsächlich vertauschen: es scheint eine Wechselbeziehung vorzuliegen. Besteht jedoch zwischen dem Krank-Sein und dem Nicht-kommen-Können wirklich ein echter wechselseitiger Bezug? Das Krank-Sein wirkt sich zwar so auf die Person aus, daß sie nicht kommen kann, das Nicht-kommen-Können bewirkt aber längst nicht als handelndes Subjekt eine Krankheit, es wird von ihr bewirkt, ist also leidendes Objekt: 'die Krankheit macht ihn nicht kommen'. In Wirklichkeit liegt also ein monokausaler Bezug vor.

2. Die Sätze

lassen erkennen, daß Korrelate sowohl neben- wie unterordnend wirken können. Zugleich entsteht in beiden Fällen, nicht zuletzt durch Satzmelodie und Interpunktion, eine Spannung zwischen beiden korrelativischen Aussagen: Aussage a wird durch ihr Korrelat so verändert, daß wir etwas Folgendes erwarten, darauf gespannt sind. Diese Spannung wird gelöst durch Aussage b, die ihren Antwort- oder Ergänzungscharakter mittels eines anderen bzw. zweiten Korrelats erhält.

Betrachten wir nun die Beispiele

aber:

In unseren Satzgefügen (HS, NS) ist die mit dem ersten Korrelat verbundene Aussage der mit dem anderen verbundenen untergeordnet. Es fällt auf, daß die überordnenden Korrelate zumeist demonstrativischen, also Zeige- oder Hinweischarakter haben (der(jenige) = dieser; solcher(maßen) = in dieser Weise; deshalb = aus diesem Grunde. Das überordnende Korrelat erhält seinen spannungsschaffenden Charakter hauptsächlich durch diese demonstrativische Eigenschaft. Der Aussage a wird ein Hinweis hinzugefügt; Gegenstand dieses Hinweises ist Aussage b.

Was Wortarten und syntaktische Funktion anbelangt, so zeigt sich bei den unterordnenden Korrelaten neben dem konjunktionalen (weil, denn etc. zum Ausdruck eines innerlich abhängigen Satzgliedbezuges wie Grund, Art und Weise, Absicht, Zeit, Einräumung, Folge usw.) der relativische Typ mit einerseits Relativ-Adverbien (wie, wo (Art und Weise, Ort)) und Relativpronomina (der, die, das, welcher usw. zum Ausdruck attributivischer Satzgliedbezüge). Zum letzteren ist uns schon aufgefallen, daß demonstrativisches und relativisches Korrelat, wenn beide Pronomina sind, nicht kasusgleich zu sein brauchen (Der(jenige), den ...).

Wird das (unterordnende) Relativpronomen Erstkorrelat, so nimmt es Fragewortcharakter an:

* Wer (= derjenige, welcher) dies getan hat, der muß verdammt werden.

Entsprechend haben wir bei den überordnenden Korrelaten Demonstrativpronomina und -adverbien. daneben auch sog. Indefinitpronomina (jeder, alle, irgendein, irgendwas) und die oft zu diesen gezählten unbestimmten Zahlwörter (einige, manche, viele, wenige), auch das verstärkende  Zahlwort einzig- ; daneben superlativische Wendungen in substantivischer und adjektivischer Verwendung:

Befassen wir uns nun mit der Nebenordnung:

Wie in der Hypotaxe ist in der parataktischen Korrelation ein Spannungsverhältnis der Korrelate zueinander zu beobachten, wenn auch nach außen hin nicht so explizit wie z.B. bei den mit d- und w- anlautenden demonstrativisch/relativischen Korrelaten im Satzgefüge. In unseren Beispielen fordert der semantische Gehalt des ersten Korrelates 'nicht nur' zwingend die Ergänzung 'sondern auch ' als spannungslösendes Element..

Dieses Spannungsverhältnis innerhalb der Korrelation und der Charakter einer notwendigen Ergänzung, den Zweitkorrelat und Anglied zusammen für sich beanspruchen können, äußert sich darin, daß als Teil der korrelativischen Aussage Einzelkorrelat und Anglied nicht isoliert, losgelöst von der Gesamtkorrelation dastehen können. Bei den Aussagen

warten wir auf die zum Verständnis der Aussage nötige Ergänzung, die nur von einem entsprechenden Gefüge aus Zweitkorrelat und Anglied geleistet werden kann, soll nicht die von der ersten korrelativischen Aussage evozierte Spannung erhalten bleiben. Ein Stilmittel, eben diese Spannung beliebig zu konservieren (bzw. zu retardieren), läßt das Zweitkorrelat und sein Anglied nicht folgen, verlegt statt dessen die entsprechende Aussage in einen, gewöhnlich durch Punkt oder Semikolon abgetrennten neuen Satz. Der an korrelativisches Denken gewöhnte Leser, zunächst in seiner Erwartung enttäuscht, wird um so eifriger zu dieser Stelle hineilen:

* Sie war nicht nur schön, sie bezauberte nicht nur durch ihr reizendes Wesen, die Leichtigkeit ihres Auftretens, das Unbeschwerte ihres Gemüts - sie hatte wirklich einen großen Eindruck in ihm hinterlassen. Von Tag zu Tag bemerkte er, daß sie daneben einen Vorzug hatte, den er später noch so oft als höchst angenehm empfinden und der ihm noch sehr zunutze kommen sollte: sie war klug, einsichtig, erfahren  in allen Dingen.

Auch die anaphorische Verwendung des Erstkorrelats ist ein Mittel zur Spannungssteigerung:

* (Zeit 092068, 17/4) Dann wäre das Buch nicht mehr Freund für einsame Stunden, nicht mehr Inkarnation gepflegter Innerlichkeit, sondern Instrument zeitgerechter Lebensbewältigung.

* (Zeit 092068, 2/2)  Zwar wurden die Mädchen nicht ausgeschlossen, zwar verließen sie doch nicht die Konferenz, zwar sanken viele der kampfbereiten Lysistratas ihren Helden schon bald wieder in die starken Arme, aber der Konflikt ließ sich kaum noch verdrängen.

Im letzten Beispiel fällt zweierlei auf:

  1. Die Korrelate zwar und aber beziehen sich jeweils auf den ganzen von ihnen eingeleiteten Satz, haben ihn als syntaktisch-semantisches Anglied.
  2. Dies wiederum bewirkt in den mit zwar eingeleiteten Sätzen Umstellung (Inversion) von Subjekt und Prädikat, also Frage-Satzstellung, während der 'aber'-Satz in seiner Wortstellung nicht vom Korrelat beeinflußt wird. Eine solche verschiedene Wortstellung können wir auch bei anderen nebenordnenden Korrelatpaaren und den mit ihnen verbundenen Sätzen beobachten:

* Er hat ihm weder beruflich geholfen, noch hat er seine künstlerischen Anlagen gefördert (aus Duden, Stilwörterbuch, 5. Aufl. 1963, S. 731).

Bezieht sich ein nebenordnendes Korrelat eindeutig nur auf ein  bestimmtes Satzglied, so herrscht 'Normal'- oder 'Aussage'-Stellung:

* (Zeit 092068, 9/3) Weder Gorki (...) noch Stalin haben etwas von den Bauern verstanden.

Die Beispiele

zeigen, daß als nebenordnende Korrelate nicht allein reine Konjunktionen (nicht, sondern, aber), sondern auch adverbielle Ausdrücke bzw. Partikeln (halb, (zu)erst, teils etc.) sowie Präpositionen fungieren können.

Hatten wir bei allen unterordnenden Korrelationen noch neben der Spannung ein starkes Abhängigkeitsverhältnis festgestellt, so fehlt dieses völlig im nebenordnenden Typ. Hier bestimmt, hervorgerufen durch die Signalkraft der Korrelate, allein das starke Spannungsverhältnis den Charakter der in unserem Sinne zu fassenden Korrelation.

Mehrteilige Korrelate. Erweiterung. Modifikation

Werfen wir einen Blick auf die Beispiele

Wir haben es hier mit Korrelaten zu tun, die aus mehr als einem Wort bestehen; in den Wendungen selbst wenn, wenn auch, so doch, nicht nur, nicht so, fast ebenso und sondern gerade werden die Grundkorrelate wenn, so, ebenso, nicht und sondern ihrerseits erweitert oder modifiziert; dies kann geschehen,

1. um durch Korrelat-Verneinung den Sinn der Korrelation ins Gegenteil, vom Positiven ins Negative, zu verkehren: aus so...wie wird nicht so...wie oder so...wie nicht; ein Zusatz wie fast oder beinahe kann dazu dienen, den Aussagewert einer Korrelation stark einzuschränken;

2. um durch Aspektverengung oder -abgrenzung eine neue korrelativische Aussage bzw. Signalfunktion zu schaffen: die Grundkorrelation wenn...so mit ihrer Bedingungs- und Folgefunktion erhält durch die Modifikation wenn auch ... so (doch) konzessive Bedeutung. Auch beide Korrelate können entsprechend modifiziert werden:

(Zeit 092068 1/5) So einig die Amerikaner dabei auch mit ihnen in der Analyse gewesen sein mögen, so sehr sträuben sie sich doch, ihr europäisches Engagement sichtbarer zu machen (...).

Zur einräumenden Funktion des ersten Korrelats tritt beim zweiten ein adversativer Nebensinn. Aus der Grundkorrelation so (=wie sehr) ... so (=so sehr, in solchem Maße) entsteht das Gefüge so ... auch, so (sehr) ... doch   mit drei gleichzeitigen korrelativen Bedeutungen: 

  1. Die Amerikaner waren ebenso einig, wie sie sich gesträubt haben (modal-vergleichend);
  2. Wenn die Amerikaner auch (zuerst) einig waren, haben sie sich dennoch (danach) gesträubt (konzessiv);
  3. Die Amerikaner waren zwar (zunächst) einig, haben sich aber (dann) gesträubt (adversativ).  

3. Durch einen erweiternden Zusatz kann die Bedeutung eines Korrelats verstärkt werden (Emphase); in der pointiert reihenden Korrelation nicht nur ... sondern auch (entstanden aus der Grundkorrelation nicht ... sondern) kann das Gleichgewicht beider Aussageteile aufgehoben werden, wenn das modifizierende 'auch', das dem zweiten Korrelat seine reihende Bedeutung verleiht, durch das einschränkende 'gerade' ersetzt wird. Rein subjektiv (denn eine Interpretation muß hier dem gefühl unterworfen sein!) läßt sich 'gerade' mit 'besonders' gleichsetzen, das der mit dem zweiten Korrelat verbundenen Beziehungsgröße besonderes Gewicht verleiht: Nicht nur die Stillen im Lande greifen zum Buch - auch die Aufgeschlossenen, gerade sie, tun es. Die Problematik einer solchen Bedeutung darf nicht verschwiegen werden. Ebenso gut könnte man diesem 'gerade' einen adversativen Nebensinn zuschreiben; somit wäre aus der ursprünglich reihenden Korrelation nicht nur ... sondern auch das stark Adversative der Grundkorrelation nicht ... sondern geworden, die Aufgeschlossenen stünden dann in besonderem Kontrast zu den Stillen im Lande, und letzteren fehlte es dann, implicit behauptet, an Aufgeschlossenheit. Daraus dürfte deutlich werden, daß mit zunehmendem Variationsreichtum an Korrelationen, mit zunehmender Vielfalt zugleich eine gewisse Komplizierung im wahrsten Wortsinne eintritt hinsichtlich der Interpretierbarkeit dieser Beziehungsgefüge.

4. modifiziert man die Grundkorrelate einer Korrelation mit jeweils einem Wort, das wiederum selbständig für sich Grundkorrelat sein kann, können also innerhalb eines korrelativen Gefüges auch die jeweiligen Korrelatmodifikatoren miteinander in korrelative Beziehung treten, so entsteht etwas, das als Doppelkorrelation zu bezeichnen wäre:

* Gleichzeitig mußte der Begriff des Feldes als elementare Kategorie angesehen werden, und zwar zunächst auf gleicher Stufe mit Materie und Energie (...), in der Folge aber als etwas noch Fundamentaleres als diese.

Wie erkennen in 'chiastischer' Anordnung, wobei zugleich ein Bild der Symmetrie entsteht, die beiden Korrelatpaare zwar ... aber und zunächst ... in der Folge (für erst ... dann), wobei das erste klar adversativen und das zweite primar temporalen Charakter hat. Die Deutung 'erst ... dann' als adversativ für 'zunächst ... in der Folge' ließe es zu, diese chiastische Korrelat-Anordnung als ein Maximum an Ausdrucksintensität zu bezeichnen: zwei selbständige Korrelat-Paare bezeichnen im Gleichtakt dieselbe korrelativische Aussage.

5. In den bisherigen Fällen wurde das Grundkorrelat durch ein meist in unmittelbarer Nachbarschaft stehendes Anglied modifiziert; die von der Korrelat-Aussage ausgehende Kraft und der von ihr betroffene Bereich können auch modifikatorisch durch eine Wendung mit Korrelatcharakter verstärkt bzw. erweitert werden, wobei diese Wendung die Aussage eines vorhergehenden Korrrelates aufnimmt und auf ein ihm zugehöriges Anglied überträgt:

* Der von einem deutschen Funkamateur auf dem 15-m-Band ausgestrahlte Anruf erreichte aufgrund der Ausbreitungscharakteristika zwar einen australischen Hörer, nicht aber deutsche Amateure, sogar nicht die in unmittelbarer Nähe der Sendestation.

Die Versuchung liegt nahe, die Struktur zwar ... aber ... sogar mit ihren Angliedern als dreiteilige Korrelation zu betrachten. Dem widerspricht allerdings eine bereits erkannte typische Eigenschaft der Korrelation, daß in ihr nämlich das Erstkorrelat mit seinem Anglied stets in forderndem Bezug steht zur zweiten korrelativischen Aussage, die ihrerseits die entstandene Spannung lösen sowie eine ergänzende, oft erklärende Antwort geben muß. Diesen Anspruch kann das in Drittstellung befindliche, durch nicht erweiterte 'sogar' nicht erheben: es hat zwar ein Anglied bei sich, bildet mit ihm zusammen zwar eine bestimmte Aussage, modifiziert mit dieser jedoch lediglich die vom zweiten Korrelat und seinem Anglied geleistete Feststellung; es erweitert, ergänzt, ja steigert sie, ohne aber vom ersten oder gar zweiten Korrelat dazu gefordert zu sein, etwa eine Spannung erklärend zu lösen. Es kann somit kein vollwertiges Drittkorrelat sein.

Korrelatmehrgliedrigkeit durch verdeutlichende Paraphrase des Grundkorrelats

Die Beispiele

zeigen in beiden Fällen die modal-vergleichende Korrelation (eben)so ... wie, nur mit verschiedenem Erstkorrelat. Das einfache hinweisende 'so' kann, um Deutlichkeit und damit Ausdruckskraft und Verständnisgrad zu steigern, durch die aus mehreren Wörtern bestehende (Para-)Phrase 'in gleichem Maße' ersetzt werden. In unserem Beispiel kommt die eigentliche Bedeutung des Grundkorrelats 'so' am besten zum Ausdruck. Ohne eine solche Ausdrucksverstärkung kann die Paraphrase lediglich Mittel der variatio sein:

* Der Begriff des Feldes als elementare Kategorie befand sich zunächst auf gleicher Stufe wie Materie und Energie, war in der Folge aber noch fundamentaler als diese. (Zu beachten ist - das ergänze ich aus heutiger (1996) Sicht - neben 'zunächst ... in der Folge' auch das zentral positionierte Bezugs-Paar 'auf gleicher Stufe ... wie')

Die Korrelatparaphrasierung kann leider auch geeignet sein, durch zu starke Gekünsteltheit des Ausdrucks den Verständnisgrad eines Sinnzusammenhanges herabzusetzen; die Korrelation verliert dann einen wesentlichen Nutzen, nämlich die Verdeutlichung logischer Aussagenbezüge:

* (Zeit 092068 1/2) Die bisherige Zielansprache - "Überwindung des Status quo" - ist zu lapidar, als daß sie nicht Mißtrauen erwecken müßte.

Nach der erstaunten Feststellung, daß sich in dem Korrelatpaar 'zu ... , als daß nicht' doppelte Verneinung verbirgt (nämlich 'so, daß nicht nicht'), kommt man leicht zu dem Schluß, daß sich ein solcher Sachverhalt auch verständlicher ausdrücken ließe:

* Die bisherige Zielansprache (...) ist so lapidar, daß sie (einfach) Mißtrauen erwecken muß.

Lexisch-semantische Korrelatverschiedenheiten

Die Beispiele lassen erkennen, daß nur in den seltensten Fällen und nur innerhalb korrelativischer Nebenordnung (bald ... bald, so ..., so, teils ... teils, halb ... halb) beide Korrelate lexisch und semantisch gleich sind. Finden wir in der Unterordnung bei den Korrelaten noch starke semantische Verwandtschaft (wer ... der, so ... wie, deshalb ... weil, dann ... wenn, damals ... als, obwohl ... dennoch), haben in vielen Fällen der Nebenordnung die jeweiligen Korrelate verschiedene semantische Funktionen: so bewirkt in der Korrelation zwar ... aber das Erstkorrelat eine stark einräumende Färbung seines Angliedes (Wenn sie auch nicht ausgeschlossen wurden), während das spannungslösende 'aber' als adversative Entgegnung fungiert.

Korrelativische Mehrdeutigkeit

Es ist bereits aufgefallen, daß - besonders unterordnende - Korrelationen nicht immer ausschließlich eine semantische Deutung zulassen wie etwa in dem unmißverständlichen Beispiel  *Augustin war fast ebenso empfänglich für Architektur wie für Musik*. Hier finden wir rein modales Vergleichen, während das Bsp. *(Zeit 092068) Wenn er spricht, dann hat er etwas zu sagen zur Sache* nicht weniger als vier verschiedene Deutungen unterordnender Gliedsatzbezüge zuläßt:

  1. (Immer) wenn er spricht, (dann) hat er (gleichzeitig) etwas zu sagen (iterativ bzw. koinzidenziell);
  2. Wenn er spricht, dann (ist es), weil er etwas zu sagen hat  bzw.  Wenn er spricht, (dann) hat er darum etwas zu sagen (kausal);
  3. Wenn er spricht, (so) ist das bedingt dadurch, daß er (...) oder: Er spricht (nur), falls/wenn er etwas zu sagen hat  oder: Falls er spricht, (so) hat er etwas zu sagen (konditional);
  4. Wenn er spricht, dann, um etwas zu sagen  oder: (...), dann ist (es) seine Absicht, (...)  (final).

Diese Substituierbarkeit der Korrelate wenn ... dann ergibt sich daraus, daß diese eben nicht so pointiert formuliert sind wie etwa das Paar deshalb ... weil. Eine konsekutivische Nebenbedeutung zeigt im demonstrativisch-relativischen Paar jeder ... der das letzte Korrelat (der = der so beschaffen ist, daß); bei innerer Abhängigkeit markiert im lateinischen Relativsatz der Konjunktiv diese Doppelfunktion.

Abgrenzung der Korrelationen von scheinbar identischen anderen Phänomenen. 'Schein-Korrelationen'

Im Laufe unserer Betrachtung haben sich folgende Grundmerkmale einer Korrelation herausgestellt:

  1. Sie enthält zwei in der Regel verschiedene, direkt aufeinander bezogene Korrelate.
  2. Jedes wirkt modifizierend als Signal auf ein ihm zugeordnetes Anglied.
  3. Erstkorrelat plus Anglied und Zweitkorrelat plus Anglied stehen zueinander in spannungsreicher Beziehung, streben aufeinander zu. Die vom ersten Korrelat evozierte Spannung wird vom zweiten antwortend bzw. ergänzend gelöst.
  4. Beide Korrelate wirken als Mittel, um zwei Aussagen (a,b) in Beziehung zu setzen; ähnlich den Vorzeichen der Mathematik signalisieren sie die Art der Beziehungs-Logik.
  5. Die 'ideale' Korrelation ist ebenmäßig, gleichgewichtig strukturiert.

Diese Kriterien können dazu dienen, die solchermaßen gefaßte Korrelation abzugrenzen von einigen auf den ersten Blick hin identischen bzw. ähnlichen Erscheinungen:

1. Korrelat plus daß-Satz:

   aa) Demonstrativisches Satzadverb + daß als Nahtstelle zwischen Haupt- und Nebensatz:

ab) Demonstrativadverb als Einwort-Graduator / daß-Nebensatz:

Tritt das Demonstrativadverb zur Emphase an den Satzanfang, so folgt Inversionsstellung:

Beide Korrelate können in doppelter Erststellung aufeinander folgen:

In diesen Beispielen zeigt sich zwar eine Spannung zwischen Demonstrativum und 'daß', doch fehlt dieser Konjunktion eine modifizierende Kraft bzw. logische Signalfunktion, um als eigenständiges Korrelat im Sinne von 'wenn' oder 'weil' gelten zu können; 'daß' ist zu neutral und kann daher zusammen mit dem vorgeschalteten Demonstrativadverb sowohl kausale, konsekutive, modale wie finale Bezüge ausdrücken. Andererseits könnte man argumentieren, dadurch ... daß gelte möglicherweise als echte Korrelation, besteht doch strukturelle/semantische Ähnlichkeit zum Typus derjenige ... der bzw. deshalb ... weil.

b) Pronomen plus Inhaltssatz (Subjekt-/Objektsatz; historische Beispiele in Behaghel, Dt. Syntax III, 445, 572-577, 581, 658 f.)

In unseren Beispielen besteht durch den hineininterpretierbaren Hinweischarakter der Pronomina 'es' und 'das' eine Art Spannungsverhältnis dieser 'Korrelate' zum abhängigen Inhaltssatz, es fehlt jedoch das nötige Gleichgewicht zwischen beiden 'korrelativischen' Aussagen.

2. Personalpronomen und Relativpronomen als 'Korrelate': ein Grenzfall

Anders als in 1.b) verhält es sich mit den Sätzen

Hier könnte man nämlich interpretierend das jeweilige Personalpronomen (er, es) mit einem entsprechenden demonstrativischen (dies(es), das(jenige) bzw. dieser, der(jenige)) gleichsetzen, womit alle Voraussetzungen für eine in unserem Sinne verstehbare Korrelation erfüllt wären:

Vertreter einer solchen Argumentation könnten auf ihrer 'Haben'-Seite verbuchen, daß das Personalpronomen etymologische Verwandtschaft zum Demonstrativpronomen besitzt, sie könnten dem persönlichen Fürwort unterstellen, es schließe in einigen besonderen Fällen und Zusammenhängen (so dem unseren) eine demonstrative Bedeutung sozusagen als 'Nebensinn' insgeheim in sich. Wir stehen hier an der Grenze möglicher Unterscheidbarkeit zwischen echter und scheinbarer Korrelation, und auch hier zeigt sich, daß es immer eine unrealistische Wunschvorstellung bleiben wird, grammatikalische Phänomene rein objektiv, ohne den Verlustfaktor mehr oder weniger unerläßlicher Interpretation, definitorisch zu klären und zu beschreiben.

Die Korrelate als Träger von in Wechselbeziehung stehenden Aussagen

Vom lateinischen tot ... quot ausgehend, haben wir uns anfangs mit Korrelationen beschäftigt, die als solche durch die morphologische Entsprechung ihrer Korrelate leicht zu erkennen waren. Mit einem Seitenblick auf semantisch-syntaktische Probleme haben wir erkannt, daß zur Konstituierung eines echten korrelativischen Bezuges nicht a priori eine solche wortbildungsmäßige Affinität gehört, daß es auf andere Merkmale ankommt. Mit Hilfe dieser Erkenntnis ist bereits in einigen Fällen zum Ausdruck gekommen, daß das aus tot-quot-Analogien entstandene korrelativische Denken im Laufe der Zeit den Schatz seiner Ausdrucksmittel um neue Varianten bereichert und dadurch die Ausdrucksfähigkeit in der und durch die Korrelation beträchtlich gesteigert hat. Zur Verdeutlichung dessen wollen wir einen genaueren Blick werfen auf die lexikalisch und strukturell verschiedenen Träger zweigliedriger logischer Aussagen. Als solche erscheinen in Gestalt von Einzelwörtern oder Wortgruppen (Syntagmen):

     1.  a) Pronomina (einschl. der Indefinitpronomina und der damit verwechselbaren unbestimmten Numeralia),
     b) in superlativischer Verwendung das Indefinitum 'einzig' und bestimmte (beschreibende) Adjektive
     2.  Adverbien meist demonstrativischen Charakters, teilweise vergleichend (so ... wie, mehr/weniger ...     als)
     3.  Konjunktionen (weder, noch, wenn, weil) und (vereinzelt)
4.  Präpositionen (von, bis, zu, nach).

zu 1:

a) Demonstrativpronomen = Erstkorrelat / Relativpronomen = Zweitkorrelat (oder vice versa): der(jenige)/dieser/jener/jeder/derselbe ..., der;  solche ..., die/welche: *Man sollte nur noch solche Maßnahmen beschließen/durchführen, die Erfolg versprechen.  

ba) Adjektiv / Relativpronomen: der einzige ... , der (nicht jedoch: der Eine (für 'Gott'), ist zu einem festen Begriff geworden);  der beste, größte (Mensch) ... , der; auch Ordnungszahlen: *der erste (Mensch), der den Mount Everest bezwang; *die erste (Frau), die sich mit Radioaktivität befaßte; *das erste (Phänomen), das ihm auffiel, war ein zartes, hochtoniges Geräusch im Hintergrund; *das letzte, an das (=woran) ich in dieser Situation denken würde, wäre ein möglicher Gewinn.

bb)  Indefinitpronomen / Relativpronomen: einiges/etwas/vieles/manches/nichts ..., daseinige/wenige/alle ... (,) die

In allen diesen Paaren ist jeweils ein Relativpronomen (Erst- oder Zweit-)Korrelat (relativische Korrelation); demonstrativische/indefinite und relativische Korrelate können die Position tauschen. Bestimmter Artikel und adjektivisches Pronomen können isomorph (gestaltgleich) auftreten: *Der(jenige), der (=welcher) das Buch entwendet hat, bekommt noch die Chance, es anonym zurückzugeben. *(Zeit 092068 17/4) Sind es immer noch die Trottel, die unter Büchern leben?

zu 2:

a) Demonstrativadverb = Erstkorrelat / Relativadverb = Zweitkorrelat: dort ..., wo; nirgends / mancherorts ..., wo; auch Richtungs-Adverbien: woher ..., dort(hin); worin ..., da/dort(hin); woraus ..., da/dort; dafür ..., wofür: *Dafür trete ich ein, wofür ich immer (schon) gekämpft habe; wozu ..., dazu: *Wozu ich dich immer hinzuleiten versuche, dazu /dafür ist es jetzt zu spät.  

b) neben- und unterordnende Adverbpaare: so (=in gleichem Maße) ... (,) wie;  ebenso(viel/sehr/wenig) ... wie; mehr/weniger ... (,) als;  bald ... (,) bald (-> Behaghel, Syntax III, 171);  (zu-)erst ..., dann; zuerst ..., zuletzt; teils ..., teils; halb ..., halb; einerseits ... andererseits; erstens ..., zweitens: *Erstens ist er dumm wie Stroh, zweitens faul wie Mist;  (Syntagmen:) zum einen/ersten ..., zum anderen;  auf der einen Seite ..., auf der anderen Seite (dreifach redundant); nur unterordnend: wie ..., so: *Wie (schnell) man arbeitet, so (schnell) ißt man; je ..., je/desto: *Je mehr er hat, je mehr will er; *Je häufiger ich sie besuche, desto besser lerne ich sie kennen (schon Mittelhochdeutsch ie ... deste baz; modal-steigernd, anders interpretiert bei Behaghel, Syntax III, 289)

Strukturell (aber nicht funktionell) entsprechen halb ... halb, bald ... bald einem volkssprachlichen Hang zur Bildung formelhafter Paarbeziehungen, deren Glieder meist Gegensätzliches bedeuten. Das Schema ist immer gleich: Aussage A erhält die Entsprechung B, beide erscheinen als verblose Ellipsen. Solche rhetorisch wirkungsmächtigen Parallelismen eignen sich natürlich besonders gut zur Bildung sprichwörtlicher Redensarten und in der Werbe- und Zeitungssprache (Schlagzeilen), ganz allgemein auch zur Verbreitung allgemeiner Lebensregeln und traditioneller Vorurteile:

c) Demonstrativadverb = Erstkorrelat / unterordnende Konjunktion = Zweitkorrelat (oder vice versa): ebenso ...(,) wie; so wie (+ Gliedsatz) ..., so: *So wie man glaubte, daß die Ikonen teil an der Heiligen Nacht hätten (...), so haben (...) die musikalischen Akkorde (...) teil an dem ewigen Einklang, der sie transzendiert (vgl. auch Behaghel, Syntax III, 299 f.); so ... auch, so sehr doch: *(Zeit 092068 1/5) So einig die Amerikaner dabei auch mit ihnen in der Analyse gewesen sein mögen, so sehr sträubten sie sich doch, ihr europäisches Engagement sichtbarer zu machen (...); darum/deshalb ..., weil; wenn (überhaupt)..., so/dann (eben nicht): *Wenn er krank ist, dann kann er eben nicht kommen; *Wenn es überhaupt einen Gott gibt, dann nur im Innersten eines jeden Menschen; auch wenn/selbst wenn/obschon/obgleich/obzwar/wenn auch/wenngleich/wenn schon ..., so doch/dennoch/trotzdem: *Wenngleich ich nur wenige Publikationen aufzuweisen habe, (so) werde ich mich dennoch bemühen, mein Spektrum von Forschung und Lehre adäquat aufzuzeigen; (als Sonderform:) wenn ..., so auch nicht (für: wenn auch ..., so...nicht): *(Zeit 092068 17/4) Wenn sie Fußball spielen, so verringert das auch nicht ihre Leselust;  damals ..., als; nun ..., da; (immer/nur) dann ..., wenn

d) Zeitadverb / unterordnende Konjunktion: immer ..., wenn (als Variante von immer dann, wenn): *Er besucht mich immer, wenn ich keine Zeit habe; gerade ..., als/wenn; kaum ..., als *Kaum hatte ich den Rücken gekehrt, als schon über mich hergezogen wurde (engl. hardly ... when / no sooner ... than; beiordnend: (...), da wurde schon (...) hergezogen).

Zu 3:

a) Parallele Aussagen:

(reihend:) sowohl ... als/wie auch; nicht (etwa) nur ..., sondern auch; (negierend:) weder ... noch; nicht ... noch; nicht ... nicht: *Das ist nicht Fisch, nicht Fleisch.

b) Differenz-Aussagen:

(einschränkende Adversion:) zwar ..., aber/doch(/allein); zwar nicht ..., aber doch (Doppelkorrelation!);  (reine Adversion:) (gar) nicht/nie ..., sondern/aber/vielmehr/(je)doch;  kein ..., aber/sondern/nur; (Disjunktion:) entweder ...(,) oder:

Zu 4:

temporale bzw. lokale Korrelationen mit von ... bis/zu/nach:

umrahmende Fügungen: um ... willen, vom/von ... an/auf, von ... her, zwischen ... und; man könnte sie, im Gegensatz zu den bisher behandelten syntaktischen, als lexikalische Korrelationen bezeichnen:

Die Leistung der Korrelation als syntaktisch-semantisches Phänomen. Müssen Korrelationen sein?

Die in unserem Sinne als 'echt' gefaßte und in ihrer Vielfalt dargestellte Korrelation vermag alle denkbaren logischen Bezüge zwischen zwei Aussagen wiederzugeben, so etwa einen Grund (darum a, weil b), einen modalen Vergleich (ebenso a wie b), eine Gleichzeitigkeit (a gerade dann, wenn b) bzw. Zeitverschiebung (erst a, dann b / kaum a, da b), eine Adversion (nicht a, sondern b), eine Reihung positiver (sowohl a wie b) oder negativer (weder a noch b) Art; auch rein relativische Bezüge, seien sie pronominal (derjenige a, welcher b) oder adverbiell (worin a, darin b). Innerlich abhängige Gliedsatzbezüge (Grund, Folge, Einräumung usw.) lassen sich ebenfalls darstellen.

Die logische Verknüpfung zweier Aussagen kann zwar auch durch nur ein Pronomen (wer a, b) oder eine Konjunktion (a, wenn b; a, obwohl b) dargestellt werden, die Korrelation wäre in diesem Sinne redundant; doch bietet sie rhetorisch und stilistisch gesehen eine Möglichkeit, die informative Intensität eines Sachverhalts zu steigern, dem Rezipienten einen Redetext leichter faßbar und 'wie Öl eingängig' zu machen. Im rechten Maße angewandt, dort, wo es zur Verdeutlichung nötig ist, bietet die Korrelation unbestreitbare Vorteile. Gegenteilige Effekte zeigen sich nur dann, wenn aus einfachen Korrelationen monströse Gebilde werden, wenn über Gestalt und Zweck der Korrelation nicht (mehr) reflektiert und das Korrelat lediglich als eine Art Füllmaterial benutzt wird. Dann wird eine Aussage im negativen Sinne 'kompliziert', die sich doch so einfach formulieren ließe, möglicherweise entstünden so vernebelte Gebilde wie Goethes "Dabei müssen wir nichts sein, sondern alles werden".

Vor- und Nachteile der Korrelation werden wohl kaum etwas daran ändern, daß dieses interessante und vielseitige Stilmittel seinen über viele Jahrhunderte tradierten Platz in der deutschen Sprache behauptet.

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Vorliegende Arbeit entstand als 'Kurzreferat' in dem von Dr. Rössing-Hager im WS 1968/69 durchgeführten Hauptseminar "Deutsche Syntax" (Arbeitsgruppe 'Untersuchungen gramatischer Erscheinungen an Sachprosa); bis auf diverse Korrekturen, Ergänzungen und weitere Beispiele ist sie im Tenor unverändert. Die hier erörterte Problematik hat bis heute ihren Reiz bewahrt, ist doch die Korrelation (oder was immer man darunter verstehen mag) eines der interessantesten, vielfältigsten Ausdrucksmittel der deutschen Sprache und als solches auch Gegenstand der Vermittlung des deutschen Stils im mutter- und fremdsprachlichen Unterricht.

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