Klaus Below aus Belgrad zum Abbruch der Verhandlungen in Kumanovo,

Morgenmagazin 7.6.99/7:06-09; Interview: Inka Schneider

Welche Erklärungen gibt es denn in Belgrad für das Scheitern der Gespräche heute nacht?

Also, um ehrlich zu sein: es ist eine massive Enttäuschung, um nicht zu sagen viel, viel mehr, was heute nacht hier in Belgrad eingezogen ist. Tiefste Resignation, um in einem Superlativ zu sprechen. Und es wird auch überhaupt nicht mehr verstanden hier unter den Experten, denn: am 3. Juni, also am Donnerstag letzter Woche, um 12 Uhr 42 hat ja immerhin das serbische Parlament mit 136 Ja-Stimmen, also mit der Mehrheit, dem Abkommen zugestimmt, und - ich habe es hier bei mir, ich hab's noch mal nachgelesen, weil ich es auch nicht habe glauben können - im Paragraphen 2 heißt es hier eindeutig "Rückzug aller Truppen", also das heißt Armee, Polizei und paramilitärische Truppen, "aus dem Kosovo", und das ist ja genau der Punkt, dem das Parlament zugestimmt hat, dem die Regierung zugestimmt hat, dem Milosevic angeblich zugestimmt haben soll, und dieses ist der Knackpunkt, weshalb die Verhandlungen in Kumanevo gescheitert sind: weil die serbische Seite, weil die jugoslawische Seite eben sich nicht zurückziehen will.

Das jugoslawische Militär hat ja seit Beginn der ... Gespräche immer wieder diese Gespräche und ein Ergebnis hinausgezögert - nun war man ja von Anfang an spektisch gegenüber Milosevic; kann es sein, daß er sich nur zum Schein der NATO überhaupt gebeugt hat?

Nun, das ist so eine Kaffeesatz-Frage, wenn ich das mal so sagen darf, es ist immer schwierig mit 'wenn', 'hätte' .. zu spekulieren; Tatsache ist wohl - und insofern ist die Frage völlig richtig -, daß die Hardliner hier, die Gruppe um Seselj - das ist der radikale Nationalist - gedroht haben, aus dem Parlament auszuziehen, wenn irgendein NATO-Soldat Kosovo-Boden betritt, das ist fast wörtlich zitiert vom letzten Donnerstag aus der Parlamentssitzung. Und er hat es ja anschließend auch in der Pressekonferenz, die diese Partei gegeben hat, am Nachmittag, am Donnerstag nachmittag noch einmal betont. Was dahintersteckt, wenn ich das bitte anschließen darf, ist folgendes: damit würde das Parlament aufgelöst, damit würde eine neue Koalition notwendig werden, und diese Koalition wäre nur möglich mit Vuk Draskovic; wenn der da nicht mitmachen würde, würde es heißen 'Neuwahlen'. Und das ist die politische interne Situation, das ist ein Spiel um Macht, was hier neu aufgemacht worden ist.

Das heißt: Milosevic versucht, durch diesen Schachzug innenpolitisch wieder an Macht und an Zuspruch zu gewinnen.

Ja, mehr als zuvor, muß man ja sagen, denn er hat ja alle Macht jetzt in den Händen. Es ist Kriegszustand, es ist Kriegsrecht, alle bürgerlichen Institutionen sind außer Kraft gesetzt, und mit dem Kriegsrecht als oberster Befehlshaber der gesamten Streitkräfte hier in Serbien-Jugoslawien ist er ja sowieso an der Macht, aber mit dem Kriegsrecht hat er obendrein auch noch die gesamte Bevölkerung im Griff.

Die NATO-Angriffe werden ja jetzt fortgesetzt; auch Belgrad hatte heute nacht wieder Sirenenalarm. Wie groß ist denn das Ausmaß der Zerstörung - wurde bombardiert in Belgrad?

In Belgrad selber, in der Stadt ist nichts bombardiert worden; ich habe nur gehört, am Rande irgendwelche Umsetzer - nicht militärische Umsetzer, sondern Strom-Umsetzer und auch Umsetzer vom Fernsehen, was noch vorhanden ist; es sind im Grunde genommen nur Reste vorhanden, denn Belgrad lebt ja jetzt schon unter Strommangel, und zwar so extrem, daß der Wasserdruck im 4. Stockwerk in den Gebäuden schon nicht mehr ausreicht, um mit Wasser versorgt zu werden; die Pumpstationen schaffen das nicht mehr, Elektrizität gibt es nur noch stundenweise - das ist die Situation, wie sie nun mal ist.

(c) Transkription: W. NÄSER 7.6.99 pm