Dr. Wolfgang Näser: Formen schriftlicher Kommunikation (für Ausländer), WS 1996/97
Creative Writing: eine Kriminalgeschichte
Zum Thema "creative writing" erhielten die Teilnehmer/innen als Vorgabe den von mir verfaßten Anfang eines Kurz-Krimis; sie hatten die Aufgabe, als Hausarbeit für die folgende Stunde eine Fortsetzung zu erfinden. Was dabei herauskam, können Sie - an einigen Beispielen - ersehen. Lexikalische und stilistische Korrekturen wurden nur ganz sparsam vorgenommen. Ich möchte nicht verhehlen, daß ich stolz darauf bin, was hier an Kreativität zutagetritt: Ergebnis echten und ehrlichen Eifers, nach Kräften etwas beizutragen - in einer Sprache, die oft vom eigenen Kulturkreis so schier unendlich weit entfernt ist!
Zunächst mein Anfang:
Stephen S. kam an diesem Abend spät nach Hause. Die hellen Lichtkegel tasteten an der wohlgeschnittenen Hecke entlang, als er den schweren Bentley über knirschenden Kies zur Garage hin lenkte. Wenig später war er schon oben, hatte sich ausgekleidet und war im Begriff, sich hinzulegen. Sein Kopf dröhnte. Er hatte entsetzliche Stunden verbracht, mußte mit all dem erst fertig werden.
Stephen S. nahm noch einen Drink, schaltete das Licht aus und zog die Decke über sich. Der Drink zeigte Wirkung, langsam glitt er in einen, wie er gehofft hatte, wohltuenden Schlaf.
Ein lauter, metallischer Schlag riß ihn hoch. Dieses Geräusch
schien geradewegs aus der Hölle zu kommen. Stephen S. war auf einen
Schlag hellwach, seine Sinne bis zum Zerreißen gespannt.
[... und nun sind Sie an der Reihe:]
1. Er sprang schnell aus dem Bett, zog seine Hose an und eilte zum Schreibtisch, wo er eine Pistole aufbewahrte. Es war plötzlich hell im Zimmer, so wie am Mittag. Nach zwei Sekunden war es wieder dunkel. Die Augen waren noch nicht daran gewöhnt, etwas zu [be]merken. Nach einer Weile, als es wieder hell war, bemerkte Stephen S. zwei unglaublich riesige Wesen, die etwas mit Menschen gemein hatten. Sie hatten zwei große Augen, dazwischen eine lange Nase. Zwei hängende Ohren konnte man sofort bemerken auf dem kahlen Kopf.
Beide Gäste suchten nach etwas, aber Stephen S. konnte es noch nicht verstehen. Zum Unglück klingelte das Telefon. Einer von den Gästen nahm ab und versuchte zu sprechen. Am Telefon war Elisa. Sie bemerkte sofort, daß irgendetwas hier nicht stimmte. In diesem Moment wurde Stephen S. bemerkt. Er versuchte zu schießen, aber die Waffe verbrannte plötzlich in seinen Händen.
Einer von den beiden sprach mit menschlicher Stimme: "Wir wollen dich nicht töten. Wir sind hierhin gekommen, um eine Diskette Nr. 35 zu holen. Darauf sind Programme, die wir brauchen."
Stephen S. hatte keine Ahnung, um welche Diskette es ging. Die sonderbaren menschlichen Wesen nahmen eine Diskette und verschwanden im Himmel. In diesem Augenblick trat Elisa ein. In einer Hand hatte sie die Diskette Nr. 35.
SNEZANA VIRGANOVIC
2. Stephen S. stand langsam auf. Er zog seinen Morgenmantel an. Er lief ganz ruhig zum Telefon und hob den Hörer ab. Er legte den Hörer ans Ohr, hörte aber nichts. Die Telefonleitung war durchgeschnitten. Er wurde blaß, verlor aber nicht die Ruhe. Er atmete tief und nahm sein Handy aus der Tasche. Er wählte 112. Das Rufsignal klingelte sehr ruhig und sehr langsam. Es war ihm, als ob es ewig dauerte.
"Hallo, hier ist die Polizei." Endlich hatte er sie erreicht. Er versuchte ruhig zu bleiben und sagte: "Jemand brach bei mir in meinem Haus ein. ich wohne in der Sybelstraße 14 in Marburg. Bitte kommen Sie schnell!"
Er legte das Handy auf und zog ein Gewehr unter seinem Kopfkissen hervor. Er lief langsam und ruhig dahin, von wo das Geräusch kam. Seine Hände schwitzten und zitterten. Er sah plötzlich schwaches Licht. Er versteckte sich unter dem Tisch. Er sah einen Menschen. Er sagte sehr laut: "Stehen bleiben!" Der Mensch ließ seine Tasche hinfallen. Der Mensch drehte sich um und sah Stephen S. Stephen S. ließ sein Gewehr auf den Boden fallen. Weil der Mensch seine Frau war, die ihn vor zwei Jahren verlassen hatte. Sie sagte: "Darf ich noch mal bei dir bleiben?"
Dort stand ein kleines Mädchen. Er konnte seinen Augen nicht trauen. Sie sagte weiter: "Sie ist unser Kind. Als ich dich verlassen habe, wußte ich nicht, daß ich schwanger bin. ich versuchte allein zu leben und sie allein zu erziehen. Aber es ist schwer. Sie braucht einen Vater und ich brauche dich auch."
Er guckte das Mädchen an, ihre Augen sahen so ähnlich aus wie seine. Er konnte nicht mehr denken. "Du kannst heute abend bei mir bleiben. Wir sprechen morgen darüber."
Er ging wieder ins Bett, aber er konnte die Augen des Mädchens nicht vergessen. Er liebte seine Frau, auch nachdem sie ihn verlassen hatte. Er war durcheinander, aber froh, daß sie zu ihm zurückkehrte. Er entschied sich, ein guter Vater zu werden.
CHIAKI FUKUMORI
3. Stephen S. setzte sich auf in seinem Bett und versuchte zu denken, was das Geräusch gewesen sein könnte. Er stand auf und zog seinen Bademantel an, um Zeit zu schinden, während er überlegte, wie er sich gegen den Eindringling verteidigen könnte. Er ergriff die erstbeste Waffe: seinen Regenschirm. Er schaltete die Nachttischlampe ein und ging langsam auf Zehenspitzen auf die Tür zu, Mit dem Rücken zur Wand zog er die Tür auf und versuchte angestrengt, in der völligen Dunkelheit etwas zu erkennen, aber er konnte nur die üblichen eckigen Schatten der Möbel ausmachen. Schritt für Schritt ging er die Treppe hinunter und hoffte, daß die alten Dielen nicht knarren würden.
Ihm stockte das Herz, als er sich in das Wohnzimmer hineinschlich. Seine Augen paßten sich der Dunkelheit an. Niemand war da. Die Luft war kalt und Stephen S. zitterte. Da er gleich ins Bett gegangen wäre, hatte er die Vorhänge [noch] nicht zugezogen. Er erinnerte sich daran, daß er das Fenster einen Spalt [breit] offen gelassen hatte, aber jetzt war es sperrangelweit offen. Stephen S. holte einmal tief Luft und ging entschlossen in die Küche hinein.
Seine Katze miaute. Stephen S. schaltete das Licht an und guckte nach vorne mit großen Augen. Er hielt den Regenschirm so, daß er jederzeit zustechen konnte. Ein Mann setzte sich an den Tisch. Er trug einen abgewetzten Dufflecoat, er hatte graue unordentliche Haare und einen langen Bart. Er verzog das Gesicht zu einem Lächeln, als er sich am Kopf kratzte mit seinen schwarzen Fingernägeln.
Auf dem Tisch lagen eine Tüte Milch, eine halbleere Dose Bier und die Reste eines Sandwiches. Der Mann versuchte mit vollem Mund zu sprechen, aber Stephen S. kam ihm zuvor. "Was machst du hier?" fragte er. Der Tramp war starr vor Schrecken. Er verdrehte sein Gesicht und öffnete seinen Mund als ob er sprechen wollte, aber er war unhörbar. Stephen S. begriff, daß der Tramp stocktaub und stumm war. Eine große Vase aus Glas lag auf dem Boden: sie war in Scherben. Der Tramp wußte nicht, daß er die Vase vom Sideboard hinuntergestoßen hatte, und er schaute sie erstaunt an.
Stephen S. hatte Mitleid mit dem Tramp, weil er so harmlos aussah. Ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, nahm Stephen S. den Tramp zu seinem Auto und fuhr ihn zur Heilsarmee.
CLAIRE JORDAN
4. Stephen S. hob sich aus dem Bett und strengte das Gehör an. In der Wohnung war es jetzt ganz still. Nur regnete es draußen.
Stephen S. arbeitete seit zwei Jahren in der Filiale einer deutschen Firma in Bombay, konnte sich aber nicht an das englische Klima gewöhnen. Sein Kopf schmerzte. Der Drink schien ihm nicht gutgetan zu haben. Er war müde und entkräftet. Das Geräusch mußte bloß ein schlechter Traum gewesen sein.
Etwas störte ihn aber, [hielt ihn davon ab] wieder schlafenzugehen. Das Geräusch, das er gehört hatte, war zu deutlich gewesen: als ob jemand sein Fenster zerbrochen hatte. Stephen S. schaltete das Licht ein. Alles schien in Ordnung zu sein. Er warf einen Blick auf die Uhr: Viertel nach zwölf. Ich muß morgen um acht Uhr ins Büro, dachte Stephen S. Ich muß schlafen, sonst werde ich nicht frisch. - Aber leicht gesagt! Er verstand sehr gut, daß er mit seinen Kopfschmerzen nicht schlafen konnte. Er mußte eine Tablette einnehmen. Stephen S. wollte gar nicht aufstehen, aber die Zeit verlief unerbittlich. Er hob sich aus dem Bett und ging in die Küche.
Was er dort sah, ließ ihn vor der Tür stehen bleiben. Das Fenster war zerbrochen, und unter dem Fenster lag eine blutige Leiche. Das war ein indisches Mädchen mit schönem langem Haar. Sie schien noch ganz jung zu sein. Die Augen waren noch weit geöffnet und sahen leblos auf ihn.
Stephen S. sprang zum Fenster und schaute auf die Straße. Niemand war da. Es regnete in Strömen. Er beugte sich über das Mädchen und drehte sie auf den Rücken. Das tote Mädchen sah ihn leblos an. Er legte die Finger auf ihre Augenlider und schloß ihr die Augen.
Verfluchtes Land, dachte Stephen S. Ich muß selbst die Polizei anrufen. Warum haben sie mein Fenster gewählt? Weil mein Haus weit von den anderen entfernt ist? Oder weil ich Europäer bin? Seine Nachbarin, mit der er das Haus teilte, kam aber auch aus Europa. Mrs. Miller aus England war nach Bombay mit ihrem Sohn gekommen, der als Rechtsanwalt arbeitete und oft reisen mußte. Sie war eine ältere, neugierige Frau und blieb immer zu Hause.
Stephen S. war erschüttert. Armes Mädchen! Sie kam ihm so jung und unerfahren vor. Ihre bittenden Augen kamen Stephen S. nicht aus dem Sinn. Sie hatte ihre Hoffnungen gehabt, hatte vielleicht geträumt, Filmschauspielerin zu werden, war aber in schlechte Hände geraten. und jetzt war alles für sie in einem Augenblick vorbei. Noch ein Opfer der erhöhten indischen Kriminalität!
Warum mußte es heute geschehen? dachte Stephen. Morgen soll der Direktor der Firma aus Deutschland kommen, um die Tätigkeit unserer Filiale zu prüfen. Das ist die einzige Möglichkeit, ihm mein Projekt vorzulegen, an dem ich seit vier Monaten gearbeitet habe! Stephens Projekt sah eine grandiose Umgestaltung der ganzen Filiale vor. Das war die einzige Chance für seinen beruflichen Aufstieg, denn sein Chef in Bombay war ein alter Narr und verstand nichts von seinem Geschäft.
Und ich hatte auf einen wohltuenden Schlaf gehofft, dachte Stephen S. Jetzt wird er bestimmt unter Verdacht stehen. Er konnte sich die Titel in den Morgenzeitungen gut vorstellen: "German Clerk kills Indian Girl". Sein Aufenthalt in Indien konnte jetzt fraglich werden, ganz zu schweigen von seinem Projekt. Es ist noch gut, wenn die indische Polizei ihn an dem Mord nicht schuldig machen wird.
Am Abend war er noch so ruhig gewesen und jetzt war alles durcheinander. Es wäre so gut, wenn er jetzt in seinem Bett erwachen könnte! Aber das war leider kein Schlaf.
Stephen S. war jetzt in seinem Zimmer, hob den Hörer ab und wählte die Nummer der Polizei. Plötzlich legte er den Hörer wieder auf. ihm war etwas eingefallen. Seine Gedanken waren jetzt klar. Er wird die Leiche in einen Sack legen und zur Küste transportieren. Dort wird er das tote Mädchen in den Ozean werfen. Dem Mädchen war jetzt alles egal. Sie war in die gedankenlose Ewigkeit geraten. Aber er war ein lebender Mensch, der sich um seine Karriere kümmern mußte. Niemand wird etwas bemerken. Sein Haus lag von den anderen entfernt, seine Nachbarin schlief immer sehr tief und konnte kaum etwas hören. Ihr Sohn war seit zwei Wochen dienstlich verreist. Das wußte Stephen S. genau. Mrs. Miller war seit diesen zwei Wochen noch neugieriger geworden und klagte oft über ihre Einsamkeit. Die Leiche wird im Ozean spurlos verschwinden.
Quatsch! dachte Stephen S. Ich habe vor dem Schlafengehen zu viel getrunken. Wenn jemand etwas hört, wird meine Karriere bestimmt zu Ende sein. Es war dennoch die einzige Möglichkeit, sein Projekt zu retten. Er ging zum Schrank, um einen Sack zu holen.
Was für ein egoistischer Mensch bin ich, dachte er. Ich hatte mir nie vorgestellt, daß ich in solcher Situation so handeln würde. Solche Dinge passieren aber nicht jeden Tag. Niemand wird etwas davon erfahren. Der Indische Ozean wird alles in sich [fest]halten. Stephen S. wollte nicht mehr zögern. Er öffnete den Schrank und nahm den Sack.
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Stephen S. machte den Schrank schnell zu und öffnete vorsichtig die Tür. Da war Mrs. Miller. Sie schaute neugierig in seine Wohnung. "Entschuldigen Sie mich bitte, Mr. S.", sagte sie auf Englisch. "Ich habe ein komisches Geräusch gehört und konnte nicht mehr schlafen. Dann sah ich das Licht in Ihrer Wohnung. Ist bei Ihnen nichts passiert?" - "Doch", antwortete Stephen S. müde. "Ein schrecklicher Mord ist begangen worden. Ich muß sofort die Polizei anrufen."
Er hob schnell den Hörer ab und wählte die Nummer.
KONSTANTIN MEZENTSEV
5. Er konnte nicht mehr vernünftig denken. Alle Sinne funktionierten nicht mehr. Als er wieder wach wurde, war er auf einem Bett in einem Krankenhaus. Nun war sein Kopf ganz klar. Er antwortete richtig auf alle Fragen seines Arztes. Trotzdem konnte er sich an gar nichts erinnern, was mit ihm passiert war. Laut einer Krankenschwester hatte ein Mann im Krankenhaus angerufen und gesagt, ein Mann liege in der Elisabethstraße. Dann war ein Krankenwagen hingefahren und hatte ihn abgeholt usw. Er konnte nicht verstehen, warum er auf der Straße [gewesen] war, ganz nah bei seiner Firma. Er konnte sich nur daran erinnern, daß er im Bett gewesen und von jemandem geschlagen worden war. Gewiß hatte er eine Geschwulst auf dem Kopf.
Stephen S. verließ nach 2 Tagen das Krankenhaus. Während seines Krankenhausaufenthaltes besuchten ihn einige Kriminalbeamte, die das komische Geschehen untersuchten. Sie fanden den Mann, der sich bei dem Krankenhaus gemeldet hatte. Nach Angaben des Mannes lief Stephen S. wie ein Schlafwandler auf der Elisabethstraße hin und her. An der Ecke zwischen der Elisabethstraße und der Kaiserstraße gab es eine Ampelanlage. Er bemerkte sie nicht, lief dann weiter geradeaus und stieß sich an ihr.
Das Geschehen war ganz simpel. Stephen S. hatte Streß. Er dachte oft über seine Arbeit nach. Obwohl er ein wirksames Medikament nahm, konnte er seinen Streß nicht ruhen lassen. Der Täter, wenn ich ihn nennen müßte, ist seine schwere Arbeit.
JUNKO MIZUNO
6. Was könnte das sein? Er wußte, er mußte aufstehen und sich in Richtung des Geräusches bewegen. Normalerweise war er nicht ängstlich, aber diesmal gab es etwas, das ihn im Bett lähmte.
Nochmal hörte er jenen entsetzlichen Schlag, aber diesmal noch lauter. Dann war es totenstill. Stephen S. saß wie versteinert in seinem Bett und starrte ins Dunkel. Er wagte kaum zu atmen. Das einzig hörbare Geräusch war das Rasen seines Herzens. Plötzlich erinnerte er sich an das Gesicht des Autofahrers und an das Auto, das die alte Frau angefahren hatte und ins Dunkel verschwunden war. Wußte der Autofahrer, daß Stephen ihm ins Gesicht gesehen hatte? Stephen griff sofort die Schere auf dem Nachttisch. Jetzt wußte er, daß der Schlag nichts anderes war als der Autofahrer, der in sein Haus eindringen wollte ... um ihm den Mund für die Ewigkeit zu stopfen. Er hörte nichts mehr. Das Haus war still. Er stand auf!
Der Schlag kam aus der Küche, und eben in die Küche wollte er gehen. Noch ein Schlag! Stephen fuhr zusammen. Jetzt war er sicher. Er sollte nur die Tür der Küche aufmachen und der Mann stand da! Stephen ergriff die Klinke ... er hatte Angst und seine Hände zitterten. Er machte die Tür auf und ... ein riesiger Kran zeigte sich vor seinen Augen.
Vor zwei Tagen war eine Baustelle auf der anderen Seite der Straße eingerichtet worden und jetzt, um 6 Uhr morgens, waren die Maurer schon an der Arbeit. Stephen ging ins Haus zurück. Er zitterte noch. Er legte sich auf das Sofa und machte den Fernseher an. In seinem Kopf gab es einen Wirbel von Gefühlen. Und der Autofahrer?
Es gab die Nachrichten. Ein 40jähriger Mann war ins Gefängnis gesperrt worden, weil er eine Frau umgefahren hatte und dann verschwunden war ...
FRANCESCA SIMIONI
7. Stephen stand langsam auf, sein Kopf dröhnte noch. Er kroch nach unten, um hinauszusehen. Stephen öffnete die Tür mit großer Vorsicht. Plötzlich schlug ein großer, starker Junge Stephen auf den Kopf. Die Frau, die geschrien hat, kam um die Ecke. Sie und der Junge haben einen Sack über Stephens Kopf gezogen. Sie trugen ihn zum Auto und fuhren mit ihm weg. Als sie am Bestimmungsort angekommen sind, ist Stephen aufgestanden. Natürlich war er verwirrt und hatte starkes Kopfweh. Er mußte in einem großen und dunklen Raum sitzen. Der Sack war nicht mehr an Stephens Kopf und er konnte alles sehen. Auf dem Boden gab es viel Wasser, wie in einem Schwimmbad, aber auch Fische und Schlangen. Dann hat Stephen bemerkt, daß er ganz naß war und seine Mutter neben ihm saß. Er sagte: "Hallo Mutti, wie geht's?" Stephens Mutti hat geantwortet: "Hallo Stephen, hast du deine Hausaufgaben gemacht?" Stephen war nochmal verwirrt. Die Szene hat sich schnell geändert und Stephen war zurück in seinem Zimmer und im Bett. Er dachte an das, was bei seiner Arbeit passiert war. Er hat sich an die verrückten Kriminellen und all den Streß erinnert. Plötzlich schrie eine andere Frau und Stephen ist aufgewacht. Sie war seine Chefin. Sie sagte: "Stephen, wo ist der Bericht und warum schläfst du bei deiner Arbeit?" Stephen wurde schnell zornig und schlug seiner Chefin an den Mund. Er sagte: "Ich kündige, ich habe genug gehabt, und du bist ein Miststück."
SHANNON E. SMITH
8. Er war wie paralysiert und konnte nur seine Ohren spitzen, obwohl jetzt alles ganz still war. Er dachte, ob er die Tür und die Fenster verschlossen hatte, er sollte das gemacht haben, wie jeden Abend. - Und nun: woher konnte jener Schlag kommen? Es war, als ob die Dachrinne hinuntergefallen wäre, sie war eigentlich so alt und rostig! Er hörte die Pendeluhr drei schlagen. Nach ein paar Minuten fand er den Mut aufzustehen, vielleicht hatte er nur einen Alptraum gehabt und mußte ein Glas Milch trinken, um sich zu beruhigen. in der Tat wäre ein Whisky besser gewesen.
Er ging langsam in die Küche, wo das Fenster geöffnet war, und hatte den unangenehmen Eindruck, beobachtet zu werden. Trotzdem war er ganz sicher allein zu sein, das waren nur seine Nerven, oder wenigstens versuchte er sich selbst zu überzeugen. Plötzlich sah er einen Schatten in dem Flur, er machte das Licht an und konnte etwas Schreckliches beobachten: Der Spiegel war zerbrochen und in der Mitte wurde ein Messer sichtbar [...]. Eine Art Bedrohung? Eine Warnung oder ein grausamer Scherz? Auf einmal fühlte er sich wie erschöpft, die Haustür schlug zu und jemand ging schnell die Treppe hinab. Er versuchte, dem Fremden zu folgen, aber er war barfuß und sehr müde; außerdem war es zu dunkel. Am nächsten Tag würde er den Vorfall bei der Polizei anzeigen, jetzt wollte er nur eine Zigarette rauchen und seinen Whisky austrinken.
Er lag bis zum Morgen im Halbschlaf, dann fuhr er zur Arbeit und in der Mittagspause las er die Zeitung. Es gab einen Bericht, der ihn beeindruckte: einer Frau wurde die Kehle mit einem Stück Spiegelglas durchgeschnitten und der Mord war in seinem Stadtviertel passiert, genau um vier Uhr, als er versucht hatte, dem Fremden zu folgen.
Stephen S. war so erschüttert, daß er sich einen freien Nachmittag nahm. Er brauchte frische Luft und ging spazieren, ohne Ziel, nur weil das ihm nachdenken half. Viele Dinge waren ihm nicht klar, er war vielleicht das vorherbestimmte Opfer und hatte sich wie durch ein Wunder gerettet, dank dem lauten, metallischen und geheimnisvollen Schlag!
Als er am Abend heimkam, entdeckte er, daß ein Stück seines zerbrochenen Spiegels verschwunden war, während das Messer auf dem Boden lag. Die Polizei klingelte bei ihm.
Am nächsten Tag konnte man in der Zeitung lesen, Stephen S. sei verhaftet worden, da er wegen Mordes an einer Frau angeklagt worden sei. Seine Fingerabdrücke seien überall in der Wohnung des Opfers gefunden worden. Niemand glaubte Stephen S., als er von dem Schatten erzählte.
Man fragt sich immer noch, ob er schwachsinnig oder unschuldig ist. Es ist noch nicht deutlich, ob jener Schlag entweder seine Rettung oder seine Verurteilung war. Eine Falle oder eine Erfindung?
CRISTINA VENEZIAN
Wird fortgesetzt. (c) W. Näser 18.10.1996