Rechtschreibkrieg der Wörterbuchverlage

Bertelsmann befürchtet Duden-Monopol und verschenkt 10 000 Lexika in Schleswig-Holstein

Von Dankwart Guratzsch

Kiel ­ Nach der öffentlichen Auseinandersetzung über die Rechtschreibreform kommt es jetzt zu einem Rechtschreibkrieg der Wörterbuchverlage. Der mit Brockhaus, Langenscheidt und Meyer verbundene Duden hat ein „Praxiswörterbuch" herausgebracht, das eine abgemilderte Form der neuen Orthographie anbietet.

Gegen diesen neuen Duden geht die Verlagsgruppe Bertelsmann mit Werbeveranstaltungen in Buchhandlungen vor. Anlaß dieses Verlagskrieges ist der branchenweite Umsatzeinbruch beim Verkauf von deutschsprachigen Wörterbüchern, den die Verlage nach der ersten Euphorie über die Brechung des „Duden-Monopols" verzeichnen mußten. In ihren Erstauflagen der neuen Rechtschreibungen hatten die Wörterbuchverlage ein Regelchaos und Tausende abweichende Schreibweisen produziert.

Als dann auch noch das Bundesverfassungsgericht bestätigte, daß die „rechtliche Verbindlichkeit" der neuen Regeln „auf den Bereich der Schulen beschränkt" sei, war die Autorität der Wörterbuchverlage dahin. Die neuen Wörterbücher wurden zu Ladenhütern, da sie nicht mehr als verbindlich angesehen werden konnten. Dem Geschäftseinbruch, der allein dem Duden nach Eingeständnis seines Redaktionsleiters Mathias Wermcke Millionenverluste gebracht hat, versuchten die Verlage auf unterschiedliche Weise zu begegnen.

Die Duden-Redaktion erinnerte sich des Erfolgsrezepts, mit dem sie bereits zu Beginn des Jahrhunderts die Marktführerschaft an sich gerissen hatte. Der „Buchdruckerduden" von 1907 vereinheitlichte die offiziell zugelassenen Varianten auf jeweils nur eine „erlaubte" Schreibweise und setzte damit eine „Norm", die sich durchsetzte.

Nach demselben Muster „empfiehlt" jetzt der „Praxisduden" anstelle variierender Schreibweisen jeweils eine einzige und verheißt dem Wörterbuchbenutzer somit mehr „Sicherheit". „Damit versucht der Duden, sein altes Monopol wiederherzustellen", rügt Bertelsmann und startet eine Gegenoffensive. Den Buchhandlungen werden kostenlose Veranstaltungen mit dem „Mitherausgeber der neuen deutschen Rechtschreibung", Professor Lutz Götze (Saarbrücken), angeboten, in denen dieser „die grundlegenden Ziele und Vorteile" dieser neuen Schreibregeln und speziell ihrer Darstellung in den Bertelsmann-Wörterbüchern erläutern wolle.

In Schleswig-Holstein, das nach einem Volksentscheid an der bisherigen Rechtschreibung festhält, „verschenkte" Bertelsmann sogar an den Schulen Ende Januar 10 000 Bertelsmann-Lexika ­ mit Unterstützung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.

Die Aktion hat inzwischen den Landeselternbeirat für Grund-, Haupt- und Sonderschule auf den Plan gerufen, der „keinerlei positiven Effekt für die Schülerinnen und Schüler" erkennen kann. Die Bertelsmann-Lexika verzeichneten „erhebliche Abweichungen" zum Duden, der in seiner alten Ausgabe „nach wie vor als das Nachschlagewerk an den Schulen vorgesehen ist". Gegen die Bertelsmann-Offensive verwahrte sich auch der Schleswig-Holsteinische Elternverein. Er verlangt von der Landesregierung, die Verteilung „solcher Lehrmittel, die nicht den Vorschriften des Schulgesetzes entsprechen", auszuschließen.

Quelle: DIE WELT, 11.2.99