Prof. Dr. Helmut Lomnitzer verstarb am 21.6.1997. Alle, die diesen wunderbaren Menschen kennenlernen durften, sind tief betroffen. Sein Verlust ist nicht zu ersetzen.
Noch in meiner Studentenzeit, etwa im Herbst 1965, lernte ich ihn kennen, er war damals Assistent des international renommierten Mediävisten Prof. Dr. Werner SCHRÖDER. Es war eine ganz persönliche Angelegenheit, ein mit dem Studium verbundenes Problem, weshalb ich ihn aufsuchte. Und ich fand einen wahrhaften Menschen, der sich meiner annahm und mir das Gefühl gab, es werde schon laufen.
Aus reinem Zufall habe ich bei ihm nicht studiert, hatte jedoch später, nach meiner Promotion, öfter Gelegenheit zu fruchtbaren Gesprächen mit dem, wie ich dabei erfuhr, promovierten Musikwissenschaftler Helmut Lomnitzer. Dieser so feinnervige, sensible, künstlerische Hochschullehrer hat immer die Dimension der Kunst in seine Lehre einbezogen und so seinen Studierenden das vermittelt, was über nüchterne Paradigmen und steriles Lehrbuchwissen hinausging. Die zu Walthers Zeiten gesungenen und anhand medialer Rekonstruktionen zu neuem Leben erweckten "Töne" wurden willkommener Gegenstand packender Seminare, und auch darüber hinaus hat Helmut Lomnitzer alle seine Studierenden stets mit großem menschlichem Engagement als wahre Schutzbefohlene behandelt und ihnen das Gefühl vermittelt, daß dort ein wahrer Professor war, der seine Berufung in jeder Hinsicht ernst nahm und die Studierenden nicht vor dem Sprechzimmer "verhungern" ließ.
Der Musik galt stets sein gleichbleibend waches Interesse, und so hat es ihm besonders Wolfram WEHNERTs Aufführung von J.D. ZELENKAs "Missa Votiva" mit dem Marburger Bach-Chor angetan, über deren Live-Aufnahme von 1987 wir sehr oft gesprochen haben. Hier, wo sich feierliche und lebensfrohe Töne mischen, zeigt sich viel an Verwandtschaft mit der trotz Sorgen und auszehrender Anteilnahme immer positiven Grundhaltung dieses wahrhaft liebenswerten, wunderbaren, für immer unvergessenen Helmut Lomnitzer, der in unseren Herzen weiterlebt und dessen Vorbild uns gerade in dieser so technokratisch-unmenschlichen Zeit mahnen soll und wird, über allem scheinbar so Wichtigen die Dimension der Menschlichkeit nie außer Acht zu lassen.
Marburg, den 25. Juni 1997 Dr. Wolfgang Näser