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Klare und heitere Sprache
Mundartgedicht v. Hermann Strebel

„Klare und heitere Sprache“
Goethes Lob für den Mundartdichter Conrad Grübel – „Der allerschönste Dialekt“ – Weiterentwicklung zum Internet-Fränkisch

VON LORENZ BOMHARD

Schlag nach bei Goethe: 1805 nahm der gestrenge Dichterfürst zufällig ein Bändchen mit Gedichten eines Nürnberger Flaschnermeisters in die Hände. Und prompt bekam Johann Conrad Grübel (1736–1809) den literarischen Ritterschlag aus der Feder von Johann Wolfgang von Goethe: Die „Dichtart“ sei „klar, heiter und rein, wie ein Glas Wasser“.

Goethes Laudatio setzte ein Zeichen wider die Hochsprache, für die Mundart als ausdrucksstarkes und zeitkritisches Medium. Grübel gilt seither als Urvater der Nürnberger Stadtmundart. Seine Verse wurden zum Unterrichtsstoff in den städtischen Schulen. Sprachwissenschaftler begründen noch heute ihre vergleichenden Studien der Aussprache auf seine Werke.

Grübel wusste auf jedes Ereignis einen Reim zu machen. Doch neben der Gelegenheitspoesie, zum Beispiel zu Hochzeiten, hat er auch nachdenkliche Zeilen geschrieben: Der Käfer, krabbelt die Grashalme – wie im Mythos von Sisyphos – scheinbar ziellos rauf und runter und erinnert mit seinem Tun den Menschen daran, dass er nach all der Kriecherei wird „fortflöig'n in die Ewigkeit“.

Der weit bekanntere Poet Hans Sachs (1494–1576) – in dieser Produktion sah sich Grübel –, in dessen Tradition sich Grübel sah, war dagegen kein Dialekt-Dichter. Er hat ein Hochdeutsch verwendet, das auch in den Nürnberger Kaufmanns-Kontoren üblich war, um sich vom gemeinen Volk zu unterscheiden. In Sachs' Werken sind folglich Mundart-Färbungen nur als Regie-Kleckse für derbe Szenen sichtbar.

Die Sprachwissenschaftler der Jahrzehnte nach Grübel kannten Goethes hohe Meinung vom dichtenden Fla schner und seiner „klaren“ Sprache nicht. Schon 1857 ordnet Georg Karl Frommann in seinem Werk Kurze Grammatik der Nürnberger Mundart spezielle Ausdrucksweisen Grübels sozial eindeutig zu: „Nur noch in den untersten Schichten des Volkes“.

Lange verhält sich die Sprachwissenschaft, als gebe es ein sprachliches Reinheitsgebot, auch für Mundarten. Stadtsprachen haben es da extrem schwer, weil sie vom Einfluss des Umlandes und der Zuwanderer leben.

Für Nürnberg gilt das besonders: Im Osten und im Süden dominiert das Nordbairische, besonders markant ist die Sprache der Oberpfälzer; im Norden und Westen heißt der Dialekt ostfränkisch. Nürnberg liegt genau auf der Grenze und besitzt demnach Elemente beider Mundarten.

Alfred Klepsch erkannte in seiner Doktorarbeit über den Lautwandel der Nürnberger Stadtmundart (1987) eine Abnabelung der Stadt vom süddeutsch-katholischen Einfluß nach der Reformation. Als während der Industrialisierung im 19. Jahrhundert scharenweise Oberpfälzer in die Stadt zogen, führte das paradoxerweise zu einem beschleunigten Rückgang bairischer Sprachelemente.

Ein einfaches Beispiel: Der Bub heißt auf bairisch Bua, fränkisch Bou oder Bu, mit langem „U“. Schon in der zweiten Generation vermieden die Oberpfälzer laut Klepsch genau solche Elemente, die ihre Wurzeln im bairischen Sprachraum verraten könnten.

Die Eigenheiten des Nürnbergerischen haben sich trotz der Radio- und Fernsehsprache aus München, Köln und Hamburg erhalten: Sprachökonomie nennt es der Wissenschaftler, maulfaul der Einheimische. „P“ und „T“ gibt es nur in Extremfällen wie Festansprachen, und dann meist verkehrt. Der Lippenverschluss beim „B“ in Zwiebel ist auch zuviel der Mühe. Es bleibt eine „Zwiefl“ übrig, mit dem charakteristischen „L“, bei dem die Zunge zwischen die Zähne, manchmal sogar zwischen die Lippen wandert.

Der Nürnberger Liedermacher Günter Stössel (Jahrgang 1944) kam auf die Idee, seinen Dialekt mit pseudo-englischen Sprachspielereien auszudrücken: „Hide hobby an flower moang - on guns Casy binny“. Hochdeutsch: Heute habe ich ein flaues Gefühl im Magen – und käsebleich bin ich.

Lange vor Stössel hatte sich eine Nürnberger Humoristen-Gilde herausgebildet, die anspruchsvollen Sprachwitz pflegte. Hermann Strebel (1887–1949), genannt Strebala, dominierte die Mundart-Bühnen in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts. Auf der Bühne des Apollotheaters und – nach langen Tourneejahren – auf seiner eigenen Kleinkunstbühne riss er das Publikum mit seinen trockenen Pointen zu Lach-Stürmen hin. Von ihm stammt die Ode ans Nürnbergerische: „Der Allerschönste Dialekt“ (siehe nebenstehenden Kasten.

Ende der 50er Jahre tauchte neben einem Dutzend arrivierter Gelegenheitsdichter ein neuer Stern am Nürnberger Mundart-Himmel auf: Die Peterlesboum. Karl Vogt und Willi Händel hatten 1958 bei der Faschingsgesellschaft Buchnesia im Gasthof Bammes ihren ersten gemeinsamen Auftritt. Bei ihrem Schlager „Die Baa“ sang ganz Franken mit.

Herbert Maas erforschte derweil wissenschaftlich den Dialekt und bescherte der Stadt 1962 das erste Nürnberger Wörterbuch: „Wou die Hasn Hosn und Hosn Husn haßn.“ Die Städter kauften das lange ersehnte Buch eifrig und steuerten aus ihrem Spezialwortschatz bei, dass bald Neuauflagen nötig wurden.

Ebenfalls als Erfolgsautor gilt Fitzgerald Kusz (Jahrgang 1944). Mit seinem Volksstück „Schweig Bub“, 1975 geschrieben, traf er mitten ins Gemüt. Der Familienzwist beim Konfimations-Essen ist allein in Nürnberg bisher fast 700 Mal gespielt worden. Unzählige Amateurtheater haben das Stück übernommen und interpretieren es auf hessisch, schwyzerdütsch oder flämisch.

In Kusz' Klassiker konnten sich endlich Nürnberger Schauspiel-Größen in ihrem Dialekt profilieren. Sophie Keeser, nach dem Krieg erstes Nürnberger Christkind, fand die Rolle ihres Lebens als „Tante Anna“.

Kusz kann über das einst so abschätzige Urteil der Wissenschaft über die Stadtmundart nur lachen. Das Berlinerische seines Vaters, das Wienerische und natürlich das Nürnbergerische sind ihm ans Herz gewachsen. „Im Dialekt drückt sich das Lebensgefühl aus, die ungekünstelte Sparche kann alles aufsaugen“, sagt er.

Zur Mundartliteratur haben ihn nach der Beschäftigung mit dem experimentellen Theater aber vor allem die „klanglichen Möglichkeiten“ gebracht. Mundart lebt und verjüngt sich. Fitzgerald Kusz hat deshalb schnell ein Beispiel für Internet-Fränkisch parat. Die Szene: Ein Computer-Experte weist den anderen an, eine Datei aus dem Netz auf den heimischen Rechner zu laden: „Dann doustes downloaden“.

 

 

Schönster Dialekt
Hermann Strebels Gedicht

Wenn von Gostenhuf der Gergla,
Zsammkratzt seine letztn Märkla,
Und nou wöi a gstutzta Hund in d' Stadt neilaft –

Und nou dortn fer sei Liesla
Schnell a Hüsla und a Blüsla
Mit su schöine weiße runde Spitzla kaaft.

Stiefala mit nette Steckla,
Hemadla und Unterröckla,
Dass des Madla ausschaut grod als wöi zsammgschleckt.

Und sie sagt: „Su wöi mei Klaana,
Ja su gout verstöihts fei kana!“
Das ist doch der allerschönste Dialekt!

Ih göih ro zon Markt zon gröina,
Zuara Obstleri, zuara schöina,
As Versehgn ih dou an der ihrn Stand hiestraaf.

Und döi Obstleri, döi holde,
Zeigt die Zäh' mir gleich von Golde,
„Malaff, dumma“, sagts, „mach deine Glotza aaf.“

„Ja“, sagts, „schau net wöi a Schwälbla
Grod su, wöi a g'stochns Kälbla!
Dir hom ja döi Spotzn scho dei Hirn rauspeckt,

Schau, dass d' weita kummst, faroll di,
Schleich di, zöig di, druck di, Doldi!“
Das ist doch der allerschönste Dialekt!

Streit'n si hier zwaa Tullnrama,
Dou erlebst vielleicht a Drama,
Dass bein ärbatn blouß kana zu viel tout.

„Fang scho oh dou und göih no dou,
Waal ih dou nou a nu nou mouh“,
Sagt der a, „sunst kröig ih blouß a groußa Wout“.

„Halt dei Schleppern, routa Brouda,
Tou doch du wos, stinkfaals Louda,
Oda maanst, dass an döi Ärwat dou nu schmeckt,

Wenn ma daham vur Nout ka Brout hout,
Und den Kupf vur Wout bloutrout hout!“
Das ist doch der allerschönste Dialekt!

Hout di Mutta af ihr Ärmla
Su zon föittern ihr klaans Wärmla:
„Trink dei Milchala, mei Wackala, göih zou.

Oda mogst vielleicht a Teela.
Oda löiba a Kaffeela!“
Doch dös schreit und knaunzt und gibt halt goar ka Rouh.

„Komm“, sagts, „gib ma a Eieila,
Kröigst a Löffala vull Breila!“
Bis'n nou wos G'schleckats in döi Gosch'n steckt.

„Gell, der Schnulla“, sagts, „der schmeckta,
O du Bankert, du verreckta!“
Das ist doch der allerschönste Dialekt!

Lernt a Bou sei Madla kenna,
Sagt er zu ihr: „Gouta, Henna,
Du mei Zuckastückla, ih hou di su gern.

Du mei Herzala, mei Weibla,
Goldig's Maisla, zuckrig's Taibla,
Du, sunst kana, mouh amol mei Fraala wern!“

Ja, des sogta und des tout a,
„Bist mei gouta Sau, mei gouta!“
Bis er nou su zeha Joahr in da Eh' drin steckt.

Ja nou sagta: „Drecksau, gspritzta,
Malafizfilzsuhln, vaschwitzta!“
Das ist doch der allerschönste Dialekt!

  

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