920 Gäste sehen gnadenloses Kabarett der
Extraklasse
Volker Pispers gastierte mit seiner Show "Bis neulich..." in der
Stadthalle
Fotounterschrift: "Er nimmt die Reihen der staatstragenden Klasse auseinander: Volker Pispers trat am Samstag in der ausverkauften Stadthalle auf. Foto: Rainer Waldinger"
Marburg. Vor ausverkauftem Haus präsentierte Volker Pispers in der Stadthalle am Samstagabend Kabarett der Extraklasse. Das begeisterte Publikum bedankte sich mit stehenden Ovationen.
Eigentlich wäre es ganz interessant zu erfahren, was für Leute sich in einer typischen Volker Pispers Show einfinden. Oder noch interessanter: welche nicht. Möglicherweise wäre die Theorie nicht allzu abwegig, dass beispielsweise Ärzte, BWL-Studenten und Josef Ackermann sich bei einem solchen Ereignis lieber nicht blicken lassen. Und das sind nur einige der Leute, an denen Pispers kein einziges gutes Haar zu lassen pflegt.
Ob sich unter den 920 Gästen am Samstagabend in der Marburger Stadthalle irgendeiner der Genannten wiederfand, ist schwer zu sagen: die Stadthalle war auf jeden Fall restlos ausverkauft, einige der Gäste machten es sich sogar auf dem Boden bequem.
Zu Beginn der Show musste Pispers nur einen Fuß auf die Bühne setzen, um sofort mit lautem Beifall begrüßt zu werden: "So was wäre früher ein toller Schlussapplaus gewesen," freute sich der Kabarettist. Ganz in schwarz gekleidet erschien er auf der Bühne, und das, obwohl es eigentlich Grund zum Feiern gab: Zu seinem 20. Bühnenjubiläum beschenkt sich der Mann nämlich selbst und zwar mit den Stücken aus seiner Sammlung, die er selber gerne noch mal hören würde.
Aber vielleicht hat die schwarze Garderobe ja genau damit zu tun. Denn Pispers' Streifzug durch sein eigenes künstlerisches Schaffen zeigt Überraschendes: Es hat sich eigentlich gar nichts geändert, und die Absurditäten von damals sind heute noch genauso aktuell. Oft reicht es, ein paar Namen auszutauschen und hin und wieder ist nicht einmal das nötig. Den Satz "Es war doch noch nie so viel los wie heute" lässt Pispers schon gar nicht gelten: "Das hör ich schon seit zwanzig Jahren." So zum Beispiel all diese Dinge, "die wir doch längst hinter uns haben", wie etwaige Golfkriege oder die ewig "verhungernden" Mediziner: "Seit vierzehn Jahren verhungern jetzt die Ärzte," stellt Pispers verdutzt fest, um kopfschüttelnd hinzuzufügen: "Das ist mal ein zähes Pack." Was folgte war ein veritabler Kreuzzug gegen die Ackermanns und McKinseys dieser Welt, gegen Aktienanalysten, die "Eiterpickel des Kasino-Kapitalismus", und das "Schmarotzerpack" der Investmentbanker. Da kann ein Müntefering mit seinen paar zahmen Heuschrecken nur staunen. Aber was Kapitalismuskritik aus einschlägigen Kreisen angeht, kennt Pispers sowieso kein Pardon: "Versuchen sie mal eine Kehrtwendung im Enddarm von Ackermann. Klar, dass sie dann scheiße aussehen."
Bei Politikern gab es bei Pispers kein Halten mehr: Von "Tri-tra-trulla Schmidt" über den "Ehrenvorsitzenden des Autistenvereins", Wolfgang Clement, dem "Knallgasexperiment auf zwei Beinen", Angela Merkel, und dem "Putin-Klistier" Schröder wütete Pispers durch die Reihen der staatstragenden Klasse, ließ dabei keinen Stein auf dem anderen und kein Auge trocken, sodass schließlich nur die Frage blieb: "Braucht man einen Gendefekt um Politiker zu werden?"
Nach zwei Stunden gnadenlosem Kabarett bedankten sich die begeisterten Zuschauer bei Pispers mit stehenden Ovationen. Bescheidenes Understatement des Meisters: "Es gäbe ja eine Zugabe, aber ich will mich auf keinen Fall aufdrängen."
Autor: Simon Rohling
Quelle: Oberhessische Presse Marburg, 6. Juni 2005, Journal * nur zu didaktischen
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