Nachträge und Dokumentation zum Sparpaket und zum Sozialabbau in der Bundesrepublik

      Die Geschichte eines Kampfes
      oder: Bedeutet das Fin de siècle auch das Ende unserer auf christlichen und
      sozialen Grundsätzen basierenden Demokratie?

      von Wolfgang Näser, Marburg

1. Vorbemerkungen. Allgemeines. Trends
Vom Oktober 1996 an sammelte ich aus zugänglichen Quellen Daten, Fakten und aktuelles Zahlenmaterial und formulierte argumentative Nachträge zu meinem im September 1996 im Cuxhavener Urlaub entstandenen, betrachtenden Text über das Bonner Sparpaket und seine Folgen. Die so entstandene (und sporadisch ergänzte) Dokumentation soll Entwicklungen und Tendenzen aufzeigen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Da auch nach dem 27.9.98 keine wesentliche Besserung der Verhältnisse zu erwarten ist, soll die Dokumentation fortgeführt werden. Da bislang (April 1999) hinsichtlich der Regierung Schröder ein deutlicher Kurs nicht erkennbar ist, werden entsprechende Daten und Ereignisse nur sporadisch einbezogen.

Das unruhige Jahr 1997 schloß mit einer nominellen Rekord-Neuverschuldung von mehr als 71 Milliarden DM (Mitte Januar 1998 sind es plötzlich 6,3 Milliarden weniger: ein Wahlkampf-Manöver?); die Gesamt-Staatsverschuldung betrug (nach einer WELT-Meldung vom 22.5.98) 2,221 Billionen DM.

In Einlösung ihrer Wahlversprechen bemüht sich die nach dem 27.9.98 angetretene neue, rot-grüne Bundesregierung, einen Teil des qua "Sparpaket" eingeleiteten Sozialabbaus zurückzufahren. Nach einem im Dezember 1998 vom Bundestag verabschiedeten Gesetz soll die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wieder uneingeschränkt gewährt und auch in Kleinbetrieben voller Kündigungsschutz garantiert werden. Ferner sollen die hohen Medikamenten-Zuzahlungen leicht verringert werden. Dennoch dürften sich alsbald neue soziale Perspektiven abzeichnen, die - trotz kurzzeitiger Besserung ab 1/99 - auch solche heißen Eisen wie etwa die Lohnfortzahlung (wieder) einschließen werden.

Der Kampf geht weiter. Das Frühstücksfernsehen vom 11. Dezember 1998 geißelt mit Recht Carsten VILMARs Äußerung, wenn Bonn eine Begrenzung der Arzthonorare fordere, dann müßten die Menschen eben früher sterben. Zur weiteren Entwicklung s. unten. Hans Eichels Sparpaket für das Jahr 2000 mit der Rekordsumme von 30 Milliarden DM wird - mit einem zweistelligen Milliardenanteil - vor allem Walter RIESTERs Ressort "Arbeit und Soziales" angreifen; unter dem Kosovo-Krieg und seinen Folgen wird Deutschland als größter EU-Nettozahler am meisten zu leiden haben, das bedeutet nach ersten Schätzungen ca. 10 Milliarden DM pro Jahr. Zudem schickt sich der ansonsten recht erfolglose neue Bundeskanzler SCHRÖDER an, nach ausgiebigen Beratungen mit seinem ebenso "progressiven" britischen Kollegen Tony BLAIR nach dem Motto "Der Staat: nicht mehr Hängematte, sondern Sprungbrett" am 30. Juni 1999 ein neues sozialpolitisches Konzept vorzustellen (den "Dritten Weg"), der in puncto Unternehmensfreundlichkeit (Steuern noch weiter senken) und Arbeitnehmerfeindlichkeit das CDU-FDP-Konzept rechts überholen wird; die entsprechenden Fakten werden hier eingearbeitet.

Mit dem ausgerechnet am Freitag, dem 13. September 1996 vom deutschen Bundestag auf den Weg gebrachten sogenannten Bonner Sparpaket wurde ein als Umbau kaschierter drastischer Abbau von Sozial-Leistungen eingeleitet, dessen Ende sich noch lange nicht abzeichnet. Insofern können die damaligen Beschlüsse lediglich als Initial-Zündung betrachtet werden; voraus ging eine mehr oder weniger inoffizielle, weitgehend von den Medien lancierte Spar-Debatte, die 1995 begonnen und schon damals mehr und mehr den Charakter einer Gehirnwäsche angenommen hatte. Die ebenso entsetzten wie ohnmächtigen "Normalbürger" sehen sich seitdem bisweilen täglich mit neuen Hiobsbotschaften konfrontiert und können diese weder begreifen noch verdauen. Auch wer weniger liest oder fernsieht, merkt den unseligen Wandel am stetig schrumpfenden Portemonnaie: die Lebenshaltungskosten steigen, einzig Computer und Unterhaltungselektronik werden immer billiger. Ein Familienvater oder eine alleinerziehende Mutter wird wenig Trost daraus schöpfen können, daß Ende 1997 ein Pentium-II-Rechner für mittlerweile 2000 DM im Handel ist, wenn gleichzeitig die Preise für täglich benötigte Lebensmittel, für Wasser, Strom, Gas, Müllabfuhr usw. stetig steigen und schon einige Zeit lang darüber sinniert wird, ob nicht Studiengebühren erhoben werden sollen: wer das Geld dafür aufbringt, ist einem Peter Glotz egal.

In dieser Zeit des vielerorts beklagten, jedoch kaum bekämpften Werteverlusts avanciert der Erfolg zur einzigen Meßgröße; die Rücksichtslosigkeit verliert jeden moralischen Makel, soziales Engagement und damit Eintreten für die Ärmsten und Schwächsten laufen Gefahr, unmodern zu werden. Der noch immer unbeirrt artikulierten Kritik wird damit begegnet, daß die Deutschen schon immer "Weltmeister" gewesen seien "im Erfinden von Katastrophen" und im "Ausleben" entsprechender Ängste. Die Kritikmüden und/oder Gleichgültigen sagen sich, es werde schon nicht so schlimm kommen, schließlich habe man ja schon so lange Frieden und überhaupt gehe es uns ja lange nicht so schlecht wie vielen Menschen in anderen Ländern. Daß warnend-vorausschauende Kritik aus begründeter Sorge um die (sehr nahe) Zukunft ("Es soll uns nicht auch so ergehen!") erwächst, wird dabei übersehen.

Zweifellos wird das Klima rauher. Sozialneid wird Mode- und Haßwort Nummer Eins; in einer Ära globaler Marktstrategien wird nationale Verantwortung ad acta gelegt; oberstes Ziel ist "making money": der Mensch spielt keine Rolle (mehr), deshalb ist es auch egal, mit welcher Arbeitslosenrate der Maximalprofit erzielt wird. Kapitalien wandern ins Ausland, so wird ein wirtschaftlich gesundes Land ausgeblutet und dann mit dem Verdikt belegt, dort seien die Arbeitskosten zu hoch und dieses Land sei als "Standort" inakzeptabel. Die letztlich zum Scheingefecht verkommende Debatte um Beschäftigungsprogramme soll nur davon ablenken, daß auch im Zeichen des Euro das götzenhaft verehrte Wachstum nur mit dem Abbau (= der Vernichtung) von Arbeitsplätzen zu erreichen ist.

"Als US-Amerikaner schaue ich mir dieses ganze Theater an, und es erinnert mich an die zwiespältigen Politiker in den Vereinigten Staaten. Sie äußern sich gerne für alle Wähler und alle modischen Ideale, tun aber selten, was denselben Idealen entspricht. Zu häufig ist es in den Vereinigten Staaten, daß, was Geld bringt, gewinnt, und Sozialprogramme verlieren. Das Sozialnetz in den USA, das von Anfang an klein war, wird Schritt für Schritt abgebaut. Ähnlich scheint die Situation in Deutschland. In beiden Ländern kümmert sich die Regierung immer weniger um die Leute und immer mehr um den allmächtigen Dollar oder die starke Deutschmark. [...] Jetzt existiert in den USA eine Kultur von Streß und Unsicherheit. [...] Leider sehe ich ähnliche Tendenzen jetzt in Deutschland bzw. Europa. Die ökonomische Einigkeit scheint im Moment den deutschen (und europäischen) Politikern so wichtig, daß sie sich nicht davor scheuen, ihre Wähler im Stich zu lassen [...]. Meine Warnung an die europäischen und anderen Länder der Welt wäre: Ähneln Sie nicht zu viel den Vereinigten Staaten, sonst verlieren auch Sie Ihre Menschlichkeit, sonst werden auch Sie so eine kalte gefühllose Maschine wie die USA."

THOMAS LEIMKÜHLER, Student, Marburg 15.12.97


 Die Definition gesellschaftlicher Werte hängt offenbar ab von dem, der sie vertritt. Am Beispiel staatlicher und privater Umverteilung verdeutlicht dies Gerard RADNITZKY in seiner ebenso bissigen wie zutreffenden Analyse "Welch rührende Gesellschaft" in der WELT vom 16.7.97.

Selbstbedienungsladen? Während einerseits ebenso gebetsmühlenartig wie penetrant an Sparwillen und Vernunft appelliert und zum Maßhalten animiert wird, greifen sich die für unsere Misere Verantwortlichen munter in die Tasche und bedienen sich schamlos, als wären wir noch immer die Insel der Glückseligen oder, wie es, wohl eingedenk des eigenen Ambientes, Bundeskanzler Kohl einst apostrophierte, der kollektive Freizeitpark. Während Polit-Desperados um Worte ringen, vergnügen sich Kollegen in Las Vegas (s.u.); eine Regierung, die Gefahr läuft, zum Tollhaus zu verkommen, bringt sich, damit ihren bisher guten Ruf und das Ansehen unseres Staates in große Gefahr.

Solche Entwicklungen schaden natürlich dem Kanzler-Image. Schon Mitte Nov.96 meint Werner FUNK im STERN-Editorial, die Fassade des "Über-Kohl" bröckle, allerdings gebe es derzeit keine Alternative. Der "nach Gutsherrenart" agierende, selbstherrliche Kanzler sei mittlerweile im "Wolkenkuckucksheim des Welt-Staatsmanns entschwunden", meint die WELT am 14.7.97. "Wenn Wolfgang Schäuble die Debatte eröffnet, dann wissen alle, daß sie die Schnauze zu halten haben. Wers nicht tut, den merkt sich das Kanzleramt. Der wird knallhart abgestraft. Bei uns herrscht längst innere Emigration. [...] Beklagt wird auf breiter Front, daß Fraktion und Kabinett unter Kohl nur noch Beschlußmaschinerien seien, in denen es keine inhaltliche Diskussion mehr gebe".

"Am Anfang war das Wort, am Ende der Wortbruch", titelt die SZ am 18.12. 96 zum leidigen Thema Lehrstellen.

Auch wenn es die Schönredner, Beschwichtiger und Gesundbeter noch immer nicht wahr haben wollen, gärt es in Deutschland. "Die Temperatur steigt", betitelt Herbert KREMP seine höchst provokatorische Zeitanalyse in der WELT vom 25.3.97. Die den Deutschen übergestülpten Images (s.o.) verblassen zusehends. Nicht immer ist Reisezeit; im bitteren Alltag geht es um Anderes. "Die Koordinaten stimmen nicht mehr", meint Uwe GREWE in einem höchst bemerkenswerten WELT-Artikel v. 2.7.97.

Maximal fast fünf Millionen Arbeitslose, keine Werte, keine Perspektive, eine Jugend, die sich größtenteils auf den Straßen herumtreibt, aus Langeweile oder Frustration gewalttätig wird oder pseudo-nazistischen Ideologien auf den Leim geht: überwiegend im Osten, wo in manchen Kommunen die Arbeitslosigkeit schon längst die 50-Prozent-Marke erreicht hat und wo, vor allem in den gesichtslosen Trabantenstädten, eine neue Dimension von Gewalt entsteht. Vor dem besonders hier zutagetretenden, als Alibi-Funktion ausgeübten (und deshalb nicht intellektuell-ideell motivierten) neuen Nationalismus wurde schon lange gewarnt.

Anstatt die Jugendlichen anzuhören, mit ihnen über ihre Probleme zu diskutieren und positive Lösungen anzustreben, werden sie in den Medien als Sensationsdarsteller mißbraucht, zu Haß-Objekten stilisiert, von der mehr konsumierenden als hinterfragenden Gesellschaft als Outlaws abgestempelt, in dumpfe Isolation oder den Untergrund abgedrängt.

Man hat aus der Geschichte (Weimar) nichts gelernt und ist auf dem besten Wege, die alten verhängnisvollen Fehler zu wiederholen. Offenbar dienen die mehr oder weniger unreflektiert handelnden jungen Rechten als willkommene Sündenböcke, um von der verfehlten Einwanderungs, Sozial-, Bildungs- und Wirtschaftspolitik abzulenken.

Andererseits entstehen neue Eliten: nicht nur in Gestalt der Schumis, Frentzens u.a., sondern auch und gerade im ehemals kommunistischen, nun einem hemmungslosen Neo-Kapitalismus verfallenden Ostblock: während mehr und mehr Russen in ihrer Not Blut spenden, um Essen für die Familie kaufen und die Kinder zur Schule schicken zu können, während in Bulgarien geistig behinderte Kinder in ihrem Heim wie das Vieh verrecken, fällt eine mit Diamantencolliers behängte, Lamborghini und Ferrari fahrende Kyrillo-Schickeria in Monaco ein, residiert dort in den teuersten Hotels und wird entsprechend hofiert.

Hauptsache Geld. Bundesverkehrsminister WISSMANN verleiht "Schumi" als vorbildlichem Sportler das silberne Lorbeerblatt. Also auch dafür, daß er

1. im Standort D keine Steuern entrichtet,
2. Werbung treibt für nicht im Standort D entwickelte und hergestellte Autos,
3. einen Teil seines 70-Millionen-Jahresumsatzes bestreitet aus einem für vorbildliche Sportler bislang atypischen und in keiner Weise "pädagogisch wertvollen" Personenkult.

In seiner (zum Glück nicht wieder vertauschten) TV-Silvesteransprache hatte der Kanzler zum Umdenken gemahnt: Die Bundesbürger dürften nicht so weitermachen wie bisher (WELT, 31.12.96). Jetzt ist Pionier-Laune angesagt. Aufbruchsstimmung.

Ein Ruck muß gehen durch unser Land, meinen Roman HERZOG und blasse Epigonen wie Friedrich BOHL. Die Deutschen sollten nicht so ängstlich sein. Wir dächten viel zu viel an Sicherheit, wir, das höchstversicherte Volk der Welt.

Die Amerikaner hätten es doch geschafft, mit Millionen neuer Jobs. Aber was sind das schon für Jobs, warnen andere. Viele seien nur Zweit- und Drittjobs, seien allein keine Basis für Broterwerb, soziale Sicherheit, sorgenfreie Zukunft.

Im Euro-Zirkuszelt des 12.6.97 fragt Cohn-Bendit, ob wir so etwas wollten. Als wenig später ein Arbeitervertreter das Wort nimmt, bricht die Leitung zusammen.

Den Pionieren geht es nicht schnell genug. Abstauben und über den Tisch ziehen? Stiefel und Reitpeitsche wie schon einmal? Wirtschafts- und Sozialpolitik nach Gutsherren-Art und um jeden Preis? Die staatstragenden sozialen und humanitären Werte stehen offenbar zusehends zur Disposition, sind zum Ausverkauf  freigegeben. Rechtlich denkende Persönlichkeiten wie Theodor HEUSS, Kurt SCHUMACHER oder Hans KATZER würden sich angesichts mancher Äußerungen und Maßnahmen im Grabe umdrehen.

Trotz des kurzzeitigen Geredes um den sog. WERT-KONSERVATISMUS (KOHL: Überkommene Werte müssen überdacht werden) scheint allgemeine Orientierungslosigkeit; besonders BLÜM, SEEHOFER und WAIGEL sorg(t)en für Ratlosigkeit und Verwirrung. Konfusion ist angesagt, einzige Konstante der Wandel. Die soziale Entwicklung kann, stufenweise wie im Gesundheitswesen, möglicherweise an den so hochgelobten amerikanischen Verhältnissen vorbei zu brasilianischen führen: das bedeutet eine superreiche Oberschicht, darunter lange Zeit nichts und dann eine stetig wachsende Unterschicht, Menschen, der mangels Arbeit und Lebensperspektive einzig übrigbleibt, täglich im Fernsehen den Luxus anzusehen, den sie nie erleben werden. Oder einen Minister für Arbeit und Soziales, der angesichts Hunderttausender von Brücken-Schläfern abwiegelt: "Es ist doch wahrhaft keine Schande, auch mal unter Brücken zu übernachten. Wir leben doch in einer Zeit, wo die Unterkünfte wechseln und man sich anpassen muß. Und außerdem werden Wohn-Anrechte nicht mehr versichert. Wir leben doch schließlich nicht mehr im 20. Jahrhundert." In der Tat, nur scheint es, wie auch die SZ vom 16.1.97 kritisch anmahnt, rückwärts zu laufen. Die offenkundige Ratlosigkeit zeigt sich u.a. darin, daß z.B. im ARD-Frühstücksfernsehen vom 11.12.96 die einst skandalumwitterte Heide PFARR als "Arbeitsrechtlerin" absurde Fragen beantworten soll wie etwa, ob sich ein 590-Marks-Job in beliebig viele Unter-Jobs aufteilen lasse und ob für jeden dieser Jöblein voller Urlaub und volle Lohnfortzahlung in Frage kämen.

2. DOKUMENTATION
Fakten und Ereignisse werden hier nach (fett markierten) Stichwörtern chronologisch abgehandelt; Änderungen vorbehalten.

Der Chef der Berliner BILD-Redaktion spricht im ARD-Frühstücksfernsehen vom 8.10.96 von einem "Pyrrhus-Sieg der Gewerkschaften"; mit der Lohnfortzahlungs-Kürzung müsse man sich abfinden. Arbeitgebervertreter artikulieren des weiteren, daß demnächst auch Urlaubs- und Weihnachtsgeld zur Disposition stehen. Andererseits zeigen Abschlüsse im Bereich von Banken und Einzelhandel Wege und Möglichkeiten, die unseligen Bonner Beschlüsse zu umgehen.

Im ganzen haben wir nichts Gutes zu erwarten und dürfen uns keinerlei Illusionen hingeben. Das Jahr 1997, drohen Arbeitgebervertreter, bringe eine "Tarifrunde der Superlative".

Abbau von Stellen: Das ebenso großsprecherische wie verlogene Programm für "mehr Wohlstand und Beschäftigung" erregt offenbar mehr Lust auf kontinuierlichen Stellenabbau: hierzu die WELT v. 13.12.96 (Siemens), 27.1.97 und 4.2.97: 404.000 Stellen seien im Jahre 1996 vernichtet worden, erfahren wir dort, die Tendenz steige; 4,5 Millionen Arbeitslose werden für 2/97 angesetzt [noch vor Mitte Februar sind es schon nahezu 4,7 Millionen!]. ZVEI-Präsident JUNG erwartet für 1997 allein in seinem Bereich den Abbau von rund 30.000 Stellen; die Menschen müßten jetzt "mehr arbeiten", heißt es, und, was die -> Lohnfortzahlung angehe, sei das Thema noch lange nicht vom Tisch. In diesen Trend paßt das Verhalten des Auto-Giganten VW, der trotz satter Gewinne weiterhin Arbeitsplätze abbauen und dazu den Haus-Tarif kündigen will: hierzu die ZEIT vom 11.4.97. Zudem meldete das Dt. Fernsehen am 13.5.97, die Dt. Telekom habe 1996 einen Gewinn von 1,6 Milliarden DM erzielt, allerdings im gleichen Zeitraum 12.500 Stellen abgebaut.

Abgeordnete: ein Grüppchen von MdBs vergnügt sich unverfroren auf Kosten der deutschen Spielhallen-Lobby in LAS VEGAS. Zu dieser ebenso geschmacklosen wie skandalösen Story (mit Bonner Nachspiel) => Artikel der SZ vom 6.11.1996 und 9.11.96; für die CDU-Abgeordneten LETZGUS und MEINL gilt dabei folgendes: "Die Kosten für (den) Hinund Rückflug (ein Rückflugticket der 1. Klasse bei der Lufthansa kostet an die 10 000 Mark) wegen der Sondersitzung muß der Bundestag bezahlen" (ebd.).

Eine immer mehr von Kapital und Wissen geprägte Arbeitswelt läuft Gefahr, einem gefährlichen Anti-Liberalismus zu erliegen: so die bemerkenswerte Analyse der WELT vom 28.1.97.

Drei Jahre vor der Jahrtausendwende sind Zukunft und damit auch neue Formen der Arbeit zentrale Themen unserer sich nach logarithmischen Maßstäben ändernden Gesellschaft.

Hinsichtlich der zu entrichtenden Abgaben (und vor allem dessen, was im Portemonnaie noch übrigbleibt) seien die deutschen Arbeiter, so die WELT vom 14.1.98, die "Trottel der Nation".

Das Arbeitsförderungsgesetz wurde geändert, damit wird das möglich, was ich in meinem Text "sanktioniertes akademisches Taxifahren" genannt habe. Hierzu SZ v. 8.11.96; zur Benachteiligung der Frauen im neuen AFoeG die SZ v. 28.11.96. Arbeitsund "Sozialminister" BLÜM meint, heute, im Zeichen des Job-Wechsels, sei es keine Schande, eine Arbeit anzunehmen, die nur so niedrig bezahlt werde wie das Arbeitslosengeld. Akademiker aufgepaßt: Diplome, so Blüm, würden nicht "versichert", wir lebten schließlich "nicht mehr im 19. Jahrhundert".

Arbeitslose: 160 Milliarden DM kostete (lt. Haushaltsdebatte v. 28.11.96) die Arbeitslosigkeit allein im Jahre 1996. Zur Prognose für 1997 die SZ vom 15.11.96; zur Auswirkung die WELT v. 21. 11.96 (s.u.). 4,5 Millionen Arbeitslose: dazu die WELT v. 16.12.96 u. die SZ v. 10.11.97. Der Schweizer Philosoph [und jetzige Marburger Professor] Walter ZIMMERLI, sicher niemals Sozialhilfeempfänger, formulierte in der Bonner Auftaktveranstaltung zur EXPO 2000 gar ein "Lob der Arbeitslosigkeit", wie wir in der SZ v. 25.1. 97 nachlesen können. In dieses Lob werden sicher nicht jene einstimmen, die als Betroffene schuldlos ins soziale Aus abdriften.

Im Februar 1997 der erste Höchststand bundesdeutscher Arbeitslosigkeit seit 1945; dazu u.a. die SZ vom 6.2.97. Was von Arbeitslosen-Statistiken zu halten ist, dazu die WELT v. 25.3.97. Im April 1997 waren rund 4,5 Millionen (saisonaler Rückgang um 200.000) Menschen ohne Arbeit. Exakt dieselbe Zahl wird im Januar 1998 angesetzt (zum "Offenbarungseid" der Arbeitgeber die WELT v. 12.1.98; Ergänzendes in der ZEIT v. 16.1.98).

Über die tatsächliche Situation in unserem Lande täuschen auch die noch immer jährlich rund 1 Million neu zugelassener Autos und die vielen privaten Neubauten hinweg: ein weitgehend auf Pump geschaffener Wohlstand, denn die Überschuldung auch privater Haushalte (s.u.) wächst rapide. Wer die nichts Gutes verheißende Entwicklung (wachsende Automatisierung und Rationalisierung, Verlagerung von Arbeit ins Ausland, Verschlankung von Betrieben zwecks noch höherer Profite, gleichzeitig weitere Kürzungen im Sozialbereich, Fehlen sozialer Werteorientierung, Ansteigen der Kriminalität und Gewaltbereitschaft) dennoch weiter schönredet, sollte bedenken, daß i.J. 1933 "nur" rund sechs Millionen Arbeitslose in dem allerdings wesentlich größeren Deutschland genügten, um den von vielen herbeigesehnten "starken Mann" auf den Plan zu rufen.

Asyl-Mißbrauch und illegale Einwanderung: die Koalition zog (vermutlich aus wahltaktischen Gründen) in letzter Minute eine geplante Verschärfung des Asylbewerber-Leistungsgesetzes zurück; dies betrifft vor allem Einwanderer, die hierhin kommen einzig deshalb, weil sie "Sozial-Leistungen beziehen" wollen, und solche, die ihre Identität verschleiern, um einen politischen Asylgrund vorzutäuschen. Andere "Schatten-Menschen" leben von billigster Schwarzarbeit und humanitären Sozialleistungen. Wie die ZEIT am 26.6.98 ("Heimlich in Deutschland") vermutet, halten sich nicht weniger als eine halbe Million illegaler Einwanderer in Deutschland auf. Seit dem deutschen Kosovo-Engagement (s.u.) wird das Phänomen aus dem Bewußtsein der Öffentlichkeit getilgt.

Der sogenannte Aufbau Ost hat die Bundesrepublik bisher nicht weniger als eine Billion DM gekostet (1.000.000.000.000,-DM). Das meldet die WELT am 28.5.97.

Balkan-Kriege:

a) Bosnien-Engagement. Nach der WELT vom 13.9.97 ist Deutschland nicht nur Entwicklungshilfe-Geberland Nr.3; der sogenannte Balkan-Krieg kostete unser Land allein 17,5 Milliarden DM, davon entfallen rund 15 Milliarden DM auf die Unterbringung und Versorgung von bis 400.000 Kriegsflüchtlingen (WELT 15.9.97)

b) Kosovo-Konflikt (NATO-Krieg gegen Jugoslawien): die tatsächlichen Kosten des bis zum 10.6.99 geführten Luftkriegs und seiner Folgen (KFOR-Einsatz, Wiederaufbau) werden uns verschwiegen (vgl. jedoch die Mutmaßungen der WELT schon am 19.4.99; weitere Meldungen und Analysen in meinen themat. Links). Interessieren dürfte, daß im auch von der Kirche als "gerecht" eingestuften Luftkrieg pro Tag der anderthalbfache Jahresetat der Marburger Philipps-Universität verschossen und verbombt wurde - oder, anders gerechnet, pro Tag das Zweihundertfache der [lt. OP Marburg] bis zum 4. Mai 1999 im Landkreis Marburg für die Kriegsflüchtlinge gesammelten Spendengelder.

Beamtentum und Dienstrechtsnovelle: hierzu Bundesinnenminister Manfred KANTHER in der WELT v. 7.4.97

Behinderte: in welchem Maße der Freistaat Bayern auch bei ihnen spart, dazu die SZ vom 3.12.96

Berlin-Umzug der Bundesregierung: zu den Kosten u.a. WELT-Artikel vom 11.6.96 und 18.12.96

BLÜM zur (genau vor 40 Jahren erstrittenen) Lohnfortzahlung: => WELT 25.10.96; s. dagegen seine wesentlich moderatere und versöhnlichere Rede beim CDU-Parteitag

Bundesanstalt für Arbeit: ihr fehlen im Mai '97 sechs Milliarden DM. Diese solle der Bund "nachschießen": hierzu die WELT v. 3.5.97.

Der Bundestag, per Dekret vom 13.9.96 selbst Verursacher der Spar-Epidemie, wird als "Europas größtes Parlament" laut WELT-Vergleich vom 17.7.97 "fürstlich entlohnt.

Bundeswehr: daß sie 1997 für 300 Millionen DM neue Tarn-Anzüge (FDP-MdB Koppelin im ARD-Frühstücks-TV vom 2. Juni 97) beschaffte, bedeutet Peanuts gegenüber den Kosovo-Kriegskosten und weiteren Vorhaben des neuen Ministers SCHARPING, der (trotz weniger Geld?) noch mehr Soldaten für Krisenreaktions-Zwecke bereitstellen und die BW entsprechend hochrüsten will (=> taz 16.6.99)

Dienstwagen: weitere WELT-Berichte v. 7.4.97 und 9.4.97 aus Bereichen, in denen das von den Steuerzahlern erarbeitete Geld weiterhin so verpraßt wird, als wäre Deutschland noch immer eine "Insel der Glückseligen".

Vom Euro werden u.a. verschiedene Zweige der weltweiten Mafia profitieren. Der Euro erleichtere den kriminellen Zahlungsverkehr in einem Europa der Kriminellen; schmutziges Geld lasse sich nur schwer verfolgen, meint die WELT v. 15.7.97

Der Eurofighter, 160 Millionen DM (neueste Angaben) pro Stück (!) teuer, vermittelt das ebenso hochkomplizierte wie anachronistische Stück eine Idee davon, wie aus verhängnisvollen Machtpositionen heraus sämtliche Gebote eines vernünftigen Sparens und einer sozial und menschengerecht orientierten Politik ad absurdum geführt werden können (s.a. die WELT v. 26.5.97). 160 Millionen DM + Wartungsund Ersatzteilkosten, regelmäßigem "Hardware-Update", Waffentechnik, sonstiger Peripherie und Pilotenausbildung: das ist pro Einheit der Gesamt-Jahresetat einer Universität (Marburger Philipps-Universität 1997 = 239 Mio. DM).

Die Fixierung auf den Export, meint die ZEIT v. 8.11.96, verurteile zum Lohn- und Sozialabbau.

Flächentarife: der sich überschlagende Trend nach wirtschaftlicher Globalisierung (s.o. -> Turbo-Kapitalismus) wird mit sich bringen, daß alle noch bestehenden FT alsbald zur Kündigung anstehen; zur Haltung des neuen wirtschaftspolitischen Sprechers der FDP Paul FRIEDHOFF die WELT vom 3.2.97.

Wir leisten uns eine Gauck-Behörde für 600 Millionen DM im Jahr, doch für die Opfer ist kein Geld da." (Dr. Klaus Peter EICH, an den Rollstuhl gefesseltes Mauer-Opfer, im ARD/ZDF-Frühstücksfernsehen vom 25.8.1997)

Fremdrenten: Im Gegensatz zu den mindestens 11 Milliarden DM für jährliche FR an eingewanderte "Sowjetdeutsche" [die mittlerweile rund 21 Milliarden DM umfassenden sog. versicherungsfremden Leistungen werden Anfang 1998 schamhaft als "Kriegsfolgen" bezeichnet) sínd der Regierung die STASI-Opfer ganze 10 Millionen DM wert, hierzu die WELT vom 7.11.96 auch ein Beitrag zum "Sparpaket"?

Gesundheitsreform:
Auf diesem Sektor vollzieht sich seit dem 13.9.1996 eine in Geschwindigkeit und Brutalität kaum nachvollziehbare Entwicklung, die hier anhand einiger markanter Artikel nur unvollständig nachgezeichnet werden kann. Das von Kohl, Seehofer u.a. begonnene Zerstörungswerk wird von der neuen Bundesregierung in ungeahnter Dreistigkeit fortgesetzt.

Gegen die von Seehofer geforderte Budgetierung von (verschriebenen) Arzneimitteln protestieren Ärzte und Patienten in mehreren Bundesländern: hierzu die WELT und die SZ v. 21.11.96 und die unverhohlene Drohung SEEHOFERs in der WELT v. 27.11.96; die mit dem Verlust ihrer Selbstverwaltung bedrohten Krankenkassen planen daraufhin lt. ARD-Frühstücksfernsehen v. 28.11.96 weitere Sparmaßnahmen in Höhe von rund 11,5 Milliarden DM, die sich u.a. in der häuslichen Pflege und bei Kurmaßnahmen auswirken sollen. KASSEN, GEWERKSCHAFTEN und HEILBERUFE formieren sich zu gemeinsamem Widerstand: WELT v. 2.12.96 und 4.12.96 sowie SZ v. 4.12.96. Auf welche Weise sogar Ärzte zu Opfern dieser sinnlosen Budgetierung werden, verdeutlicht die SZ am 17.2.97. Zur weiteren Kürzung bei Arzneimitteln die WELT v. 28.7.98.

Nach dem Regierungswechsel wird die Kohlsche Gesundheitsreform durch ein sog. Vorschaltgesetz teilweise korrigiert - das hat Auswirkungen auch auf die (noch von SEEHOFER als zu niedrig bezeichneten) Arzt-Honorare. Zum Ärzte-Protest in der Adventszeit die WELT am 18.12.98.

[unter Schröder/Fischer]: Massendemonstrationen der Klinik-Beschäftigten in Berlin, WELT 16.6.99

Kurbetriebe gehen in die Knie: hierzu u.a. die SZ v. 6.2.97; neuere Zahlen vermittelt die WELT (exemplarisch aus Bad Berleburg) am 6.8.97. Nach dem Motto "Gelobt sei, was hart macht", wiegelt man inzwischen ab.

Denken wir grundsätzlich nach über die tragischen Folgen von Horst SEEHOFERs Zweiklassen-Medizin, so kommen wir unverändert zu folgenden Feststellungen:

o  Heilberufe werden zu Heulberufen: Zigtausende hochqualifizierter, kostspielig ausgebildeter Menschen werden in unverdiente (weil unverschuldete) Arbeitsund Perspektivlosigkeit entlassen. Es geht doch wohl nicht an, wenn eine im Rollstuhl sitzende, hochmotivierte Logopädin für Einsatzund Arbeitsfreudigkeit und eine heilsame optimistische Ausstrahlung mit Berufsverbot "belohnt" und selbst zum Sozialfall degradiert wird! Ist das die noch beim letzten CDU-Parteitag von den Herren Kohl und Blüm beschworene christlich-soziale Humanität?

o  Kleine, ausschließlich auf Kurbetrieb hin strukturierte Orte wie z.B. das balneologisch renommierte BAD KOHLGRUB werden ihren Bankrott erklären und zu Armensiedlungen verkommen; als Beispiel die SZ zu Pocking (Rottal, Bayern) v. 7.2.97

o  Zig- oder gar Hunderttausende von Arbeitsplätzen in der Pharmaindustrie, in Arztpraxen und Apotheken werden wegfallen und das Arbeitslosen-Heer entsprechend "bereichern"

o  Hunderttausende auf physio-, psychotherapeutische und logopädische Behandlung angewiesene Kranke werden ihrem Schicksal überlassen und als "sozialer Müll" behandelt ... usw. usw. !!!

Im Frühstücksfernsehen vom 15.1.97 auf diese Misere hin angesprochen, hat Minister Seehofer die Stirn zu behaupten, gewisse Kur-Orte hätten selbst schuld an ihrem Niedergang, würden sie doch ein "UntergangsSzenario" heraufbeschwören und damit einen Teil der potentiellen Kundschaft "abschrecken". Daß inzwischen tatsächlich ein Schatten über den Kurkliniken liegt, verdeutlicht die WELT am 22.7.98.

Müttergenesungs-Kuren die SZ v.4.2.97. Wer erschöpfte Mütter im Stich läßt, handelt sittenwidrig! Zu diesem bedauerlichen Thema berichtet die Marburger OP vom 10.5.97 "rechtzeitig zum Muttertag" unter dem Titel "Immer weniger Kuren für erschöpfte Mütter" über einen Belegungsrückgang in den reinen Mütterkur-Häusern von 100 auf 30, bei den Mutter-Kind-Kuren auf 56 Prozent. Von den im Jahre 1996 im Landkreis gestellten rund 80 Anträgen seien "nur vier sofort von den Krankenkassen bewilligt" worden und in vielen Fällen "nervenaufreibende Widerspruchsverfahren notwendig" geworden. Und das gerade bei den Müttern, "die genau die Hilfe nötig hätten, die das Müttergenesungswerk mit seinen Kuren anbiete". Wer bei den Müttern spart, beim Jäger 90 jedoch nicht, der praktiziert nichts Anderes als soziale Barbarei.

Zahnbehandlung: Der massive Widerstand zeitigt einen ersten Teilerfolg: SEEHOFER will seine Pläne überdenken (WELT v. 6.12.96). Die Szene verharrt weiterhin in dumpfer Resignation: "Viele Ärzte zahlen jetzt bei ihrer Arbeit drauf", meldet die OBERHESSISCHE PRESSE in ihrem Leitartikel vom 10.12. 1996. Im November oder Dezember erreiche jeder Zahnarzt seine Budget-Grenze. Für den Rest des Jahres erhielten die Ärzte dann kein Honorar mehr und zahlten drauf. Denn die Praxiskosten für Personal, Miete und Material (die als Zulieferer fungierenden Zahntechniker wollen ja auch bezahlt werden!) liefen weiter.
Inzwischen (2/98) hat sich das Blatt gewendet: alle "Kunden", also auch die Kassen-Patienten, müssen beim Zahnarzt privat abrechnen (den Gesamtbetrag vorlegen); die betr. Festzuschüsse gibt es hernach von der Kasse zurück. Die Zahnbehandlung, schreibt die WELT am 23.2.98, werde für Private immer teurer.
Zuzahlungen : das Fundament der [CDU/CSU-] Gesundheitsreform? Über die (am 1.7.97 geltende) sog. dritte Stufe der GR die WELT am 12.6.97 und (hinsichtlich der Bemessung) am 14.7.97
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Zu der schon in meinem Text angedeuteten Ghettoisierung und damit Verelendung ganzer "Schlafstädte" äußert sich jetzt Bauminister Klaus TÖPFER in einem WELT-Interview vom 16.12.96.

Die Wirtschafts-Globalisierung, meint Claus Noé in der ZEIT v. 15.11.96, fresse ihre Kinder; eine absolute Wettbewerbsfreiheit führe in die Irre, deshalb dürfe der Staat "nicht abdanken". In welchem Umfang große deutsche Unternehmen zu Global Players geworden sind, beleuchtet die WELT v. 4.7.97. Neue Kritik zu Globalisierung und (Neo-)Kapitalismus artikuliert Uwe Jean HEUSER in der ZEIT v. 12.9.97

Zur Neubewertung der Goldreserven und die damit verbundene Ratlosigkeit der Bonner Koalition die WELT v. 3.6.97; => Waigels neues Sparpaket

Haushalt 1997: siehe WELT v. 11.9.96 und 30.10.96 sowie SZ vom 31.10.96

Die bayrische IG Metall kündigt den Manteltarifvertrag zum 31.1.1997 und bereitet sich auf einen evtl. Arbeitskampf vor.
Jugendkriminalität: Der Fall "Thorsten"
Wir müssen den Gürtel enger schnallen, heißt es schon seit Jahren, oft fehlen hier und dort ein paar wenige Mark, um offensichtliche Not zu lindern, Schulen und Universitäten werden kaputtgespart, Kranken längst überfällige Heilmaßnahmen vorenthalten, und da porträtiert am 14. Juni 1998 spätabends FOCUS TV einen Dreizehnjährigen, der bereits rund einhundertfünfzig Straftaten verübt hat: der etwas traurig dreinblickende, hochintellektuelle Jugendliche wird in seinem Umfeld gezeigt und darf sogar auszugsweise von seinen Untaten berichten. 150 Straftaten von Raub, Autodiebstählen, Rauschgifthandel bis hin zur schweren Körperverletzung, damit hat er das Gemeinwesen mit Sicherheit in einem Ausmaße von hunderttausenden, ja vielleicht Millionen DM geschädigt. Zum "Lohn" erhielt er bereits einen mehrwöchigen erlebnispädagogischen Urlaub in Schweden, an dessen Ende er seinen Betreuer tätlich angriff. Nun soll er vor dem 14. Geburtstag, also dem Beginn seiner Strafmündigkeit, noch "eine letzte Chance" bekommen und für ein halbes Jahr nach Südamerika reisen: natürlich wieder in Begleitung eines Betreuers. "Jetzt werde ich mich erst mal zur Ruhe setzen", kommentiert das der Junge, er wolle sich ansehen, wie die Indianer leben, tauchen usw.

73.000 DM hat die Reise gekostet: Neues von "Thorsten" enthüllt RTLs Boulevard-Magazin "Explosiv" am 15.9.98 gegen 19 Uhr: Der so harmlos wirkende, fröhlich grinsend in die Kamera winkende Junge habe in Argentinien einen Hotel-Safe geknackt. Die Argentinier, die mit solchen Jugendlichen ganz anders umgehen, können darüber gar nicht lachen: "Wir haben genug Probleme; wir wollen nicht, daß Deutschland seine jungen Verbrecher zu uns in den Urlaub schickt." Die für Thorsten zuständige Darmstädter Amtsbetreuerin sieht es anders: "Außergewöhnliche Umstände erfordern außergewöhnliche Maßnahmen." In Argentinien habe der Junge eine Art "Kulturschock" bekommen und dadurch "geheilt" werden sollen. "Es ist seine letzte Chance, doch noch auf den rechten Weg zurück(?)zukommen." Nun soll eine "teure Kommission", so RTL, nach Argentinien reisen und die dortigen Behörden von der Schuldunfähigkeit des Jungen überzeugen. Dieser, so zeigt der Sender, habe schon vor seiner "Belohnungs"-Reise seine Umwelt keineswegs über seine Absichten im unklaren gelassen: er wolle weitere Verbrechen begehen, weil er das "geil" finde.

Am 22.9.98 im HR-Regionalfernsehen (gegen 19 Uhr) eine Stellungnahme nach Hessen-Art. "Thorsten" (mit einem Meerschweinchen auf dem Arm ganz harmlos dasitzend), ein Junge, der "Hilfe brauche", sei Opfer einer gnadenlosen Medien-Hetze; außerdem sei man, wie Reporter Rainer WITT berichtet, auf eine "Falschmeldung" hereingefallen, das betreffe Interpol und die (auch im Internet vertretene) argentinische Zeitung "Clarin". Aufgrund dieser Störung habe man die so vielversprechende erlebnispädagogische Maßnahme abbrechen müssen. Tenor: nun ist der "arme Junge" wieder alleingelassen. Kein Wort von der Schwere der (zugegebenen) 160 Straftaten, kein Wort von der Befindlichkeit der Opfer.

Neueste Informationen zum Falle Thorsten liefert Marburgs OBERHESSISCHE PRESSE vom 14. November 1998: Mehrere Monate, heißt es hier, habe der Marburger St.-Elisabeth-Verein e.V. "einen 14jährigen Serienstraftäter betreut, der bundesweit in die Schlagzeilen geraten war". "Thorsten" halte die Behörden "seit Jahren in Atem". Nach Schätzungen der Polizei habe er mindestens 170 Delikte begangen, darunter Sachbeschädigung, Einbruch, Diebstahl, Raub und Körperverletzung. Die Dunkelziffer, ergänzt der Artikel, belaufe sich auf 1.500 Taten (!). Der Junge sei jeden Tag aufs neue erwischt worden, gelegentlich bis zu 3-mal täglich. "In einem Fall wurde bei ihm eine Smith & Wesson sichergestellt, mit der er auf Laternen und Güterzüge ballerte."

Das Darmstädter Jugendamt habe dem Verein den Betreuungsauftrag entzogen, nachdem die Uni-Psychiatrie anläßlich einer "krisenbedingten Untersuchung" diagnostiziert habe, bei diesem Jungen helfe "nur noch eine geschlossene Unterbringung". Erst danach sei er von Darmstadt aus in Begleitung eines ehemaligen Kampfschwimmers der Bundesmarine auf seine "erlebnispädagogische", 73.000 DM teure Argentinien-Reise geschickt worden.

Der jeder Vernunft spottende, ebenso unglaubliche wie skandalöse Fall "Thorsten" zeigt einmal mehr, wie in unserem Lande Untaten belohnt und Steuergelder verschwendet werden. In einem System, wo sittliche Werte dermaßen verdreht und Verhaltensnormen ad absurdum geführt werden, braucht sich niemand mehr zu wundern, wenn rechtsradikale Tendenzen zunehmend Fuß fassen.

Karenztage beim Arbeitslosengeld: hierzu Näheres im WELT-Artikel vom 16.10. 1996; zur stärkeren Besteuerung der sog. Lohnersatzleistungen s. die WELT v. 11.11.96

Nach Ansicht Dr. VILMARs (Dt. Ärzte-Tag 1998; s. unten: Zwei-Klassen-Medizin) solle es - analog zur KFZ-Versicherung - auch in der Krankenversicherung ein Kasko-System geben , d.h. Grundversicherung und - für Aufpreise - Individuelle Gesundheitsleistungen  (=> IGEL-Katalog der Zahnärzte); dazu die WELT v. 20.5.98. Die Ärzte, meinen SPD-Politiker, vergäßen "nach und nach ihre ärztliche Profession" und würden "zu reinen Kaufleuten". In der Tat könnte man fragen, ob eine derart profitorientierte Ärzteschaft nicht gegen den sog. hippokratischen Eid verstößt; überhaupt scheint im Deutschland der Jahrtausendwende mit zunehmender Profitgier die Scheu vor sittenwidrigem Verhalten auf allen sozialen Ebenen immer mehr in den Hintergrund zu treten.

Trotz deutlicher Erholung der Konjunktur steigt weiter die Arbeitslosenzahl; die Industrie denkt offensichtlich gar nicht daran, die von der Bundesregierung aufgrund ihres "Programms" prognostizierten zusätzlichen Arbeitsplätze zu schaffen. Hierzu die WELT v. 6.12.96

Zur (deutlichen) Senkung der Krankenquote auch ohne Bonns Repressalien s. die SZ vom 8.11.96; zu Ursachen und Aspekten des Krank-Seins sehr Lesenswertes in der SZ v. 19.11.96. Sei es, wie es sei, die Hatz ist eröffnet und die passende Gehirnwäsche wird mitgeliefert: nach über 46 Jahren bundesdeutscher Arbeitswelt kommt plötzlich ein sogenannter Medizinischer Dienst, und zwar der der Krankenkassen Niedersachsens, heftige Prügel mit dem Äskulapstab austeilend, zu der zweifelhaften Erkenntnis, jeder zweite Krankgeschriebene mache blau; hierzu die WELT, 22.11.96. Werden andere Kassenverbände folgen?

Lehrstellen: daß auch hier das "Programm für mehr Wachstum und Beschäftigung" nicht greift, belegt der in der WELT v. 9.4.97 berichtete Angebotsrückgang um 6,5 Prozent.
Wer überwiegend im Ausland investiert und unsere Jugend im Stich läßt, ist, so denke ich, als Hasardeur moralisch unqualifiziert, die Sozialpolitik unseres Landes mitzugestalten.

Lohnfortzahlung: siehe dazu die entsprechenden WELT-Artikel ab 1. Juli 1995. "Viele Kranke werden klagen", meldet die OBERHESSISCHE PRESSE (OP) am 18.10. 1996; der Streit entzünde sich "an Tarifverträgen, die zum Punkt Lohnfortzahlung wörtlich den Gesetzestext" enthalten. Klagen, so die OP, "können Arbeitnehmer erst, wenn sie die erste Abrechnung bekommen haben, die eine Lohnkürzung wegen Krankheit enthält." (S. 1). Grundsätzlich treffe die Kürzung alle diejenigen Arbeitnehmer, bei denen weder durch den Tarifvertrag noch durch den Arbeitsvertrag die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geregelt sei. Die derzeitige Härte des Arbeitskampfes verdeutlicht eine jüngst gegen die IG Metall angestrengte Klage, hierzu WELT-Artikel vom 26.10.1996; daß wir, wie ich bereits in meinem Text andeutete, erst am Anfang eines dramatischen Sozialabbaus stehen und daß die Arbeitgeberseite mit bisher ungewohnter Härte verhandeln wird, verdeutlicht BDI-Präsident HENKELs Ansicht in der WELT v. 21.11.96. Doch man läßt sich nicht einschüchtern: zu weiteren STREIKS die WELT v. 2.12.96.

Einen Modell-Abschluß mit 100%iger Lohnfortzahlung erzielte die IG-Metall in Niedersachsen; Abstriche beim Weihnachtsgeld kommem Langzeitkranken zugute: dazu die WELT v. 6.12.96; Gesamtmetall leistet Widerstand: SZ 9.12.96 Die Forderung STUMPFEs, das Streikrecht anzutasten, weist Bundeskanzler KOHL zurück; das, meint DGB-Chef SCHULTE, wirke "wie ein Feuerlösch-Versuch mit Benzin"; dazu die WELT v. 10.12.96

NRW und der Südwesten übernehmen das Niedersachsen-Modell, meldet die SZ vom 12.12.96. Auch in Bayern sollen die Metaller volle Lohnfortzahlung erhalten: s. die WELT v. 13.12.96. Den voraussehbaren Rückschlag bedeutet der jüngst ergangene Schlichterspruch im Bau-Gewerbe (Einschnitte in Lohnfortzahlung und 13. Monatsgehalt): allenthalben regt sich massiver Widerstand, und ein Streik ist wahrscheinlich (WELT, 12.5.97).

Während es im ARD-Presseclub vom 27.10.96 noch hieß, in diesem Bereich sei die LFZ bis 1997 gesichert und man solle nicht ein solches Wehklagen anstimmen (im Ausland lache man sich ohnehin über uns Deutsche "kaputt"), zeichnen sich auch im Öffentlichen Dienst bald erste Tendenzen und Maßnahmen ab, die Kranken zu bestrafen: s. dazu die WELT v. 29.10.96.

Gegen den massiven Widerstand von Industrie und Opposition garantiert nach zwei Jahren des Kampfes endlich ein von der neuen rot-grünen Bundesregierung im Dezember 1998 angeregtes (und im Bundestag durchgebrachtes) Gesetz, daß in allen Bereichen (d.h. ÖD und Freie Wirtschaft) wieder 100 % Lohnfortzahlung gewährt wird.

Am 27.10. behauptet Otto Graf Lambsdorff (s.o.), die Lücken im Bonner Haushalt seien "größer als zugegeben". Im ARD-PRESSECLUB heißt es, die Kürzung der Lohnfortzahlung erspare den Unternehmen lediglich 0,2 Prozent an Umsatzverlust.

Wenn du arm bist, mußt du früher sterben: dieses seit den frühen 50er Jahren lange nicht mehr gehörte Wort feiert eine traurige Auferstehung. Zu den kommenden und bereits praktizierten medizinische Einschränkungen die WELT ("Ärzte ziehen Notbremse") vom 23.10.1996 und die SZ v. 25.11.96; zu Horst Seehofers Plänen (einer "Amerikanisierung des Gesundheitswesens") die SZ vom 6.11.1996 und die WELT sowie die SZ vom 7.11.96. Zu den kommenden Mehrbelastungen R. DRESSLER (SPD), SZ 14.11.96; H. REBSCHER (VdAK), SZ 18.11.96. Patienten zahlen zweimal, heißt es in der WELT v. 18.12.96. Karsten VILMAR versteigt sich im Dezember 1998 zu der Behauptung, wenn die Regierung die Ärztehonorare beschneide, dann müßten die Menschen eben früher sterben.

Neue Armut: die bereits in diversen Berichten apostrophierte n.A. zeigt sich hierzulande in der Überschuldung von mittlerweile über 2 Millionen Privathaushalten und den für 1997 zu erwartenden rund 30.000 Firmen-Insolvenzen: hierzu die WELT v. 21.11.96; von rund 33.000 Firmenpleiten bereits im ablaufenden Jahr spricht die SZ am 4.12.96; 1997 gingen 27.700 Firmen zugrunde, für 1998 wird ein "neuer Rekord" von 30.000 Insolvenzen vorausgesagt: interessante Daten vermittelt die WELT vom 12.1.98. wie neuerdings Armut "nach oben hin, in die Mittelschicht hinein ausfranst", zeigt die WELT am 22.7.98, und erschütternde Daten enthüllt die ZEIT am 30.7.98 in ihrem Artikel "Kartell des Schweigens".

Am 11.2.97 kommt im Frühstücksfernsehen das Thema "Ein-Fünftel-Gesellschaft" zur Sprache: wir driften hin zu einem System, in dem es einem Fünftel der Menschen sehr gut geht und der Rest immer ärmer wird (vgl. südamerikan. Verhältnisse und die "Neuen Reichen" in Rußland!).

Die Zahl der bundesdeutschen Obdachlosen oder, wie, wie sie amtlich heißen, Nichtseßhaften, wächst rapide: derzeit beziffert man sie auf 1,3 Millionen, darunter 25 % Frauen. Die weiter oben erwähnte neue -> Armut konkretisiert sich auch in rund 4 Millionen Analphabeten.

Im Öffentlichen Dienst gibt es nach Aussage von Marita KRUCKEWITT, Gewerkschaftssekretärin der ÖTV, eigenständige Vereinbarungen in den Tarifverträgen. Es werden im Krankheitsfall 100 Prozent des Entgeltes gezahlt. Die gleiche Auskunft erteile Willi BOLLMANN, Personalamtsleiter im Marburger Landratsamt (OP 18.10.1996).

Während Sozialleistungen drastisch gekürzt werden und das Volk zu hektischem Sparen angestachelt wird, sanktioniert eine von Roman Herzog einberufene Kommission die mildtätige Gabe, daß in diesem Jahre die staatliche Parteien-Finanzierung um maximal 6,1 Prozent auf 230 Millionen DM angehoben wird (die WELT, 16.4.97). Der allgemeine Preisanstieg rechtfertige dies.

Pensionen: Düsseldorfer Ex-Minister haben "bereits nach einer Amtszeit von drei Jahren und zehn Monaten Anspruch auf ein Altersruhegeld von exakt 14 668 Mark monatlich. Diese 'Luxus-Versorgung', für die die Nutznießer keinen Pfennig als Eigenbeitrag leisten müssen, wird dreizehnmal im Jahr bezahlt und bei jeder Tariferhöhung im öffentlichen Dienst dynamisiert." Das berichtet die WELT am 13.6.98 zum schier unerschöpflichen Thema Staatliche Geldverschwendung, und damit wissen wir einmal mehr, wie von denen, die an der Krippe sitzen und sich zuerst segnen, die verhöhnt und bestraft werden, die sich mit redlicher und anstrengender Arbeit ihr Brot verdienen und dennoch auf keinen grünen Zweig kommen.

Privatisierungen: Am 14.5.1997 plädiert im ARD-Frühstücksfernsehen der dem SPD-Lager angehörige Ex-Finanzminister Hans APEL anläßlich seines jüngst erschienenen Buches dafür, daß der Staat alles privatisieren solle, was er überhaupt privatisieren könne. Solche vielen auf den ersten Blick vernünftig erscheinenden Vorschläge kommen seltsamerweise immer nur von seiten derjenigen, die "vom sicheren Port aus raten" können, also, auf gesundem Finanzpolster sitzend, selbst nichts zu befürchten haben. Auch Herr Apel sollte wissen, daß höchstmögliche Privatisierung und gleichzeitiges Abschaffen der Beamtenschaft innerhalb der sozialen Dienstleistungen ein Höchstmaß an Streikgefahr bedeutet und damit in derartigen Notfällen ein fast völliges Lahmliegen entsprechender Ressourcen: England und andere Staaten haben es uns doch gezeigt!

Reiche werden immer reicher: zum Reichtum und dessen Wachstum in der Bundesrepublik die WELT v. 31.10.96 und 31.7.97; allgemein darf festgestellt werden, daß wirtschaftliches Wachstum, steigendes Geldwertvermögen und die Zahl der Werktätigen umgekehrt proportional sind. Also: steigender Wohlstand in Ober- und oberer Mittelschicht und wachsende Verarmung im "Proletariat", einhergehend mit stetig steigender Privatisierung, also Rückzug des Staates aus verantwortlichen Arbeits-, Sozialund Fürsorgebereichen.

Entgegen einer früheren Zusage BLÜMs (wen wundert's?) steigen die Renten-Beiträge 1997 erstmals über 20 %. Hierzu die SZ v. 15.11.96; zur Stabilität der Renten auch SZ, 19.11.96 und BLÜMs "Offenbarungseid" in der WELT v. 25.11.96.
Vor uns liegt (...) eine Kette rentenpolitischer Offenbarungseide (Jürgen BORCHERT, Süddeutsche Zeitung, 4.1.1997) Wenn Norbert BLÜM, nach H. KOHL Bundesranglisten-Nummer 2 im Schönreden, hinsichtlich der Rentenstabilität zynisch die "Ewigkeits-Garantie" zur Disposition stellt, erübrigt sich wohl meine noch vor wenigen Tagen gestellte Frage, ob die jetzt noch Werktätigen überhaupt in den Genuß einer differenzierenden, d.h. den Einzahlungen prozentual entsprechenden Vollrente kommen oder ob all das, was derzeit an entsprechenden Beiträgen erhoben (einbehalten) wird, "für die Katz" ist. Mehrere Partei-Jugendorganisationen haben jedenfalls, wie in der Bundestagsdebatte v. 28.11.96 bekannt wurde, mit der Kündigung des Generationen-Vertrages gedroht.
Am 2.12.96 verlautet, BLÜM plane ab dem Jahre 2000 eine Herabsetzung der Renten auf 65 Prozent und eine Heraufsetzung des Rentenbezugs-Eintrittsalters auf 67 Jahre. In den untersten Lohn- und Gehaltsgruppen bedeute dies eín Herabsinken auf den Sozialhilfe-Satz.
Der Bundeskanzler garantiert in seiner Neujahrsansprache (WELT 31.12.96) eine gewisse Stabilität der Renten, andererseits hat BLÜMs Verhalten gezeigt, wie viel von derartigen "Sedativa" zu halten ist. Die zum Jahreswechsel angeschlagenen sanften Töne dürfen uns nicht davon abhalten, weiterhin Augen und Ohren offenzuhalten und wachsam zu bleiben. In diesem Sinne ist die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zu verstehen, wenn sie am 4.1.97 schreibt, die Tage des deutschen Renten-Systems seien gezählt; hinter der Solidar-Fassade finde eine unerträgliche Umverteilung von unten nach oben statt. Den Gipfel der Unverschämtheit bildet ein im Frühstücksfernsehen vom 20.2.97 berichteter Vorschlag, entweder das Renteneintrittsalter auf 72 (!) Jahre zu erhöhen oder die Rente auf 55 Prozent zu senken. Der ohnmächtige Bürger, der ohnehin Tag für Tag mit neuen Lügen und Hiobsbotschaften konfrontiert wird, fragt sich allmählich zu Recht, was ihm denn noch alles zugemutet werden soll.

In der (fortlaufenden) Debatte um eine Renten-Besteuerung wiegelt man ab: nur Höchstrentenbezieher kämen in Frage. Was dem einen die Rente, ist bekanntlich aber dem anderen die Lebens-Versicherung: oft wird jene als zusätzliches Sicherheitspaket abgeschlossen, will man es doch im Alter gut und sicher haben, schließlich hat man ja sein Leben lang genug dafür gearbeitet. Doch halt: auch hier setzt der Bonner Spar-Hobel an; so will man künftig auch den Ertrag aus solchen Versicherungen besteuern. Den "dicken alten Männern in der Politik" (so das ZDF-Frühstücksfernsehen der letzten Januarwoche 1997) fehlt es offenbar an jedem Kontakt mit der oft bitteren Alltags-Realität. Besteuere man gleichzeitig Renten und Versicherungen, so die ZEIT v. 31.1.97, so gefährde dies den, wie es noch immer euphemistisch heißt, "Umbau" des Sozialstaates.

Das von BLÜM angestrebte Renten-Niveau (von 70) auf 64% zu senken, bedeutet eine folgenschwere Verarmung des älteren Bevölkerungsteils; hierzu die WELT v. 17.3.97. Die CDU stimmt mehrheitlich für ein modifiziertes BLÜM-Modell, das eine stufenweise Absenkung auf 64 % ermöglicht, bis zum Jahre 2005 jedoch angeblich die Renten der heute 50bis 55jährigen nicht gefährdet; -> WELT v. 20.3.97. Zusätzlich beschert uns Bonn eine Anhebung der Mehrwertsteuer auf 16 % ab Januar 1999. Die als "Bonus" verkaufte Soli-Senkung ist nur Augenwischerei. Hierzu die WELT v. 1.11.97.
Die derzeit (5/97) zerstrittene SPD hat weder einen Kanzler-Kandidaten noch ein vernünftiges Renten-Konzept auf Lager. Eine JuSo-Vertreterin plädiert im ARD-Frühstücksfernsehen vom 12.5.97 für eine "allen Lebenslagen" gerecht werdende Alters-Grundsicherung. Die SPD, betont sie, habe nicht die Aufgabe, den von der Koalition betriebenen "sozialen Kahlschlag" zu unterstützen. Auch im Frühstücks-Fernsehen vom 3.11.97 wird das Gespenst der sozialen Grundsicherung erneut aus der Versenkung geholt. Das Bedenken, sie sei ungerecht, wirkte noch nie so matt und müde wie jetzt.

Auf diese "Grundsicherung" zielte schon BIEDENKOPFs skandalöses Modell der Einheitsrente ohne Rücksicht auf Lebensarbeitszeiten und -leistungen (also egal, ob man "dreißig Jahre gearbeitet oder auf dem Kuhdamm Balalaika gespielt hat"); es ist zwar vorläufig vom Tisch, andererseits sollen jedoch auch die bisher weitgehend verschonten Beamten jetzt rentenmäßig zur Ader gelassen werden: hierzu die WELT v. 12.5.97.

Ein Standort D, der jahrzentelange Arbeitsleistung mit einer Einheitsrente "belohnt", mißachtet nicht nur aufs gröbste und gemeinste den Fleiß und Arbeitswillen seiner Bürgerinnen und Bürger, sondern verkommt im Konzert des globalen Wirtschaftswettstreits möglicherweise zum Mauerblümchen und Ladenhüter: die nämlich, die Fleiß und Know-how einbringen können und wollen, werden auswandern in Staaten, die solches noch zu schätzen wissen.

Das, was unter KOHL und BLÜM angedacht (und teilweise verwirklicht) wurde, wirkt harmlos gegenüber den Rentenplänen des neuen Arbeitsministers Walter RIESTER: hierzu u.a. die WELT v. 17.6.99; noch drastischer und prägnanter BILD v. 17.6.99

Wer an der Krippe sitzt, segnet sich zuerst (oder wird gesegnet). Sonderzahlungen: => Übergangszahlungen. Zu TÖPFERs Gewissensdurchbruch die WELT vom 17.3.98.

Wie in der Haushaltsdebatte v. 28.11.96 verlautete, gibt es derzeit 6 Millionen Beschäftigungsverhältnisse, für die keine Sozialabgaben entrichtet werden. Darunter fallen auch Nebentätigkeiten, deren Zahl derzeit "explosionsartig ansteigt".

der Sozialstaat werde nicht abgeschafft, meint H. KOHL in der Haushaltsdebatte am 27.11.96, hierzu die SZ vom 28.11.96. Gut vier Monate später warnen Politiker und Kirchenvertreter vor einem Abbau des Sozialstaates; hierzu ein kurzer, aber äußerst prägnanter Bericht in der WELT vom 1.4.97. Wie der Sozialstaat die Einkommen schmälere, versucht die WELT aufzuzeigen am 1.11.97, mehr als ein Jahr nach dem berüchtigten "Sparpaket".

Sozialstaat und christliche Ethik: s. hierzu die Rede des Bundeskanzlers auf dem CDU-Parteitag am 21./22.10.1996

Sparen macht nicht reicher, meint die ZEIT in einem bemerkenswerten Artikel schon am 24.5.1996

Sparpaket:
(a) Was ich in meinem (Mitte 9/96 entstandenen) Sparpaket-Text befürchtete, ist (leider) voll eingetreten; eine der Weiterungen ist das, was der am 4.6.97 leider im Amt bestätigte Finanzminister Theo WAIGEL aus dem Hut zieht: Pflegeversicherung, Liegenschaften und Weihnachtsgeld sind in Gefahr. Hierzu die WELT v. 10.6.97

(b) zum neuen Sparpaket von Schröder und Eichel:

Hinsichtlich des DDR-Staatsvermögens enthüllt das ARD-Frühstücksfernsehen vom 16.10.96, daß im Frühjahr 1990 ein Stasi-Major namens KOCH dem Bundesnachrichtendienst 92 verschlüsselte Disketten übergeben und dafür Straffreiheit zugesichert bekommen habe. Diese bereits Ende 1991 lesbar gemachten und ausgedruckten Disketten enthielten Daten zum sog. DDR-Embargohandel. Der BND habe erst 1994 deren Existenz zugegeben und halte die Daten noch immer unter Verschluß. Hierzu - wie in ähnlichen Fällen - keine weiteren Medienverlautbarungen.

Immer häufiger wurden in den letzten Jahren illegale, menschenverachtende und schwer(st)kriminelle Praktiken des in vieler Hinsicht an NS-Verhältnisse erinnernden ehemaligen DDR-Unrechtsregimes aufgedeckt. Die in vier Jahrzehnten entstandenen "Seilschaften" bestanden teilweise auch nach der Wende fort; wie die WELT vom 23.4.98 berichtet, wurden von SED/STASI-Seilschaften mindestens zehn Milliarden DM "beiseite geschafft".

Steuerlüge der Großkonzerne: Klaus Bednarz entlarvt sie im "Monitor" vom 22.4.1999. Die Milliardengewinne werden auf Null gerechnet, gleichzeitig von führenden Industrievertretern (Stihl, Henkel usw.) ständig neue Vorwürfe und Forderungen an die Regierung gerichtet: eine neue Bundesregierung, die angetreten war mit dem Versprechen, die großen Firmen an ihre nationalen Pflichten zu erinnern und auch auf diese Weise mehr Steuergerechtigkeit zu schaffen.

Der Streit um die Lohnfortzahlung sei ein Machtkampf auf dem Rücken der Kranken, meint Robert LEICHT in der ZEIT vom 1.11.1996.

IMMER MEHR MENSCHEN HABEN WENIGER ARBEIT
Immer mehr Deutsche (überwiegend Frauen) arbeiten in Teilzeit: das betont die WELT v. 23.4.98 und das entspricht genau dem im angeblichen Muster-Standort USA beobachtbaren Trend, Teil-Jobs aus dem Boden zu stampfen und von rekordverdächtiger Schaffung von Arbeitsplätzen zu reden. Teilzeit-Verdienst: das ist in vielen Fällen zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, das ist - in unserer kurzlebigen, inkonstanten Swap-Gesellschaft - besonders hinsichtlich der Arbeits-Gestaltung eine schöngeredete Form der Ausbeutung. Um ein von fremder Hilfe unabhängiges Ein- bzw. Auskommen zu haben, müssen, ganz wie in den USA, mehrere Teilzeit-Jobs angenommen werden, langzeitig höherer Streß und damit ein größeres Risiko für die Gesundheit. Daten zum neuen Mikrozensus (und Bemerkungen zur neuen Soziallage) in der WELT v. 15.5.98.

SELBSTBEDIENUNGSLADEN BONN. Die sogenannten Übergangszahlungen für ehemalige Parlamentarische Staatssekretäre belegen einmal mehr, daß die, die an der Krippe sitzen, sich zuerst segnen. Wie wenig die Damen GEIGER und YZER von Übervater KOHLs Sparpaket halten, zeigt die WELT v. 17.2.97. Siehe auch die SZ v. 20.2.97 und => Sonderzahlungen.

Jedes Jahr, so verlautet in der Haushaltsdebatte v. 29.11.96 u. (für 1996) im ARD-Frühstücksfernsehen v. 2.6.97, fallen in Deutschland ca. 2 Milliarden Überstunden an, deren Wegfall eine Menge neuer Arbeitsplätze schaffen würde. Völlig zu Recht wird argumentiert, daß gerade diese Überstunden sowie die Heraufsetzung von Wochenund Lebensarbeitszeit dem Ziel von "Mehr Wohlstand und Beschäftigung" geradezu Hohn sprechen.

Hausgemachtes Elend im neuen Zeitgeist: Durch Werbung, Konsum- und Gruppenzwang sowie verlockende Kaufangebote fehlgeleitet, leben viele Menschen in unverantwortlicher Weise über ihre Verhältnisse. Aufgrund fehlender Werte, zu hoher Ansprüche und allzu leicht gemachter Scheidungsverfahren brechen die Familien auseinander. Mütter (oder Väter) werden "alleinerziehend", dennoch wollen (oder sollen) die lieben Kleinen weiter verwöhnt werden, der neue, schnelllere Computer (oder die Play-Station) muß auf den Gabentisch. Zur Überschuldung privater Haushalte s. die WELT v. 21.11.96 und die SZ v. 25.11.96; neue Daten => WELT v. 15.7.97. Exemplarisch: 50.000 Hamburger Haushalte überschuldet: WELT 16.12.98. Zur gesamtdt. Situation 1997 und 1998 die WELT vom 14.1.99.

Zur staatlichen Verschuldung: lt. einer S3-Fernsehmeldung vom Oktober (12./13.10.) 1997 ist jeder Bundesbürger/jede Bürgerin mit 25.000,- DM belastet; zur "alptraumhaften" Entwicklung der Bundesverschuldung die WELT vom 17.3.97; unter dem Titel "Zahlungsmoral auf neuem Tiefpunkt" liefert die WELT neue Daten per 20.11.97.

Übersiedler: bis Mitte 1998 dürften mehr als 3 Millionen sog. Rußlanddeutscher eingewandert sein: darunter viele ehemalige Lehrer und (Fach-)Ärzte, die hier allenfalls mit Praktika und Umschulungen abgespeist werden und wohl nie eine Arbeit finden, während ihre Kenntnisse und Leistungen in den Ursprungsländern (z.B. Kasachstan) dringend gebraucht würden. Ein großer Teil der über 40- bzw. 50jährigen findet ohnehin keine Arbeit und geht sofort in (meist komfortable) Rente. Viele rußlanddeutsche Jugendliche, die hier ebenfalls keine Arbeit finden und / oder sich kulturell nicht integrieren wollen, werden kriminell oder schließen sich radikalen Bewegungen an: keine berauschende Perspektive, doch Kohl beharrte unentwegt darauf, daß "das Tor weit offen" sei. Wie es sein Nachfolger mit dieser Frage hält, ist vorerst ungewiß.

Nach einer TV-Meldung vom Juli 1998 kostete die sog. Vereinigungs-Kriminalität den Staat runde 26 Milliarden DM. Es geht hier im wesentlichen um betrügerische Machenschaften unter "Treuhand"-Regie, die teilweise bis heute nicht aufgeklärt sind; die "erwirtschafteten" Unsummen lagern in unzugänglichen Geheimkonten.

Verschwendung von Steuergeldern: zu diesem mehr als skandalösen Tatbestand enthüllt im ARD-Frühstücks-TV vom 18.10.96 die Präsidentin des Bundesrechnungshofes, Hedda von WEDEL, daß allein in 90 ruchbar gewordenen Fällen dem Bund ein Schaden in Höhe eines "zweistelligen Milliardenbetrages" entstanden sei. Das sei "erst die Spitze des Eisberges". Näheres in Artikeln der WELT und der SZ vom 18.10.96; Dr. Karl-Heinz DÄKE, Präsident des Bundes der Steuerzahler, spricht in HÖR ZU 45/96, S. 10 gar von 70 Milliarden DM, die von öffentlichen Kassen Jahr für Jahr verpulvert würden. Doch es geht weiter, staatlicherseits hat man nichts gelernt. Die Verschwendung öffentlicher Mittel gilt in unserem politischen Selbstbedienungsladen offenbar weiter als Kavaliersdelikt und wird in nur ganz wenigen Fällen geahndet; hierzu letztens die WELT vom 28.4.98. Zu einem sog. Ersatz-Professor, der Chauffeur-Kompanie von Grünen-Ministerin Höhn und anderer NRW-Mißstände die WELT vom 3.6.98.
Molkerei ohne Kühe und 2 Millionen Kondome für Wolgograd - der deutsche Steuerzahler bringt's. Auch hinsichtlich der sog. Rußlanddeutschen wurde Geld verplempert; dazu die WELT vom 13.7.98.
Die Öffentliche Hand verschwendet weiterhin Steuer-Milliarden: über jüngste skandalöse Fällen informiert der WELT-Artikel vom 25.11.98, und zum Schildbürgerstreich einer "Fahrradbeauftragten" im komfortablen Bonn die WELT vom 12.3.99. Zur Geldverschwendung beim "Reichstags"-Umbau die WELT v. 12.4.99.

Eine vor allem Kündigungs- und Mieterschutz beeinträchtigende neue Vertragsfreiheit steht im Mittelpunkt restaurativer Bemühungen. Die SZ vom 16.1.97 schreibt dazu: Aufgabe des Gesetzgebers ist es nicht, möglichst schnell möglichst viel von dem auf den Mist zu werfen, was jahrzehntelang an Schutzregeln aufgeschrieben wurde. Seine Aufgabe ist eine sehr sorgfältige Inventur."

Kapitalistischer Hyper-Deal im Zeichen des Machtrauschs: der VW-Konzern, der schon längst keine "Volkswagen" mehr baut, verplempert die 1997 erwirtschafteten rund 1,3 Milliarden DM, um gegen den Widerstand vieler englischer Klein-Aktionäre die Nobel-Marke Rolls-Royce zu kaufen [-> Zeitungsmeldungen vom 5./6.6.98]; andererseits fehlt Geld, um die noch rund 200 lebenden ehemaligen Kriegs-Zwangsarbeiter des V1-Bauers zu entschädigen. "VW und [sein Aufsichtsratsmitglied] Schröder sollten sich schämen", kommentierte Klaus Bednarz im ARD-Fernsehen zu Recht.

Europäische Währungs-Union: Die seltsamen Bestrebungen um dieses Ziel beleuchtet die SZ vom 6.11.1996

Das weiter oben erwähnte Weihnachtsgeld, für viele Familien bitter nötige Finanzspritze und gleichermaßen belebende Medizin für das Festtagsgeschäft, ist möglicherweise ebenfalls zum Abschuß freigegeben. Das ARD-Frühstücksfernsehen bringt es schon am 26.11.96 an den Tag. Arbeitgeberseits denkt man nach über ein "vom Krankenstand abhängiges freies Floaten" des Weihnachtsgeldes "zwischen 50 und 65 Prozent". Begründet wird dies mit einer Wirtschaftslage, die sich u.a. in rund 29.000 Firmenpleiten des Jahres 1996 manifestiere. Weiteres in der WELT v. 27.11.96 und 17.11.97; andererseits wird, z.B. im ARD-Frühstücks-TV v. 17.11.97, noch immer so getan, als seien in diesem Lande die Portemonnaies wohlgefüllt, und den Großeltern nahegelegt, ihren Enkeln einen PC zum Fest zu schenken; "Ab 2000 DM" sei das akzeptabel; wenn aber "häufiger gespielt" werde, dann seien 3000 DM eher angebracht. Zur Not müsse "die Familie zusammenlegen". Daß "die Alten das meiste Geld" hätten, wird als dreiste Lüge ohnehin bereits seit längerem fleißig in den Medien kolportiert, und wer ebenso häufig wie unreflektiert fernsieht, der glaubt vielleicht noch immer, Deutschland sei das reichste Land der Welt. Die von Kanzler Kohl huldvoll begrüßte Gigantomanie (Leipziger Hauptbahnhof, Berliner Baustelle) paßt gut in dieses Konzept. Glaspaläste und Konsumtempel machen sich eben gut und verstellen ausgezeichnet den Blick auf das proportional zur Großmannssucht wachsende soziale Elend.

Ein Jahr und acht Monate nach Verkündung des unseligen Sparpakets und ganz im Zeichen der damals von mir befürchteten Weiterungen erklärt  Ärzte-Präsident Dr. VILMAR, eine optimale medizinische Versorgung für alle sei nicht bezahlbar. Dieser medizinische Offenbarungseid öffnet endgültig auch im Krankenkassenwesen den Weg zur Zwei-Klassen-Medizin (WELT 20.5.98).

Stand: 30.8.2005 (vorher: 29.6.99). Haben Sie vielen Dank für Ihr Interesse.