Hauptkennzeichen: 'gestürzte' Diphthonge und Rhotazismus (mhd.
uo > ou, -d- >
-r-; hd. Bruder > Brourer,
hatte > harre, geladen >
geloore, proore > braten,
wieder > wirrer, reiten
> reire); Ersatzdehnung (gewààt 'gewendet');
irn 'und' : die Schreibweise irn markiert einen mehr
oder weniger deutlich wahrnehmbaren, diphthongartigen Übergang zwischen
zwei /i/-Allophonen, der jedoch nicht in allen Ortsmundarten realisiert wird
(s. Probe 1).
Zur Schreibkonvention: /ei/ hat den Lautwert [ai]; /ë/ bezeichnet
ein silbisch abgesetztes Schwa, der Gravis eine
Vokalöffnung: /oò/ markiert einen diphthongartigen
Übergang vom geschlossenen zum offenen /o/.
Probe 1: Beltershausen bei Marburg/Lahn (Archiv DSA)
Wè ich noch jung woor, so um, ma sage, òchdnzwanzich bis -
finfundreißich, òchchdndreißich, do wor di
Gròòsmòschin genomme, wor saubrgemòòcht,
in die Rei gemòòcht, daß se hibsch kààts
wor, irn des Meh-Messer geschliffe, en das wor in de Ènziichmòschine
gemòòcht; en schiine Mòied sät der Vatter:- "Itz
wìrre mée", da koom ich mit. Na muißt ich mìm
Rèche de hinnrdrèn gìì, daß es
Gròòs nit offem Messer làie blìpp, ens verschdoppt
sich. Òòch ùmme sìwwe - wor bis zéé
gemoot, mìt zwii Goil. En da wùen di Goil mooi, wenn se so
drei Stùnde Mòschine gemoot hàrre. En da ging's heem.
Nò ja, de ìschte Tog ging's nòch, da wor nò nit
gewààt, hegstensde ùnnern wor das frìsche Maad
rimgewààt, mit de Holzrèche, mimm ganze Haushaalt, also,
nit di èltste Lòi, mir haat en Knàicht en zwù
Meere; wè ich aus der Schoo wor, nur noch ee, woor èch
Glééméét. Die Mùtter ging mett, de Vatter
ging mett, irn, mir trei jùngen Lòi dann. Do wors Groòs
mìm Rèche richtich rimgewéndt, es triggellt. En man's
paßt, wòr de Ohwet nòchemol gemood, wenns frisch woor,
do konnt mer nit de ganzen Tòg meeehe, da wor's Gròòs
tròcken, da moot sich'sje nit. Nò jà, en wann das richtich
im Làuwe woor, de wor de Mooied gemoot, bis trocken wor, en mànn's
tròcken wor, da wor rimgewààt, es ischte Tèèl,
da wor's zwèète Tèèl nimgewààt,
da wor's Gröne rimgewààt, in da woorsse
sommegemòòcht in gelòòre. Das wùen die
Lètternwahne, du wùin auch kee Stöcke droo, de wor frei,
uffge pàuscht, kee Gestèlle rundrim, bluis di Lèttern
oh desseire, aber kee Gestèlle vorn en hìnne. Na da heeß
uffgepaßt, daß krohdge lore wor, das Lore konnt nit jéder,
das muißte schu de Fàchlòi sei. En da wor der
Wìssbàum nùfgetoo, das wor sohe làànges
Holz, es war so lààk, bisje lànger weh, der Wàà.
Das wor vorn, mìt der Lein, riichtich festgemòòcht en
da worsch rùnnrgezooche en da war hinne de Làin drìwwer
hiigewòrfe, wor wìrrer festgezooche. En da wor hehmgefohre,
obbgelohre.
Probe 2: Märchen aus Ebsdorf (heute Ebsdorfergrund) bei Marburg
(a) Transkription W. Näser 1983
'S wor emol e Huingelche irn e Heeche, de ginge die Laak' Hack 'enuf, en do därr uf eemol das Huingelche kratze. Un do sääts: "Äi Heeche, was finn' eich da?" - "Äi woas da?" - "Äi e Gääwelche!" - "Ach werf 's weg, 's nutzt naut." Hat es awwer indestupft zusore hinner sei Fittelche.
Do ginge se wirr' e Schdickelche weirer, da kratzt 's wirrer. Da sääts: "Äi Heeche, was finn' eich da?" - "Äi woas da?" - "Äi e Läffelche!" - "Ach werft's weg. 's nutzt naut." Hat's wirr' hinner sei Fittelche gestopft.
Do hun se wirrer e Schdickelche weirer gegange, da hat 's wirrer gekratzt. Da hat 's wirrer gesäät: "Äi Heeche, was finn' eich da?" - "Äi woas da?" - "Äi e Messerche." - "Ach, werft's weg, 's nutzt naut."
D' is se wirrer e bißche weirer, do kratzt's wirrer. Do spricht's: "Äi Heeche, was finn' eich da?" Sää: "Woas da?" - "Äi e Kochdippche!" - "Aach werf weg, 's nutzt naut." Hat es wirrer hinner 'sch Fittelche gestopft.
Nu gie se noch e bißche weirer, da kratzt 's wirrer. Do spricht 's: "Was finn' ich da waai?" - "Äi woas da?" - "Äi waa finn' ich en Ois." - "Aach", hat 's Heeche gesäät, "siehste, härre mer eweil 'es Gääwelche nòòch irn 'es Messerche irn 'es Dippche, dann da kinnte mer der Ois proore." Irn da hat's es alles hinner sei 'm Fittelche 'rausgehoilt, irn da harre se de Ois geproore. Irn so wo'n mir aach debei irn harre mitgesse, so wo' mr äingeloore, irn wann se nit gestorwe sei, da läewe se haur noch.
(b) Wiedergabe von Annegret Neßwetha,
Ebsdorfergrund-Hachborn (mitgeteilt am 13.7.2000);
Quelle: Mittelhessisch des Marburger Landes (Volksmärchen aus dem Ebsdorfer
Grund; Fassung im Buch "Hessen - Märchenland der Brüder Grimm",
hg. v. Ch. Oberfeld und A.C. Bimmer, Kassel; nacherzählt von A.
Neßwetha)
'S woar emool e Hoingilche ean e Hehche, däi ginge de laag Haick nof spazien. Wäi se e Schteckilche gegange won, do fing des Hoingilche o ze kratze. Do seats wirrersch Hehche: "Ai, Hehche, guck mol woas aich gefonne hu!" Do seat's Hehche: Ai, woas da?" - "Ai, e Measserche!" Do seat's Hehche: "Werf's weg, 's notzt naut." Des Hoingilche stoapts oawer inner sei Fettchilche.
Do ginge se weirer, ean do fing des Hoingilche wirrer o ze kratze, ean do seat's wirrer: "Ai, Hehche, guck mol woas aich häij gefonne hu!" - "Ai, woas da?" - "Ai, e Gäwilche!" Do seat's Hehche wirrer: "Werf's weg, 's notzt naut!" Des Hoingilche stoapt's oawer inner sei Fettilche.
Do ginge se wirre e Schteckilche weirer ean do kratzt's wirrer, ean do seat's: "Ai, Hehche, häij hu aich schud wirre woas gefonne." - "Ai, woas da?" - "Ai, e Läffilche!" Do seat's Hehche wirrer: "Werf's weg, 's notzt naut!" Des Hoingilche stoapt's oawer inner sei Fettilche.
Ean do ginge se e beßche weirer. Do kratzt's Hoingilche wirre, ean do seat's: "Ai, Hehche, häij leid schud wirre woas!" - "Ai, woas da?" - "Ai, e Kochdeppche!" Do seat's Hehche wirrer: "Werf's weg, 's notzt naut!"
Nu gie se noch e beßche weirer ean do kratzt's Hoingilche wirre ean do fand's wirre woas. Ean do seat's zoum Hehche: "Ai, Hehche, woas feannen ich awail?" - "Ai, woas da?" Awail hu ich e Oiss'che gefonne. Ean do seat's Hehche: "Ach härre mer doach etzt ois Measserche ean Gäwilche ean Läffilche ean ois Kochdeppche noach, da kennt mer de Oiss geschloachte ean geproore.
Do hoilt des Hoingilche alles inner seim Fettilche raus ean do hu se de Oiss geschloacht, geproore ean gegeasse.
Ean wann se nit gestoarwe sei, da leawe se hau noch.
Probe 3: Wenker-Sätze und Zahlen, eingesandt von Rita
Mattern (26.8.2008, via
WKW; "bei ihs deheem:
die Lebbe Ridda")
Zahlen von 1 21
eens, zwää, drei, väier, fünf, sechs, siwwe, oacht, noi,
zehe;
eälf, zwölf, dreizehe, virzehe, foffzehe, sechzehe, siebzehe,
oachtzehe, noizehe, zwanzich;
eenenzwanzich
Herzlichen Dank für diesen wertvollen Beitrag!
Probe 4: Der Maimann
(aus
Dietzhölztal,
am 30.5.2010 von Patricia Schmidt via WKW)
Mir ho en hebsche Maijemann,
der weijre naut, weij speise kann.
Speck un Ahjer un Worscht,
dos girr en saure Dorscht.
In diesem Haus, in jenem Haus
Speck und Ahjer raus,
Speck un Ahjer raus.
Mir schlo dem Guggel de Schwanz raus, ganz aus.
Jakob holl en Taler raus...
Wir haben einen hübschen Maimann,
der weiter nichts wie speisen kann.
Speck und Eier und Wurst,
das gibt einen sauren Durst.
In diesem Haus, in jenem Haus
Speck und Eier raus, Speck und Eier raus.
Wir hauen dem Gockel den Schwanz raus, ganz aus.
Jakob hol einen Taler raus.
Hierzu ergänzt Patricia Schmidt aus der Wikipedia:
"Der Maimann ist eine mindestens bis in die Mitte des 19. Jahrhundert belegte Traditionsfigur. Besonders im nördlichen Teil des mittelhessischen Lahn-Dill-Kreises (Ortsteile Dietzhölztals und Stadtteile Haigers) wird diese Tradition an Pfingsten noch gepflegt. Getragen wurde dieses Brauchtum ursprünglich von den männlichen Schulabgängern eines Jahrganges, die den Rundgang und die Feierlichkeiten organisierten. Heutzutage wird der Rundgang und die anschließenden Feierlichkeiten fast ausschließlich durch Vereine organisiert. Lediglich in Rittershausen hat die alte Tradition noch bestand. In Langenbach im Taunus tritt der "Laubmann" auf, im Bayerischen Wald der "Pfingstl".[1]
Termin: Der laubgeschmückte Maimann soll den Sieg des Sommers über den Winter zeigen. Da aber Anfang April noch nicht genügend Buchenlaub zur Verfügung steht, wird dieses Brauchtum im späten Mai gefeiert. Der Maimann ist jedes Jahr zu Pfingsten in den Dörfern anzutreffen. Je nach dörflicher Tradition entweder am Pfingstsonntag oder Pfingstmontag.
Ritus: Vor der eigentlichen Maimann-Wanderung durch das Dorf müssen die Jugendlichen zunächst einige Vorbereitungen treffen: Das Laub (Buchenlaub oder Maaj) wird aus den Wäldern zu einer Scheune transportiert, in der der Maimann eingekleidet wird. Früher mussten zusätzlich noch Birkenreisern (Wehen) gesammelt werden, um das Laub an dem Träger befestigen zu können. Heutzutage wird in vielen - aber nicht allen - Orten allerdings Bindedraht benutzt. In einer knapp zwei Stunden dauernden Prozedur wird der Maimann, von den Füßen beginnend, in das Laub eingebunden. Niemand darf wissen, wer sich unter dem Laubkleid versteckt, so dass das Laub sehr dicht und sehr fest befestigt werden muss. Zusätzlich wird der Kopf des Maimannes von Dorf zu Dorf unterschiedlich dekoriert. Nach dem Einkleiden marschiert der Maimann unter Begleitung aller Dorf-Jugendlichen durch das Dorf und sammelt von den Dorfbewohnern seinen Tribut ein. Dabei Singen alle Begleiter das Maischelied, in dem sie für den Maimann Wurst, Eier und Speck verlangen. Im Anschluss an diese Wanderung wird aus den gesammelten Zutaten ein Eierkuchen gebacken, der von allen Beteiligten verspeist wird.
Pfingstbraut: In Rittershausen lebt noch die Tradition der Pfingstbraut, die parallel zum Maimann durchgeführt wird. So wie dort der Maimann von den Jungen des Konfirmanden-Jahrganges (früher die Schulabgänger) organisiert wird, organisieren dort die Mädchen desselben Jahrgangs am Pfingstmontag die Pfingstbraut. Die Mädchen des 8. Schuljahrganges versuchen am Pfingstmontag dem Maimann und damit den Jungs, Konkurrenz zu machen. Pfingstbräute werden drei Mädchen des ersten Schuljahres. Sie werden morgens von erfahrenen Frauen (ursprünglich war das die Handarbeitslehrerin der Schule) mit einem schönen Haarschmuck gekrönt. Dieser Haarschmuck besteht aus einem Blumenkranz, der mit bunten, langen Bändern versehen ist. So schön geschmückt gehen sie, zusammen mit den Mädchen bis zum 8. Schuljahr, durch das Dorf. Sie gehen von Haus zu Haus, sagen verschiedene alte Sprüche auf und sammeln - ebenso wie die Jungen mit dem Maimann - Eier, Speck und Mehl und verzehren dann mittags beziehungsweise nachmittags mit Eltern, Freunden und Bekannten auch ihre Eierkuchen. Wenn sich unterwegs Maimann und Pfingstbraut treffen, kommt es zu einem Streitgespräch, bei dem jede Seite versucht, die andere durch Schimpfworte herabzuwürdigen.
Maimann 2.
Bedeutung: Durch diesen Brauch soll die Vertreibung des Winters aus den
Dörfern und der Sieg des Sommers gefeiert werden. Dabei kam es in der
Tradition zu einigen Änderungen. In der dämonenhaften Gestalt des
Maimannes wird wohl der Winter dargestellt. Ursprünglich wurde der Maimann
in Stroh eingebunden, was früher ein Zeichen des Winters war. Zunächst
nur als Verzierung wurden grüne Zweige eingeflochten, die dann später
dominierten. Dennoch hat sich die gelbe Farbe mit dem Ginster und
Sumpfdotterblumen gehalten. Erst nach Entrichtung des Tributes des Dorfes
in Form von Wurst, Eier und Speck lässt sich der Maimann von der
Pfingstbraut vertreiben. Gerade letzterer Tradition wird in einigen Dörfern
nicht mehr gefolgt, was dadurch erklärt werden könnte, dass die
Jungen mehr Unterstützung fanden als die Mädchen.
Referenzen
[1] http:/ / www. pfingstseiten. de/ brauchtum/ pfingstl/ home. html.
[2] http:/ / www. maimann. net
[3] http:/ / www. archiv. dill. de/ 1999/ mai99/ 20/ dz/ Zeile/ maimann.
htm
Wird ergänzt; HTML: (c) W. Näser 08/96 ff. * Stand: 30.5.2010