Münchner Erklärung zur Rechtschreibreform

Die Rechtschreibreform ist "überflüssig wie ein Kropf" (so Bundespräsident Herzog), milliardenteuer, inhaltlich mißlungen und total unpädagogisch. Deshalb rufen wir hiermit die in Bayern stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürger zu einem Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform auf - mit der Möglichkeit, sich in eine Unterschriftenliste einzutragen.

Seit dem l. Juli 1996, seit die "zwischenstaatliche Absichtserklärung" (ohne völkerrechtliche Bedeutung, da kein Vertrag) unterzeichnet wurde, ist Bayern zu einem Vorreiter der Rechtschreibreform geworden. Der Widerstand gegen diese uns alle betreffende Reform entstand auch deshalb in Bayern. Öffentlich wurde er jedoch auf der Frankfurter Buchmesse.

Die nicht beachteten Unterzeichner der Frankfurter Erklärung

Die Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform wurde seit Anfang Oktober von weit über 40 000 Bürgerinnen und Bürgern aus allen Teilen der Bevölkerung unterzeichnet, von Arbeitern, Rentnern, Hausfrauen, Schülern, von Sekretärinnen, von ausländischen Mitbürgern, von Ärzten und Rechtsanwälten, von Professoren und Künstlern. Doch wurde bisher fast nur von den Autoren gesprochen, von Günter Grass, Siegfried Lenz oder Martin Walser. . Warum war nie von den anderen die Rede, von den Germanisten wie Reinhard Baumgart, Dieter Borchmeyer, Friedhelm Kemp, Walter Müller,Seidel, Peter Horst Neumann, Werner Ross, Albert v. Schirnding, Albrecht Schöne, Harald Weinrich oder Reinhard Wittmann? Warum würde der Protest von Alfred Brendel, Dietrich Fischer-Dieskau, Abt Odilo Lechner und Weihbischof Max Zieglbauer, der Juristen Rolf Gröschner, Peter Lerche und Klaus Vogel, von Hildegard Hamm-Brücher, Joachim Kaiser, Siegfried Unseld oder Roger Willemsen überhört? Übergangen wurde auch der Protest der Leiter wichtiger Institutionen und Vereinigungen, die als Privatleute unterschrieben haben, wie Prof. Eberhard Dünninger, Generaldirektor der Bayerischen Staatlichen Bibliotheken, Wolfgang Frühwald, Präsident der DFG, Prof. Horst Fuhrmann, Präsident der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Prof. Hilmar Hoffmann, Präsident des Goethe-Instituts, Prof Christian Meier, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Dr. Gerhard Ruiss, Vors. der IG Autoren Österreichs, Christa Spangenberg, Präsidentin der Internationalen Jugendbibliothek, Prof. Johano Strasser, Generalsekretär des westdeutschen PEN-Clubs, Dr. Christoph Wild, Vorsitzender des Verbandes der Bayerischen Verlage und Buchhandlungen, oder Professor Wieland Schmied, Präsident der Akademie der Schönen Künste.

Wem verdanken wir diese Reform?

Zum Vergleich seien hier die Namen aller deutschen Teilnehmer an denn 3. Wiener Gesprächen im November 1994 genannt, bei denen die Rechtschreibreform endgültig angenommen wurde: Ministerialdirigent Franz Niehl, Ministerialrat Dr. Stefan Krimm, Ministerialrätin Helene Lipowsky, Regierungsschuldirektor Ulrich Lübke, Referatsleiterin Dr. Jutta Thiemann, Oberstudienrat Dr. Tobias Funk, Ministerialrätin, Dr. Monika Palmen-Schrübbers, Verwaltungsangestellte M. Pella, Ministerialrat Dr. Hans Herbert Wilhelmi, Legationssekretär J. Kantorczyk, "sowie mit beratender Stimme": Prof Gerhard Augst, Prof. Günther Drosdowski, Dr. Klaus Heller, Prof. Horst H. Munske, Prof. Dieter Nerius, Prof. Burkhard Schaeder und Prof. Hermann Zabel.

Verteidiger der Reform von Augst bis Zabel

Die wichtigsten Verteidiger der Reform sind heute: Prof. Gerhard Augst, Kommissionsmitglied, Mitverfasser der "Informationen zur neuen deutschen Rechtschreibung" (erschienen Ende 1994 im Duden-Verlag); Dr. Peter Gallmann und Prof. Horst Sitta, Mitglieder der Kommission, Verfasser der Duden- Broschüre sowie eines Buchs über die Neuschreibung; Dr. Klaus Heller vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim, Kommissionsmitglied, Verfasser einer Broschüre und zweier Bücher über die Neuschreibung sowie des "Geleitworts" zum Bertelsmann-Rechtschreiblexikon; Prof Hermann Zabel, Komissionsmitglied und Autor eines Übungsbuches zum Thema. Auch Prof. Lutz Götze gehört zu den Verteidigern der Reform. Vor einiger Zeit verhöhnte er in einem Leserbrief die "Dichterschar", die "aus dem Tiefschlaf erwacht" sei. Kaum ein Leser ahnte, daß Götze der Bearbeiter des Bertelsmann- Rechtschreiblexikons ist (bisherige Auflage: 1,5 Millionen), mit dem der zweitgrößte Verlag der Welt (ca. 20 Milliarden Jahresumsatz) dem Duden Konkurrenz machen möchte. Kein Wunder, daß die Stuttgarter Zeitung am 23.11. in der Überschrift zu einer Pressekonferenz von Bertelsmann schrieb: "Gutes Geschäft durch Rechtschreibreform erhofft".

15 verpaßte Gelegenheiten, die Rechtschreibreform zurückzunehmen

Seit die Reformkommission tagte, wurden ihre Vorschläge immer wieder kritisiert. Es gab l. zahllose Leserbriefe, 2. Eingaben an die Kultusministerien und 3. heftige Kritik auf der Anhörung in Bad Godesberg im Mai 1993: von den wissenschaftlichen Akademien, vom Germanistenverband und von den Sprachwissenschaftlern. 4. veröffentlichten Fachleute wie Prof. Munske und Prof. Eisenberg vernichtende Kritiken der Reform in Fachzeitschriften, 5. lag den Kultusminister schon im Sommer 1995 die preisgekrönte Dissertation "Rechtschreibreform und Verfassungsrecht" vor, in der Wolfgang Kopke mit guten Argumenten die Verfassungsmäßigkeit der Rechtschreibreform bezweifelt, und 6. versuchten einige Politiker, die Reform noch aufzuhalten. Nichts half. Sie wurde am l. Juli 96 unterzeichnet und sollte dann, so hieß es, ganz allmählich eingeführt werden. Doch plötzlich hatten es die Reformer sehr eilig. Denn als wenige Wochen nach der probeweisen Einführung der Reform an den Schulen einiger Bundesländer Protest laut wurde, hieß es: Jetzt ist es zu spät. Mit dieser kühnen Behauptung hoffte man der Frage zu entgehen, ob der Protest berechtig war. Denn wenn ein Protest berechtigt ist, muß er zu jeder Zeit berücksichtigt werden. Denn es ist nie zu spät, das Richtige zu tun. Auch das weitere war vergeblich: 7. der Protest der Schriftsteller und der Wissenschaftler, der einmütige Protest der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, 9. die Titelgeschichte im "Spiegel" vom 14.10. ("Schwachsinn Rechtschreibreform"), 10. die mehr als 25 000 Unterschriften für die Frankfurter Erklärung innerhalb von vier Tagen, die der in Dresden tagenden KMK mitgeteilt wurden, 11. die Einreichung von Klagen bei Verwaltungsgerichten, 12. die zahlreichen Umfragen (mit 75 bis 94 Prozent Ablehnung), 13. die wiederum zahllosen Leserbriefe. 14 die neuerlichen Protestbriefe an die Kultusminister, schließlich 15. das Votum des Bundespräsidenten, der sich am 22. November von der Rechtschreibreform distanzierte: - Nichts konnte die Kultusminister dazu bringen, einen Weg aus der Sackgasse zu suchen, in der wir alle uns befinden. Also bleibt uns jetzt als letzte Möglichkeit dieses Volksbegehren!

Sechs Argumente gegen die Rechtschreibreform

l. Die Rechtschreibreform ist absolut überflüssig: Sie ist überflüssig für alle, die schon schreiben gelernt haben, also für uns alle, die wir nichts davon haben als Verwirrung, Mühe und Kosten, wenn wir umlernen müssen. Sie ist aber auch für die Kinder überflüssig, weil sie keine der zentralen Schwierigkeiten der deutschen Orthographie behebt. Die Doppel-s-Regelung z.B. ändert nichts an der Schwierigkeit, "das" und "daß" (bzw. "dass") zu unterscheiden, Besonders eklatant ist die Überflüssigkeit bei den neuen Trennregeln. Denn kein Schüler trennt ein Wort, wenn er Zweifel hat. Die meisten aber schreiben am Computer und haben ein Trennprogramm. Wozu also die Änderungen? Sicher ist nur, daß allein durch die neuen Trennregeln alle Schreibprogramme auf einen Schlag entwertet sind und Updates gekauft werden müssen.

2. Die Schreibreform ist milliardenteuer. Diese sinnlose Anschaffung von Updates für 10 Millionen Computer in Deutschland kostet Hunderte von Millionen DM. Die Schulbuchverlage rechnen, mit 300 Millionen DM für Umstellungskosten. Sie haben schon jetzt Bücher in der bisherigen Schreibung, die keine Schule mehr kaufen will, für 25 bis 40 Millionen DM ausgesondert, d.h. einstampfen lassen. Wer zahlt das alles? Wer finanziert die Steuerausfälle in Millionenhöhe, wenn Verlage weniger oder gar keine Gewinne mehr machen, weil sie umstellen müssen? Wer bezahlt die Umstellung aller Formulare in den Behörden, wer ersetzt uns die Millionen sinnloser Arbeitsstunden, wenn wir uns mit der Neuschreibung beschäftigen müssen, um die bisherige, die wir mehr oder weniger beherrschen, zu verlernen? Wenn die Politiker wollen, können sie diese "Reform" sofort stoppen. Wenn dadurch sinnlose Ausgaben verhindert werden, müssen sie es tun.

3. Die Neuschreibung ist wissenschaftlich unhaltbar: Sie enthält zahlreiche Verstöße gegen die Sprachlogik. Professor Eisenberg z.B. urteilte im März 1995: "Es ist die schlechteste überhaupt denkbare Lösung" (zur ss-Regelung), "Der Schematismus der Reform geht an den sprachlichen Gegebenheiten vorbei" (zur Getrenntschreibung) etc. Wie miserabel die Neuregelung ist, zeigt sich erst, seit Bertelsmann und Duden versucht haben, sie in Wörterbüchern umzusetzen. Von den etwa 10 000 Unterschieden seien hier nur sieben genannt: "wohlbekannt", "wohlgemeint", "wohltemperiert" und "wohlverwahrt" werden laut Bertelsmann zusammen, laut Duden auseinander geschrieben, bei "wohlgetan", "wohltuend" und "wohlunterrichtet" ist es umgekehrt. Wer soll sich da auskennen?

4. Die Neuschreibung ist ein Angriff auf die deutsche Sprache und Literatur. Wer verlangt, daß in Zukunft Wörter wie dasein, fertigstellen, heiligsprechen, liebhaben, nahelegen, sitzenlassen, frischgebacken, nichtssagend, notleidend usw. nicht mehr zusammengeschrieben werden dürfen, der elimiert Wörter aus dem deutschen Wortschatz und vermindert so die Ausdrucksmöglichkeiten unserer Sprache. Niemand hat ein Recht zu solchen Eingriffen.

5. Sie ist total unpädagogisch: Sie verlangt von den Schülern in vielen Fällen das Gegenteil von dem, was ihnen bisher gesagt wurde. Sie drängt viele Schüler ab sofort, sich einer Regelung zu unterwerfen, die erst ab 1998 in Kraft treten und erst ab 2005, aber nur in Schulen, falsch sein soll. Sie schlägt Regelungen vor, die wir alle bis an unser Lebensende in nahezu allen Büchern daheim und in Bibliotheken ganz anders lesen werden. Am schlimmsten ist es jedoch, daß die Schüler etwas lernen müssen, von dem es immer wieder heißt, daß die Erwachsenen sich nicht daran halten müssen. Seit wann erzieht die Schule zu etwas, was im Leben nicht anerkannt wird? Wenn den Schriftstellern offiziell empfohlen wird, sie sollten weiter so schreiben wie bisher, wenn sogar der Bundespräsident davor warnt, die Neuregelung als Reform zu bezeichnen, und erklärt, er werde sich nicht an die Neuschreibung halten, was sollen die Schüler dazu sagen? Sie müssen täglich in den sauren Apfel. beißen, der von anderen verschmäht wird. Das ist das Ende jeder vernünftigen Pädagogik.

6. Sie ist undemokratisch durchgesetzt worden: "Ein Musterbeispiel dafür, daß die Parlamente ihre Möglichkeiten nicht nutzen, ist die verpaßte Chance, die Rechtschreibreform zu verhindern ... Hier sind die Parlamente von den Kultusministern Vergewaltigt worden. In meinen Augen darf so etwas nie mehr passieren, oder wir können die Kulturhoheit der Länder zu Grabe tragen" (Horst Milde, SPD, Landtagspräsident in Niedersachsen, Nordwestzeitung, 1.11.96).

Bitte um finanzielle Unterstützung unserer Initiative

Am 19.11. wurde in Weilheim die Initiative "WIR gegen die Rechtschreibreform" gegründet, deren Ziel es ist, mit Anzeigen über die Rechtschreibreform zu informieren und zu einem Volksbegehren aufzurufen. Gründungsmitglieder waren Wolfgang Balk vom dtv, Hans Krieger von der Bayerischen Staatszeitung, die Germanisten Eberhard Dänninger, Theodor Ickler und Hans Pörnbacher sowie der Schriftsteller Herbert Rosendorfer. Die Initiative wurde schon am selben Tag u.a, von Hans Magnus Enzensberger, Reiner Kunze, Hermann Lenz, Loriot, Otfried Preußler und Albert von Schirnding unterstützt. Wir konnten zwar in einer Woche 10 000 DM für die Veröffentlichung der Münchner Erkläung sammeln. Aber das reicht bei weitem nicht. Bitte unterstützen Sie uns unser gemeinsames Bemühen um unsere Sprache mit 20 Mark! Wenn nach dem erhofften Erfolg unserer Initiative Geld übrigbleibt, geben wir es an die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung weiter, die in Fragen der Rechtschreibung die letzte Instanz sein sollte.

Initiative WIR gegen die Rechtschreibreform:
Thomas Jaworek, Deutsche Bank Weilheim,
Kto.9920406, BLZ: 700 700 10.

Rechtlich ist der "Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens WIR gegen die Rechtschreibreform" einwandfrei.
Senden Sie Ihre Unterschriften gegen die neue Rechtschreibereform an:

WIR gegen die Rechtschreibreform
Postfach
82362 Weilheim i. O.B.

Verantwortlich für den Inhalt:
WIR gegen die Rechtschreibreform
Postfach 82362 Weilheim i. OB.

Links
Institut für deutsche Sprache (pro)
Duden-Redaktion (pro)
Alles zur Rechtschreibreform (Infos)
Institut für deutsche Sprache
Vorschlag zur Vereinfachung der deutschen Rechtschreibung
Infos über die neue deutsche Rechtschreibung
Institut für deutsche Sprache
Bertelsmann Lexikon Verlag