Deutsch im 20. Jahrhundert * Dr. Wolfgang Näser * Mi 16-18, HS 110 Biegenstraße 14 * Beginn 10.4.2002
Remarque, Erich Maria (1898-1970): Aus Im Westen nichts Neues (1928)
VORBEMERKUNG: Remarque wurde am 22.06.1898 als Erich Paul
Remark in Osnabrück geboren; seine Vorfahren stammten aus dem
dt.-Franz. Grenzgebiet. Schüler des Katholischen Königlichen
Lehrer-Seminars, wird R. im Nov. 1916 zum Kriegsdienst einberufen, kommt
im Juni 1917 an die Westfront und Ende Juli schwer verwundet. Nach der Genesung
Ende Okt. 1918 in Duisburg erste schriftstellerische Versuche. 1919 Prüfung
zum kath. Volksschullehrer, danach Vertretungsunterricht in Lohne/Lingen
u.a. Tätigkeiten. 1920 erster Roman Die Traumbude; weiter u.a.:
1928/29 Im Westen nichts Neues (verfilmt 1930); 1937/38 Drei
Kameraden; 1941 Liebe deinen Nächsten, 1946 Arc de
Triomphe; 1952 Der Funke Leben; 1954 Zeit zu leben, Zeit zu
sterben; 1956 Schauspiel Die letzte Station u.d. Roman Der
schwarze Obelisk, 1959/61 Der Himmel kennt keine
Günstlinge; 1963 Die Nacht von Lissabon; 1971 [posthum]
Schatten im Paradies.
1938 ausgebürgert, emigriert R. 1939 in die USA, lebt nach 1945 auch
in der Schweiz. 1947 amerik. Staatsbürger. 1943 wird seine Schwester
Elfriede Scholz (wegen "Wehrkraftzersetzung") hingerichtet.
Auszeichnungen: 1918 (mil.) Ehrenkreuz 1. Klasse; 1964
Justus-Möser-Medaille der Stadt Osnabrück; 1967 Großes
Bundesverdienstkreuz, 1968 korrespondierendes Mitglied der Deutschen Akademie
für Sprache und Dichtung (Darmstadt). R. stirbt am 29.9.1970 in
Locarno.
Das - laut Umschlagtext - berühmteste Antikriegsbuch
gehörte 1933 zu den verbrannten Werken, deren Autoren eine traurige
Ehrenliste bilden. Hier zeigt der Krieg sein wahres, schmutziges,
häßliches Gesicht, ganz ohne Würde, ohne Trinksprüche,
ohne das Après-Guerre der
Richthofenschen Herrenflieger.
"Ich möcht' als Reiter fliegen / Wohl in die blut'ge Schlacht, / Um
stille Feuer liegen / Im Feld bei dunkler Nacht" heißt es in Strophe
4 von Eichendorffs Volkslied
"In einem
kühlen Grunde". Im
Ersten
Weltkrieg wird diese Romantik ad absurdum geführt. In
schmutzigen, nassen Schützengräben werden Millionen von Menschen
abgeschlachtet, die gar nicht wissen, warum, sieht der Landser das Weiße
im vor Angst und Entsetzen verzerrten Auge seines zum Feind abqualifizierten
Gegenübers, bevor er ihm das Bajonett in den Leib rennt. Sinnloses Gemetzel
unter jungen Menschen, die mit so viel Liebe, Entbehrungen, Opfern aufgezogen
wurden, mit allerschönsten Hoffnungen, und nun wird gestorben, für
ein sogenanntes Vaterland, wird kostbares Leben vernichtet, für Kaiser
und Präsidenten, für goldbetreßte Generäle, für
Ordensverleihungen, für die Ruhmeshallen des "Vaters aller Dinge".
Remarque zeichnet den Krieg als höllische Apokalypse, als
Orgasmus des Grauens. Krieg und Gewalt, so seine Botschaft, dürfen
nie, unter keinen Umständen mehr, glorifiziert und damit zum Vorbild
menschlichen Handelns werden. Den Krieg verabscheuen heißt: lernen,
ihn ungeschminkt zu sehen, allem Pathos abzuschwören - folglich
(das sage ich auch nach Erfurt 26.4.2002) dürfen uns derartige
Schilderungen nicht erspart bleiben. Als zeitloses Mahnmal in
diesem Sinne und als Warnung an alle, die die nächsten Kriege planen
und / oder an ihnen verdienen, erleben wir den Krieg in den folgenden
Auszügen. Die Seitenzahlen in [] beziehen sich auf die
Ullstein-Ausgabe von 1975. W.N.
[84] Wir laufen zurück, reißen spanische Reiter in den Graben und lassen abgezogene Handgranaten hinter uns fallen, die uns einen feurigen Rückzug sichern. Von der nächsten Stellung aus feuern die Maschinengewehre. Aus uns sind gefährliche Tiere geworden. Wir kämpen nicht, wir verteidigen uns vor der Vernichtung. Wir schleudern [85] die Granaten nicht gegen Menschen, was wissen wir im Augenblick davon, dort hetzt mit Händen und Helmen der Tod hinter uns her [...]. Das Krachen der Handgranaten schießt kraftvoll in unsere Arme, in unsere Beine, geduckt wie Katzen laufen wir, überschwemmt von dieser Welle, die uns trägt, die uns grausam macht, zu Wegelagerern, zu Mördern, zu Teufeln meinetwegen macht, dieser Welle, die unsere Kraft vervielfältigt in Angst und Wut und Lebensgier, die uns Rettung sucht und erkämpft. Käme dein Vater mit denen drüben, du würdest nicht zaudern, ihm eine Granate gegen die Brust zu werfen! [...]
Es wird Mittag. Die Sonne brennt heiß, uns beißt der Schweiß
in die Augen, wir wischen ihn mit dem Ärmel weg, manchmal ist Blut dabei.
Der erste etwas besser erhaltene Graben taucht auf. Er ist besetzt und
vorbereitet zum Gegenstoß, er nimmt uns auf. Unsere Artillerie setzt
mächtig ein und riegelt den Vorstoß ab.
Die Linien hinter uns stocken. Sie können nicht vorwärts. Der Angriff
wird zerfetzt durch unsere Artillerie. Wir lauern. Das Feuer springt hundert
Meter weiter, und wir brechen wieder vor. Neben mir wird einem Gefreiten
der Kopf abgerissen. [86] Er läuft noch einige Schritte, während
das Blut ihm wie ein Springbrunnen aus dem Halse schießt.
Es kommt nicht ganz zum Handgemenge, die anderen müssen zurück.
Wir erreichen unsere Grabenstücke wieder. [...]
Wir haben alles Gefühl füreinander verloren, wir kennen
uns kaum noch, wenn das Bild des andern in unseren gejagten Blick fällt.
Wir sind gefühllose Tote, die durch einen Trick, einen
gefährlichen Zauber noch laufen und töten können.
Ein junger Franzose bleibt zurück, er wird erreicht, hebt die Hände,
in einer hat er noch den Revolver - man weiß nicht, will er schießen
oder sich ergeben -; ein Spatenschlag spaltet ihm das Gesicht. Ein zweiter
sieht es und versucht, weiterzuflüchten; ein Bajonett zischt ihm in
den Rücken. Er springt hoch, und die Arme ausgebreitet, den Mund schreiend
weit offen, taumelt er davon, in seinem Rücken schwankt das Bajonett.
Ein dritter wirft das Gewehr weg, kauert sich nieder, die Hände vor
den Augen. Er bleibt zurück mit einigen anderen Gefangenen, um Verwundete
fortzutragen.
[87] Plötzlich geraten wir in der Verfolgung an die feindlichen
Stellungen.
Wir sind so dicht hinter den weichenden Gegnern, daß es uns gelingt,
fast gleichzeitig mit ihnen anzulangen. Dadurch haben wir wenig Verluste.
Ein Maschinengewehr kläfft, wird aber durch eine Handgranate erledigt.
Immerhin haben die paar Sekunden für fünf Bauchschüsse bei
uns ausgereicht. Kat schlägt einem der unverwundet gebliebenen
Maschinengewehrschützen mit dem Kolben das Gesicht zu Brei. Die andern
erstechen wir, ehe sie ihre Handgranaten heraus haben. Dann saufen wir durstig
das Kühlwasser aus.
Überall knacken Drahtzangen, poltern Bretter über die Verhaue,
springen wir durch die schmalen Zugänge in die Gräben. Haie
stößt einem riesigen Franzosen seinen Spaten in den Hals und wirft
die erste Handgranate; wir ducken uns einige Sekunden hinter einer Brustwehr,
dann ist das gerade Stück des Grabens vor uns leer. Schräg über
die Ecke zischt der nächste Wurf und schafft freie Bahn, im Vorbeilaufen
fliegen geballte Ladungen in die Unterstände, die Erde ruckt, es kracht,
dampft und stöhnt, wir stolpern über glitschige Fleischfetzen,
über weiche Körper, ich falle in einen zerrissenen Bauch, auf dem
ein neues, sauberes Offizierskäppi liegt. [...]
[91] Meine Hände werden kalt, und meine Haut schauert; dabei
ist es eine warme Nacht. Nur der Nebel ist kühl, dieser unheimliche
Nebel, der die Toten vor uns beschleicht und ihnen das letzte, verkrochene
Leben aussaugt. Morgen werden sie bleich und grün sein und ihr Blut
gestockt und schwarz.
Immer noch steigen die Leuchtschirme empor und werfen ihr erbarmungsloses
Licht über die versteinerte Landschaft, die voll Krater und Lichtkälte
ist wie ein Mond. Das Blut unter meiner Haut bringt Furcht und Unruhe herauf
in meine Gedanken. Sie werden schwach und zittern, sie wollen Wärme
und Leben. Sie können es nicht aushalten ohne Trost und Täuschung,
sie verwirren sich vor dem nackten Bilde der Verzweiflung. [...]
[95] Obschon wir notwendig Verstärkung brauchen, haben wir fast
mehr Arbeit mit den Rekruten, als daß sie uns nützen. Sie sind
hilflos in diesem schweren Angriffsgebiet und fallen wie die Fliegen. [...]
[96] Die blassen Steckrübengesichter, die armselig gekrallten Hände,
die jammervolle Tapferkeit dieser armen Hunde, die trotzdem vorgehen und
angreifen, dieser braven, armen Hunde, die so verschüchtert sind, daß
sie nicht laut zu schreien wagen und mit zerrissenen Brüsten und
Bäuchen und Armen und Beinen leise nach ihrer Mutter wimmern und gleich
aufhören, wenn man sie ansieht! Ihre toten, flaumigen, spitzen Gesichter
haben die entsetzliche Ausdruckslosigkeit gestorbener Kinder.
Es sitzt einem in der Kehle, wenn man sie ansieht, wie sie aufspringen und
laufen und fallen. Man möchte sie verprügeln, weil sie so dumm
sind, und sie auf die Arme nehmen und wegbringen von hier, wo sie nichts
zu suchen haben. Sie tragen ihre grauen Röcke und Hosen und Stiefel,
aber den meisten ist die Uniform zu weit, sie schlottert um die Glieder,
die Schultern sind zu schmal, die Körper sind zu gering; es gab keine
Uniformen, die für dieses Kindermaß eingerichtet waren.
Auf einen alten Mann fallen fünf bis zehn Rekruten.
Ein überraschender Gasangriff rafft viele weg. Sie sind nicht dazu gelangt,
zu ahnen, was ihrer wartete. Einen Unterstand voll finden wir mit blauen
Köpfen und schwarzen Lippen. In einem Trichter haben sie die Masken
zu früh losgemacht. Sie wußten nicht, daß sich das Gas auf
dem Grunde [97] am längsten hält; als sie andere ohne Maske sahen,
rissen sie sie auch ab und schluckten noch genug, um sich die Lungen zu
verbrennen. Ihr Zustand ist hoffnungslos, sie würgen sich mit
Blutstürzen und Erstickungsanfällen zu Tode. [...]
[98] Trommelfeuer, Sperrfeuer, Gardinenfeuer, Minen, Gas, Tanks,
Maschinengewehre, Handgranaten - Worte, Worte, aber sie umfassen das Grauen
der Welt. Unsere Gesichter sind verkrustet, unser Denken ist
verwüstet, wir sind todmüde; - wenn der Angriff kommt, müssen
manche mit den Fäusten geschlagen werden, damit sie erwachen und mitgehen
; - die Augen sind entzündet, die Hände zerrissen, die Knie bluten,
die Ellbogen sind zerschlagen.
Vergehen Wochen - Monate - Jahre? Es sind nur Tage. Wir sehen die Zeit neben
uns schwinden in den farblosen Gesichtern der Sterbenden, wir löffeln
Nahrung in uns hinein, wir laufen, wir werfen, wir schießen, wir
töten, wir liegen herum, wir sind schwach und stumpf, und nur das hält
uns, daß noch Schwächere, noch Stumpfere, noch Hilflosere da sind,
die mit aufgerissenen Augen uns ansehen als Götter, die manchmal dem
Tode entrinnen können.
[196] Bei einem Angriff fällt unser Kompanieführer Bertinck.
[...]
[197 ]Wir sitzen in einem Loch und sind eingekreist. Mit den Pulverschwaden
weht der Gestank von Öl oder Petroleum herüber. Zwei Mann mit einem
Flammenwerfer werden entdeckt, einer trägt auf dem Rücken den Kasten,
der andere hat in den Händen den Schlauch, aus dem das Feuer spritzt.
Wenn sie so nahe herankommen, daß sie uns erreichen, sind sie
erledigt, denn zurück können wir gerade jetzt nicht.
Wir nehmen sie unter Feuer. Doch sie arbeiten sich näher heran, und
es wird schlimm. Bertinck liegt mit uns im Loch. Als er merkt, daß
wir nicht treffen, weil wir bei dem scharfen Feuer zu sehr auf Deckung bedacht
sein müssen, nimmt er ein Gewehr, kriecht aus dem Loch und zielt, liegend
aufgestützt. Er schießt - im selben Moment schlägt eine Kugel
bei ihm klatschend auf; er ist getroffen. Doch er bleibt liegen und zielt
weiter - einmal setzt er ab und legt dann aufs neue an: endlich kracht der
Schuß. Bertinck läßt das Gewehr fallen, sagt "Gut", und
rutscht zurück. Der hinterste der beiden Flammenwerfer ist verletzt,
er fällt, der Schlauch rutscht dem andern weg, das Feuer spritzt nach
allen Seiten, und der Mann brennt.
Bertinck hat einen Brustschuß. Nach einer Weile schmettert ihm ein
Splitter das Kinn weg. Der gleiche Splitter hat noch die Kraft, Leer die
Hüfte aufzureißen. Leer stöhnt und stemmt sich auf die Arme,
er verblutet rasch, niemand kann ihm helfen. Wie ein leerlaufender Schlauch
sackt er nach ein paar Minuten zusammen. Was nützt es ihm nun, daß
er in der Schule ein so guter Mathematiker war.
Die Monate rücken weiter. Dieser Sommer ist der blutigste und
der schwerste. Die Tage stehen wie Engel in Gold und Blau unfaßbar
über dem Ring der Vernichtung. Jeder weiß, daß wir den Krieg
verlieren. [...] Doch der Feldzug geht weiter - das Sterben geht weiter.
[...]
[199] Der Sturm peitscht über uns hin, der Splitterhagel reißt
aus dem wirren Grau und Gelb die spitzen Kinderschreie der Getroffenen, und
in den Nächten stöhnt das zerrissene Leben sich mühsam dem
Schweigen zu. [...]
[200] Wären wir 1916 heimgekommen, wir hätten aus dem Schmerz und
der Stärke unserer Erlebnisse einen Sturm entfesselt. Wenn wir jetzt
zurückkehren, sind wir müde, zerfallen, ausgebrannt, wurzellos
und ohne Hoffnung. Wir werden uns nicht mehr zurechtfinden können.
[...]
[201] Ich bin sehr ruhig. Mögen die Monate und Jahre kommen,
sie nehmen mir nichts mehr, sie können mir nichts mehr nehmen. Ich bin
so allein und so ohne Erwartung, daß ich ihnen entgegensehen kann ohne
Furcht. [...]
Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war
an der ganzen Front, daß der Heeresbericht sich nur auf den Satz
beschränkte, im Westen sei nichts Neues zu melden.
Er war vornübergesunken und lag wie schlafend an der Erde. Als man ihn
umdrehte, sah man, daß er sich nicht lange gequält haben konnte;
- sein Gesicht hatte einen so gefaßten Ausdruck, als wäre er beinahe
zufrieden damit, daß es so gekommen war.
Marta Pawlowska, Teilnehmerin meiner Übung im Wintersemester 2007/2008, äußert sich hier zum Roman:
"(...) Der Roman gehört zu meinen Lieblingsbüchern. Im dritten Studienjahr an der Breslauer Universität besuchte ich eine Vorlesung, die von Frau Prof. Swiatlowska geführt wurde. Die Vorlesung betraf die Werke, die während oder gerade nach dem ersten Weltkrieg geschrieben wurden. Unter anderem wurde damals der Roman von Remarque als berühmtestes Antikriegsbuch besprochen; das war unsere Pflichtlektüre, die einen sehr großen Eindruck auf mich hinterlassen hat. Remarque erzählt die Geschichte des 19-Jährigen Paul Bäumer, der an die Westfront versetzt wurde. Dort erlebte er das ganze, brutale Gemetzel des Krieges und das sinnlose Sterben seiner Kameraden.
Der Roman setzt sich mit dem Krieg auseinander. Im ersten Teil (Abschnitte 84 - 86) erzählt der Soldat, wie er mit den anderen Kameraden auf dem Rückzug war. Der Held weist darauf hin, dass er kein Mensch mehr ist, sondern wegen des Gemetzels zum Tier wurde - zum Mörder, zum Teufel. Er ist nicht imstande zu kämpfen, muss sich vor dem Feind verteidigen. Es wird von der Angst, von der Wut, von dem grausamen Tod der jungen Männer berichtet. Der Autor führt als Beispiel die Geschichte der jungen, in Qual sterbenden Franzosen an: "Ein zweiter sieht es und versucht, weiter zu flüchten; ein Bajonett zischt ihm in den Rücken".
Darauf aufbauend wird im zweiten Teil (Abschnitt 87) das Schlachtfeld gezeigt. Die Soldaten befinden sich an den Stellungen des Feindes. Es wird an einem Beispiel erläutert, wie die Soldaten die Gegner wie Tiere betrachten und sie erstechen, bevor sie von ihnen getötet werden. Der Autor berichtet vom Krachen der Granaten, die die Körper zerfetzen, vom Ruck der Erde, vom überall liegenden menschlichen Fleischfetzen. Das Bild ist grausam, schildert aber eingehend die Wirklichkeit und das Grauen der Welt.
Der Abschnitt 91 ist den Gefühlen des Haupthelden gewidmet. Der Hauptheld spricht von seinen Gedanken, von der Furcht und der Heidenangst, "sie würden schwach und zittern, sie wollten Wärme und Leben". Man kann erkennen, dass die Situation, in der sich Paul Bäumer befindet, sehr schwer auszuhalten ist; er ist voller Verzweiflung.
Weiterhin wird das langsame, qualvolle Sterben der jungen Soldaten, die im Roman sogar Kinder genannt werden, und deren Widerstand bis zu dem letzten Atem geschildert. Dabei wurde vom Erzähler festgestellt, dass sie ausgemergelt, kriegszerstört sind und dass sie keine Kraft haben, sich zu verteidigen. Trotzdem kämpfen sie zum Letzten. Sie befinden sich in einem hoffnungslosen Zustand, sie "würgen sich mit Blutstürzen und Erstickungsanfällen zu Tode."
In dem weiteren Teil des Romans betont der Erzähler die Grausamkeit des Krieges: "die Augen sind entzündet, die Hände zerrissen, die Knie bluten, die Ellbogen sind zerschlagen". Die Zeit hat keine Bedeutung mehr. Man zählt keine Wochen, Monate, Jahre. Die Zeit sieht man in den Gesichtern der Sterbenden, es hält die noch Lebende nur das, dass "noch Schwächere, noch Hilflosere da sind, die mit aufgerissenen Augen uns ansehen als Götter, die manchmal dem Tode entrinnen können".
Die Abschnitte 196-197 geben einen kurzen Blick auf die Auseinandersetzung mit dem Feind wieder. Man berichtet von den Soldaten, die in einem Loch sitzen und von den Gegnern mit dem Flammenwerfer eingekreist sind. Der Kompanieführer versucht, mit seinen letzen Kräften die anderen und sich selbst zu wehren. Er wird sofort von einem Schuss getroffen, aber trotzdem kämpft er weiter. Die nächsten Angriffe überlebt er nicht. Man weiß schon, dass dieser Krieg schon verloren ist. Der Autor beschließt das Kapitel mit den Worten: "Das Sterben geht weiter".
Am Ende des Textes erfahren wir die inneren Erlebnisse des Haupthelden. Er überlegte, was geschehen würde, wenn er aus der Front nach Hause entlassen würde. Wenn er jetzt heimkommt, würde er zerfallen, ausgebrannt und konnte sich nicht zurechtfinden. Der Krieg ließ ihn wurzellos und ohne Hoffnung.
Schließlich erfahren wir, dass der Held im Oktober 1918 fiel, man fand bei ihm den Bericht mit dem letzten Satz: "Im Westen sei nichts Neues zu melden"."Sein Gesicht hatte einen so gefassten Ausdruck, als wäre er beinahe zufrieden damit, dass es so gekommen war".
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Krieg ein strittiges und viel diskutiertes Thema ist und immer das Leben Unschuldiger kostet, vor allem Junger und Unerfahrener."
Wortliste:
Artillerie f.: mit meist schweren Geschützen ausgerüstete
Truppengattung der Kampfunterstützungstruppen; b) schweres Geschütz,
Geschütze
Flammenwerfer m.: Nahkampfgerät, bei dem flüssiger Brennstoff
verspritzt wird, der sich beim Ausströmen entzündet
flaumig hier: wie mit weichen Flaumfedern bedeckt
Handgemenge n.: hier: Nahkampf m. Mann gegen Mann
Handgranate f.: mit Sprengstoff gefüllter Hohlkörper [an
einem Stiel], der im Nahkampf mit der Hand auf ein Ziel geschleudert wird
(Gewehr-)Kolben m.: verstärkter hinterer Teil des Schaftes eines
Gewehrs: der Gefangene erhielt mehrere Stöße mit dem G.
Ladung f.: hier bestimmte Menge von Sprengstoff, Munition
od. Treibladung für eine Feuerwaffe; eine geballte (aus
gebündelten Handgranaten bestehende) L.
Maschinengewehr n.: auf e. Vorrichtung aufliegende automatische
Schnellfeuerwaffe mit langem Lauf, bei der das Laden u. Feuern
automatisch erfolgt
Rekrut m.: [nach frz. recru, zu: recroître = nachwachsen] (Milit.)
Soldat in der Grundausbildung.
Revolver m.: Faustfeuerwaffe mit drehbarer Munitionstrommel für
6 Patronen
Spanischer Reiter m.: mit Stacheldraht bespanntes [Holz]gestell, als
Sperre, Hindernis aufgestellt
Unterstand m.: unter der Erdoberfläche befindlicher Raum zum
Schutz gegen Beschuß
Wegelagerer m.: (abwertend): jmd., der anderen am Weg, auf dem Weg
auflauert, um sie zu überfallen u. zu berauben
Wird ergänzt * Auswahl, Abschrift, Layout, Wortliste (c) Dr.
W. Näser, MR, Stand: 5.2.2008