Deutsche Landes- und Kulturkunde (für Ausländer) * Dr. Wolfgang
Näser * WS 2002/2003 bis SS 2008
Kindheit gestern und heute oder: tempora mutantur,
et nos mutamur in illis
Die Zeiten ändern sich - damit wir selbst und
das, was für unser tägliches Leben wichtig und nötig ist (oder
zu sein scheint). Vermutlich kennen nur wenige, die universitäre Seiten
anschauen, WKW.
Wer-kennt-wen ist eines
der vielen
social
networks, aber es ist ein ganz besonderes. Eine liebe Kollegin von der
Marburger Romanistik erschloß es mir. Vor knapp 2 Jahren wurde WKW
von zwei Studenten gegründet, mittlerweile sind hier fast 3 Millionen
Menschen versammelt, aus allen Altersgruppen und sozialen Schichten; man
könnte sagen: hier offenbart sich ein ziemlich genaues und sehr
aussagekräftiges Bild unserer Bevölkerung und
Gesellschaft und damit auch ihrer Interessenlage, ihrer
Nöte, Ängste, Hoffnungen und Wünsche
(die Angaben zu den "Hobbys" sprechen Bände!). Viele abgehobene
Politiker/innen sollten einmal hineinsehen und erst danach ihre meist
überflüssigen Statements abgeben.
Heute entdecke ich dort einen interessanten
Blog; vermute
zunächst, daß sein Inhalt original ist, sehe wenig später,
daß er aufgrund seiner (von mir geänderten) Original-Orthographie
und bestimmter Ausdrücke (siehe meine Links unten)
höchstwahrscheinlich aus der Schweiz stammt, auf der besuchten WKW-Seite
also "abgekupfert" ist. Abgewandelt und ohne Autorenangabe erscheint er auch
anderwärts;
mit "fremden Federn" läßt es sich gut profilieren, das kennen
wir aus vielen privaten Websites.
Abgesehen davon ist dieser Text wichtig, weil auch für unsere deutschen
Verhältnisse anwendbar; über Kindheit und Jugend "damals und heute"
reflektierend, bringt er das Wesentliche auf den Punkt. Das "Damals" ist
nicht allzu weit entfernt, es gab schon überschallschnelle Flugzeuge,
Fernsehen und Großrechner, aber halt nicht die zweifelhaften Segnungen
des digitalen Zeitalters und der psychologisierten Gesellschaft.
Der Inhaber der WKW-Seite erlaubte, seinen Blog zu zitieren. Unter der
Prämise, daß keine zuwiderlaufenden Urheberrechte vorliegen, tue
ich dies - in voller Länge und mit der Einladung an alle Leser/innen,
darüber zu diskutieren und ihre Meinung kundzutun.
W. Näser, 12.7.2008
Wie ist es nur möglich, dass wir, geboren in den
50-er, 60-er und 70-er Jahren, immer noch leben? Gemäß Theorien
von anno 2004-2005-2006 hätten wir schon längst tot sein müssen.
Warum????
-
Wir saßen im Auto: Ohne Kindersitz, Sicherheitsgurt und Airbag!
-
Unser Bett war mit Farbe voller Blei und Cadmium angestrichen!
-
Auch die bunten Holzbauklötze, die wir uns begeistert in den Mund
steckten
-
Zuoberst an der Treppe gab es kein
BfU-Sicherheitsgitter:
Wer das Treppenlaufen nicht beherrschte und nicht aufpasste, purzelte hinunter
und schlug sich die Fresse blutig.
-
Wenn wir nachts weinend im Bett aufwachten, so hörte uns niemand! Falls
wirklich etwas los war, so mussten wir ganz laut schreien, damit die Eltern
aufmerksam wurden! Babyfon? Von wegen!
-
Flaschen mit gefährlichem Inhalt (auch die aus der Apotheke, mit
Salzsäure, Brennspiritus und so) konnten wir ganz einfach mit unseren
Händchen und beschränkter Motorik öffnen!
-
Viele Türen (vor allen die vom Lift und den Autos) gingen einfach zu,
und wenn unsere Fingerchen dazwischen kamen, tats mehr als nur
höllisch weh!
-
Wenn wir zu faul zum Laufen waren, setzten wir uns hinten auf das Fahrrad
unseres Freundes. Der strampelte sich einen ab, und wir versuchten, uns an
den Stahlfedern des
Velosattels
festzuhalten! AUAAAAA !!!
-
Einen Helm trug man nicht einmal auf dem Moped und schon gar nicht auf dem
Fahrrad!
-
Wasser tranken wir vom Wasserhahn und nicht aus der
Pet-Flasche!
-
Farb- und Aromastoffe muss es auch schon gegeben haben.
-
So rot, grün und gelb wie die Limonade damals war, sieht man heute keine
mehr!
-
Einen Kaugummi legte man am Abend auf den Nachttisch und am nächsten
Morgen steckte man ihn einfach wieder in den Mund!
-
In der Schule gabs nur eine einheitliche Grösse von Pulten. Die
Luxusmodelle waren in der Schreibhöhe zwar verstellbar ... Aber alle
hatten so eine herrlich-gefährliche Klappe dran!
-
Unsere Schuhe waren immer schon eingelaufen durch Bruder, Schwester, Neffe
oder so.
-
Auch das Fahrrad war meistens entweder zu groß oder zu klein!
-
Überhaupt hatte ein Fahrrad keine Gangschaltung. Und wenn doch, dann
nur eine mit 3 Stufen! Und wenn du einen Platten hattest, lerntest du vom
Vater, wie man das selber flicken konnte! (Am Samstagnachmittag mit
Wassereimer, Schlauchwerkzeug, Schmirgelpapier und Gummilösung ...)
-
Wir verließen frühmorgens das Haus und kamen wieder heim, wenn
die Strassenbeleuchtung bereits eingeschaltet war. In der Zwischenzeit wusste
meistens niemand, wo wir waren ... und keiner von uns hatte ein Handy mit
dabei!
-
Wir ließen im Wald die Sau raus ... oder im Park auf
Spielplätzen mit Sandkasten, Schaukeln und Klettergerüsten ...
oder auf dem Pausenplatz, der kein Versammlungspunkt von irgendwelchen abartigen
Schmutzfinken war. Da lagen auch keine Spritzen und gebrauchte Kondome herum
...!
-
Wenn wir zu einem Freund wollten, gingen wir einfach hin! Wir mussten nicht
vorher anrufen und einen Termin vereinbaren! Es kamen auch nie Erwachsene
mit!
-
Wir aßen Kekse und bekamen Brot mit viel echter Butter drauf! Und davon
wurden wir nicht dick!
-
Wir tranken aus der gleichen Flasche wie unsere Freunde, und keiner machte
deswegen ein Theater oder wurde gleich krank!
-
Wir hatten keine Playstation, Nintendos, X-box, 64 Fernsehsender, Videos,
DVDs mit Dolby-Surround-Sound, MP3-Player, eigene Fernseher mit
Satellitenempfang, PCs und Internet ... - Wir hatten Freunde!
-
Das Fernsehprogramm begann erst um 18 Uhr! Da kam (manchmal) eine Stunde
lang etwas Lustiges für Kinder. Und wehe dem, der sich nachher traute
aufzustehen um den einzigen Knopf für einen anderen Sender zu
betätigen (fest am Apparat montiert). Die Eltern bestimmten, was und
wie lange TV-geglotzt wurde!
-
Wir haben uns geschnitten, die Knochen gebrochen, Zähne raus geschlagen,
und niemand wurde vor den Richter zitiert. Das waren ganz normale, tägliche
Unfälle, und manchmal bekamst Du hinterher (als erzieherische Zugabe)
noch eins auf den Arsch!
-
Wir kämpften, schlugen einander grün und blau, und es gab keinen
Erwachsenen, der sich darüber aufregte. Keiner hängte deswegen
gleich eine Peace-Flagge zum Fenster raus!
-
Pädagogisch-verantwortliches Spielzeug machten wir selber; mit Knüppel
schlugen wir auf Bälle ... wir bauten Seifenkisten, und merkten erst
unten am Berg, dass wir die Bremse vergessen hatten!
-
Wir spielten Straßenfußball, und nur wer gut war, durfte mitspielen.
Wer nicht gut genug war, musste zuschauen und lernen, mit der Enttäuschung
umzugehen! Da half nur Training! Und das ging auch ohne Kinderpsychiater
und
Rorschach-Test!
-
In der Schule gab es auch dumme Schüler. Sie gingen und kamen gleichzeitig
mit den anderen und wir hatten den gleichen Lehrstoff. Manchmal mussten sie
ein Jahr wiederholen und darüber wurde nicht diskutiert. Auch nicht
am Elternabend. Der Lehrer hatte immer recht!
-
Wir machten unsere Pausenbrote selber, nahmen am Morgen einen Apfel mit,
und wenn wir das vergaßen, konnte man in der Schule nichts kaufen!
McDonalds? Burger-King? Döner-Bude? Snack-Bar? Imbiss-Stand? Pizza-Ecke?
M-Take-Away?
Selecta-Automat?
FEHLANZEIGE!
-
Zur Schule gingen wir (auch im Winter) zu Fuß! Velo-Berechtigung
gabs erst bei Distanzen von 1 km und mehr (Luftlinie!).
-
Bäre-Abi?
Libero-Tarifverbund?
PUSTEKUCHEN !!!
-
Wenn deine Mutter zum Abschied in der Türe stand oder dir aus dem Fenster
nachwinkte, warst du eine Memme. Und kam sie sogar als
Begleitschutz mit, na dann Gute Nacht !!!
-
Und wenn du dich wirklich in echte Gesetzeskonflikte gebracht hattest, dann
waren die Eltern schnell mit der Polizei einer Meinung! Sie holten dich zwar
auf der Wache ab - aber nicht um dich rauszupauken! Daheim ging das Verhör
gnadenlos weiter ... ohne Jugendberater, Sozialarbeiter und andere
pädagogische Schöngeister!
-
Unsere Taten hatten Konsequenzen und wir konnten uns nicht verstecken!
-
Kinder-Sorgentelefon? Ach was !!! Es gab den Arsch voll und (wir mussten)
ohne zu Essen ins Bett.
-
Wir waren frei ... Und hatten Pech, und auch Erfolg, und trugen Verantwortung!
Und mussten lernen damit umzugehen!
Unsere Generation hat viele Menschen hervorgebracht, welche Probleme lösen
können, die innovativ arbeiten und dafür Risiken eingehen - und
die Folgen nicht scheuen ... ! Gehörst DU auch dazu?
GRATULIERE !!!!! WIR WAREN HELDEN !!!
Links und Layout: W. Näser, Marburg * Stand: 16.7.2k8
Im Falle zuwiderlaufender Urheberrechte bitte ich um Nachricht und entferne
dann diesen Text umgehend. WN