Schmerz und Heilung

1. Tragik
     Eine bittere Bilanz.

Aus einer Kleinstadt kamst du,
Behütet aufgewachsen,
Sprache in der kleinen Welt
Als Regelwerk begriffen,
In die Welt gegangen,
Zu lernen, zu studieren,
Und mit Dir als zweite Dimension
Die Technik.
Gebaut hast Du, gesägt, geschraubt, gelötet,
Wolltest dich beweisen auch als Ingenieur
Die Technik war Dein Element,
Wenn immer Dir die Zweifel kamen
An der Stimmigkeit des Spekulierens,
Und am Sinn von Theorie und Interpretation,
Bis ein wahrer Weiser Dir eröffnete,
Wie wunderbar die Welt des Dichtens ist
Und die Melodik, die in wohlgesetzten Worten
Zu genießen so viele schon verlernten
Und daß es deshalb nötig sei,
Die Sinne dafür zu bereiten.

Die Sprache und das, was sie schaffen kann
An Formen und an Varianten -
Das lerntest du, und lange brauchte es,
Das zu erfassen mit geschärftem Sinn,
Und da war noch die Technik,
Die noch immer Dir gehorchte,
Als ein perfektes Instrument,
Als Mittler und Bewahrer,
Angepaßt und optimiert,
Als Hilfe und als Sprachrohr dessen,
Das zu leicht vergessen wird, wenn man es
Nicht immer neu bewußt macht, klingen läßt.
Und vor den jungen Menschen standst du, lehrend,
Und dachtest, ganz am Schluß die Ernte
Einzubringen aus der Saat, die mühsam sich entwickelt hatte
In hartem Bemühn, mit vielen Widerständen,
Und die zweite Dimension, die Technik;
Sie trat zurück, gewährte dem, was zu vermitteln war,
Den Vortritt -

Dann schlug es ein, wie ein Blitz,
Die Technik, die Maschinen, sagte jemand,
Seien jetzt die Nummer Eins,
Du seist berufen, sie zu führen,
Nur du, sonst niemand.
Und plötzlich schlug sie zu, die Tür
Zum Höheren, auf dessen Schwelle Du gelangt warst,
Gerade jetzt, am Ende des Bemühns,
Und du erkanntest, daß du machtlos warst,
Und Hoffnung, Träume, alles Mühen
Zur Chimäre geworden,
Wie sinnlos doch.
Wie dumm.


2. Später Wechsel
     Ode an ein Dienstgebäude

Hier saß ich,
Die Hälfte des Lebens,
An würdigem Ort.
Er gab mir Heimat, Wärme, Mut -
Doch ich muß fort

Hier fand ich Lehrer, Freunde, Schüler,
Erschloß mir Wissen und Welt,
Hieß Gäste willkommen, aus Nah und Fern,
Weil ich stolz war und froh, hier zu sein.
Jetzt nimmt man mir alles, mit kühlem Bedacht,
Als wäre es nie geschehn.
Und ich muß gehn:

Alles so endlich und kein Zurück.
Par ordre im Niemandsland.
Von Sehnsucht zerrissen auf Suche nach Sinn -
Doch dieser scheint nüchtern und kalt.
Bald seid ihr mich los, schon bald.


3. Neuer Beginn
     Ein Blick ins Ungewisse. 2. Fassung

Gedaan is gedaan
(niederländische Redensart)

Genug des Klagens,
Denn es zerstört.
Auf zu Neuem,
Auch wenn es nicht leicht ist,
Zu neuem Forschen und Lehren,
Sofern noch möglich
Und es denen nützt,
Die es wert sind.
Zu neuem Dienen und Helfen,
Das sie nicht wieder zertritt,
Die innere Welt.

Was jetzt noch entsteht,
Ist gelebtes Trotzdem,
Ist nötig,
Um weiterzuleben
In einer Würde,
Die Ihr fast zerschlugt.

Zeit schafft Raum,
Schafft heilende Ferne.
Unwiederbringlich das Alte,
Unumkehrbar der Weg,
Nun laßt mich ziehn.

Das Gute ist ewig.
Ich nehm es mit mir,
Es schützt und stärkt,
In herrlichen Farben,
Im Bild und im Klang,
Als Zeugnis der Schöpfung,
Als Quelle des Lebens,
Und ich danke dafür.