Cassettenrecorder ITT SL 700 (modifiziert, 1985)

Obiges Bild zeigt das (am 8.12.2010 fotografierte), noch voll betriebsbereite und - dank der Cue-/Review-Funktion bis heute (=Ende 2010) oft zu transkriptorischem Abhören verwandte Gerät in einem speziellen "Design". Zur Entlastung der Eject-Tastenfunktion läßt sich die Cassetten-Klappe separat öffnen; zudem enthält sie oberhalb des linken Wickeldorns ein Loch, durch das mit geeignetem Werkzeug die Cassette etwas zurückgedreht werden kann, um erneutes Abhören punktgenau zu realisieren. An der Rückseite wurden 2 Cinch-Buchsen (für "Line in") und 3 Schalter eingebaut: Lautsprecher-Verstärker ein/aus, Wiedergabe Kanal L / R (für echten Vierspur-Abhörbetrieb), Eingangs-Abschwächer ein/aus.

Nach 1 3/4-jähriger Beobachtung sowie Erfahrungen i.V. zweier Geräte (s.o.) sowie in bezug auf das Schaltungs-Studium i.V. mit Modifikationen hatte sich schon Anfang 1985 das SL 700 in jeder Hinsicht als robustes und von Preis und Leistung her ausgezeichnetes Feldforschungs- und Auswertungsgerät für Sprachaufnahmen erwiesen, das in dieser Hinsicht uneingeschränkt empfohlen werden konnte.

Einige Features:
(A = Aufnahme,. W = Wiedergabe)

  1. Die Mikrofonempf. des Originalgerätes reicht nicht aus für Fernbesprechung, z.B. A von Vorträgen bzw. Diskussionen in größeren Räumen (Abhilfe jedoch möglich mittels ext. Vorverstärker zwischen Mikro und Gerät). Überbrückung der Serienwiderstände am Eingang (=> Bild re.) erhöht zwar die Empfindl. angeschlossener ext. Mikros, beeinträchtigt jedoch die Funktion der eingebauten ECMs. Ein in bez. auf Rauschabstand (SNR) schaltungsbedingter Nachteil ist die Rec.Vol.-Regelung direkt am DIN-Eingang, der in Stellung "Zero" prakt. kurzgeschlossen wird; hierdurch variabler Eingangswiderstand.
  2. Eingebaute ECMs, obzwar in Stereo-Anordnung, gut ledigl. für Diktatzwecke (Notbehelf), nicht jedoch für echte Stereo-Aufnahme in ausreichender Qualität (Frequenzgang, SNR)
  3. Das Gerät besitzt einen Doppelspalt-Ferritlöschkopf, mit dem in Pos. "Metal" alle Reineisenbänder 100%ig gelöscht werden
  4. DIN-Anschl. ermöglicht kreuzweises Überspielen bei einem SL-700-Paar.
  5. Kopfhörer-Wiedergabe überraschend gut, auch bei Musik.
  6. Das SL 700 ist bedingt tauglich für E-Musik.
  7. Minuspunkte sind lediglich eine Trafoerwärmung auch bei Leerlauf nach mehreren Stunden (Ein-/Ausschaltung auf Trafo-Sekundärseite) und das zu labile Plastikgehäuse.

1983-1985 stand das zwar bescheidene, aber sehr leistungsfähige SL 700 im Mittelpunkt meiner auditiven sprachwissenschaftlichen Forschung; später diente es auch oft zur (didaktischen) Medien-Auswertung - dazu mein Anfang 2003 entstandenes Bild rechts: der TV-Ton wurde (mit Bild-Kontrolle über Klein-TV-Gerät) vom (als Tuner fungierenden) Videorecorder auf das Gerät überspielt, dann (mit Hilfe von Cue / Review) transkribiert und die verwertbaren Textauszüge als Zitate in die Artikel meiner Website integriert.

Um (auch vergleichsweise) die Möglichkleiten des SL 700 voll auszuschöpfen, machte ich gezielte Experimente und legte dazu eine Dokumentation an, aus der ich hier (im Wortlaut) zitiere. Der folgende Text steht gleichsam exemplarisch für viele andere (wie im Falle des Nord-Mende 8001/4 und des Sanyo RD 4055 teils sehr aufwendige und detailliert dokumentierte) Versuche und Modifikationen an / in zahlreichen Spulentonbandgeräten und Cassettenrecordern, die 1978 bis ca. 1990 unternommen wurden. Gleichzeitig soll er zeigen, daß es
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eben nicht zwingend eines großen Aufwandes bedarf, um zufriedenstellende Resultate zu erlangen und daß es
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sich lohnt, auch solche bescheidenen Geräte zu erkunden und, so gut es geht, zu optimieren.

1. Gleichlaufverbesserung bei einfachen (nicht servogeregelten) CR-Laufwerken (Fernost-Massenprodukte)

Wie Beobachtungen Ende 1984 und Anfang 1985 zeigten, kann der Gleichlauf von solchen Kompaktlaufwerken verbessert werden durch Parallelschaltung einer größeren Kapazität zum Motor. Beim ITT SL 700 wirkt sich das nicht so sehr aus,  wie anfangs vermutet wurde (Vergleich des wenige Tage alten, modifizierten SL 700 mit dem rund 1 3/4 Jahre älteren Institutsgerät). Beide hatten bei W der Kopie der Goldberg-Variationen (Bartsch, Haina, Cembalo) einen unerwartet guten Gleichlauf. Dauerton-W mit SL 700 neu (parallel zum Motor fast 9.000 uF) sehr gut (3.1.85 pm). Das Paar SL 700 eignet sich sogar für Cembalo-Kopien, wenn man von geringfügigen, dem Durchschnittshörer kaum wahrnehmbaren Gleichlaufverschlechterungen absieht. Beim neuen SL 700 im.Vergleich zum gebr. zunächst starke Laufwerkvibration (trotz Motor-Gummiaufhängung), die sich nach 1 1/2-stündigem "Freilaufen" (burn-in) reduzierte.
Parallelschaltung zum Mot. wurde auch vorgenommen beim SL 500, beim (Superscope) C 104 (...) und beim (Sony) TC 132 SD. Der Motor des SL 700 wird über (in Flußrichtung geschaltete) Dioden gespeist, wodurch offenbar Rückwirkungen seitens des Motors auf die DC-Elektronik reduziert werden sollen (die bei W z.B. auftreten im C124-Laufwerk von UHER).

2. Weitere Beobachtungen (1)

  1. Mikrofonempfindlichkeit konnte erhöht werden durch Überbrückung der in Leitungen 1 und 4 geschalteten Rs von je 3,3 kOhm.
  2. Durch Vergrößerung einiger kritischer Koppel-Cs auf je etwa 5 uF wurde ein kräftigerer ALC-Pegel erreicht (im.Vergleich zum alten SL 700 und zum neuen vor der Modifikation).
  3. Das neue SL 700 hat eine hellere, spitzere KH- und Lsp.-Wiedergabe als das gebr.; ansonsten bislang keine signifikanten Unterschiede.
  4. Nach Vergießen des Netztrafos beim neuen geringfügig weniger Erwärmung als beim Originalgerät.
  5. Rel. starkes Rauschen des AW-Vorverstärkers (IC 1; => Bild re.), Schaltungsbedingt pro Kanal je vier als "Rauschgeneratoren" wirksame Widerstände (z.B. R 150, 102, 107 in Kanal L) vor dem (bzw. parallel zum) Eingang des als Preamp wirkenden TA 7658 IC 1 ). IC 1 rauscht bei A wesentl. stärker als bei W. Deaktivierung von IC 1 durch Kurzschluß an Pin 1 eliminiert bei A schlagartig das Rauschen. Aufgezeichnetes Rauschen, auch in Pos. Stereo / MLC bei zugedrehtem VR 101 / 102, ist bei Eq/Bias Fe wesentlich stärker als bei Eq/Bias Cr / Met (bei diesen kein Unterschied). IC-Rauschen geht also als "equalized component" in die A ein; Unterschied wahrgenommen bei Fe2O3-Band. Grund; Cr- und Met-Bias "verdunkeln" die A, so auch das in die A als "Noise" eingehende IC-Rauschen. Da IC 1 bei A zusätzlich Rs 105,205 am Eingang hat, muß Tausch versucht werden. Andererseits sind diese Rs bei 0-Stellung von VR 101,201 mit kurzgeschlossen, dennoch kein Rückgang des Rauschens, also muß dessen Ursache weiter hinten in der IC-Beschaltung liegen, vermutl. in einer ext. Zeitkonstantenschaltung (S1 6,7), die bei W das IC-Rauschen herabsetzt. Man könnte versuchen, für A vor den Cs 114, 214 (an Kreuzungspunkt mit Cs 108, 218 über Trennschalter) von separaten, diskret aufgebauten Vorstufen aus (je 2x BC 108 oder 550 o.ä.) einzuspeisen. IC 1 wäre somit umgangen, dessen ALC-Funktion freilich auch. Einsp. könnte auch direkt an Basis Q 102, 202 erfolgen oder, was ggf. noch besser wäre, an IC-Punkten 5(L) und 10(R), wobei IC 1 ausgeschaltet wird. Die Punkte 5 und 10 wären dabei von der IC-Beschaltung abzutrennen (doppelt UM). Das ist jedoch mechanisch kaum zu realisieren. Besser wäre Direkteinspeisung von Basis Q 102, 202 (2x UM) bei IC 1 AUS; noch eleganter wäre ggf. Einspeisung der Trans. Q 103, 203 an Punkten R 128 (B) und R 228 (A), wobei auf Platinenschaubild bezeichnete Leitungen (A,B) aufzutrennen und an Doppelt-Umschalter anzuschließen wären. Hierbei müßten neben IC 1 noch Transistoren Q 102 und Q 202 ausgeschaltet werden. Würde die Einspeisung zwischen R 128 und C 118 bzw. R 228 / C 218 erfolgen, brauchte nicht aufgetrennt zu werden, die Rs (128, 228) würden als Entkoppelglieder fungieren; es wären lediglich IC 1 und Q 102, 202 auszuschalten, was ggf. über unabgeschirmtes Kabel erfolgen könnte; mittels Doppel-UM könnte dabei die von IC 1 usw. abgetrennte Ub an den zusätzlichen A-Verstärker gelegt werden (WN 080185)
  6. Bandflußentzerrung umgeschaltet nur bei A. Bias-Regler in A-Leitungen fest eingestellt, Variation nur durch 3 fest eingestellte Kollektorspannungen am Bias-/Erase-Osc. (Transistor Q 301). Dadurch ledigl. Durchschnittsresultate bei div. Fabrikaten/Sorten/Chargen.
  7. Netz ungenügend gesichert gegen eindringende Störimpulse (z.B. Rundsteuerung, Zeitzeichen).
  8. Netzbrumm überlagert Nutzsignal, vermutl. durch schlechte Erdungsverhältnisse intern.
  9. Lautsprecherbuchse (DIN) fehlt (i.GGs. zum früheren SL 55), kann ggf. nachgerüstet werden.
  10. VU-Meter zeigen bei W und fast allen Bandsorten mehr an als bei A. Niemals bis ins rote Feld aussteuern, auch nicht bei Reineisenbändern (WN 04011985)

3. Weitere Beobachtungen und Maßnahmen (2)

  1. Das Zuschalten von Parallel-Cs hat, wie Erfahrungen mit SL 700 und anderen Geräten gezeigt hat, nur begrenzt Sinn, sofern Brummfreiheit bei A und W bzw. Motor-Laufruhe wirklich dadurch verbessert werden können. Fast immer sind hierbei Serien-Rs in der internen Siebkette zu reduzieren, um nach der Modifikation die an den betr.Schaltungspunkten angelegte Betr.-Spannung in geforderter Höhe sicherzustellen.
  2. Unter Umständen ist AW-Brummfreiheit (SNR) eher durch Verbesserung der int. Erdung zu optimieren bzw. durch zusätzliche Abschirm-Maßnahmen. Zusätzliche Parallel-Elkos dürfen mit Minus nicht irgendwo an Masse angeschlossen werden (sonst ggf. starker Brumm), sondern genau dort, wo auch das Masse-Bein des "originalen" Elkos verlötet ist. Nach Einbau solcher Zusatzkapazitäten stets Ub-Messung mit DVM (=Digitalvoltmeter) (WN 070185)
  3. Lade-C: z.Zt. (incl. C 408, der bei A/W zugeschaltet wird) 2200 uF (C 410) + 3x 4700 uF + 1000 uF = 17.300 uF.
  4. Parallel-Cs zu C 401 (Ub IC 1, 330 uF) und C 413 (hinter R 413, 330 uF) z.Zt. entfernt, parallel zum Motor (und C 409 = 33 uF) jedoch noch 4.000 uF.
  5. HF-Oszillatortransistor Q 301 (=> Bild re.) ersetzt durch (ext.) BD 137 mit Kühlblech
  6. In Pos. Metal ist bei A die Höhe der Ub bes. wichtig, da Q 301 (Osc.) über nur 10 Ohm (Rv) seine Collectorspannung erhält und bei ca. 6,1 V viel Strom verbraucht. Ist die UBatt schon niedrig, verursacht dann der Hohe Verbrauch des Q 301 einen unzulässig hohen Spannungsabfall für den AW-Verstärker-IC 1 und die Trans. Q 202, 203 usw., so daß der aufgezeichnete Maximalpegel einige dB unter Soll liegt. In Pos. Fe ist der Spannungsabfall weniger kritisch.
  7. IC 2 jetzt abschaltbar (direkt an Pin 1; hier 1.000 uF angeschaltet , jetzt knackfreies ON/OFF.
  8. Eingangs-Vorwiderstände (=> Bild 1 oben) R 102, 202 von je 4,7 kOhm sowie Vor-Rs 150 und 250 von je 3,3 kOhm (als Metallfilm-Rs) wieder eingelötet, letztere überbrückbar mit doppelpol. Schalter "Input Attenuator" zur Empf.-Schaltung bei Mikrofon-A. (bei Radio-/Q-A. kleine Empfindlichkeit).
  9. Als AWK dient jetzt der metallbandtaugliche RS 1231 (Conrad), hat dunkleren Klang (besser für Orgel-W, Tests vom 6.1.85 mit Konzertaufnahme Ibe).
  10. Gehäuse-Modifikation mit Vierkant-Alu vorn / hi.
  11. Eingebaute ECMs entfernt; vorgesehen ist DIN-Buchse anstelle des re. ECMs, die an Polen 1 und 4 mit Platinenanschluß M 3 und M 4 (Masse gemeinsam an M 2,4) zu verbinden ist.
  12. RecVol- Potis VR 101, 201 liegen mit Anschl. 20 und 24 nicht mehr an Punkten A und B (Platine: x,y), sondern an R,W, den Kreuzungspunkten zwischen Rs 102/150 und 202/250; ferner im Zusammenhang damit div. int. Verbindungskabel gekürzt.
  13. Parallel-Elkos (mit zus.) 14.100 uF an Punkt B3 geschaltet (Fluß-Seite des Netzgleichrichters, => Bild rechts), wirken daher nur bei Netzbetrieb. Mit frischen Batterien (UCAR prof.) keine Ub-Instabilitäten zwischen Start/Pause/Cue/Review; Motor-Ub kann allerdings schwanken zwischen ca..7 und 6 V (oder gringfügig darunter), jedoch ohne Wirkung auf Geschwindigkeit. Ggf. Regel-IC für konstante 5,5 V zwischenschalten.
  14. Rs 102,202 (je 4,7 kOhm) entfernt. Probe-A von Stereo-Tuner am 8.1.85 OK mit Maxell UD 2/90 bei Fe, Stereo, ALC (sehr helle W)
  15. R 407 (100 Ohm) wurde 82 Ohm parallelgeschaltet, damit Ub IC1 5 V +/- 10% erreicht (5,5 V bei W, 4,5 V bei A).
  16. (Stand: 9.1.1985) R 105, 205 ersetzt durch (rauschärmere) Metallfilm-Ausführungen; W- und R-Leitung gekürzt (so auch Leitungen an Platinenanschluß 17-21). Div. Schutzverklebungen. Neue A-Probe mit EM 60/mod. und Sorten Sony HF 90, GT I 90, Maxell UD II 90. A zufriedenstellend, Abschwächer arbeitet gut.

4. Abspielbarkeit von Mono- Fremdaufnahmen auf dem SL 700 (beide Versionen)

Tests 1/85 mit (...) SL 700 im Mono-Betrieb zeigten, daß M-Aufnahmen optimal per SL 700 in Stereo-Betrieb abzuspielen sind: der Klang wird heller, freier, durchsichtiger; dabei zeigte sich auch die aufgrund der F/A-Technik (=fixed azimuth) erreichte völlige Kompatibilität in bezug auf Azimuth und MOL (=maximum output level) beim (Grundig-Radiorecorder) CR 3000, der somit als hochwertiges Aufnahme- und Überspieltochtergerät für Mono/Sprache angesehen werden kann. Dashat sich ja bereits 10-11/1984 bestens bewährt bei ca. 60 Dialektbandkopien. (WN 150185)

5. das Mikrofon EM 60/m(odifiziert)

wurde in der Anfangszeit (so auch in München Ende Januar 1985) sehr häufig am SL 700/m verwendet. Ursprünglich war es ein Vivanco-Kompakt-Stereomikrofon mit in einem Aufsatz fest montierten ECM-Kapseln. Diesen oberen Teil ersetzte ich durch eine Y-förmige Alu-Konstruktion, an deren beiden Enden sich ein Gewinde befand, in die zwei ECM-Kapseln EM 98 (HiFi-taugliche Nierenmikrofone) oder EM 49 (Niere; beide von Quelle) eingeschraubt wurden. Zuerst getestet wurde das EM 60/m am mit zwei zuverlässigen VU-Metern ausgestatteten Spulen-Tonbandgerät Uher SG 561 Royal; es erwies sich als (mindestens im semiprofessionellen Sinne) rauschfrei und auch für Live-Musikaufnahmen geeignet.

Am SL 700/m waren recht gute, räumliche Stereo-Aufnahmen möglich; der aufgesteckte Schaumstoff-Windschutz "verdunkelte" etwas den Klang und ließ die A etwas dumpf erscheinen; (mit der originalen 1,5-V-Speisung) bei extremer Nahbesprechung etwas "gequetschter" Klang. Günstig SL700-Aufnahme in Pos. Stereo/MLC bei Besprechung aus ca. 20 cm Distanz, bei Lautsprecherwiedergabe sehr helles, dennoch unverzerrtes Klangbild mit "That's"-Reineisencassette.

Das später auf 9-Volt-Speisung umgebaute EM 60/m ist, bes. am Eingang des SG 561, sehr empfindlich gegen Berührungsgeräusche, weniger jedoch mit Kapseln EM 49.2.

Wie Abhör-Tests vom 9.1.85 zeigen, eignet sich das Sony TC-132 SD in Pos. Fe / Dolby bei (über Q in, LR 6,4) angekoppeltem Uher SG 561 Royal sehr gut zur W von mit SL 700 aufgenommenen Cassetten. Das TC132-Dolby vermindert zwar merklich das Rauschen, unterdrückt jedoch nicht ganz so fühlbar die Zischlaute, so daß mit - an SG 561 angeschlossenen - "dunkelfärbenden" Kopfhörern SL700-Sprachaufnahmen in Dolby Fe angenehm klingend empfunden werden. Werden am SG die Bässe auf ca. 1/4 abgesenkt, kommt das dem Dolby-Ton zugute.
D.h. in praxi: Aufnahme mit BASF LH Super, TDK AX o.a,. auf SL 700 in Pos. Fe, Aussteuerung bis ca. -1 dB VU (ggf. über externe VU-Meter in Zusatzkasten), Wiedergabe mit TC 132 SD in Pos. Fe / Dolby, ggf. mit reduzierten Koppel-Cs am Ausgang DIN oder Line.

6. Zur Aufnahme-Preemphasis und der sonstigen Entzerrung im SL 700

Aufnahmen mit SL 700 müssen also eine Art "Dolby-Effekt" haben, durch eine spezielle, untypische Preemphasis. Die RC-Parallelglieder R 225 / C 210 (Kanal L) bzw. R 125 / C110 (=> Bild re.) im Basis-Steuerweg zu Q 203, 103 schaffen sie, wobei die Anstiegskurve umso steiler verläuft, je kleiner der C ist, d.h. bei hinreichend kleinem C werden nur oberhalb der Präsenzen Spektralanteile angehoben, was den o.a. Dolby-Effekt ausmacht. Die in Serie liegen R 228, 128 hingegen wirken als Entkoppel- bzw. Schwingschutzwiderstände und sollten deshalb nicht überbrückt werden. Für die A-Preemphasis sind als jeweils zweites RC-Glied zuständig R 233 / C 221 bzw. R 133 / C 121. Würden R 240 (Kanal L,.rot umkreist) bzw.140 auch je ein C (von ca. 1 nF) parallel geschaltet, so würde die (mit D 202, 203 erzeugte) ALC etwas stärker die hohen Spektralanteile berücksichtigen, was bei sättigungsgefährdeten Bändern vorteilhaft wäre. Parallel-C nur max. 470 pF. Achtung: hinter Collector-C (225 bzw. 125) von Q 104, 204 wird Spannung abgenommen, die über R 142, 242 bei A als VU-Wert angezeigt wird (bei W beide Rs an R-VU geschaltet, "Sigma"-Auswertung wie beim UHER Variocord, d.h. oberes VU-Meter zeigt Summe beider Kanäle an. S 1,8 legt bei W über R 408 reduzierte Betriebsspannung an VU L.(Battery Level Control, B. check).

Die W-Charakteristik an DIN out könnte beeinflußt werden durch Parallelschaltung von C = 220 uF an R 119, 219 (Emitter Q 101, 201), was über 2-adr. geschirmtes Kabel per Mini-Schalter von vorn aus geschehen könnte. Der W-Rauschpegel an Lsp. und KH-Ausgang ließe sich reduzieren durch Verblockungserhöhung (C 128, 228) auf je 0,47 uF bis 1 uF bzw. Verblockung an Verbindungspunkten zwischen R 220 / C 213 bzw. R 120 / C 113 von je 2,2 nF (Schätzwert). Dadurch ein gewisses "Pseudo-Dolby-Decoding" (WN 090185).

7. Cassettenaufnahme und -wiedergabe ohne Andruckfilz (NPT)

Eine Cassette gilt dann als beschädigt bzw. für normalen Betrieb ungeeignet, wenn die sog. Andruckfeder, die für gleichmäßigen Band-Kopfkontakt zu sorgen hat, falsch positioniert ist oder gar fehlt. Man geht davon aus, daß im letzteren Fall die W bzw. erst recht A eines solchen CC-Bandes mangelhaft oder unmöglich ist, da infolge des minimalen Abwickelzuges am AWK nicht genug Anpreßdruck ohne den Filz vorhanden sei.

(Aus den damaligen Notizen:) "Wie jedoch Versuche am 17.1.1985 gezeigt haben, ist es mit verschiedenen Testsorten (Agfa SFD I, BASF LHS I, Magna Superchrom (fehlerhafte Charge), Sony BHF 90, BASF LH, Jona) auf den Geräten SL 700 (Orig.) und SL 700/mod. möglich, ohne Einbußen des MOL und der Höhen auf den Filz-Andruck zu verzichten. Sollte dieses Verfahren auch auf das RD 4055/m und das TC 132 SD zutreffen, wäre eine revolutionäre Erkenntnis gefunden: fehlender Andruckfilz bedeutet (1) weniger Modulationsrauschen und (2) weniger Kopfabnutzung; optimal wäre das ganze bei hochpolierter Bandoberfläche (Kalandrierung). Ohne Filz hat übrigens bereits Anfang der 1980er Jahre ein japanischer Prototyp aufgenommen, bei dem das Band mittels einer Spezialmechanik aus der Cassette herausgenommen und einer geräte-internen Bandführung zugeführt wurde; dieses Gerät konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Anlaß zu den Versuchen mit der von mir so genannten und im Frühherbst 1985 auch der ITT vorgestellten Non Pressure Technology (NPT) war eine defekte Magna-Charge, deren Band in fast allen Geräten zum Pfeifen neigte, selbst ohne Andruckfilz. Als das Band ohne Filz sowohl in W wie in A getestet wurde, kam heraus, daß praktisch keine Beeinträchtigungen auftraten. (WN 170185). Eine konstruktionelle NPT-Variante dürfte darin bestehen, anstelle eines Fühlhebels den Löschkopf etwas weiter als konventionell in das betreffende CC-Fenster eintauchen zu lassen."

Erste Erfahrungen mit NPT

  1. für NPT eignen sich nur Geräte mit Bandzug-Fühlhebel (Auto-Stop-System); andere können teilweise verwendet werden: meist nur für W (wie das TC 132 SD); Anm. Der Fühlstift sollte möglichst tief ins CC-Fenster eintauchen und abgerundet sein, wobei die Spitzenverrundung von allerhöchster mechanischer Qualität sein sollte.
  2. "Höhenfreudige" Bänder sind zu bevorzugen (z.B. BASF Cr II S, That's EMX 60, TDK ADX 60), vorzugsweise Cr-Chargen im Arbeitspunkt Fe. Der Azimuth muß absolut normgerecht sein.
  3. Ist der Bandlauf zu locker, sind ggf. weitere Gleitfolien (Matrixblätter) einzulegen.
  4. Nur neue, nicht wellige Bänder verwenden.
  5. Bias etwas reduzieren, vor allem bei Fe-Chargen.
  6. Die Wickelkerne der Cassetten müssen absolut konzentrisch sein, denn der Abwickelbandzug ist bei NPT wesentlich kritischer; im negativen Fall könnten Gleichlaufschwankungen und / oder ein "schwimmender Azimuth" entstehen. Dementsprechend müssen auch die Wickeldorne des Recorders symmetrisch sein (keine Einzack-Kerne!)
  7. Mit dem modifizierten Einpunkt-Stereomikrophon EM 60/m (siehe oben) und dem SL 700/m wurden vom 29.1. bis 6.2.1985 NPT-Testaufnahmen in München gemacht, und zwar mit dem Orchester Michael Fontaine (im Circus Krone), der Herwig-Greil-Bigband, dem Josef-Ametsbichler-Trio, dem New Marty Cook Quintet und Trombone's Coup.
    An Sorten/Chargen wurden benutzt: BASF Cr II (linear, mittlere Empfindlichkeit), Sony HF-S (linear, hoher MOL), Sony UCX-S (höhenbetont-transparent).
    Hier eine Kostprobe der Herwig-Greil-Big Band - das war (am 29.1.85) meine erste, "tastende" Aufnahme in der Münchner "Unterfahrt" (Haidhausen, Kirchenstr. 96). "Das spartanische Lokal", heißt es in einer Werbung, "ist die wichtigste Jazzbühne Münchens, wenn nicht die derzeit wichtigste der ganzen Republik", und in meinem damaligen "Klappentext" zur Cassette: "Klanglich klar strukturiert. NPT-Aufnahme (Stereo) mit aufgrund der akustischen Gegebenheiten klar vordergründigem Saxophon-Satz. Dahinter gestaffelt Posaunen und Trompeten. Insgesamt 15 Musiker. Herwig Greil zuweilen als Solist mit Altsax und Klarinette. (...) Mikro mittig zwischen den Boxen, praktisch direkt vor erstem Bläsersatz. Daher bes. die linken Saxophone und bes. der hervorragende Solist li. in allen Feinstrukturen hörbar." Vom damals benutzten SL 700/m kopiere ich am 11.12.2010, also fast 26 (!) Jahre später, die NPT-Cassette auf das Zoom-H2, lese die *.wav ein, editiere und erzeuge dann die MP3pro / 96 kBps.
    Als zweites ein (am 10.12.2010) in derselben Weise erzeugtes, nur kurzes Sample der am 6.2.1985 in der "Unterfahrt" ebenfalls mit dem EM 60/m in Stereo/ALC auf BASF CrS gemachten (und editorisch leicht verhallten) NPT-Aufnahme von Trombone's Coup..  
  8. Weitere NPT-Erfahrungen wurden im März und April 1985 gewonnen. Nach Test-Überspielungen erstmals eine E-Musik-Liveaufnahme in ORTF mit NPT am 6.4.1985 von Improvisationen des Orgelvirtuosen Matthias Eisenberg. Es empfiehlt sich, in Pos. Fe mit empfindlichen Chrom-Bändern und ALC eine sehr höhenbetonte Aufnahme zu machen, die dann mit SL 700/m höhenreduziert wiedergegeben wird, wodurch das bei A mitaufgezeichnete Verstärker-Rauschen (IC 1, s.o.) eliminiert wird. Gleiches ließe sich erreichen durch W auf NPT-fähigem Gerät mit Dolby B (z.B. Technics 615). Sehr gute Erfahrungen wurden später gewonnen mit einem umgerüsteten Grundig CN 930 und dem Sony-TCD 5M;
    direkt nach dessen Anschaffung machte ich mit dem Gerät am 25.8.1985 per ORTF (EM 98 / 30.2) auf Sony UCXS 60 in Pos. Cr II mit Limiter eine NPT-Aufnahme in der Alten Aula der Philipps-Universität Marburg. Horst Pusch dirigierte das Kammerorchester Marburg, am Cembalo Roland Knoke. Am 11.12.2010, also mehr als 25 Jahre später, taste ich die (noch immer Andruckfilz-lose,. doch in ein BASF-Gehäuse "verpflanzte", s.o.) Cassette mit einem TCD-5 ab, kopiere auf das Zoom-H2, lese die *.wav ein, editiere das Sample und encodiere zu MP3pro / 96 kBps. Hier das Resultat - damit auch der Beweis, daß 1. solche "alten" Cassetten auch über eine Generation hinweg verwertbar bleiben können und daß 2. auch und gerade solche historischen Aufnahmen es wert sind, sich, wenn geeignete Verfahren es ermöglichen, später mit ihnen erneut zu beschäftigen.

8. Ausblick

Wenngleich obiger Text meine vor gut 25 Jahren gewonnenen Erfahrungen wiedergibt, sollen mit dem SL 700 (und auch mit dem bisher unerwähnten Mono-Gerät SL 600 mit "Voice Activation") weitere Versuche gemacht (und Erkenntnisse gewonnen) werden; diese Geräte eignen sich noch immer hervorragend als Experimentier-Plattformen. Das bedeutet auch, daß trotz vieler neuer Digitalaufnahme-Verfahren (DAT, Festkörper) die bereits 1963 eingeführte Standard-Kompaktcassette 1. noch längst nicht ausgdient hat und - sofern in guter Qualität hergestellt - 2. archivfester ist, als vielfach angenommen. Drittens ist ein Cue- und Review-fähiges Cassettengerät noch immer bestens geeignet als Abhörgerät für transkriptorische Text-Erstellung, so z.B. von Radio- und TV-Sendungen, die aus analoger oder digitaler Aufzeichnung auf Cassette überspielt und von dort aus im Diktatbetrieb "ausgelesen" werden: das geht bislang besser als mit computativen Abspielverfahren (per Maus oder Touchpad). Text-Redaktionen und Text-orientierte Medienforschung wären also gut beraten, sich weiterhin dieses ebenso unkomplizierten wie preiswerten Verfahrens zu bedienen.

Änderungen und Ergänzungen vorbehalten.
Text und Fotos (c): Dr. Wolfgang Näser, Marburg * Stand: 6.2.2011