Formen schriftlicher Kommunikation, Sommersemester
2002
Dr. Wolfgang Näser * HS 207 Biegenstr., 18-20 Uhr
Die Formel-1-Kurse kennt Inga Stracke aus dem Eff-Eff. In den vergangenen acht Jahren war die gebürtige Kasselerin bei jedem Grand-Prix-Rennen dabei. Die Germanistin und PR-Expertin, Jahrgang 1969, berichtet für SPIEGEL ONLINE in ihrer Kolumne "Pistenpatrouille" über die Entwicklungen in der Formel 1.
Nach dem Großen Preis von Brasilien hätten die Reaktionen nicht unterschiedlicher sein können. Während der siegreiche Michael Schumacher ganz ruhig das Rennen analysierte ("Ich muss sagen, er war sehr vernünftig diesmal"), tobte Juan Pablo Montoya. Er sei sehr enttäuscht, vom Rennen, aber vor allem von Michael Schumacher, schnaubte der Kolumbianer in die Mikrofone. "Ich dachte, er ist fair, ist er aber nicht. Er hat mir mein Rennen zerstört."
Für Formel-1-Insider ist es kein Wunder, dass ausgerechnet die beiden aneinander geraten sind - und dies auch immer wieder passieren wird. "Wenn zwei Piloten auf einem solch hohen Niveau fahren, ist es unumgänglich, dass sie sich in die Quere kommen", lautet die einhellige Meinung im PS-Zirkus.
So ist klar, dass beiden im Laufe der Saison noch weitere spannende Duelle zeigen werden. Doch das aufkeimende "Hassduell", das mancher Beobachter erkannt haben wollte, ist es nicht. Natürlich sind Schumacher und Montoya Rivalen, natürlich fahren sie harte Rennen aus. Aber Hass? Das hätten viele wohl gern.
Mich erinnern die derzeitigen Diskussionen an das vergangene Jahr. Damals gehörten die Schlagzeilen vor dem Großen Preis von San Marino dem angeblichen "Hassduell" zwischen Michael Schumacher und David Coulthard. Und was taten die beiden? Krieg auf der Piste? Ärger ohne Ende?
Die "Streithähne" trafen sich im Ferrari-Motorhome, redeten ein wenig und alles war wieder okay. Nur nicht für einige Berichterstatter, die mussten sich neue Skandalthemen suchen. Eines finde ich an den Debatten immer wieder ganz besonders interessant. Anscheinend finden diese Duelle immer nur zwischen den beiden Spitzengegnern statt. Dabei geht es im Mittelfeld oft viel härter zur Sache.
Der lachende Dritte in diesem Spiel könnte eventuell Ralf Schumacher sein. Der hält sich schön aus allem heraus. Wird er zum Thema Montoya versus Michael gefragt, gibt er sich diplomatisch. Schließlich wandelt er auf einem Grat und ist in einer Zwickmühle. Einerseits geht es um seinen Bruder, andererseits um seinen Teamkollegen beim BMW-Williams.
Manche Experten vermuten, dass Montoya die stürmischen Attacken auf und neben der Strecke inszeniert, um sein Ego zu stärken. Aber von fehlendem Selbstbewusstsein beim Millionärssohn aus Bogota kann man nun wirklich nicht sprechen. Ist Montoya einfach nur ein ungestümer, temperamentvoller Pilot? Kann er also gar nicht anders? Formel-1-Kenner mahnen zu Ruhe: "Lasst ihn sich nur die Hörner abstoßen."
Andererseits ist Montoya ja nicht der einzige Fahrer, der regelmäßig Ärger mit Michael Schumacher hat. Jacques Villeneuve kann auch ein Lied davon singen. Verglichen mit diesen hitzigen Duellen war der Wettkampf zwischen Michael Schumacher und Mika Häkkinen immer ein sehr fairer. Man hatte fast das Gefühl, die beiden mögen sich, respektiert haben sie sich sicherlich. Nie haben wir ein böses Wort vom Finnen gehört, nie hat er sich darüber beschwert, er werde schlechter behandelt als Schumacher.
Ältere Kollegen erinnern sich fast schon träumerisch an die heißen Duelle zwischen Ayrton Senna und Alain Prost. Doch diese glamourösen Zeiten sind definitiv vorbei. Die Piloten riskieren heutzutage weniger. Trotz allem noch immer vorhandenen Ballyhoo sind die Fahrer ruhiger geworden. Während früher die Boxenluder die Szenerie prägten, bringt heute mehr als die Hälfte der Fahrer die Ehefrau an die Strecke mit.
Am Ende der Rennsaison ist sowieso der meiste Ärger vergessen. Spätestens bei der Abschlussfeier oder in den Karaoke-Cabins von Suzuka stoßen die Kontrahenten miteinander an. Dann herrscht Frieden. Bis zum Start der neuen Saison. Dann geben wieder alle Vollgas.
Ihre und Eure Inga Stracke
Quelle: Spiegel online, 15.4.2002
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Layout und Aufgaben: (c) W. Näser, MR, 15.4.2002