WÖRTER UND WENDUNGEN - SS 1994 - Dr. Wolfgang NÄSER
Di 16-18 h, HS 6 * Sprechstunde; Mo 15-17 h, Deutscher Sprachatlas, Kaffweg 3

Übungstext 4: Musikalische Begriffe und Musik-Metaphern in deutschen Redewendungen
W. Näser 1991-1994 (mit Ergänzungen von 2002)

Im folgenden finden Sie eine kleine Auswahl musikalischer Begriffe, die entweder "konkret" oder als sog. "Metaphern" (d.h. bildlich, übertragen verwendet) in die deutsche Phraseologie eingegangen sind: diese Wörter wurden zum Kern zahlreicher Wendungen, die, wenn besonders "drastisch", nur in gesprochener Sprache gebraucht werden. Auch und gerade hierin zeigt sich die Wesensverwandtschaft zwischen SPRACHE und MUSIK. Beide verwenden "strukturierten Schall", um Wirkungen zu erzielen, Botschaften zu übermitteln. Schnell erkannten die Sprachteilhaber, daß mit "musikalischem" Sprechen besonders große Wirkungen zu erreichen sind: die Propagandisten nutzen dies besonders. Übrigens: Gibt es in Ihren Sprachen ähnliche Wendungen?

anstimmen: Es hat überhaupt keinen Zweck, jetzt Klagelieder anzustimmen; wir lieber über die Ursachen der Pleite nachdenken.

Auftakt: Die Demonstration bildete den -- zu einer Reihe von Krawallen.

ausspielen: du hast bei mir (jetzt endgültig / für alle Zeiten) ausgespielt (gleichzeitig Metapher aus dem Kartenspielermilieu: damit hat er seinen letzten Trumpf ausgespielt)

Ausklang: Sein bewegenden Worte bildeten den A. (=harmonischen Abschluß) der gelungenen Veranstaltung.

blasen:
* der hat vom Tuten und B. keine Ahnung
* dem müssen wir mal ordentlich den Marsch -- (= die Leviten lesen, die Meinung sagen / geigen)

Einklang:
* Worte und Taten stehen in der Politik selten miteinander im E. (=Übereinstimmung)
* Ist dieses Gesetz noch im E. mit dem Postulat [Forderung, Gebot] der Meinungsfreiheit?

flöten:
* "Du bist mein Ein und Alles", flötete sie, doch er fiel nicht darauf herein.
* Der kann doch nicht dauernd so weitermachen; irgendwann wird man ihm wohl noch die Flötentöne beibringen.

Geige:
* Für Verliebte hängt der Himmel voller --n.
* Du kannst hier nicht immer die Erste -- spielen.
* Dem müssen wir mal ordentlich die Meinung geigen.
* Das spielt hier keine Geige (=Rolle)

Gesang:
* Du lieber Herr Gesangverein! (Ausspruch der Verwunderung)
* Die Rede war ein langweiliger Abgesang auf seine Tätigkeit als Firmenchef.
* Dieses Theaterstück war sein Schwanengesang.
   [denken wir auch an die berühmte Columbo-Folge "Swan Song" mit Johnny Cash in der Hauptrolle]

Gesangbuch: Kein Wunder, daß der nicht [in seiner Karriere] vorankommt: er hat offenbar das falsche -- [=Parteibuch].

Hit:
* Dieser Artikel ist in unserem Sortiment der absolute -- (=Schlager).
* Wir müssen Sorge tragen [= uns bemühen], daß Marburg den ersten Platz einnimmt auf der Hitliste der bundesdeutschen Universitäten.

Horn: Es nützt nichts, wenn du mit ihm immer ins gleiche -- tutest [dich in allem und jedem immer seiner Meinung anschließt].

Intermezzo: Das bedeutete für sie nur ein -- auf ihrem an Höhepunkten reichen Lebensweg.

Katzenmusik 'mißtönige Geräusche': ich kann Ligeti nicht leiden, das klingt mir zu sehr wie --

Klagelied: Die gegenwärtigen -- hinsichtlich des Spar-Pakets nützen so lange nichts, bis endlich gehandelt wird [Nachtrag 1996].

Klang: Dieser Name hat in der Fachwelt einen guten --.

klimpern: Du wirst ihn nicht erobern, auch wenn du noch so (sehr) mit den Wimpern klimperst.

Konzert:
* Wer wird den Ton angeben im -- des Europäischen Binnenmarktes? [hier im Sinne von concertare 'miteinander wetteifern']
* Mit seiner Rentnerband hat der deutsche Fußball im -- der ganz Großen noch ein paar Takte vor dem großen Finale mitspielen können; eine Nachwuchscombo aber wird lange üben müssen, um den Gleichklang mit der Weltspitze zu erlangen (Süddeutsche Zeitung 6.7.98)

Komposition: Dieses Parfum ist eine -- aus kostbaren Essenzen

Larifari (Anspielung auf die italienisch benannten Schritte der Tonleiter) 'Unsinn, dummes Gerede'

Leier: Du hast uns das schon tausendmal erzählt. Hör endlich auf mit der alten --. Kannst du nicht mal 'ne andere Platte auflegen?

Lied: Nach zwanzig Jahren ließen sie sich scheiden, das war das Ende vom Lied.
* Es ist doch immer das alte Lied: zuerst werden die tollsten Wahlversprechungen gemacht und dann werden die Steuern erhöht.
* Wie es den Leuten in Bautzen ging? Davon kann ich ein L. singen.

Lobeshymne: Was der Chef da abgelassen hat, war ja die reinste --; so was hast du doch gar nicht verdient!

Loblied: Das ist wieder nichts Anderes als ein -- auf die früheren Zustände.

Marsch: Der war eben beim Chef, der hat ihm ganz ordentlich den Marsch geblasen.

Mißklang: Diese Rede erwies sich als M. innerhalb der Bemühungen um Friede und Versöhnung.

mitschwingen: In seiner Rede schwangen leise Zweifel mit.

Moll: "Romanze in Moll" (Titel eines deutschen Spielfilms)

Musik: Da ist Musíke drin (bewundernder Berliner Ausspruch)
* Wenn ich den Achtzylinder höre, ist das Musik in meinen Ohren.
* Das hört sich ja an wie Katzenmusik! Du mußt noch viel mehr üben!
* Ich habe mir gestern den Musikantenknochen gestoßen, das tat ganz höllisch weh.

Nachspiel 'Konsequenz(en)': das wird noch ein -- haben, darauf können Sie sich verlassen!

Oper: Halt schon endlich den Mund; quatsch keine --n.

Orgel / -:
* Nun fang endlich an, schmeiß den Riemen auf die --.
* Die haben Kinder wie die Orgelpfeifen.

orgeln: Draußen blies ein starker Westwind; schließlich war er zu einem Orkan angewachsen, das orgelte ganz fürchterlich.

Pauke / pauken:
*
Ich habe noch immer einen dicken Kopf, ich glaube, wir haben gestern abend zu stark auf die Pauke gehauen.
* Beim Unternehmen Paukenschlag operierten die U-Boote im 2. Weltkrieg vor Mittelamerika.
* Er will nicht selbständig lernen; ich muß ihm alles einpauken.
* Weil er so stinkfaul war, ist er beim Physicum mit Pauken und Trompeten durchgefallen (durchgerasselt).

pfeifen:
* Der Müller von nebenan ist kurz vor dem Bankrott, er pfeift auf dem letzten Loch
* Ich dachte, er hätte mir geholfen, doch er hat mir was gepfiffen.
* Ich pfeife auf deine Versprechungen! Du hältst sie ja doch nicht!
* Bevor er Unheil anrichten konnte, haben wir ihn noch rechtzeitig zurückgepfiffen.

Pfeife:
* Wenn er denkt, alle tanzen nach seiner --, dann irrt er sich.
* Der ist vielleicht eine --! Eine totale Null!

posaunen: Sag mal, mußt du unbedingt das alles hier ausposaunen? Kannst du das nicht ausnahmsweise mal für dich behalten?

Primadonna [Erste Sängerin an einer Oper]: Ich mag sie nicht, sie gibt [= benimmt] sich in unserer Gesellschaft immer wie eine P., und dabei ist sie doch auch nur ein ganz gewöhnlicher Mensch.

Rhythmus:
* Sein Arbeitsrhythmus ist mir zu hektisch
* Bei AM schwankt die Antennenleistung im -- der Modulation

Saite: Mein Kind will nie gehorchen; da muß ich demnächst andere Saiten aufziehen.
*  
"[...] und will mich wer begleiten, da unten aus dem Saal, dem hau' ich in die Seiten und tret ihm auf's Pedal" (aus dem Chanson "Ich bin die kesse Lola" in dem Film "Der blaue Engel" nach Heinrich MANNs "Professor Unrath")

Sambawagen: frühere Bezeichnung für neu gestaltete Straßenbahnwagen in Düsseldorf (um 1955)

Sinfonie: Das Kleid war eine S. in blau.

singen: Einer aus der Bande hat nicht dicht gehalten, er hat schließlich gesungen und sie alle verpfiffen.
* Da geht er hin und singt nicht mehr.
* Ich bin der Neue, ich soll hier singen ("saloppe" Vorstellung)
* Wenn eine Festplatte startet, macht sie meist ein singendes Geräusch.

Spielart 'Nuance': diese --en kannte ich bislang noch nicht.

Takt: In dieser Situation hat er es am nötigen Takt fehlen lassen.
* Ich glaube, wir sollten mal ein paar Takte darüber reden.
* Herzenstakt ist unabhängig von Bildung.
* Du solltest mehr Taktgefühl haben.

Tanz: Wenn ich zu spät nach Hause komme, gibt es wieder einen T.
* Du brauchst nicht wieder so einen T. aufzuführen, ich lasse mich von meiner Entscheidung nicht abbringen.

Ton: Der Ton macht die Musik (Redensart).
* Im Umgang mit deinen Untergebenen bist du zu poltrig, du solltest leisere Töne / eine andere Tonart anschlagen.
* Du hast dich wohl im Ton vergriffen [-> Saite!].
* Hör mal, diese Töne passen mir (aber) gar nicht!
* Er beherrscht alle Töne auf der Klaviatur der Diplomatie.
* Hast du Töne?! (erstaunter Ausruf)
* Das ist zur Zeit tonangebend in der Herrenmode.
* Der tönt immer mächtig, aber er hat nichts auf dem Kasten.
* Mach nicht so viel Gedöns (=Getöne) darum!
* "Ich sage die reine Wahrheit", versicherte er im Brustton der Überzeugung.

Trio: Die Polizei kam dahinter, daß das T. [hier: die aus drei Mitgliedern bestehende Bande] schon mehrere Banküberfälle verübt hatte.

trommeln: Der Regeln trommelte so gegen die Scheiben, daß man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte.
* Du mußt furchtbar nervös sein, warum trommelst du denn sonst andauernd auf der Tischplatte herum?
* Es wird dir nicht gelingen, alle zusammenzutrommeln: die meisten sind jetzt im Urlaub, und wir werden keine Beschlußfähigkeit erreichen.

trompeten: Der trompetet immer ganz laut, wenn er sich die Nase schneuzt.

unisono: [im Gleichklang singend / spielend] alle versicherten --, daß sie ihn nicht leiden konnten

vergeigen 'vermasseln'  

vorsingen: Der Professor hat es unterlassen, hier vorzusingen (= einen Probe- vortrag zu halten); womöglich hat man ihn deshalb hier nicht haben wollen (=hierhin berufen). Anm.: V. wird nur "salopp" verwendet!

Vorspiel 'erotische Handlungen vor dem eigentlichen Geschlechtsverkehr': sein Fehler war, daß er nie über das -- hinauskam.

Wechselspiel: das augenblickliche Wetter ist ein -- zwischen Frühling und Sommer

Übungen

  1. Lesen Sie die obigen Beispiele, erklären Sie die "musikalischen" Redewendungen und versuchen Sie, diese durch andere zu ersetzen.
  2. Kennen Sie weitere Redewendungen oder Sprichwörter, in denen Musik-Metaphern auftreten? Haben Sie welche in der deutschen Literatur, bei der Zeitungslektüre oder beim Anhören von Gesprächen gefunden? Versuchen Sie, unsere Liste zu ergänzen!

(c) Wolfgang Näser 07/1996 * Stand: 17.2.2002