Verbeugung vor schwarzem Humor
Wiesbaden - Was hatte sich die Gesellschaft für deutsche Sprache nicht alles anhören müssen, als bekannt wurde, wer dieses Jahr ihren Medienpreis für Sprachkultur bekommen sollte. Nach seriösen Journalisten wie "Tagesthemen"-Moderator Hans-Joachim Friedrichs oder Dieter E. Zimmer von der "Zeit" in diesem Jahr nun Harald Schmidt? Aller Häme und Kritik zum Trotz: Am Samstag wurde der Entertainer, Kabarettist und Buchautor im Wiesbadener Kurhaus mit dem Preis ausgezeichnet.
Die Laudatio hielt Alice Schwarzer. Ihre Lobesrede wurde angesichts der Vorgeschichte der Verleihung zu einem Rechtfertigungsversuch. Schmidt, so Schwarzer, zeichne sich durch ein hervorragendes Sprachgefühl aus. Er habe Humor und - trotz aller gegenteiligen Behauptungen - Moral.
Doch gerade das mit der Moral korrigierte sie gleich im nächsten Satz: Ein guter Witz sei moralneutral. Ein guter Witz öffne die Augen, verdeutliche das, worüber er sich lustig mache und könne daher gewissermaßen per Definition gar nicht reaktionär sein, meinte die "Emma"-Herausgeberin. Wenn Schmidt immer wieder so heftig angegriffen werde, dann wegen seines schwarzen Humors, den die Deutschen einfach nicht gewohnt seien. Doch wenn Schmidt Klischees nehme und noch eines draufsetze, dann sei das schon in Ordnung, sagte die Feministin. Schließlich stecke in Klischees ein Körnchen Wahrheit, egal, ob es sich um Vorurteile über Polen oder Blondinen handele.
Der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprache, Professor
Günther Pflug, sagte, Harald Schmidts
spielerisch-kreativer Umgang mit der deutschen
Sprache zeuge von einem großen Sprachgefühl.
Der manchmal als Volksverhetzer und Vordenker für
die Stammtische gescholtene Geehrte gab in seiner kurzen Dankesrede
gleich eine Kostprobe seines Humors. Er lobte die Gesellschaft für deutsche
Sprache für ihren Mut, ihn auszuzeichnen, trotz des Wirbels und der
guten Eigenwerbung. Inhaltlich ging er auf die warmen Worte seiner Laudatoren
nicht ein, sondern bewies einmal mehr sein Talent, scheinbar
Sinnloses und Zusammenhangloses zu sagen, das erst beim zweiten Nachdenken
bitterböse wird. Und erzählte beispielsweise von der Zeit, in der
es noch die DDR gegeben habe; also auch noch offiziell.
Solche Beiläufigkeiten mögen eine der Gründe gewesen sein, Schmidt den Medienpreis für Sprachkultur zu verleihen. Daß er ihn verdient hat, darüber waren sich in Wiesbaden alle einig. Ob er seine Sprachakrobatik immer richtig einsetzt, diese Frage stand selbst während der Würdigung im Raum - und wurde natürlich nicht beantwortet.
Quelle: Rhein-Zeitung, 11.5.98
dpa -