W™RTER UND WENDUNGEN þ Dr. Wolfgang NŽSER þ WS 1994/95 ÚÄÄÄÄÄÄÄ¿ Di 16-18 h, HS 6 Biegenstr. ³Text 3 ³ ÀÄÄÄÄÄÄÄÙ ZUR GESCHICHTE DER UNIVERSITŽT LEIPZIG [Quelle: GOPHER-Server der Universit„t Leipzig, November 1994] VORBEMERKUNG: Text 3 handelt zwar nicht von der Marburger Universit„t (in dessen Informations-Server ein entsprechender Text leider noch fehlt), vermittelt jedoch eine Menge wichtiger W”rter (Lexeme) aus dem EakademischenF Bereich; weiterhin gibt er ein gutes Beispiel fr den Umgang solcher Ein- richtungen mit der unmittelbaren (DDR-)Vergangenheit. Aus diesen Grnden m”chte ich Ihnen die folgenden Zeilen nicht vorenthalten. W.W. AUFGABE: Lesen Sie den Text aufmerksam, markieren Sie alle universit„ts- relevanten EW”rterF (Ausdrcke, Bezeichnungen) bzw. die mit solchen W”rtern gebildeten EWendungenF. Versuchen Sie, den Text nach Ihrem sprachlichen "Ge- schmack" EumzuformulierenF. Erstellen Sie eine alphabetische EWortlisteF und benutzen Sie dabei ein gutes EeinsprachigesF W”rterbuch. Versuchen Sie, Edeutsche EntsprechungenF fr EFremdw”rterF zu finden. Schlagen Sie dabei all das nach, was sie nicht genau kennen oder wobei Sie irgendwelche EZweifelF haben, so daá ein wirklich "hieb- und stichfestes" Glossar dabei herauskommt. VORANKšNDIGUNG: Es wird auch ELckentexteF und praktische EšbungenF geben! 1 Die Universit„t Leipzig wurde im Jahre 1409 gegrndet und ist die „lteste noch bestehende Universit„t der neuen Bundesl„nder und nach Heidelberg die zweit„lteste in Deutschland. Ihre vollst„ndig erhaltene Matrikel weist Namen von Klang auf: Ulrich 5 von Hutten, Thomas Mntzer, Georgius Agricola, Tycho Brahe, Gottfried Wilhelm Leibniz, Gotthold Ephraim Lessing, Johann Wolfgang Goethe, Johann Gottlieb Fichte, Novalis, Robert Schumann, Richard Wagner, Friedrich Nietzsche, Erich K„stner, Carl Friedrich von Weizs„cker und v.a.m. 10 Nationale und kirchenpolitische Auseinandersetzungen an der Prager Karls-Universit„t bef”rderten indirekt die Universit„tsgrndung in Leipzig. Als in Prag K”nig Wenzel IV. die Stimmrechte der "Nationen" an der Universit„t, denen jeder Magister und Scholar nach seiner Herkunft zugeordnet war, radikal zugunsten der tschechischen „nderte, verlieáen 15 fast alle deutschen Lehrer und Studenten Prag. Ein Teil von ihnen beteiligte sich in Leipzig an den bereits angelaufenen Vorbereitungen zur Grndung einer neuen Universi„t. Die gemeinsam die Markgrafschaft Meiáen regierenden Markgrafen Friedrich IV. und Wilhelm II. aus dem Geschlecht der Wettiner sowie ihr Kanzler Nikolaus Lubich, der 1411 als 20 Bischof von Merseburg auch Kanzler der neuen Universit„t wurde, hatten erkannt, daá eine Universit„t ihrem Lande beachtliche Anziehungskraft verleihen wrde. Das feierliche Grndungszeremoniell fand im Beisein der Markgrafen am 2. Dezember 1409 im Refektorium des Thomasklosters statt. Eine 25 Best„tigungsbulle des Papstes Alexander V. hatte zuvor ein Studium generale in Leipzig offiziell anerkannt. Seither hat die Leipziger Universit„t ohne l„ngere Unterbrechung ihre Aufgaben als 'Hohe Schule' erfllt. Damit wird seit fast 600 Jahren an der schon zur Grndung eingerichteten Artistenfakult„t, der sp„teren 30 Philosophischen Fakult„t, und den drei 'oberen Fakult„ten' fr Medizin, Jurisprudenz und Theologie gelehrt und geforscht. Bedeutende Gelehrte wie der Gr„zist Petrus Mosellanus, eigentlich Peter Schade aus Bruttig an der Mosel, der 1517 als 24j„hriger dem Engl„nder Richard Crocus in der Professur fr Griechisch nachfolgte, der Philologe 35 und Historiker Joachim Camerarius (1500-1574), unter dessen Rektorat die auf 150 zurckgegangene Studentenzahl allm„hlich auf etwa 1000 anstieg, oder sp„ter der Philosoph Christian Thomasius, der 1688 als erster Vorlesungen in Deutsch hielt, begrndeten und festigten den Ruf der Leipziger Universit„t. Hervorzuheben ist auch das Wirken von Caspar 40 Borner, dessen Name auf immer mit der Erneuerung und wirtschaftlichen Konsolidierung der Universit„t im 16. Jahrhundert verbunden ist; in seiner Amtszeit als Rektor wurden der Universit„t das Paulinerkloster und mehrere D”rfer bertragen. Von Stadt und Landesherr untersttzt, entwickelte sich die Universit„t 45 sehr schnell zu einem geistigen Zentrum Mitteldeutschlands, das weit, vor allem nach Norden und Osten ausstrahlte. Dieses Bild pr„gten bis in unser Jahrhundert hinein so hervorragende Gelehrte wie: der Philologe Johann Christoph Gottsched, der Theologe und Dichter Christian Frchtegott Gellert, der National”konom Wilhelm Roscher, der Psychologe 50 Wilhelm Wundt, der Neurologe Paul Flechsig, der Physiologe Carl Ludwig, der Chemiker Wilhelm Ostwald, der Historiker Karl Lamprecht, der National”konom und Zeitungswissenschaftler Karl Bcher, die Physiker Peter Debye, Werner Heisenberg und Gustav Hertz, der P„dagoge Theodor Litt, die Philosophen Hans-Georg Gadamer und Ernst Bloch, der Romanist 55 Werner Krauss oder die Germanisten Theodor Frings und Hans Mayer. Im Grndungsjahr hatte der Leipziger Rat den Magistern der Universit„t ein Geb„ude zwischen Schloágasse und Peterskirche bergeben (seit 1502 Juridicum), und die Landesherren stifteten das Groáe und das Kleine Frstenkolleg in der Ritterstraáe. So entstand im Stadtzentrum ein 60 'lateinisches Viertel', das sich nach der bernahme des einstigen Dominikanerklosters 1543 zwischen Stadtmauer und dem neuem Markt (Universit„tsstraáe) bedeutend erweiterte und das Bild der Stadt mitbestimmte. Die zur Universit„tskirche St. Pauli gewordene Klosterkirche erinnerte bis zu ihrer Sprengung im Jahre 1968 an diese 65 groázgige Schenkung des Herzogs Moritz von Sachsen. Sein Name ist noch in der 'Moritzbastei', dem heutigen Studentenklub, lebendig. An dem nach 1968 neugebauten Universit„tskomplex am Augustusplatz wurde 1993 eine Tafel angebracht, die an die barbarische Zerst”rung der Universit„tskirche und des im Krieg nur teilzerst”rten benachbarten 70 Universit„tsgeb„udes, des Augusteums, erinnert. Im berhmten H”rsaal 40 dieses Geb„udes, der noch genutzt wurde, lasen in den 50er und 60er Jahren Bloch und Mayer, hielt die S„chsische Akademie der Wissenschaften ihre ”ffentlichen Sitzungen ab und traf sich die deutsche Schriftstellerelite zur Diskussion mit den Studenten. 75 Die Universit„t wird auch weiterhin inmitten der Stadt wirken. So soll im Rahmen einer bergreifenden Neubebauung zwischen Petersstraáe und Burgplatz das Juridicum an altem Platz in neuer Form wiedererstehen, und die prachtvolle, gut 100 Jahre alte Universit„tsbibliothek, die seit 1945 zur H„lfte eine Ruine ist, wird bis zur Jahrtausendwende aus- und 80 neugebaut werden. Ebenso werden die seit Grndung der Universit„t in ihrem Besitz befindlichen Geb„ude an der Ritterstraáe restauriert und dann auch das Rektorat beherbergen. Rckblickend erscheinen die Jahre zwischen 1870 und 1914 als die bisher erfolgreichsten in der Geschichte der Leipziger Universit„t. Die 85 Philosophische Fakult„t trat deutlich in den Vordergrund, was unmittelbar auch den anderen Geisteswissenschaften zugute kam und die Leipziger Universit„t bis in die Gegenwart pr„gte. Der technische und industrielle Fortschritt jener Jahre brachte aber auch den Naturwissenschaften, vor allem der Chemie und Physik, einen 90 bemerkenswerten Aufschwung. Symptomatisch dafr ist die Verleihung des Nobelpreises fr Chemie an den Physiko-Chemiker Wilhelm Ostwald im Jahre 1909. Vor dem ersten Weltkrieg z„hlte zudem die Medizinische Fakult„t zu den gr”áten, erfolgreichsten und am besten ausgestatteten in Deutschland. 95 Hierzu hatte der Staat durch eine groázgige Untersttzung der baulichen Entwicklung, brigens auch in anderen Fakult„ten, beigetragen. Um 1900 nahm Leipzig vorbergehend eine fhrende Position unter den deutschen Universit„ten ein. 1908 erreichten die Studentenzahlen mit 11.800 ihren fr jene Zeit vorl„ufigen H”chststand. 100 Eine berwiegend konservative Grundhaltung bestimmte in den Wirren nach der Revolution von 1918 die Entscheidungen von Rektor, Professoren und Studenten. So blieben Stimmen, die vor dem Nationalsozialismus warnten, ohne Resonanz, obwohl die Universit„t insgesamt dessen Machtstreben eher abwartend gegenberstand. Anfang M„rz 1933 unterschrieben ber 100 105 Professoren einen Aufruf, der die Wahl Adolf Hitlers untersttzte, und bereits 1931 erreichte der NS-Studentenbund bei den Asta-Wahlen die absolute Mehrheit. Der bis heute nachwirkende Prozess der geistigen Entmndigung, der rigorosen Eingriffe der politisch M„chtigen in Lehrk”rper, Lehrinhalte und Verwaltung, der weltanschaulichen Dominanz 110 bestimmter Ideen nahm damit seinen Anfang. Die Zahl der Studierenden ging deutlich zurck (1931/32: 7350; 1934/35: 4570, 1939: 1560). Etwa 30 Professoren und Dozenten verloren aus politischen oder rassischen Grnden ihre Stellung. Obwohl Leipzig nach Kriegsbeginn als eine von vier 'groádeutschen' Universit„ten ihren Lehrbetrieb fortsetzen 115 durfte, konnten doch Lehre und Forschung nur in bescheidenem Masse aufrechterhalten werden. Die Bombenangriffe 1943/45 vernichteten ber 60 Prozent der Geb„ude. Das Kollegium der Dekane w„hlte am 16.5.1945 mit dem Arch„ologen Bernhard Schweitzer den ersten Rektor der Nachkriegszeit. Bereits Anfang 120 1946 billigte die sowjetische Besatzungsmacht seine Amtsfhrung nicht mehr und verlangte eine weitergehende Entnazifizierung von Lehrk”rper und Studenten. Hans-Georg Gadamer bernahm das Rektorat und erreichte die Neuer”ffnung der Universit„t am 5. Februar 1946. Der so verheissungsvoll begonnene Neuaufbruch verlor in der Folgezeit deutlich 125 an Schwung. Der unterschiedliche politische berzeugungen verbindende, sich auf antifaschistische Haltungen grndende Konsens wurde bereits in den ersten Nachkriegsjahren systematisch unterh”hlt. Schrittweise erfolgte die Gleichschaltung. Wer sich den Absichten der Sowjetischen Milit„radministration und der SED entgegenstellte, musste mit Verhaftung 130 rechnen, falls er nicht rechtzeitig in die westlichen Besatzungszonen oder sp„ter in die Bundesrepublik fliehen konnte. Die Verleihung des Namens Karl Marx an die Universit„t am 5. Mai 1953 wurde mit der "hervorragenden Rolle" begrndet, die Leipzig "bei der Einfhrung und Verst„rkung des Arbeiter- und Bauernstudiums und bei der Durchsetzung 135 der Wissenschaft des Marxismus-Leninismus" spielte. Ihren 'H”hepunkt' erreichte die Hochschulpolitik der frheren DDR mit der 1968 beschlossenen 3. Hochschulreform, die alte Universit„tsstrukturen aufl”ste und der Universit„t endgltig ihren Platz als 'Kaderschmiede' im 'gesellschaftlichen System des Sozialismus' zuwies. 140 Unbestritten ist aber auch, daá in dieser durch politische Indoktrination gekennzeichneten Zeit verantwortungsvolle Wissenschaftler in vielen Bereichen der Universit„t um eine niveauvolle Lehre und Forschung bemht waren. Mit dem Herbst 1989 begann fr die Universit„t ein neuer Abschnitt ihrer 145 Geschichte. Das Konzil der Universit„t Leipzig w„hlte erstmals seit 1933 Anfang Februar 1991 wieder in geheimer Wahl ein Rektoratskollegium und beschloss zugleich die Rckkehr zum alten Namen 'Universit„t Leipzig'. Die verabschiedete Universit„tsverfassung legte die Grundlagen fr eine freiheitliche Universit„t. 150 Der bergang zu neuen geordneten Leitungsformen fiel zusammen mit dem notwendigen Um- bzw. Neuaufbau der Disziplinen, die durch ihre Arbeit das frhere System gest„rkt oder legitimiert hatten. Dies betraf die Wirtschafts- und Rechtswissenschaft, die Philosophie, Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft, Kulturwissenschaften, 155 Erziehungswissenschaft und besonders die Kommunikations- und Medienwissenschaft. Damit hatte die Erneuerung der Universit„t wichtige Impulse erhalten, die zu einer Gesamtreform fhrten, deren Ziel es war und noch ist, eine umfassende inhaltliche und personelle Erneuerung von Lehre und Forschung 160 zu erreichen. Das Wirken von Fach- und Personalkommissionen, die Lehrk”rper und Mitarbeiter hinsichtlich Kompetenz und Integrit„t bewertet haben, trug hierzu maágeblich bei. Fr alle Studieng„nge wurden zudem neue Prfungs- und Studienordnungen erarbeitet. Neue Studieng„nge und Abschluáformen, wie z.B. der Magister 165 Artium, wurden eingefhrt. Eine echte Erneuerung ist aber nicht m”glich ohne eine Rehabilitierung all jener, denen im Namen der Universit„t politisch motiviertes Unrecht geschehen ist. Auf nahezu jeder Senatssitzung wurden daher Antr„ge einer speziellen Rehabilitierungskommission beraten. Die Skala solchen 170 Unrechts reichte von der langj„hrigen Zurcksetzung in der akademischen Entwicklung trotz hoher Leistungen in Forschung und Lehre ber Disziplinarverfahren, Abberufungen, Relegierungen von Studenten und Berufsverboten bis hin zu langj„hrigen Haftstrafen oder gar Todesurteilen. Das letzte Todesurteil hat den Studenten der 175 Wirtschaftswissenschaften Herbert Belter betroffen, der als Kopf einer kleinen Widerstandsgruppe 1950 verhaftet, verurteilt und hingerichtet worden war. Und ein Zeichen, das ber die Aufarbeitung der Vergangenheit in eine neu zu gewinnende Zukunft weist, ist auch, daá der Studentenfhrer der Jahre 180 1947/48, Wolfgang Natonek, der fr 8 Jahre ins Gef„ngnis muáte, weil er nicht widerspruchslos die Gleichschaltung der Universit„t mit der SED-Politik hinnahm, zur Immatrikulationsfeier im Oktober 1992 mit dem Titel "Professor" ausgezeichnet wurde; zuvor hatte er in einer bewegenden Rede die Studenten des neuen Semesters zur aktiven 185 demokratischen Mitgestaltung der Universit„t aufgerufen. Inzwischen ist die strukturelle und personelle Erneuerung der Universit„t weitgehend abgeschlossen. Dazu geh”rt die Annahme einer Verfassung der Universit„t, die Grndung der Fakult„ten und Institute sowie die Neuwahl des Konzils, des Senats und des Rektorats im Laufe des Jahres 1994. ------------------- 24 Refektorium Speisesaal 25 Bulle Urkunde 29 Artistenfakult„t Fakult„t der Sieben freien Knste an mittelalterl. Hochschulen (septem artes liberales)