Peter BALTES: Gestrandet... Gesunken... Das Ende der "Luise Leonhardt". Dokumentarbericht Wrackmuseum Cuxhaven 1983 In der Elbmndung 1 November 1958, ein schwerer Sturm aus Nordwest tobt ber der Elbmndung. Von der aufgewhlten See wird unser kleines Kstenmotorschiff "Edelgard" wie ein Spielball hin- und hergeworfen. Durchn„át, ersch”pft und seekrank wie nie stehe ich Knirps von 16 Jahren seit Stunden am Steuer und versuche 5 krampfhaft, das Schiff auf Kurs zu halten. In knapper Entfernung von mir, vor einem der Brckenfenster, steht der Kapit„n; hin und wieder verpaát er mir einen Fuátritt, wenn nach seiner Meinung die "Edelgard" mal wieder zu weit vom Kurs ist. Mehr als mir scheint ihm klar zu sein, daá wir uns in einer „uáerst gef„hrlichen Situation befinden, hineingeraten durch seine 10 Fehleinsch„tzung. Trotz Sturmwarnung hat er mit unserem nicht mal 40 m langen Schiffchen den sicheren Cuxhavener Hafen verlassen, in der Hoffnung, noch vor dem Unwetter die Wesermndung zu erreichen. Daá auf Altenbruch-Reede schon wesentlich gr”áere Schiffe zu Anker gingen, st”rte ihn offenbar nicht. 15 Sichtlich nerv”s steht er nun da mit seinem Talent. Eine Umkehr nach Cuxhaven ist nicht mehr so ohne weiteres m”glich, die entsprechende Kurs„nderung br„chte das Schiff quer zur See und damit in die Gefahr des Kenterns. Andererseits, nicht zu bersehen, machen wir seit geraumer Zeit keine Fahrt mehr voraus, die Entfernung von ca. 4-5 Seemeilen zum 20 Feuerschiff "Elbe 1" bleibt konstant. Gegen die inzwischen haushohen Wellen kommen die 300 Pferdest„rken unserer Maschine nicht mehr an. Genauso wenig zu bersehen, achteraus, auch nur einige Meilen entfernt, die Brandung auf dem Groáen Vogelsand. Guter Rat ist teuer. Brecher auf Brecher donnert unterdessen an Deck; die 25 "Edelgard" ist mehr unter als ber Wasser. In den Wohnr„umen herrscht das totale Chaos. Mit jeder Bewegung des Schiffes poltern unsere Habseligkeiten von einer Ecke in die andere. Alles Zerbrechliche ist zerbrochen. Uns, die sieben Seelen an Bord der "Edelgard", interessiert das allerdings im Moment nicht. Žngstlich, anders kann man es nicht 30 nennen, hocken wir alie bis auf einen, der im Maschinenraum Wache h„lt, in dem kleinen Brckenraum und starren nach drauáen in diese tobende Wasserwste. Welche Gedanken den einzelnen bewegen, ist schwer zu sagen; ich bin fast ausschlieálich mit mir und meiner Seekrankheit besch„ftigt und kann keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ein ™sterreicher, durch 35 Abenteuerlust vor einiger Zeit in unsere Crew hineingeweht, steht inzwischen am Steuer und handelt sich nun statt meiner die Grobheiten des Kapit„ns ein. Es steht auf des Messers Schneide. Noch halten wir uns dank der Ebbstr”mung auf der Stelle. Bald wird die Tide kentern, und die 40 Wassermassen werden den umgekehrten Weg nehmen. Gegen die vereinten Kr„fte von Sturm und Str”mung hat die "Edelgard", und damit wir kaum eine Chance. Schon k”nnte man meinen, daá die Entfernung zum Feuerschiff "Elbe 1" langsam wieder zunimmt und die Brandung auf dem Groáen Vogelsand n„herrckt, oder ist es nur eine optische T„uschung von der Angst 45 suggeriert? Genaue Ortsbestimmungen, die jetzt sein máten, sind an Bord der "Edelgard" wegen der mageren navigatorischen Ausrstung schon bei gutem Wetter nicht m”glich. Der Funkpeiler ist seit langem defekt, das Echolot funktioniert nur zeitweilig, die Seekarten sind veraltet, und einen Peilkompaá hat es an Bord erst gar nicht gegeben. Wenn n”tig, wird 50 mit dem Daumen ber den Steuerkompaá hinweg gepeilt, entsprechend genau sind die Positionsangaben. Jetzt bei dieser Schaukelei, kann sich der Steuermann allerdings auch diese Mhe sparen. Mehr als eine Ortsbestimmung "irgendwo in der Elbmndung" k„me mit Sicherheit nicht dabei heraus. Der letzte Wetterbericht von Norddeich-Radio hat einen kleinen 55 Hoffnungsschimmer gelassen. Laut Vorhersage soll der Sturm ein wenig abflauen, um nach kurzer Zeit wieder auf die St„rken 9-10, in B”en bis 12 anzusteigen. So schweben wir zwischen Hoffen und Bangen. Das Vorschiff der "Edelgard" taucht inzwischen merklich tiefer ein, Wassereinbruch, das Kabelgatt ist 60 vollgelaufen. Per Sprachrohr meldet sich unterdessen der Wachmann aus dem Maschinenraum, die Abgastemperaturen der Maschine steigen, ein Zeichen, daá sie berbeansprucht wird. Jetzt allerdings die Umdrehungen zu vermindern w„re gleichbedeutend mit einer baldigen Strandung auf dem Groáen Vogelsand. So gibt es nun eine Sorge mehr: h„lt die MAK-Maschine 65 durch? Ihre Wartung und Pflege liegen auf dem Niveau der navigatorischen Einrichtung, also wenig vertrauenerweckend. Ein groáer Dampfer zieht in Richtung Cuxhaven an uns vorber; k”nnte man dort an Bord sein! Zwei Stunden weiter, der Flutstrom setzt jetzt langsam ein. Man merkt es an den Wellen; dadurch, daá Ebbstrom und Windsee nicht mehr gegeneinander 70 laufen, sind sie nicht mehr so steil. Zudem scheint es tats„chlich ein wenig abzuflauen. Ist dies der Fall, so mssen wir jetzt herum, in Richtung Cuxhaven. An seinem Zigarettenverbrauch ist dem Kapit„n anzumerken, daá er am Gipfelpunkt seiner Nervosit„t angelangt ist. Die Luft im Brckenraum ist schrecklich, ein Gemisch von Zigarettenqualm, 75 Schweiá, s„uerlichem Geruch von Erbrochenem und kaum noch Sauerstoff. Apathisch h„nge ich in einer Ecke und m”chte sterben. Wer ein richtig seekrank war, nicht nur fr kurze Zeit, wird es mir nachfhlen k”nnen. Stunden werden wir durcheinandergewirbelt, die "Edelgard" springt auf und nieder wie ein Ziegenbock. Das Ganze ist vielleicht entfernt mit einer 80 stunden-, ja tagelangenn Fahrt in einer Achterbahn zu vergleichen. Immer wieder l„át der Kapit„n sich die Abgastemperaturen der Maschine durchgeben, sie steigen. Wo der rote Strich liegt, weiá ich nicht; daá es langsam kritisch wird, ist sprbar. Wie lange h„lt diE Maschine noch durch? Der Steuermann, ein Ostfriese, als einziger von uns nicht seekrank, 85 bernimmt auf Order vom Kapit„n das Steuer, er soll das Schiff auf Gegenkurs bringen. Obwohl der Kapit„n mit dem entsprechenden Kommando noch z”gert, der Moment, der ber alles entscheidet, steht unmittelbar bevor. Eine gewaltige See roltt heran, l„át uns scheinbar gen Himmel fahren, um uns gleich darauf in ein tiefes Tal fallen zu lassen. Noch Sekunden nach 90 diesem gewaltigen Aufprall durchl„uft ein Zittern die "Edelgard". Pl”tzlich weniger Bewegung im Schif, Wellen mit geringerer H”he sind die Ursache. "Nun mal rum, Strmann!" Wie ein Irrer kurbelt dieser am Steuerrad, achtzehn Umdrehungen sind es von der Mittschiffslage bis "Hart Backbord". 95 Schaffen wir es, bis der n„chste Brecher da ist? Gespannt beobachten wir das Vorschiff der "Edelgard", bewegt es sich in Richtung Backbord? Erst ganz langsam, ja tr„ge kommt die erhoffte Bewegung, dann immer schneller, wir drehen! Jetzt liegen wir quer zur See. Die erste Welle packt uns in der Querlage, wirft das Schiff auf die Seite, zwanzig, dreiáig, 100 fnfundreiáig Grad kr„ngt es ber. Dann ist sie unter uns durch, die "Edelgard" richtet sich wieder auf. Aber nur Bruchteile von Sekunden, schon ist die n„chste Wasserwand da. Ein dumpfes Krachen vom Aufprall Wasser gegen Bordwand. Wieder holt das Schiff ber, legt sich immer bedrohlicher auf die Seite. Der ™sterreicher, vor einem der 105 Steuerbordbrckenfenster stehend, verliert den Halt, fliegt nach Backbord rber und knallt mit voller Wucht gegen die Brckenwand. Ehe wir anderen es begreifen, ergeht es uns ebenso. Benommen von einem Stoá in die Rippen, finde ich mich in einer Ecke wieder, ber mir der Steuermann, aus einer Kopfwunde blutend. Fr einen Moment vergesse ich sogar meine Seekrankheit 110 und versuche, auf die Beine zu kommen; bei dieser Schaukelei bestimmt nicht einfach. Auf allen Vieren robbt der Steuermann inzwischen zum Steuer zurck. Von allen in diesem Durcheinander nicht bewuát wahrgenommen: die "Edelgard" richtet sich wieder auf! Wieviel zum Kentern gefehlt hat, weiá 115 ich nicht, groá war die Spanne bestimmt nicht! Die letzte Welle brachte uns den gef„hrlichsten Moment in der Unternehmung, gab dem Schiff aber auch einen Schubs in Richtung Gegenkurs. Der Steuermann, von Prellungen und Hautabschrfungen arg l„diert, besorgt mit entsprechender Ruderlage den Rest, wir sind um 180 Grad herum. Wind, See und Str”mung, alles kommt 120 nun schr„g von achtern. Dem Stampfen, Schtteln, Auf- und Niedersausen folgt nun ein vergleichsweise sanftes Auf und Ab. Erst passieren wir Feuerschiff "Elbe 2", dann "Elbe 3". Ruhigeres Fahrwasser macht sich bemerkbar. Ich nehme es kaum wahr, fix und fertig m”chte ich mich in eine Eckt verkriechen und nur noch schlafen. Das Gebrlle vom Kapit„n holt mich 125 in dit Wirklichkeit zurck. Mit den anderen muá ich in die Wohnr„ume runter und Wasse sch”pfen. Bei der Kurs„nderung sind an Steuerbord mehrere Bullaugen eingeschlagen. Ptz um Ptz wird das feuchte Element wieder nach auáenbords bef”rdert, etliche hundert, soweit ich mich erinnern kann. Am schlimmsten sieht es im Proviantraum aus. Von der Schaukelei leergefegte 130 Regale, am Boden ein unbeschreibliches Durcheinander. Alles zusammen von Rasmus mit Salzwasser gut angefeuchtet. Wir merken es in den n„chsten Wochen, denn natrlich wird nichts weggeworfen. Einlaufen Cuxhaven, klar vorne und achtern. In unseren nassen Klamotten, frierend, begeben wir uns auf unsere Positionen beim Festmachen. Wst 135 aussehende Gestalten, die da an Deck erscheinen. Die Leinen sind fest, Ruhe im Schiff. Benommen und ungl„ubig mache ich die ersten Schritte auf der Pier, fester Boden, daá es das noch gibt! An einigen Stellen des Decks liegt zentimeterhoch Sand, eine sichtbare Hinterlassenschaft der Grundseen in der Elbmndung. Wir mssen den Untiefen des Groáen Vogelsandes sehr 140 nahe gewesen sein. Glck gehabt! Wenn ich heute so zurckdenke, hatte ich an Bord dieses Schiffes unver- sch„mt oft Glck. Der Kapit„n, in seinem Handeln nicht selten verantwor- tungslos, setzte immer wieder Schiff und Besatzung fr seine Zwecke aufs Spiel. Fahrensleute seines Schlages hat es zu allen Zeiten gegeben, nicht 145 immer mit soviel Glck zur Seite: 28 Jahre vor meinem Erlebnis in der Elbmndung, im November 1930, endete dort eine „hnliche leichtfertige Unternehmung fr Schiff und Besatzung tragisch. Weitab vom Elbeschiffahrtsweg liegt seitdem, tief in den S„nden des Groáen Vogelsandes verborgen, das Wrack des Dampfers "Luise 150 Leonhardt". Sein Lebensweg, insbesondere die dramatischen letzten Stunden, sind im vorliegenden Band auf der Grundlage von Augenzeugenberichten, amtlichen wie privaten Unterlagen und damaligen Ver”ffentlichungen nachgezeichnet. Bei der Auswahl fr den Beginn meiner Schriftenreihe "Gestrandet - 155 Gesunken", in der ich ber Schiffskatastrophen vor unseren Ksten einerseits und ber das harte Gesch„ft der Berger andererseits berichten m”chte, waren die eigenen Erfahrungen in der Elbmndung sicher nicht ohne Einfluá. Cuxhaven im November 1982 Peter Baltes 160 Die Dampfschiffsgesellschaft "Atalanta" Kopenhagen Die Jahrhundertwende, Endzeit der Segelschiffe, verlangte von vielen Fahrensleuten die Umstellung auf neue Gegebenheiten. Marcus Nissen, bew„hrter Segelschiffskapit„n aus Kopenhagen, wagte damals den Sprung 165 von den vertrauten Planken zum Dampferdeck. Als er in seiner neuen Umgebung, dem betagten Dampfer "Peter Willemoes", gengend Erfahrung gesammelt hatte, grndete er nit Hilfe seiner begterten Familie die Dampfschiffsgesellschaft "Atalanta" mit Sitz in Kopenhagen. Das erste Reedereischiff bekam den Namen "Senegal", 1913 und 1916 folgten die in 170 Holland erbauten "M.T. Mondal" und "T.T. Nygaard". Beide Neubauten gingen wenig sp„ter, im Jahre 1917 durch Kriegsereignisse wieder verloren. Erst 1920, im Zeichen des wiedererwachenden Handels und Wandels Nach der Katastrophe des 1 . Weltkrieges kam mit einem neuen Schiff, der ebenfalls in Holland erbauten "Sierra Leone" neuer Aufschwung fr die 175 Reederei. Die gute Ertragslage und der Bedarf an Tonnage ermutigten Marcus Nissen, gleich zwei weitere Neubauten in Auftrag zu geben. Warum er diese Auftr„ge nach Schottland vergab, ist nicht bekannt. Vermutlich waren die dortigen Werften, mit šberkapazit„ten vom Weltkrieg her belastet, konkurrenzlos billig. 180 1921 lieferten die Burntisland Ship Builders Co Ld. die "Sierra Nevada" und wenig sp„ter, Anfang 1922, die "Sierra Morena" an die Reederei Atalanta ab. Die aus Stahl erbaute "Sierra Morena", die sp„tere "Luise Leonhardt", war laut Lloyds-Register ein mit 3477 BRT vermessenes Schiff, 100,57 m lang, 14,88 m breit und hatte einen Tiefgang von 7,65 m. Die Kessel wurden mit ™I 185 befeuert, und die Maschinenanlage erbrachte eine Leistung von maximal 1780 Pferdest„rken. šber die Fahrt des Schiffes unter d„nischer Flagge ist wenig bekannt, vermutlich, weil diese Jahre normal, ohne spektakul„re Ereignisse, verliefen. Abgesehen von einigen Reisen nach Nordamerika, Ostasien und Australien, war die "Sierra Morena" zusammen mit ihrem Schwesterschiff 190 berwiegend in der Linienfahrt zwischen Westafrika und franz”sischen H„fen eingesetzt. In der Hauptsache gab es Maschinengut in die eine Richtung und Sojabohnen, Palm”l und Zedernholz von eigenen Besitzungen der Familie Nissen in franz”sisch Žquatorial-Afrika in die andere Richtung zu transportieren. Mit Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 kam auch der Niedergang der 195 Atalanta-Reederei. Im gleichen Jahr verkaufte sie fr 35000 Pfund Sterling die "Sierra Morena" an die Hamburger Partenreederei Leonhardt und Blumberg, danach die anderen Schiffe an nicht bekannte Adressen. 1931 wurde die "Dansk skibsselskabet Atalanta" liquidiert. "Luise Leonhardt" ex "Sierra Morena" 200 Im Dezember 1929 war das Gesch„ft zwischen den Reedereien perfekt. Die Besitzer wechselten und damit auch Name und Flagge des Schiffes. Der gnstige, im Zeichen der Weltwirtschaftskrise ausgehandelte Preis von 35000 Pfund Sterling bescherte der Reederei Leonhardt und Blumberg ein solides und seetchtiges Schiff. Schon wenig sp„ter, im Januar 1930, setzten sie ihre 205 Neuerwerbung im Bereich der Trampschiffahrt ein. Welche H„fen die "Luise Leonhardt" dabei anlief, welche Ladung sie bef”rderte, ist nicht bekannt. Nur soviel ist fr diesen Zeitraun aus den Unterlagen ersichtlich, daá sie wegen einer Grundberhrung und den daraus entstandenen Sch„den im Juli-August des Jahres fr einige Zeit zur Reparatur in die Werft muáte. 210 Anfang November 1930, vielleicht weil die bisherige Antriebsenergie ™I zu teuer wurde, lieá die Reederei die Kesselbefeuerung von ™I auf Kohle umstellen. Mit dieser noch nicht eingefahrenen Anlage - sie erm”glichte dem Schiff nur eine stark reduzierte Geschwindigkeit von 5 1/2 bis 6 Seemeilen pro Stunde - trat die "Luise Leonhardt" am 23. November ihre Schicksalsfahrt 215 an. Wie seltsam das Leben ist: ber neun Jahre im Dasein des Schiffes gibt es kaum eine Seite zu berichten, die letzten 18 Stunden dagegen haben eine ganze Akte gefllt. Verstaubt und vergilbt liegt sie aufgeschlagen vor mir. šber die letzte Fahrt des Dampfers, von Anfang bis Ende minuti”s festgehal- ten, ist Folgendes zu lesen: Am 23. November 1930 sollte der Dampfer "Luise 220 Leonhardt" die Reise nach Searsport bei Portland antreten. In den Vortagen wurde die Ladung bergenommen, das Schiff auf seine Seetchtigkeit hin geprft und die Ausrstung berholt. Die Ladung bestand aus 5380 Tonnen Kainit. An Bunkerkohlen waren zun„chst 900 Tonnen bestellt, die in zwei Bunkerungen bergenommen wurden. Nachtr„glich wurden auf Bestellung des I. 225 Ingenieurs weitere 50 Tonnen bergenommen, um den Raum auszunutzen. Die Stores betrugen 40-50 Tonnen, der Vorrat an Frischwasser etwa 30 Tonnen, an ™I ungef„hr 0 50 Tonnen. Nach dem von Kapit„n Hoffnann unterschriebenen Lotszettel betrug der gr”áte Tiefgang des Schiffes bei Ausreise 23'4". Am Tage vor der Ausreise, dem 22. November 1930, wurden von der Deutschen 230 Seewarte folgende Seewetterberichte ausgegeben. Um 8 Uhr morgens: "Tief 732 zwischen Schottland und Sdnorwegen liegt ziemlich fest und bedingt weiter kr„ftige Zufuhr milder Sdwestluft. Aussichten Deutsche Bucht steife, sd- westliche Winde, ver„nderlich, m„áige Sicht." Um 19 Uhr abends: "Tief 732 Nordsee mit kr„ftigen sdlichen Ausl„ufern. Aussicht Deutsche Bucht: Starke 235 bis strmische sdwestliche bis westliche Winde, wolkig bis bedeckt, m„áige bis gute Sicht." Auáerdem wurde fr die westliche Ostsee und fr die ganze Nordseekste ei- ne Windwarnung (Signalball) von der Seewarte herausgegeben. Dieses Signal wurde am Abend des 22. November um 20.40 Uhr umge„ndert in: "Sdweststurm 240 rechtsdrehend" und von Norddeich aus unmittelbar nach dem Eintreffen, ferner um 22.00 Uhr (im Anschluá an den Seewetterbericht) sowie am 23. November um 6.15 Uhr verbreitet. Als am 23. November 1930 um 5 Uhr der Hafenlotse Schulz den in der Rethe liegenden Dampfer "Luise Leonhardt" besetzte, lief Flut; der sdwestliche 245 Wind (St„rke 7) war sehr b”ig. Nachdem das Schiff mit Schlepperhilfe gedreht worden war, wurde unter Assistenz des Schleppers "Emil" der Firma Petersen & Alpers mit langsam gehender Maschine aus dem K”hlbrand gesteuert. An der Ausfahrt nach der Elbe schor das Schiff nach Backbord aus und kam an der westlichen Kante de Fahrrinne an Grund. Es gelang aber bald, mit Hilfe des 250 nach hinten beorderten Schleppers und rckw„rts arbeitender Maschine den Dampfer wieder flott zu machen. Da die Grundberhrung Sch„den nicht verursacht hatte, wurde die Reise fortgesetzt. Gegen 16.30 Uhr bernahm der Patentlotse Heinrich Stehr das Lotsen der "Luise Leonhardt" und dampfte mit der Ebbe stromabw„rts. Im Verlauf des Vormittags nahm der Wind best„ndig zu. 255 Nach Berichten der Deutschen Seewarte meldeten am 23. November um 8 Uhr morgens: Borkumriff WNW Wind St„rke 8, Auáenjade NNW Wind St„rke 8, Cuxhaven WNW Wind St„rke 8, 260 Elbe I WNW Wnd St„rke 9. Um 9.30 Uhr wurde das Sturmwarnungssignal fr die westliche Ostsee und die ganze Nordseekste in "Nordweststurm" ge„ndert. (Auch die Sturmwarnung wurde von Norddeich unmittelbar nach dem Eintreffen und ferner um 11 .45 Uhr im Anschluá an den Seewetterbericht - sowie um 17.30 Uhr verbreitet). Um 11 Uhr meldeten 265 Borkumriff NW Wind St„rke 9, Elbe I WNW Wind St„rke 9, Borkum NW St„rke 9, b”ig ber 12, w„hrend um 14 Uhr Borkumriff und Auáenjade NW beziehungsweise WNW und St„rke 270 11 meldeten. Inzwischen passierte "Luise Leonhardt" um 11 .50 Uhr Brunsbttelkoog. Hier lagen mehrere haupts„chlich kleinere Schiffe vor Anker, um besseres Wetter abzuwarten. Der Lotse Stehr sagte zu Kapit„n Hoffmann: "Das beste ist, wir gehen vor Anker, wir k”nnen ja kaum mehr gegen die Flut und den Sturm an. 275 Und nach See werden Sie bei diesem Wetter ja doch nicht kommen." Der Kapit„n meinte aber, das Wetter h„tte nicht viel zu sagen, er habe soeben einen ganz guten Wetterbericht erhalten. Damit berreichte er dem Lotsen den von der Deutschen Seewarte am 3. November um 8 šhr herausgegebenen Seewetterbericht der Nordsee, der von 2 Norddeich um 11 .15 Uhr verbreitet worden war und wie 280 folgt lautete: "Vorhersage (gltig bis morgen Mittag): Sturmausl„ufer des Skagerrak-Tiefs berquert westliche Ostsee. Aussicht Deutsche Bucht: Strmische, rasch abflauende Nordwest- bis Westwinde, sp„ter weiter rckdrehend, wechselnd bew”lkt, sichtig anfangs Schauer." So wurde die Reise fortgesetzt. 285 Nachmittags wuchs der Sturm in harten Hagelb”en zum Orkan an. Der Dampfer "Luise Leonhardt", der erst vor der Ausreise statt ™lfeuerung Kohlenfeure- rung erhalten und dessen Maschine durch neue Leute besetzt war, fuhr mit 9 bis 10 anstatt 13 Atmosph„ren Druck und machte daher nur 5 1/2-6 Meilen Fahrt, so daá er nur langsam vorw„rts kam. Um 16.30 Uhr wurde Cuxhaven 290 passiert; der dortige Wind ??lan semaphor zeigte an: Helgoland NW St„rke 8-10, Borkumriff NW St„rke 9-11 . Unterhalb der Kugelbake ging wieder eine schwere Hagelb” ber das Schff. Der Lotse Stehr sagte nun zum wachhabenden I. Offizier, er verstehe nicht, daá der Kapit„n bei diesem Wetter und in der Nacht hinausgehen wolle, zum mindesten msse doch das Tageslicht abge- 295 wartet werden; der I. Offizier solle noch einmal fragen, was der Kapit„n wolle. Als daraufhin auch der Kapit„n auf die Brcke kam, war die Hagelb” gerade vergangen, aber von einem Abflauen des Sturmes konnte nicht die Rede sein; nach Ansicht des Lotsen konnte es "nicht doller wehen". Der Kapit„n sagte: "Es ist doch merkwrdig, wenn wir rausfahren, dann weht es, gleich- viel ob Sommer oder Winter, aber dieses Mal habe ich wenigstens einen guten 300 Wetterbericht und kann in absehbarer Zeit besseres Wetter erwarten." Dann wandte er sich an den I. Offizier und sagte ihm, die Anker k”nnen gelascht und die Klsen dichtgemacht werden; die wrden wohl nicht mehr gebraucht werden. Der Lotsendampfer lag etwas oberhalb "Elbe III" und lieá den Lotsen Stehr um 17.45 Uhr ausholen. Als Stehr von Bord in das Boot ging, rief er 305 dem Kapit„n nochmals zu: "Das beste ist, Ihr geht zu Anker." "Luise Leon- hardt" setzte die Reise aber fort. 2 1/4 Stunden sp„ter, um 20 Uhr, lief beim Schiffahrtsamt Cuxhaven folgende Seenotmeldung des Dampfers "Luise Leonhardt" ein: "SOS, SOS, SOS. Luise Leonhardt an Leona Hamburg. Ruder- kettenbruch, gr”áte Lebensgefahr, Elbe I. Hoffmann." Die sofort aufgenom- 310 mene Verbindung mit der Bugsier-, Reederei- und Bergungs- Aktiengesellschaft ergab, daá der Dampfer "Hermes" dieser Gesellschaft, der im Cuxhavener Hafen lag, dasselbe Telegramm bereits um 19.49 Uhr aufgefangen hat, um 19.52 šhr ausgelaufen war und dies um 19.54 Uhr durch Cuxhaven dem Dampfer "Luise Leonhardt" mitgeteilt hatte. Im Verlauf der n„chsten Stunden fand nun ein 315 lebhafter Funkverkehr zwischen "Luise Leonhardt", dem Dampfer "Hermes" und den Kstenfunkstellen statt, der von den Feuerschiffen "Elbe 1" und "Elbe 2" mitgeh”rt wurde. Um 20.05 Uhr meldete "Luise Leonhardt": "An Leona Hamburg - Ankerkettenbruch Schiff Grundberhrung, Hoffmann." Um 20.20 Uhr fragte sie bei dem Bergungsdampfer an: "Wie lange noch." Dieser antwortete: "Haben 320 "Elbe 4" passiert." "Hermes" hatte bereits eben unterhalb der Kugelbake sehr viel Wasser ber- nommen und wurde besonders nach Passieren von "Elbe 3" (um 21 Uhr) von schweren Brechern berflutet. Er ging aber mit gr”átm”glicher Geschwindig- keit seew„rts, immer durch die Funkstation des Dampfers "Luise Leonhardt" 325 zu gr”áter Eile angespornt. Um 21 .27 Uhr fing er den folgenden Funkspruch des Dampfers auf: "An Piper Otterbecksallee 3 - Hamburg. Ruderkettenbruch bei "Elbe 1". Backbordankerkette gebrochen. Schiff treibt auf Sandgrnde. Gr”áte Gefahr, beide Rettungsboote zerschlagen. Steuerbordanker h„lt noch, dauernde Grundsee. Rudergeschirr v”llig unbrauchbar. Schlepper "Hermes" 330 unterwegs. Hoffmann." Um 21 .36 Uhr passierte "Hermes" das Feuerschiff "Elbe 2". Als er nunmehr nach der genauen Position des Dampfers "Luise Leonhardt" fragte, antwortete dieser um 21 .56 Uhr: "Position Westspitze Vogelsand nach Peilung. Wir brennen Blaufeuer ab." Gleich darauf, um 22 Uhr, wurden die Notsignale der 335 "Luise Leonhardt" n”rdlich der Blinktonne Nr. 2 gesichtet. Als "Hermes" sich an diese Tonne herange arbeitet hatte, versuchte er, die Brandung zu for- cieren. Indessen wurde der Bergungsdampfer derartig von den Grundseen eingedeckt, daá die Schiffsleitung befrchten muáte, bei diesem Versuch Schiff und Besatzung aufs Spiel zu setzen lhne dem Dampfer "Luise Leonhardt" 340 Hilfe bringen zu k”nnen, muáte "Hermes" daher wieder tieferes Wasser aufsuchen. Er rief nunmehr funktelegraphisch das Cuxhavener Rettungsboot herbei und kreuzte selbst oberhalb der Unfallstelle, um etwaige šberlebende zu bergen. Eine funkentelegraphsche Verbindung konnte er trotz dauernden Anrufs mit "Luise Leonhardt" seit 22 Uhr nicht mehr herstellen. Un 22.50 Uhr 345 flackerte auf dem Dampfer fr kurze Zeit ein letztes Notsignal auf, dann konnten keine Lebenszeichen mehr gesichtet werden. Inzwischen hatten die Feuerschiffe "Elbe 1" und "Elbe 2", die um 19.50 Uhr den ersten Seenotruf des Dampfers "Luise Leonhardt" aufgefangen hatten, den Funkverkehr dauernd mit abgeh”rt. Auf "Elbe 1" hielten der Steuermann 350 Matthies und die wegen des schweren Wetters doppelt besetzte Wache sch„rfsten Ausguck und sichteten bereits um 20 Uhr in Richtung etwa r/w 68ø die beiden Topplichter eines Dampfers, der, nach der Stellung dieser Lampen zu urteilen, etwa SW Kurs anlag. Die Beobachter standen unter dem Eindruck eines zu Anker liegenden Dampfers, 355 der dauernd gierte, als ob er mit der Maschine zur Entlastung seiner Ketten arbeitete. Gegen 20.30 Uhr gingen die Topplampen aus Sicht. Gegen 21.30 Uhr wurden Richtung etwa r/w 79ø Notsignale, zwei Raketen und mehrere Blaufeuer gesichtet, was "Elbe 1" sofort an das Schiffahrtsamt Cuxhaven mitteilte. Als der Bergungsdampfer "Hermes" in Sicht kam, wurden abermals zun„chst Blau- 360 feuer, dann Rotfeuer gezeigt. Um 22.30 Uhr kamen nochmals die Topplampen fr kurze Zeit in Sicht; zuletzt wurden kurz vor 23 Uhr noch zwei Rotfeuer abgebrannt. Auf dem Feuerschiff "Eibe 2" wurden die ersten Notsignale des Dampfers "Luise Leonhardt" (Flackerfeuer und Raketen) um 20.30 Uhr [...] gesichtet 365 und hiervon sofort Mitteilung an das Schiffahrtsamt Cuxhaven gemacht. Von dem Versuch, das Rettungsboot von "Elbe 2" auszusetzen, muáte Kapit„n Clauser, der Fhrer des Feuerschiffes, Abstand nehmen. Der orkanartige Wind (St„rke 11) und die grobe See h„tten schon das Aussetzen unm”glich gemacht und die Besatzung in h”chste Lebensgefahr gebracht; auch war Kapit„n Clausen 370 der Ansicht, daá er durch die auf dem Groáen Vogelsand stehende Brandung nicht an den in Seenot befindlichen Dampfer herankommen k”nnte. Seine T„tigkeit blieb zun„chst darauf beschr„nkt, von seinen Beobachtungen Meldung zu erstatten. Gegen 22.50 Uhr sichtete er in der Richtung der Unfallstelle nochmals mehrere Blaufeuer und Raketensignale. Dann wurde nichts mehr 375 gesehen. Auf die Anforderung des Bergungsdampfers "Hermes" lief das in Cuxhaven liegende Rettungsboot "Ferdinand Laeisz" der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrchiger im Tau des Seezeichendampfers "Neuwerk" gegen 23.30 Uhr zur Unfallstelle. 380 Es passierte am Morgen des 24. November gegen Tagesanbruch "Elbe 2". Da jedoch Wind und Seegang so schwer waren, daá der Verlust des Bootes zu befrchten war, entschloá sich sein Fhrer bei "Elbe 2" umzudrehen und auf der Reede von "Elbe 3" Schutz zu suchen. Hier ging auch Dampfer "Hermes" vor Anker, nachdem er bis nach 24 Uhr oberhalb der Unglcksstelle gekreuzt 385 hatte. Gegen 7 Uhr stieáen beide Schiffe abermals vor. Da der Wind in den frhen Morgenstunden abgeflaut war und der Seegang daher ertr„glich wurde, gelang es dem Rettungsboot, sich in die N„he des Wracks heranzuarbeiten. Von diesem ragte nur noch das Maschinenhaus mit zwei Ventilatoren und ein Teil der Back aus dem Wasser; s„mtliche Aufbauten, der Schornstein und die Masten 390 waren von der See weggesplt. Das Hinterschiff schien hinter dem Mittelauf- bau abgebrochen zu sein. Der Zustand des Wracks lieá keinen Zweifel darber, daá Menschenleben auf ihm nicht mehr vorhanden sein konnten. Der Dampfer "Hermes" und das Rettungsboot muáten daher nach Cuxhaven zurckkehren ohne noch Hilfe leisten zu k”nnen. 395 Das Wrack des Dampfers "Luise Leonhardt" liegt in etwa 8 m Wassertiefe auf 54ø 1'31" Nord, 8ø 19'55" Ost, Es peilt von "Elbe 1 " r/w 80ø von der Leuchttonne 8 r/w 345ø und von "Elbe 2" r/w 302ø. Von der 30 K”pfe z„hlenden Besatzung des Dampfers ist niemand gerettet wor- den. Die Leiche des Kapit„ns Carl Hoffmann ist am 24. November 1930 um 11 400 Uhr in der Nordsee im "Sder-Piep" unweit Friedrichskoog von Fischern treibend gefunden und geborgen worden. Ferner sind die Leichen des Heizers Kaiser und des Messejungen Kahl von Bsumer Fischern gefunden und gelandet worden. Von de brigen Mitgliedern der Besatzung fehlt jede Spur." Soweit der knappe und sachliche Seeamtsbericht ber die letzten Stunden der 405 "Luise Leonhardt" und die eingeleiteten Rettungsmaánahmen. Der Funkverkeh im Funktagebuch des Feuerschiffes "Elbe 1" festgehalten, spiegelt die Dra- matik dieser Stunden noch einmal wider, besser, als man es mit eigenen Worten darstellen k”nnte. Otto May - Augenzeuge der Katastrophe 410 Der Cuxhavener Otto May, im November 1930 als Matrose an Bord des Schleppers "Hermes", erinnert sich nach 52 Jahren noch genau an das, was damals geschah: "Kurz nach sechs Uhr abends gingen wir zum Abendessen an Land, und zwar ins Seemannsheim in der Deichstraáe. Wir waren mit dem Essen gerade fertig, als die Nachricht von einem SOS-Ruf kam. Im Dauerlauf ging es zurck 415 an Bord. Wenige Minuten sp„ter waren wir dann mit dem "Hermes" schon auf dem Weg zur Elbmndung. Neben dem Kapit„n Jaspar von Riegen und der brigen Besatzung war der Bergungsinspektor Schuller an Bord. Nachmittags hatte ich ihn noch huckepack an Bord getragen. Schon kurz hinter der Kugelbake nahm unser Schlepper viel Wasser ber, es 420 ging nur noch langsam voran. Schlieálich waren wir dem Havaristen aber doch sehr nahe. Auf der Brcke des Schiffes konnten wir einige Leute sehen, sie winkten uns zu. Um uns den Weg zu weisen, hatten sie dort ein groáes Feuer gemacht. Wir hielten uns in einem Abstand von ca. 60 m zum Wrack, n„her konnten wir wegen der Kollisionsgefahr bei diesem Wellengang nicht ran. Die 425 Lage wurde fr uns selbst „uáerst gef„hrlich, als ein gewaltiger Brecher ber unser Achterschiff donnerte und dabei die Ruderanlage besch„digte." "Gott sei Dank", so erinnert sich der heute 73j„hrige Otto May, "hatte der Schlepper zwei Schrauben; mit denen konnte der Kapit„n das Schiff ersatz- weise steuern. Mal lieá er die eine drehen, mal die andere, so hielten wir 430 uns auf Kurs. H„tte der Schlepper nur eine Schraube gehabt, s„áe ich heute nicht hier. Steuerlos w„ren wir wie die "Luise Leonhardt" bald gestrandet und damit auch verloren gewesen." "Zur Behebung des Schadens beorderte mich der Kapit„n mit zwei anderen an Deck. Um an die Schadensstelle heranzukommen, muáten wir vorher eine dicke 435 Sisaltrosse beiseite r„umen. Bis wir die Ruderanlage wieder klar hatten, waren 1 1/2 Stunden Schwerstarbeit zu leisten, immer bis zum Bauch im Wasser stehend. Einmal paáte ich fr einen Moment nicht auf, wurde von einem Brecher erfaát und gegen die Reling geschleudert. Von dem Anprall bekam ich einen Riá in der Lunge und mein Nasenbein ging zu Bruch. Von der Lungenver- 440 letzung her muáte ich danach laufend Blut spucken. Da der Schlepper nicht n„her an das Wrack heran konnte, wollte Kapit„n von Riegen ein Boot aussetzen lassen, was der Bergungsinspektor Schuller als Kommandofhrer an Bord aber ablehnte. Er meinte, es w„re schade um die armen Leute auf der "Luise Leonhardt", aber man k”nnte bei diesem Sturm und Wellengang nicht 445 zus„tzlich Leben aufs Spiel setzen. Das Feuer auf der Brcke des Dampfers war inzwischen erloschen, auch sonst rhrte sich dort nichts mehr. Ohne etwas ausrichten zu k”nnen, sind wir dann zum Elbefahrwasser zurckgedampft. Am anderen Morgen suchten wir die Wrackstelle noch einmal auf; der Sturm war inzwischen vorbei. Vor der "Luise Leonhardt" gab es nicht mehr viel zu 450 sehen. Nur das Maschinenhaus, ein paar Ventilatoren und Teile der Back ragten noch aus dem Wasser, alles andere war weg. Wieder in Cuxhaven, muáte ich einige Tage sp„ter wegen meiner Verletzung von Bord des Schleppers abmustern." Die Katastrophe von Bord der Feuerschiffe "Elbe 1" und "Elbe 2" beobachtet 455 Der Untergang der "Luise Leonhardt" vollzog sich in Sichtweite der beiden Feuerschiffe. Trotzdem, keines konnte dem bedr„ngten Dampfer helfen. Die See war einfach zu grob, um Rettungsboote aussetzen zu k”nnen. So blieb den Feuerschiffsleuten nur eine Beobachterrolle in diesem Drama. Kapit„n Clausen vom Feuerschiff "Elbe 2" berichtete damals: "Um 19.50 Uhr 460 h”rten wir die Hilferufe "SOS" des Dampfers "Luise Leonhardt". Nach dem aufgefangenen Funkspruch hatte der Dampfer zwischen "Elbe 1" und "Elbe 2" Ruderkettenbruch erlitten und befand sich in einer sehr ernsten Lage. Der Wind wehte w„hrend der Zeit aus NW in einer St„rke zwischen 8-10 und die See war grob. 465 Um 20.30 Uhr sichteten wir die ersten Notsignale und zwar Flackerfeuer und Raketen. Die Aussetzung eines Rettungsbootes muáte ich leider sturmeshalber und wegen allzu grober See ablehnen. Um 21 .52 Uhr h”rten wir durch F.T. die letzte telegraphische Meldung. Gegen 22.50 Uhr sichteten wir in der Richtung der Unfall stelle mehrere Blaufeuer sowie Raketensignale, diese waren die 470 letzten Notsignal" der "Luise Leonhardt"." Bei Tagesanbruch am 24.11.1930 passierte der Tonnenleger "Neuwerk" mit Ret- tungsboot "Ferdinand Laisz" im Schlepp Feuerschiff "Elbe 2". Die rechtwei- sende Richtung des Wracks der "Luise Leonhardt" wurde vom Feuerschiff in N 58ø W gepeilt. Vom Wrack waren nur noch zwei Ventilatoren, das Maschinenhaus 475 und etwas von der Back sichtbar." Auch auf dem Feuerschiff "Elbe 1" war man durch den Hilferuf der "Luise Leonhardt" aufgeschreckt worden. Wachhabender war der Steuermann Matthies, ihm zur Seite standen die Matrosen Toll und Meyer. Gegen 20 Uhr sichteten sie in ”stlicher Richtung die Topplampen eines Dam- 480 pfers, der der Stellung der Topplampen nach auf etwa SW-Kurs lag. šberein- stimmend standen die drei unter dem Eindruck eines zu Anker liegenden Schiffes, das dauernd gierte, als ob es mit der Maschine zur Entlastung seiner Ankerketten arbeitete. Wenig sp„ter verschwanden die Lichter nach Aussage der Feuerschiffsleute wieder. In der Vermutung, daá die 485 aufgefangenen SOS-Rufe von diesem Schiff kamen, hielten sie scharfen Ausguck in Richtung der gesehenen Lichter. Eine Stunde weiter, gegen 21.30 Uhr, dann Notsignale in der beobachteten Richtung, zwei Raketen und mehrere Blaufeuer. Kurz darauf, mit In-Sicht- Kommen des Bergungsdampfers "Hermes", von dort nochmals Blaufeuer und 490 Rotfeuer. Laut Steuermann Matthies kamen um 22.30 Uhr fr kurze Zeit die Topplampen des Havaristen noch einmal in Sicht. Wie auf "Elbe 2" beobachtete man auf "Elbe 1" gegen 22.50 Uhr die letzten Notsignale der "Luise Leonhardt". Allerdings nicht wie auf dem Feuerschiff "Elbe 2", zwei Raketen und mehrere 495 Blaufeuer, sondern nur die zwei Raketen. Die Erkl„rung liegt in der unterschiedlichen Entfernung de Feuerschiffe zum Havaristen. Telegrafisch von Bord des Bergungsdampfers "Hermes" gemeldet, fand die Nachricht von der Schiffstrag”die in der Elbmndung schnell ihren Weg in die ™ffentlichkeit. Bereits am n„chsten Morgen, dem 24. November 1930, 500 berichteten Hamburger Zeitungen in groáen Sondermeldungen von dem Unglck.