W™RTER UND WENDUNGEN - SS 1994 - Dr. Wolfgang NŽSER Text 1: Allgemeine Bemerkungen und Definitionen (Version 1.3) ----------------------------------------------- Wie alle anderen Kultursprachen besitzt auch das Deutsche eine Flle von idiomatischen Wendungen (Phraseologismen), die im Sprachalltag einen groáen Teil der Kommunikation ausmachen: Die sind doch nur auf dein Geld *aus (=wollen nur dein Geld). Er hat sich benommen wie die *Axt im Walde /wie meine „lteste *Hose. Sie war dumm wie *Bohnenstroh /wie die *Nacht. Der Wagen ist unter *Brdern gut und gerne seine 30.000 Mark wert. Du hast dich aufgefhrt /benommen wie ein *Elefant im Porzellanladen. Als ich das h”rte, habe ich zuviel gekriegt (=habe ich beinahe die *Fassung verloren/bin ich fast ausgeflippt). Die Polizei war ihm schon auf den *Fersen. Der Kaffee schmeckte wie eingeschlafene *Fáe. Mit deinem ewigen Gejammer gehst du mir wirklich auf den *Geist. Das Haus ist nun doch noch unter den *Hammer gekommen (=versteigert worden). Das geht mir doch sehr unter die *Haut (=bestrzt mich ungemein). Was ich dir jetzt sagen will, brennt mir sehr auf den *N„geln. (* markiert das jeweilige "Kernwort" der Phraseologismen) N„heres zur Typisierung der Redewendungen finden Sie im neuen DUDEN-Band 11 (Mannheim u.a. 1992). Auáer den WENDUNGEN, die (als SYNTAGMEN) in beliebige S„tze eingebunden werden k”nnen, gibt es noch sog. SPRICHW™RTLICHE REDENSARTEN (besser: Aussprche): sie bilden in der Regel selbst„ndige S„tze, haben bisweilen Zitatcharakter und werden fast nur in gesprochener Sprache (teils nur im 'Slang') und meist zum Ausdruck des Erstaunens oder einer anderen Gefhlsregung verwendet: Abwarten und Tee trinken! Aller guten Dinge sind drei. Auch das noch! Auáer Spesen nichts gewesen. Bange machen gilt nicht! Bei dir piept's wohl! Da ist guter Rat teuer. Da kann man sich doch nur an den Kopf fassen! Da legst di nieder! (bayr.) Danke fr Obst und Gemse! Das gibt's doch gar nicht! Das h„ltst du doch im Kopf nicht aus! Das hat die Welt noch nicht gesehen! Das haut den st„rksten Eskimo vom Schlitten! Das ist das Ende der Fahnenstange. Das ist [nun] das Ende vom Lied (=das ist dabei herausgekommen) Das ist doch die H”he! Das ist ein starkes Stck! Das ist ein Wetter zum Eierlegen /zum Heldenzeugen. Das ist gebongt (=in Ordnung; vgl. DUDEN-Univ.-Wb. 276) Das ist gehupft wie gesprungen /Jacke wie Hose (=einerlei) Das kannst du dir abschminken. Das macht den Kohl auch nicht fett! Das paát wie die Faust auf's Auge. Das war Glck im Unglck. Da wird ja der Hund in der Pfanne verrckt. D e r Film l„uft nicht. Dich sticht wohl der Hafer! Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen. Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Du hast Ideen wie ein krankes Pferd /wie ein altes Scheunentor. Du hast wohl eine Meise [unter'm Pony]! Du hast wohl einen kleinen Mann im Ohr! Du kriegst die Motten! Ehre, wem Ehre gebhrt. Ende gut - alles gut. Es gibt viel zu tun - packen wir's an (/ lassen wir's sein) Folgen Sie mir unauff„llig. Geh mir aus der Sonne! Gut, der Mann! Hast du T”ne?! Hau ab mit Lobgesang! Herr Ober, bitte ein Besteck zum Kitzeln! [nach einem faden "Witz"] Holzauge, sei wachsam! Husch, husch, die Waldfee (=jetzt beeil dich gef„lligst ein biáchen) Ich glaub', mich tritt ein Pferd /knutscht ein Elch /streift ein Bus. Ich glaub', mich laust der Affe. Ich glaub', ich steh' im Walde. Ich glaube, bei dir ist der Wohlstand ausgebrochen! Ich habe die Nase [gestrichen] voll [davon]! Ich h”re wohl nicht recht! Ich werd' verrckt! Jedem Tierchen sein Pl„sierchen. Jetzt brat' mir einer einen Storch! Jetzt geht es an's Eingemachte. Jetzt geht mir aber der Hut hoch! Jetzt ist alles zu sp„t. Jetzt kommst du... (=jetzt bist du an der Reihe, was dazu zu sagen) Jetzt schl„gt's dreizehn! Klein, aber fein. Langer Rede kurzer Sinn: ... Leichter gesagt als getan. Mach's Fenster auf, laá Luft herein, der n„chste wird dir dankbar sein. Mach's halblang (=bertreib nicht so)! Mein Name ist Hase, ich weiá von nichts. Mensch Meier! Morgens Fango, abends Tango. Muá Liebe sch”n sein! Na, denn Prost! Neckermann macht's m”glich [Werbespruch] Nichts ist unm”glich - Toyota [Werbespruch] Nimm dein Bett und wandle /und gehe heim! Nimm ihm, sonst nimmt ihm Nachbar [scherzhaft "radebrechend"] Noch ist Polen nicht verloren. Nun woll'n wir uns mal ins Vergngen strzen! Ohne mich! Quatsch keine Opern /red kein Blech! Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln! Schluá, aus, [finito,] Feierabend! Sei kein Frosch! Selten so gelacht [ironisch] Sieh mal [einer] an! ...und wer kát mich? Verflixt in die Kiste /verflixt und zugen„ht! Was nicht ist, kann noch werden. Wetten daá? [nach einer TV-Sendung] Zum Ausdruck bestimmter SACHVERHALTE, AUFFORDERUNGEN etc. gibt es oft viele VARIANTEN (wie im folgenden fr "entferne dich"): *Mach 'n Abgang! Hau ab mit Lobgesang! Mach, daá du wegkommst! *Mach die Fliege /die Flatter! Nimm dein Bett und wandle /und gehe heim! *Schieá in den Wind! *Subtrahiere (=zieh ab)! *Verpiá dich! *Zieh Leine! *Zisch ab! [die mit * markierten Aussprche gelten als unfein /vulg„r] Die Grenze zum eigentlichen SPRICHWORT ist flieáend; dieses enth„lt in der Regel entweder eine (allgemeingltige) FESTSTELLUNG oder eine LEBENSWEISHEIT; Sprichw”rter sind - im Gegensatz zu den sog. APHORISMEN - das Ergebnis volks- tmlicher Satzkomposition; viele enthalten ALLITERATIONEN, REIME oder PARAL- LELISMEN, was auf oral tradierte Volks- bzw. Rechtssprache hindeutet. Aller Anfang ist schwer. Alter schtzt vor Torheit nicht. Auf einen groben Klotz geh”rt ein grober Keil. Aus den Augen, aus dem Sinn. Aus Schaden wird man klug. Den Letzten beiáen die Hunde. Der Apfel f„llt nicht weit vom Stamm. Der eine liebt die Mutter, der andere die Tochter. Der Klgere gibt nach. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Der Spatz in der Hand ist besser als die Taube auf dem Dach. Der Ton macht die Musik. Dummheit friát, Intelligenz s„uft. Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz. Ehrlich w„hrt am l„ngsten. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Ein guter Esel wird beizeiten grau. Einigkeit macht stark. Es ist nicht alles Gold, was gl„nzt. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Gehe nicht zu deinem Frst, wenn du nicht gerufen wirst. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Getretener Quark wird breit, nicht stark. Gleich und gleich gesellt sich gern. Glck im Spiel - Pech in der Liebe. Gut Ding will Weile haben. Hochmut kommt vor dem Fall. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Hunger ist der beste Koch. Im Wein liegt Wahrheit. In der Krze liegt die Wrze. In der Nacht sind alle Katzen grau. In der Not friát der Teufel Fliegen. Kleine Kinder, kleine Sorgen; groáe Kinder, groáe Sorgen. Kleinvieh macht auch Mist. Kommt Zeit, kommt Rat. Lgen haben kurze Beine. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Morgenstund hat Gold im Mund. Nach Regen kommt Sonnenschein. Not macht erfinderisch. Ohne Fleiá kein Preis. Papier ist geduldig. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Sauer macht lustig. Schadenfreude ist die sch”nste Freude. Stille Wasser grnden tief. Unrecht Gut gedeiht nicht. Unwissenheit schtzt vor Strafe nicht. Viele Hunde sind des Hasen Tod. Viele K”che verderben den Brei. Viele Wege fhren nach Rom. Vier Augen sehen mehr als zwei. V”gel, die zu frh singen, friát am Abend die Katze. Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Was du nicht willst, das man dir tu', das fg' auch keinem andern zu. Was H„nschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Was lange w„hrt, wird endlich gut. Wenn man nicht hat, was man liebt, muá man lieben, was man hat. Wer an der Krippe sitzt, segnet sich zuerst. Wer den Schaden hat, braucht fr den Spott nicht zu sorgen. Wer einmal lgt, dem glaubt man nicht. Wer hoch sitzt, kann tief fallen. Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Wer liebt, muá leiden. Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um. Wer wagt, gewinnt. Wie gewonnen, so zerronnen. Wie man sich bettet, so liegt man. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wo viel Licht ist, ist viel Schatten. Sprichw”rter waren aufgrund ihres belehrenden Inhalts frher ein fester Be- standteil der Kindererziehung: Gabel, Messer, Schere, Licht: taugt fr kleine Kinder nicht. Qu„le nie ein Tier zum Scherz, denn es fhlt wie du den Schmerz. Spiele nicht mit [dem] Schieágewehr, denn es k”nnt' geladen sein. Sp„ter entstanden eher sarkastische Sprichw”rter, die auf aktuelle Miást„nde aufmerksam machten nach dem Muster: Wenn [/weil] du arm bist, muát du frher sterben. Wie andere Kultursprachen neigt auch das Deutsche dazu, mit W”rtern und Wendungen zu spielen; das betrifft im lexikalischen Bereich die volkstm- lichen Metaphorisierungen von Begriffen wie etwa ZIGARETTE (-> Glimmstengel, Sargnagel, Lungentorpedo) und im phraseologischen die "Kunst" des WEGLASSENs oder TARNENs wie beim bekannten Ausspruch aus "G”tz von Berlichingen": Du kannst mich mal / Du kannst mich mal kreuzweise [zu erg„nzen: am Arsch lecken]. Du kannst mich mal gern haben /mich am Abend besuchen /mir im Mondschein begegnen Bisweilen werden WENDUNGEN "verfremdet": Im Schweiáe seiner Fáe [statt: seines Angesichts] ... Es fiel ihm wie Schuppen aus den Haaren [statt: von den Augen] oder Nonsens-Sprichw”rter werden gebildet - sei es durch Kontamination: Der Apfel f„llt nicht weit vom Birnbaum. Eine Stumme im Bett ist besser als eine Taube auf dem Dach (machohaft!) Homer ist, wenn man trotzdem lacht ["Schlag nach bei Shakespeare"] Lgen haben hbsche Beine. Morgenstund ist aller Laster Anfang. Spiele nicht mit Schieágewehr, denn es fhlt wie du den Schmerz. oder Neuformulierung sogenannter Binsen- und sonstiger Weisheiten: Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr [korrekt: sie]. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein: es muá auch Wurst und Schinken sein. Eine Kuh macht muh - viele Khe machen Mhe. Lieber ganz und gar als Ente und roh. Lieber sechs Stunden Schule als gar kein Schlaf. Lieber reich und gesund als arm und krank. Morgenstund hat Gold im Mund; wer l„nger schl„ft, bleibt auch gesund. Regnet's im Mai, ist der April vorbei. Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die *Wurstfabrik. Wer den Schaden hat, braucht fr den *Schrott nicht zu sorgen. Wer den Schaden hat, *spottet jeder Beschreibung. Was du nicht willst, das man dir tu, das tu auch nicht - was willst du denn? Wir wollen in fertigen (Lese-)Texten und Textbungen m”glichst viele neue, meist aktuelle, W”rter und Wendungen erarbeiten, damit Sie ber neue, zus„tz- liche Ausdrucksinstrumente verfgen. Die šbung richtet sich auch an jene, die im Rahmen ihres Fachstudiums wissenschaftliche Arbeiten anfertigen mssen und - auf terminologischem bzw. syntaktisch-stilistischem Gebiet - Schwierigkeiten haben. Haben Sie Probleme mit der Wortwahl (Lexik, Terminologie) oder dem Formulieren, dann fragen Sie mich bitte! Wenn Sie erg„nzende Fragen bzw. Probleme haben, rufen Sie mich bitte an (dienstl.: 283508 oder 282483, Fax 28-8936). E-Mail: naeser@papin.hrz.uni-marburg.de