W™RTER UND WENDUNGEN - SS 1994 - Dr. Wolfgang NŽSER Di 16-18 h, HS 6 * Sprechstunde; Mo 15-17 h, Deutscher Sprachatlas, Kaffweg 3 šbungstext 4 ------------ Musikalische Begriffe und Musik-Metaphern in deutschen Redewendungen (c) W. N„ser 1991-1994 Im folgenden finden Sie eine kleine Auswahl musikalischer Begriffe, die entweder "konkret" oder als sog. "Metaphern" (d.h. bildlich, bertragen verwendet) in die deutsche Phraseologie eingegangen sind: diese W”rter wurden zum Kern zahlreicher Wendungen, die, wenn besonders "drastisch", nur in gesprochener Sprache gebraucht werden. Auch und gerade hierin zeigt sich die Wesensverwandtschaft zwischen SPRACHE und MUSIK. Beide verwenden "strukturierten Schall", um Wirkungen zu erzielen, Botschaf- ten zu bermitteln. Schnell erkannten die Sprachteilhaber, daá mit "mu- sikalischem" Sprechen besonders groáe Wirkungen zu erreichen sind: die Propagandisten nutzen dies besonders. šbrigens: Gibt es in Ihren Sprachen „hnliche Wendungen? anstimmen: Es hat berhaupt keinen Zweck, jetzt Klagelieder anzustimmen; wir sollten uns lieber Gedanken machen ber die eigentlichen Ursachen unseres Stimmenverlustes (sagte der Parteivorsitzende nach der Wahl) Auftakt: Die Demonstration bildete den A. zu einer Reihe von Krawallen. Ausklang. Sein bewegenden Worte bildeten den A. (=harmonischen Abschluá) der gelungenen Veranstaltung. Einklang: Worte und Taten stehen in der Politik selten miteinander im E. Ist dieses Gesetz noch im E. mit dem Postulat [Forderung, Gebot] der Meinungsfreiheit? fl”ten: "Du bist mein Ein und Alles", fl”tete sie, doch er fiel nicht darauf herein. Der kann doch nicht dauernd so weitermachen; irgendwann wird man ihm wohl noch die Fl”tent”ne beibringen. Geige: Fr Verliebte h„ngt der Himmel voller Geigen. Du kannst hier nicht immer die Erste Geige spielen. Dem mssen wir mal ordentlich die Meinung geigen. Gesangbuch: Kein Wunder, daá der nicht [in seiner Karriere] vorankommt: er hat offenbar das falsche Gesangbuch [=Parteibuch]. Hit: Dieser Artikel ist in unserem Sortiment der absolute H. (=Schlager). Wir mssen Sorge tragen [= uns bemhen], daá Marburg den ersten Platz einnimmt auf der Hitliste der bundesdeutschen Universit„ten. Horn: Du brauchst nicht zu denken, daá es etwas ntzt, wenn du mit ihm immer ins gleiche H. tutest [dich in allem und jedem immer seiner Meinung anschlieát]. Intermezzo: Das bedeutete fr sie nur ein I. auf ihrem an H”hepunkten reichen Lebensweg. Klagelied: s. unter 'anstimmen' Klang: Dieser Name hat in der Fachwelt einen guten Klang. klimpern: Du wirst ihn nicht erobern, auch wenn du noch so (sehr) mit den Wimpern klimperst. Konzert: Wer wird den Ton angeben im K. des Europ„ischen Binnenmarktes? Komposition: Dieses Parfum ist eine K. aus kostbaren Essenzen Leier: Du hast uns das schon tausendmal erz„hlt. H”r endlich auf mit der alten Leier. Kannst du nicht mal 'ne andere Platte auflegen? Lied: Nach zwanzig Jahren lieáen sie sich scheiden, das war das Ende vom Lied. Es ist doch immer das alte Lied: zuerst werden die tollsten Wahl- versprechungen gemacht und dann werden die Steuern erh”ht. Wie es den Leuten in Bautzen ging? Davon kann ich ein L. singen. Marsch: Der war eben beim Chef, der hat ihm ganz ordentlich den Marsch ge- blasen. Miáklang: Diese Rede erwies sich als M. innerhalb der Bemhungen um Friede und Vers”hnung. mitschwingen: In seiner Rede schwangen leise Zweifel mit. Moll: "Romanze in Moll" (Titel eines deutschen Spielfilms) Musik: Da ist Musike drin (bewundernder Berliner Ausspruch) Wenn ich den Achtzylinder h”re, ist das Musik in meinen Ohren. Das h”rt sich ja an wie Katzenmusik! Du muát noch viel mehr ben! Ich habe mir gestern den Musikantenknochen gestoáen, das tat ganz h”llisch weh. Oper: Halt schon endlich den Mund; quatsch keine Opern. Orgel-: Die haben Kinder wie die Orgelpfeifen. orgeln: Drauáen blies ein starker Westwind; schlieálich war er zu einem Orkan angewachsen, das orgelte ganz frchterlich. Pauke: Ich habe noch immer einen dicken Kopf, ich glaube, wir haben gestern abend zu stark auf die Pauke gehauen. Weil er so stinkfaul war, ist er beim Physicum mit Pauken und Trompeten durchgefallen (durchgerasselt). pfeifen/ Der Meier von nebenan ist kurz vor dem Bankrott, er pfeift auf dem Pfeife: letzten Loch. Ich pfeife auf deine Versprechungen! Du h„ltst sie ja doch nicht! Ich dachte, er h„tte mir das Auto abgekauft, doch er hat mir was gepfiffen. Bevor er Unheil anrichten konnte, haben wir ihn noch rechtzeitig zurckgepfiffen. Wenn er denkt, alle tanzen nach seiner Pfeife, dann irrt er sich. Der ist vielleicht eine Pfeife! Eine totale Null! posaunen: Sag mal, muát du unbedingt das alles hier ausposaunen? Kannst du das nicht ausnahmsweise mal fr dich behalten? Primadonna [Erste S„ngerin an einer Oper]: Ich mag sie nicht, sie gibt [= be- nimmt] sich in unserer Gesellschaft immer wie eine P., und dabei ist sie doch auch nur ein ganz gew”hnlicher Mensch. Rhythmus: Sein Arbeitsrhythmus ist mir zu hektisch. Saite: Mein Kind will nie gehorchen; da muá ich demn„chst andere Saiten aufziehen. "[...] und will mich wer begleiten, da unten aus dem Saal, dem hau' ich in die Seiten und tret ihm auf's Pedal" (aus dem Chan- son "Ich bin die tolle Lola" in dem Film "Der blaue Engel" nach Heinrich MANNs "Professor Unrath") Sinfonie: Das Kleid war eine S. in blau. singen: Einer aus der Bande hat nicht dicht gehalten, er hat schlieálich gesungen und sie alle verpfiffen. Da geht er hin und singt nicht mehr. Ich bin der Neue, ich soll hier singen ("saloppe" Vorstellung) Wenn eine Festplatte startet, macht sie meist ein singendes Ger„usch. Dieses Theaterstck war sein Schwanengesang. Takt: In dieser Situation hat er es am n”tigen Takt fehlen lassen. Herzenstakt ist unabh„ngig von Bildung. Du solltest mehr Taktgefhl haben. Ich glaube, wir sollten mal ein paar Takte darber reden. Tanz: Wenn ich zu sp„t nach Hause komme, gibt es wieder einen T. Du brauchst nicht wieder so einen T. aufzufhren, ich lasse mich von meiner Entscheidung nicht abbringen. Ton: Der Ton macht die Musik (Redensart). Im Umgang mit deinen Untergebenen bist du zu poltrig, du solltest leisere T”ne/ eine andere Tonart anschlagen. Du hast dich wohl im Ton vergriffen [-> Saite!]. H”r mal, diese T”ne passen mir (aber) gar nicht! Hast du T”ne?! (erstaunter Ausruf) Das ist zur Zeit tonangebend in der Herrenmode. Der t”nt immer m„chtig, aber er hat nichts auf dem Kasten. Mach nicht so viel Ged”ns (=Get”ne) darum! "Ich sage die reine Wahrheit", versicherte er im Brustton der šberzeugung. Trio: Die Polizei kam dahinter, daá das T. [hier: die aus drei Mitgliedern bestehende Bande] schon mehrere Bankberf„lle verbt hatte. trommeln: Der Regeln trommelte so gegen die Scheiben, daá man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Du muát furchtbar nerv”s sein, warum trommelst du denn sonst andauernd auf der Tischplatte herum? Es wird dir nicht gelingen, alle zusammenzutrommeln: die meisten sind jetzt im Urlaub, und wir werden keine Beschluáf„higkeit erreichen. trompeten: Der trompetet immer ganz laut, wenn er sich die Nase schneuzt. vorsingen: Der Professor hat es unterlassen, hier vorzusingen (= einen Probe- vortrag zu halten); wom”glich hat man ihn deshalb hier nicht haben wollen (=hierhin berufen). Anm.: V. wird nur "salopp" verwendet! š b u n g e n ------------- 1. Lesen Sie die obigen Beispiele, erkl„ren Sie die "musikalischen" Rede- wendungen und versuchen Sie, diese durch andere zu ersetzen. 2. Kennen Sie weitere Redewendungen oder Sprichw”rter, in denen Musik- Metaphern auftreten? Haben Sie welche in der deutschen Literatur, bei der Zeitungslektre oder beim Anh”ren von Gespr„chen gefunden? Versu- chen Sie, unsere Liste zu erg„nzen!