1¾«ĒaĻÓÓŌÕÖSTANDARD.DFVTTY× šBUNGEN ZUR SCHRIFTLICHEN KOMMUNIKATION - WS 1988/89 - Dr. W. N„ser Unser A b s c h l u į t e x t [aus: DIE ZEIT v. 27.1.1989, berarbeitet] nimmt Stellung zur aktuellen Situation an bundesdeutschen Hochschulen. Neben seinem brisanten, provokatorischen Inhalt, ber den nachzudenken und zu diskutieren es sich lohnt, ist er ein Beispiel fr akademisch-intellektuell gepr„gten, im Wortschatz den Zeitgeist widerspiegelnden Zeitungsstil. ------------------------------------------------------------------------- Alle sagen: Uns fehlen Laborpl„tze, Stipendien und Buden. Und sonst fehlt nichts? In den Uni-"Streiks" wird wieder nach der gesellschaftlichen Aufgabe der Wissenschaften gefragt ŚÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄæ ³ E s g e h t u m m e h r a l s G e l d ³ ĄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄŁ šber die Zukunft der Universit„ten in der Risikogesellschaft Von Dietrich WETZEL "Wissenschaft und Forschung sind Investitionen fr die Zukunft!" - hinter dieser Parole aller Wissenschafts- und Forschungsminister lauert der brutale ™konomismus. Geld kriegt, was schnelles Geld verspricht. Andere, die mit dem Fluch sp„terer Geburt belastet sind, sollen sich um die Folgekosten kmmern. Technischer Fortschritt hat seinen Preis, und sei`s drum, daį er wie ein Blizzard die evolutionsgeschichtlich entstandene Artenvielfalt unwiederbringlich verheert. Nach uns die Sintflut. Das Wissenschaftssystem und in ihm die Hochschulen - sind sie nur noch dem Staat und der Industrie h”rig? Die Kriterien jedenfalls, nach denen sie von auįen gesteuert werden, sprechen dafr. Je relevanter fr Wirtschaftswachstum und Weltmarktkonkurrenz, umso gr”įer der Brocken. In die Weltraumforschung werden 25 Milliarden gesteckt, die toxikologische Forschung zur Entgiftung der Industrie erh„lt Kleckerbeitr„ge. Sogenannte Schlsselwissenschaften wie Materialwissenschaft, Biotechnologie und Informatik florieren mit staatlichen Aufputschmitteln, w„hrend die ”kologischen und sozialwissenschaftlichen Komponenten einer Technologiefolgenabsch„tzung mit symbolischen Betr„gen abgespeist werden. Wenn es berhaupt so etwas wie eine Leitzentrale der westdeutschen Hochschul- und Forschungsentwicklung gibt, dann sitzt sie in Japan. Die Technopolis des japanischen Industrieministeriums MITI ist Vorbild. In trister Eint”nigkeit werden dessen Blaupausen fr High-Tech abgekupfert. šberall die gleichen Schwerpunkte. Kein Bundesland mit unkonventionellen Ambitionen. Eine Generation wird betrogen Der wissenschaftliche ™konomismus treibt die Hochschulen in den chronischen, die allerorten diskutierte "šberlast" treibt sie in den akuten Ruin. Seit 1978 hat sich die Zahl der Studierenden um 70 Prozent auf heute 1,5 Millionen erh”ht. Im selben Zeitraum ist der Bestand an wissenschaftlichem Personal - Kliniken ausgenommen - sogar verringert worden. Mit anderen Worten: eine ganze Studentengeneration wird heute um die wissenschaftliche Ausbildung und Betreuung betrogen; die Lehre, das Prfungswesen und die Forschung in šberlastbereichen werden zur bloįen Farce. Nicht sch”ne Hochschulautonomie, sondern M„ngelverwaltung, wohin man schaut. Auch die Kritiker der herrschenden Wissenschaftspolitik mssen sich zun„chst einmal mit diesen aktuellen Engp„ssen herumplagen. Doch bereits in der Art und Weise, in der die Tagesprobleme der Hochschulen angegangen werden, k”nnen weiterfhrende Reformstrategien vorbereitet werden. In diesem Sinne war das vor vier Monaten von den GRšNEN vorgelegte Notprogramm gedacht: allein durch Bundesmittel sollten im Rahmen einer Bund-L„nder-Initiative binnen drei Jahren 9.000 Stellen fr wissenschaftliches Personal geschaffen werden. Die L„nder sollten „hnlich verfahren. Dies h„tte erste Spielr„ume fr Nachwuchs- und Frauenf”rderung, fr mehr Hochschulforschung und qualifizierte Studieng„nge geschaffen. Freilich nicht zum Nulltarif. Wenn Bund und L„nder das unbestrittene Defizit bei Personalstellen sprbar verringern wollen, dann mssen sie - wenn man die empirischen Daten zur šberlast ernst nimmt - bis 1995 wenigstens zehn Milliarden zus„tzliche Mittel zur Verfgung stellen. Die zwei Milliarden, die Bund und L„nder jetzt vereinbart haben, sind dagegen nur Feuerwehrmaįnahmen, die m”glicherweise den Fl„chenbrand etwas eind„mmen, aber keine Perspektiven er”ffnen. Nach langen Jahren sind die Hochschulen wieder zum Thema von Kabinettssitzungen geworden. Das ist ein Produkt der nackten Angst, daį vielf„ltige Frustrationen und die gegenw„rtige Streikwelle sich zu einer neuartigen, bundesweiten Revolte zusammenballen k”nnten. Ein Blick in den Hochschulalltag: der frustrierte Professor, der im Fnf-Minuten-Takt Prfungsgutachten verfaįt und als Forscher Absagen erh„lt. Eine junge Wissenschaftlerin, die sich bis zur Habilitation durchschlug und nun die endgltige Vergreisung und Pensionierung ordentlich-m„nnlicher Universit„tsprofessoren abwarten muį. Hineinregieren der Ministerialbrokratie in universit„re Fachbereiche und Institute. Studienordnungen, mit denen die wissenschaftliche Neugier und die Kreativit„t des Studierenden erstickt werden. Ein frustrierter Student, der durch miserable Studienbedingungen und Erwerbsarbeit ins vierzehnte Semester ger„t und sich M”llemanns Parolen zur Studienzeitverkrzung anh”ren darf. Studienanf„nger, die in Turnhallen bernachten und um Seminarpl„tze losen. Die aktuellen Streikaktionen in Berlin und anderswo haben jedem Bildungspolitiker for Augen gefhrt, mit welcher Schnelligkeit und Vehemenz solche Unruhepotentiale in wilde Gewitter und tiefgreifende Klimaver„nderungen umschlagen k”nnen. L„ngst geht es den Studentinnen und Studenten nicht mehr allein um Materielles, um Personalstellen, R„ume, Labors oder Bibliotheken. Sie sind in das eigentliche Zentrum einer Hochschulreform vorgedrungen und diskutieren das Was und Wie einer gesellschaftlich verpflichteten Forschung und Lehre. Aktiver Streik heiįt fr sie: die unfruchtbaren Routinen des Uni-Betriebs zu sistieren, um Reflexionszeit zu gewinnen. In Hunderten sogenannter autonomer Seminare wurden in diesem Wintersemester Probleme thematisiert, deren Aktualit„t und Brisanz auįer Frage steht. Sei es Gentechnologie, Klimakatastrophe oder der ganze Komplex der Absch„tzung und Bewertung von Technikfolgen, sei es Faschismus- oder Frauenforschung - mit Neugier und Wissensdurst gingen die Streikenden Themen an, die in den Vorlesungsverzeichnissen und Forschungsprogrammen der Hochschulen eine Randexistenz fhren und zum Spezialgebiet von Experten verkmmern. Die Forderung der boykottierenden Studentengruppen nach mehr Interdisziplinarit„t reagiert auf einen fachlich hochdifferenzierten Wissenschaftsbetrieb, der ”kologische und gesellschaftliche Perspektivenerweiterungen hartn„ckig blockiert. Auch unter hochschulpolitisch interessierten Intellektuellen rumort es. Wie die staatliche Hochschul- und Forschungspolitik einer ”konomistischen Leitorientierung folgt, so kreist der Diskurs der Intellektuellen um das historische Selbstverst„ndnis der deutschen Universit„t. Nicht zuletzt die Artikelserie der ZEIT im vergangenen Sommer hat dies deutlich gemacht. Die staatlichen Interventionen in Forschung und Lehre provozieren neue Pl„doyers fr "mehr Hochschulautonomie" (Mathias Greffrath). Die Dominanz der Lehre, die Auszehrung der Forschung in den Universit„ten, die Grndung auįeruniversit„rer Institute und Forschungseinrichtungen provozieren neue Pl„doyers fr eine "Einheit von Forschung und Lehre" (Kurt Biedenkopf). Die ins Extrem getriebene Spezialisierung der Forschungsprozesse provoziert neue Pl„doyers fr die "Einheit der Wissenschaften", fr interdisziplin„re Exkurse ber die "groįen Fragen" der Zeitgeschichte (Peter Glotz). Mit anderen Worten: mit der auf Zukunftsindustrien und Weltmarktkonkurrenz ausgerichteten staatlichen Hochschulpolitik geht eine Rckbesinnung auf Werte und Parolen einher, die allesamt aus der Tradition des deutschen Idealismus stammen. Erinnerungen dr„ngen sich auf. Da gab es doch schon einmal eine kurze, aber intensive Debatte ber das HUMBOLDTsche Selbstverst„ndnis der deutschen Universit„t. Damals, nach dem Untergang in die Barbarei, an der sich die Universit„ten so willf„hrig beteiligt hatten. Aus dieser Nachkriegszeit stammte doch jenes vielzitierte "Blaue Gutachten", das trotz allem von einer "im Kern gesunden deutschen Universit„t" sprach und damit alle Reformbemhungen abwehrte. Und immer noch, vierzig Jahre sp„ter, bei anderen Formen der Indienstnahme von Forschung und Lehre durch Staat und Wirtschaft, sollen die Humboldtschen Ideen einen Ausweg zeigen k”nnen? Diese Tradition hat nur noch eine rhetorische Existenz. Am Ende des 20. Jahrhunderts ist die Hochschul- und Forschungsentwicklung eine im ganzen ungeplante Resultante aus Entscheidungsprozessen, in denen der deutsche Idealismus nur die Begleitmusik zu wirtschaftsliberalen Imperativen spielt. Heute werden zwischen staatlicher Wissenschaftsverwaltung, brokratischen Wissenschaftsorganisationen, offen und verdeckt agierenden groįindustriellen und milit„rischen Lobbyisten alle relevanten Forschungsinteressen, Forschungsetats und Stellenpl„ne definiert und abgestimmt. Die Hochschulen - und brigens auch die Parlamente - k”nnen sich hier nur noch einpassen. Wo den Hochschulen noch enge Entscheidungsspielr„ume verbleiben, haben diese nichts mit Autonomie zu tun, sondern mit Antizipation: wofr gibt`s Geld? Immer wieder ist gerade im Forschungsbereich nachgerechnet worden, wie es um die Hochschulautonomie steht: ohnehin werden ber 60 Prozent des Forschungsbudgets der Bundesrepublik aus der Privatwirtschaft verausgabt, der Rest vom Bund und den L„ndern. Nur 12 Prozent aller Forschungsmittel stehen den Hochschulen zur Verfgung. Das hat auch damit zu tun, daį die staatlichen Forschungsmittel zunehmend in Richtung der auįeruniversit„ren Groįforschung wandern: innerhalb von 25 Jahren sank der Hochschulanteil von 39 auf 31 Prozent. So sind die Hochschulen, durchaus im Sinne konservativer "Deregulation", immer mehr auf die Einwerbung von Drittmitteln angewiesen. Der Anstieg der aus Drittmitteln finanzierten Forschung wiederum erh”ht die Auįensteuerung der Hochschulen. Kurzum: wo die korporatistische und brokratische Wissenschaftspolitik nicht direkt interveniert und den Hochschulen auch Spielr„ume bel„įt, dort sorgt Finanzknappheit defr, daį die Freiheit der Wissenschaft sich fein aufs Methodische und auf Vollzug beschr„nkt, daį sie nicht etwa ausufert auf neue Forschungsgegenst„nde. Es ist selbstverst„ndlich, daį jede Reform, die diesen Namen verdient, in Richtung auf mehr Hochschulautonomie und Einheit von Forschung und Lehre laufen muį. Aber diese Leitideen der klassischen Bildungsphilosophie sind heute v”llig neu zu interpretieren. Fichtes, Schellings und Humboldts leitender Gedanke, daį der Eigenverantwortung der Wissenschaft schlieįlich Mndigkeit, Fortschritt und soziale Wohlfahrt entspringen wrden, hat sich in den sozialen ”kologischen Katastrophen des 20. Jahrhunderts grndlich blamiert. Es ist ja nicht so, daį eine Reformpolitik, welche die Unabh„ngigkeit der Hochschulen und ihre Forschungsetats st„rkt, damit bereits notwendig die destruktiven Tendenzen des modernen Wissenschaftssystems zurckdr„ngen wrde. Zwar haben staatliche, milit„rische und industrielle Interessen immer wieder die Forschungsrichtungen in Natur- und Ingenieurwissenschaften bestimmt. Aber t„uschen wir uns nicht: es waren nicht etwa nur Zuckerbrot und Peitsche, was die Professoren und Doktoren der Physik und Chemie, der Biologie und Medizin antreiben muįte, wenn sie sich immer tiefer in ihre Spezialgebiete eingruben und dort nicht selten auf Erkenntnisse stieįen, deren Zerst”rungskraft heute vor aller Augen steht. Zum Spiel mit den kosmischen Feuern muįten sie weder dienstverpflichtet noch gekauft werden. Sie spielten auch aus eigenem Antrieb: aus wissenschaftlicher Neugier, die blind machte fr jedes Risiko und jede ethische Selbstbegrenzung: aus Nobelpreisambitionen und aus anderen Reputationsmechanismen der "scientific community" heraus; aus einer Wettkampflust, bei extremen Denkm”glichkeiten und Eingriffen in elementare Bedingungen menschlicher Existenz "der Erste" gewesen zu sein; aus Machtphantasien heraus, in denen die Beherrschung gigantischer Naturkr„fte ins Gesellschaftliche projiziert wurde. NEUE WISSENSCHAFT statt NEW AGE Wer oder was k”nnte garantieren, daį ein autonomes Wissenschaftssystem aus sich heraus Sperriegel und Blockademechanismen entwickeln kann; daį sich aus dieser Eigendynamik des natur- und ingenieurwissenschaftlichen Forschungsprozesses etwas „ndert? Gibt es innerhalb des Wissenschaftssystems - so w„re zu fragen - berhaupt Motive, die auf eine šberwindung der gef„hrlichen Aufspaltung in instrumentelle und kritische Vernunft dr„ngen? Auch die Geistes- und Sozialwissenschaften haben sich, was die Erkenntnis der ”kologischen und technologischen Bedrohungen angeht, nicht gerade als sensibel und reaktionsschnell erwiesen. Die etablierten Schulen und Institute sprangen mit einer Versp„tung auf den Zug, die nach Jahrzehnten gemessen werden kann. Wie k”nnen die natrlichen Lebensgrundlagen der Menschheit gesichert werden? Wie kann der Eigenwert der nicht-menschlichen Natur erkannt und vor dem technologischen und industriellen Expansionismus geschtzt werden? Es waren Outsider, es waren die ANDERS` und die ILLICHs der sechziger Jahre, die "groįe Fragen" aufwarfen und die - wenn sie berhaupt wahrgenommen wurden - von sozialtechnokratischen bis vulg„rmarxistischen Geistesgr”įen zun„chst als "Propheten" oder "Apokalyptiker" bel„chelt wurden. Nicht die mit geistes- und sozialwissenschaftlicher Intelligenz vollgestopften Universit„ten und Institute diesseits und jenseits des Atlantiks haben solche Fragen in Umlauf gebracht und das Schwungrad des zeitgeschichtlichen Diskurses angetrieben. Da muįte ein CLUB OF ROME kommen, um die ”ffentliche Meinung in Brand zu setzen. Und wenn solche und andere wenig akademische Zirkel von "vernetztem" oder "ganzheitlichem" Denken sprachen, dann schmunzelten die Wissenschaftstheoretiker, die Kybernetiker und Systemdenker: Tun wir doch! Ganz recht, sie taten es. Nur hatten ihre interdisziplin„r gestrickten Netze und Paradigmen den Nachteil, daį jene "groįen Fragen" durch sie hindurchfielen oder jedenfalls nicht zum Zentrum einer Gesamtreflexion des Wissenschafts- und des Gesellschaftssystems wurden. Sie hatten verschlafen. Wer oder was garantiert, daį diese strukturelle Neigung zum Verpennen in den Geistes- und Sozialwissenschaften kein Dauerzustand bleibt? Eine bessere Ausstattung? Gr”įere Autonomie? Weil das moderne Wissenschaftssystem eine groįe und vielf„ltige Mitverantwortung tr„gt an der Vergiftung von Boden, Wasser und Luft, an der Zerst”rung der Erdatmosph„re, an der gigantischen Aufrstung mit Milit„r- und Risikotechnologien, sind die Zweifel nur allzu berechtigt, ob ein autonomes und forschungspolitisch gest„rktes Wissenschaftssystem aus sich heraus die notwendigen Korrekturmechanismen entwickeln kann. Sicherlich, diese Zweifel und dieses Miįtrauen, die heute in einer radikalen Wissenschaftskritik zusammenflieįen, schlagen nicht selten in antirationale Einstellungen und Ideologien um. Die NEW-AGE-Bewegung, der astrologische Massenhokuspokus, die Renaissance spiritualistischer Sekten stehen dafr. Auf solche Formen einer popul„ren bis esoterischen, pseudowissenschaftlichen bis religi”sen Kritik w„re zu antworten: Wenn es um die Bew„ltigung destruktiver Tendenzen des modernen Wissenschafts- und Gesellschaftssystems geht, ist nicht die Abkehr oder Begrenzung von Vernunft und Wissenschaft gefragt, sondern ihre ”kologische und soziale Umorientierung. Selbst im extremen Fall, wenn es um die Grenzen des menschlichen Wissens geht, um die Nichtabsch„tzbarkeit der Folgen wissenschaftlicher und industrieller Eingriffe in den komplexen Evolutionsprozeį dieses Planeten, selbst dann stehen wir inmitten des wissenschaftlichen Diskurses und nicht auf dem Boden der Meditation oder der religi”sen Einsicht. Aber solche Verteidigungspositionen drften auch in Zukunft immer weniger den Attacken irrationaler Bewegungen standhalten, wenn es nicht gelingt, Instrumente zur Selbstkorrektur des Wissenschaftssystems zu etablieren. Glaube niemand, diese Gesellschaft h„tte schon die H”hepunkte irrationaler Regressionen hinter sich, wenn im Zentrum rationaler Diskurse, im Wissenschaftssystem, weiter die Voraussetzungen sozialer und ”kologischer Katastrophen produziert werden. Solange sich daran nichts Grunds„tzliches „ndert, ist der Zweifel nur allzu berechtigt, ob ausgerechnet ein autonomes Wissenschaftssystem der Ort ist, von dem aus eine Umkehr zu erwarten w„re. Hochschulautonomie und Ausbau der Hochschulforschung sind also h”chstens die halbe Antwort, wenn man nach einer reformpolitischen Alternative sucht. Die andere H„lfte hieįe: Voraussetzungen fr eine ”kologisch-soziale Selbstkorrektur des Wissenschaftssystems institutionalisieren; den politischen Rahmen und die finanziellen Ressourcen fr eine fortlaufende kritische Selbstreflexion in Forschung und Lehre st„rken. Gibt es Chancen fr eine Hochschulpolitik, die dieser Leitorientierung folgt? Der gegenw„rtigen Stimmungslage zum Trotz - es gibt sie. Quer durch die verschiedenen Institutionen, Parteien und gesellschaftlichen Gruppen hat eine oppositionelle Debatte begonnen, der sicherlich noch die politischen Verst„rker und Lautsprecher fehlen, aber gewiį nicht die Masse: eine in vielen Tages- wie Grundsatzfragen heute schon mehrheitsf„hige ™kologiebewegung: eine in allen universit„ren Disziplinen anwachsende alternative Wissenschaftskultur; eine immer gr”įere Zahl von Praktikern und Planern aus Wissenschaftsorganisationen und Verwaltungen, die dabei sind, den ”konomistischen Konsens der staatlichen Wissenschaftspolitik aufzukndigen. Hier kursieren Ideen und professionelle Konzepte einer Reformpolitik, die das Innenleben wie das Umfeld der Hochschulen umgraben wrden. Diese Ideen finden wir wieder in der streikenden Studentenschaft dieses Wintersemesters. Sie erlangen eine Antriebskraft, die den Verteidigungswall der konservativen Hochschulpolitik durchbrechen k”nnte. Was vor wenigen Monaten noch als "reine Utopie" bel„chelt wurde, steht jetzt auf der Tagesordnung der Politik. STUDIENREFORM: An den Paradoxien heutiger Studieng„nge hat sich trotz jahrelanger Appelle fr Interdisziplinarit„t nichts ge„ndert. Wie die Mehrzahl der natur- und ingenieurwissenschaftlichen Studieng„nge von ethischen und sozialwissenschaftlichen Grundfragen abgeschnitten bleibt, so ist die Masse sozialwissenschaftlicher Seminare oder Prfungsarbeiten ber "Risiken der modernen Groįtechnologien" durch naturwissenschaftlichen Dilettantismus charakterisiert. Darberhinaus beklagen Studierende aller Fachrichtungen immer h„ufiger bestimmte Defizite des Lehrangebots. Die ”kologischen, sozialen und friedenspolitischen Wirkungszusammenh„nge ihres eigenen Fachs und damit ihrer wissenschaftlichen Ausbildung werden nur ausnahmsweise Bestandteil des Studiums. RISIKOFORSCHUNG: Sei es in der Physik oder Chemie, sei es in den neuen Zweigen der Gen- oder Materialforschung, sei es in Forschungsbereichen von Informations- oder Kommunikationstechniken, es gibt buchst„blich keine Disziplin, in der Risikoforschung in einem angemessenen Verh„ltnis zur Innovationsforschung stnde. Gerade in der anwendungsorientierten Innovationsforschung muį die Politik Stellen und Mittel fr Risikoforschung verfgbar machen. Die Absch„tzung und Bewertung der Folgen einer Technik sollten sinnvollerweise bereits dort beginnen, wo diese Technik entwickelt wird - und nicht erst bei ihren Anwendern. HOCHSCHUL-UMWELTFONDS: Die methodische Ausdifferenzierung in den einzelnen F„chern ist inzwischen so weit fortgeschritten, daį vom Fach her kaum noch ein wissenschaftlicher Zugang zu komplexeren, beispielsweise ”kologischen Problemlagen m”glich ist. Das gilt sowohl fr die F„higkeit zu deren Frherkennung wie dafr, Probleml”sungswege zu entwickeln. Es w„ren daher Fonds einzurichten, aus denen die Hochschulen nach eigenen Kriterien fachbergreifende Forschungsvorhaben finanzieren k”nnten. Gerade jngeren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, in ihrer Generation und Lebenswelt sensibel geworden fr ”kologische Zerst”rungen, fehlen die M”glichkeiten, extreme Spezialisierungen ihrer F„cher zu durchbrechen. BERATUNGSFUNKTION FšR TECHNOLOGIEFOLGEN-ABSCHŽTZUNG: Derartige fachbergreifende Forschungsarbeiten w„ren nicht nur wichtig fr die Politikberatung. Die Kompetenzen sollten auch genutzt werden fr die Beratung regionaler Industrien, Verwaltungen, Verb„nde und Umweltorganisationen. Denn die Absch„tzung und Bewertung von Technikfolgen muį m”glichst weit unten und anwendungsnah erfolgen - bei den Betrieben und Verwaltungen der Region. Der bisherige Wissenstransfer der Hochschulen bezieht sich wesentlich auf Innovationswissen. Er muį durch den Transfer von Risikowissen erg„nzt werden. EXTERNE FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN: Selbstverst„ndlich haben die Hochschulen auch im Rahmen einer Reformpolitik nicht das Monopol auf ”ffentliche Mittel. Konkurrenz belebt das Gesch„ft, Immobilismus und Beamtenmentalit„t an den Hochschulen w„ren dem innovativen Druck hochschulexterner Gegen-Experten auszusetzen. So k„me etwa eine staatliche F”rderung der "Arbeitsgemeinschaft ”kologischer Forschungsinstitute" auch denjenigen zupaį, die Verkrustungen der Hochschulen von innen aufbrechen wollen. INTERVENTIONISMUS VON UNTEN: Im Alltag der Industriegesellschaften sind ausnahmslos alle Bev”lkerungsschichten mit ”kologischen wie sozialen Lebensrisiken konfrontiert, die einen immer gr”įeren Bedarf an Wissen aus erster Hand produzieren. Ob es hier um engagierte Einzelk„mpfer geht, um Brgerinitiativen, Umweltverb„nde oder Gewerkschaftsgruppen: ihnen mssen neue Rechte einger„umt werden, die Studien- und Forschungsm”glichkeiten der Hochschulen zu nutzen. Ein solcher "Interventionismus von unten" k”nnte ein Problembewuįtsein in die Hochschulen hineintragen, das so manche Schlafgewohnheit und Fachborniertheit im Wissenschaftsbetrieb empfindlich st”ren wrde. Wer die destruktiven Ausst”įe des Wissenschaftssystems blockieren und ihnen schlieįlich vorbeugen will, kann sich nicht auf das Hochschulsystem beschr„nken. Politische und gesellschaftliche Reformen sind notwendig (Mitverantwortung der Parlamente bei weitreichenden Innovationen, Volksentscheide mit Vetorecht, Mitbestimmung bei betrieblichen Investitionen), die weit ber den Rahmen einer Hochschulreform hinausgehen. Die Vorschl„ge machen deutlich: Es geht nicht darum, der Fiktion einer Zentralplanung der Wissenschaftsentwicklung zu folgen. Das w„re kein Ausweg. Vielmehr gilt es, die Chancen fr eine Selbststeuerung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu vergr”įern. Einer Selbststeuerung, die ”kologischen, humanen und demokratischen Kriterien gerecht wird. Den rechtlichen und finanziellen Rahmen fr eine solche Selbststeuerung zu verst„rken, ist eine politische Aufgabe. Freilich: auch ein solcher reformpolitischer Weg muį scheitern, wenn er nicht in einen kulturellen Wandel eingebettet ist. Innerwissenschaftliche und fachpolitische Debatten allein helfen hier nicht weiter. In einer hochtechnisierten und verwissenschaftlichten Welt kann die Aufgabe, die Grenzen und Anwendungsfelder der Wissenschaft neu zu bestimmen, nur durch ”ffentliche Debatten ber die wnschenswerte Zukunft dieser Gesellschaft gel”st werden. Es geht um eine gesellschaftliche Selbstaufkl„rung, die weder an das Wissenschaftsystem noch an die Politik delegiert werden kann. -------- Zum Autor: Dietrich WETZEL, MdB/Die Grnen, 52, Diplomingenieur und Sozialwissenschaftler, ist Vorsitzender des Bundestagsausschusses fr Bildung und Wissenschaft, Mitglied im Ausschuį fr Forschung und Technologie. -------- Zum Text: bis auf einige stilistische Korrekturen ist der volle Wortlaut abgedruckt. Es w„re eine reizvolle Aufgabe, die stark akademisch-intellektuelle, von zahlreichen Fremdwortbildungen gepr„gte Diktion des Textes in "allgemeinverst„ndliches Deutsch" zu bertragen. Als Hilfe hierzu wird erg„nzend eine alphabetische WORTLISTE gegeben. (c)Bearbeitung: WN 28011989 €—xM’’ˆv‘’’’tĆ’’ÅrĒ’’p’’!m}’’j ’’«g+’’incmH+CxH’’\u^’’mrr’’}oó’’ l$ ’’6 i@ ’’P fĒ’’ęcń’’inńx ’’$u4’’irż’’o~’’ŒlŽ’’ži»’’ēfš’’c,’’in,Axå’’ uČ’’Śrß’’ņo!’’@!l(’’&(iÖ(’’ń(f+’’,+c1+’’in1+P+x’+’’,u/,’’9,r;,’’F,oK,’’\,læ-’’Ź-iĢ-’’Ų-fŻ-’’ō-c 1’’in 1g1xM2’’j2u3’’Ń3r+5’’V5ov5’’ž5l:’’C:i‡:’’©:f‚;’’§;c°;’’in°;Ģ;xā;’’<u¢<’’·<r=’’3=o^=’’ˆ=lB?’’i?ixA’’ AfwC’’‰CcŽC’’inŽC«CxāD’’Eu F’’!FrŲF’’čFoG’’>Gl¹G’’õGipK’’–KfL’’rLcĖM’’inĖMŚMxN’’Nu+N’’ANr„N’’ŲNoQ’’3QlZT’’sTiIU’’UUfZU’’lUc™X’’in™XŖXxFY’’[YuZ’’7ZrYZ’’wZoyZ’’¦Zl\’’\i!\’’(\f-\’’;\c)]’’in)];]xõ]’’#^u©^’’Ķ^rĒa’’wZoyZ’’¦Zl\’’\i!\’’(\f-\’’;\c)]’’in€ČxŹxAxŒx–xKxMxŠ’’Ē’’’’’’I’’K’’u’’w’’ruµ u· uÖ u<<Ö Ų xe xˆxQxx xBxćx— x/#x¶*xŅ,x’1x2x"2x$2xÜ3xh8x;xĖ<x<Ė<Ķ@xpCxExĪIxÖLxQOx,Rx‡Tx†Vx5YxęZxÉ\x _xI_x$`xM`v¦asØas;xĖ<<<ØaĒayČa’’ExĪIxÖLxQOx,Rx‡Tx†Vx5YxęZxÉ\x _xI_x$`xM`v¦asØas;xĖ<<<ŅƒC_7’’Š‹9nƒ.ž@sLtuSuS`Yn¶g†`Wo“eKsXtŽaåicaY^ o eŽbUaco;cUnŽiZa bu@Ga€iHa’’’’o)i e*h#`)sza%lr)te1i'au$iEa8ss&e6ttļkl@rJn2 ü¬!\3EEXeaKeAbGlPnL`.b”eBgMaNmUaCteRulOiHi`iz_mT (1.28.88 1.8.80 Gamcrra0n/n%lmief]igsŒiokkZtjnz`3iomtipns„amtyiu`5ownƒh‡c~a}l€a…`7l‰h‹a†coi lŽea•f‘iEcrxk_tˆf©ola–r“