1¾«§8swwwwwSTANDARD.DFVTTYx Doppelmoral: Wenn der b”se Zeitgeist... oder: Hinter jeder Ecke lauern ein paar Richtungen! von Lambert Hilkes [leicht gekrzt aus: VITROHM- Nachrichten 52 (November 1988), S. 3-6] Brgerliche Verlogenheit beherrscht in einem groįen Teil unseres Jahrhunderts Roman und Drama der anspruchsvolleren Art. Obwohl unser Jahrhundert wie kaum eine frhere Epoche eine Zeit rasanter politischer Entwicklungen war, f„llt auf, daį um politische Verlogenheit ein schchterner Bogen geschlagen wird. Schon der Terminus "Verlogenheit" fhrt allgemein zu seelischen Schauern. Der jeweilige Chronist, selbst wenn er von der angeblich so harten "Spiegel"- oder "Stern"-Sorte ist, bescheidet sich - und nicht etwa aus sprachlicher Schamhaftigkeit - lieber mit der scheuen Frage nach der Glaubwrdigkeit. Letztere bejaht oder verneint man grunds„tzlich, je nachdem, wie es gerade "weltanschaulich-politisch" in den Kram paįt und opportun erscheint. Klartext: wenn einem die ganze Richtung paįt, gibt es dort nur Glaubwrdigkeit. Opponieren und Infragestellen dagegen bedeuten immer, grunds„tzlich die Glaubwrdigkeit zu verneinen. Ist es da verwunderlich, daį eine Seite auf die vermeintliche "linke Kampfpresse" eindrischt, w„hrend die andere angeekelt von "Hofberichterstattung" und "Presse des konservativen Wohlverhaltens" spricht? Dies alles - wohlgemerkt - in negativstem Sinne gemeint! Nun kann man ja wohl keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken mit der Feststellung, Politik sei ein schmutziges Gesch„ft. Das meint inzwischen auch der letzte Depp. Aber nachdenklich macht die Sache. Erwarten wir nicht, daį unsere Politiker so treu und redlich sein sollten wie wir alle? Schlieįlich bilden die "Volksvertreter" doch einen repr„sentativen Querschnitt durch uns, eben dieses Volk. Die Antwort lautet: ja, selbstverst„ndlich! Aber: wir sind nicht treu und redlich! Insofern repr„sentieren unsere Politiker exakt die tats„chlich existierende Moral. Im Editorial im letzten Maiheft hat der "Stern" verdienstvollerweise dieses Thema aufgegriffen. Dort wird unter anderem zum Ausdruck gebracht: "Rechts wird der Werteverlust beklagt - und das Geld an der Steuer vorbei in die Schweiz geschoben. Links wird der Bullenstaat gehaįt - und keine Finesse ausgelassen, um auch die letzte Mark aus seinem sozialen Netz herauszuholen." Doppelmoral wie sie leibt und lebt. Auch in Deutschland herrschen inzwischen levantinische Verh„ltnisse. Oder k”nnen Sie sich erkl„ren, wie es zu einer immensen Schwarzmarktwirtschaft kommen k”nnte, wenn keine Auftraggeber vorhanden w„ren? Kennen Sie zuf„llig jemanden, der seinen G„rtner oder seine Zugehfrau netto auszahlt? Oder sich am Wochenende schnell eben am Haus was richten l„įt? Sie wissen schon, was gemeint ist! Hat derjenige denn auch schon einmal gespr„chsweise, wenn das Thema anstand, darauf hingewiesen, daį er Schwarzarbeit ganz prima und in hohem Maįe fr sich pers”nlich vorteilhaft findet? Wohl kaum. Und wenn das Thema "Arbeitslosigkeit" auf den Tisch kommt, legt er wie jeder andere die Stirn in Falten und fragt rhetorisch: "Was soll man sich da bloį noch einfallen lassen?" Sehen Sie, wenn schon Moral, dann bitte die doppelte. So werden aus individuellen "Kavaliersdelikten" volkswirtschaftliche Kapitalverbrechen! "Žrzte bereichern sich auf Kosten der Kassen, Brger auf Kosten des Finanzamtes, Staatsdiener auf Kosten des Staates, Politiker auf Kosten des Gemeinwohls", behauptet der "Stern". Gegenargumente? Fehlanzeige. JEDER DENKT NUR AN SICH. BLOSS ICH DENKE AN MICH. So haut einen, in diesem Lichte gesehen, beispielsweise die neuerliche Diskussion ber den Bedarf an "Aufwertung" der nichtehelichen Gemeinschaft vom Hocker. Leute, die die Ehe und die zugeh”rigen Rechtsverbindlichkeiten ablehnen, wollen in freier Gemeinschaft zusammenleben. Pers”nliche Freiheit, bitte sehr, in Ordnung. Dann aber pers”nliche Freiheit in aller Konsequenz. Stattdessen wird gefordert, daį der Staat, wenn es zur Trennung kommt, mit Rechtsgarantien zur Stelle ist und Sicherheit bietet. Ein Volk, das sich wie kaum ein anderes auf der Welt um das Wohlergehen der Tiere sorgt, duldet eine unbegrenzte Anzahl von Schwangerschaftsabbrchen. Das Schoįhndchen und das ungeborene Leben - wo bleibt die moralische Wertigkeit? Halten Sie es fr gesichertes Wissen, daį sich die bunte Welt der "Szene" (Bands und Knstler im weitesten Sinne) ebenso den Kopf vollknallt wie die unter ach so groįem Leistungsdruck stehenden Sportler den K”rper? Wieso das heuchlerische Erstaunen, wenn einer erwischt wird? Apropos Sport: "Wer einen anderen k”rperlich miįhandelt oder an der Gesundheit besch„digt, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft" ( 223 StGB). Aber ein Stck Showbusiness, lies: Boxsport, gilt als so wertvoll, daį man die zugeh”rige Doppelmoral gern in Kauf nimmt. Ein sehr anschauliches Beispiel liefert auch die WELT AM SONNTAG vom 9.10.1988: "Zwei Tage vor der Abschluįfeier der Olympischen Spiele schwebte Tagesthemen-Moderator Hanns-Joachim Friedrichs, 61, Erster Klasse (Flugpreis: 12.246 Mark) in Seoul ein. Er wohnte im Hotel "Capital" (367 Mark pro Nacht), verbreitete in der TV-šbertragung 150 Minuten Belanglosigkeiten von der Schluįfeier und flog wieder nach Deutschland. Gemeinsam mit den 38 ARD-redakteuren, die schon in Seoul gewesen waren, ehe Friedrichs eintraf. šbrigens: derzeit werben die ™ffentlich-rechtlichen Anstalten um Verst„ndnis fr eine Erh”hung der Rundfunk- und Fernsehgebhren." Host mi? fragt der Bayer. Noch ein Beispiel von erheblicherer Tragweite. Aufgrund der faszinierenden und zweifellos auch be„ngstigenden M”glichkeiten der Gen-Technologie ist es ganz natrlich, daį sich die ”ffentliche Diskussion mit diesem Thema besch„ftigt. Bemerkenswerterweise kommen die lautesten Warnschreie genereller Ablehnung aus exakt der gleichen Ecke, die Schwangerschaftsabbrche bis zum letztm”glichen Moment gutheiįt und programmatisch die entsprechende Legalisierung fordert. Mord ungeborenen Lebens - ja, Zelleingriffe zu einem Zeitpunkt, wo von Leben noch nicht die Rede ist - nein. Der Grund: Schwangerschaftsabbrche dienen der pers”nlichen Bequemlichkeit, Gentechnologie ist "Manipulation durch den herrschenden Machtapparat". Trotz aller Bedenken gegen Gentechnologie wegen eventuellen Miįbrauchs: DOPPELMORAL kann also bis an SCHIZOPHRENIE heranreichen. Da ist der Biedermann, der die Gewalt in aller Welt beklagt und im n„chsten Augenblick seinem Kind eine herunterhaut. Oder jener, der bei akuten Energiekrisen zu denen geh”rt, die Tempo 100 auf Autobahnen fordern, aber, wenn der Schreck nachl„įt (oder auch schon vorher) mit 180 ber die Autobahn dst. Und auch jener, der ber die zunehmende Unmoral greint, aber nichts dabei finden kann, zu Hause Bromaterial aus der Firma zu verbraten. Diese Beispiele zeigen, wie eng VERLOGENHEIT, HEUCHELEI, OPPORTUNISMUS, SCHIZOPHRENIE, LšGE und KORRUPTION zusammenliegen. Alle mnden sie in DOPPELMORAL. Alle nehmen aber auch ihren Anfang in doppelter Moral. Es ist ganz logisch, daį wir Volksvertreter haben, die wir verdienen; denn der Zustand der ”ffentlichen Moral widerspiegelt den Verfall unserer individuellen Moral: Zahlungs-, Arbeits-, Steuer-, Spesenmoral haben neue Inhalte. Aber sind wir ein Volk von "Trickbetrgern" (Enzensberger) geworden? Zitat des besagten "Stern"-Editorials: "Ist es die Genuįsucht sp„tkapitalistischer, postmoderner Gesellschaften? Ist es die Permissivit„t von V”lkern - es grįt das antike Rom - auf dem Abstieg? Ist es diese Zeit der groįen Unbersichtlichkeit, in der keiner weiį, wie die kommenden Krisen zu bew„ltigen sind, und jeder sein Sch„fchen rechtzeitig aufs trockene bringen will? Was immer es ist - es ist ein sehr demokratisches Etwas. Es hat ohne Ansehen der Person die Groįen erfaįt wie die Kleinen, die Gewerkschaften wie die Unternehmer, die Wohlfahrtsverb„nde wie die Parteien." Womit wir wieder bei der Politik angekommen sind. SIND POLITIKER DOPPELT MORALISCH? Nun soll man nach oben Gesagtem bloįį nicht glauben, die armen Politiker seien geradezu die Opfer der Doppelmoral der von ihnen repr„sentierten Brger. So ist das nun wieder auch nicht. Schlieįlich haben die Parteien einen Verfassungsauftrag, der unter anderem bedeutet, daį Politiker entsprechende Leitbildfunktionen wahrnehmen mssen. Doch bei n„herer Betrachtung zeigt sich, daį Doppelmoral in der Politik nicht in derselben Normalverteilung wie in der Bev”lkerung auftritt, sondern in erheblich h”herer Konzentration. Wie in der Unterzeile der Leitartikelberschrift bereits vorformuliert: hinter jeder Ecke lauern ein paar Richtungen! Ein Politiker, der etwas auf sich h„lt, muį angeblich immer an der Spitze jeder neu sich auftuenden Bewegung stehen. Es soll frwahr nichts Schlimmeres geben, als auf dem Weg in eine andere als die Mehrheitsrichtung unterwegs zu sein und dabei erwischt zu werden. So kommen wir auf die Verknpfung zwischen DOPPELMORAL und ZEITGEIST. W„hrend bei der individuellen Verlogenheit die Doppelmoral berwiegend und gradlinig der pers”nlichen Vorteilsnahme entstammt, geht es bei den Politikern zwar auch letztlich um pers”nliche Vorteilsnahme, aber ber den Umweg der Zeitgeisth”rigkeit. Dieses bedeutet im wesentlichen: der Politiker hat nicht etwa Grunds„tze, die er verfolgt und fr die er Mehrheiten sucht, sondern er schaut aus nach Mehrheiten, die ihn in Amt und Wrden hieven. So kommt es schon durchaus vor, daį jemand auf h”chster politischer Ebene erscheint, ohne bisher auch nur die geringste sachliche Wirkung erzielt zu haben. Wer es allen recht macht und an den richtigen Stellen nickt, wird politisch erfolgreich sein. Deshalb stellen soviele Politiker ebenso vollmundig wie unfundiert wandelnde Lippenbekenntnisse dar. MIT TRšFFELSAUEN AUF STIMMENJAGD Sehr bewuįt wird diese amorphe Charakterlosigkeit in Momenten wie diesen, da politisches Urgestein wie eben Franz Josef Strauį die Bhne verlassen hat. Theo Sommer hat in der "Zeit" die beste Formulierung gefunden: "Kein Maį, kein Mittelmaį". Wehner, Brandt, Schmidt, Kiesinger - das barocke wie das hanseatisch-weltm„nnische Element sind weg. Bei der CSU kommen neue Gesichter nach vorn, aber ob es auch neue K”pfe sind? In jeder Partei kann jemand Vorsitzender werden, dessen polizeiliches Fhrungszeugnis ihn nicht berechtigt, st„dtischer Busfahrer zu werden. Damit ist nichts gegen st„dtische Busfahrer, aber alles gegen diese Person gesagt. In der SPD wird derjenige, der programmatischen Fortschritt bringen k”nnte, zumindest vorl„ufig noch den Gewerkschaften geopfert. Wer oder was rechtfertigt eigentlich diese unheilige Allianz aus einer Partei und der Gewerkschaft? Gut vorstellbar, welches Gebrll einsetzen wrde, wenn der Arbeitgeberverband der CDU vorschreiben wollte, was sie denken darf. Dazu der Kalauer der Woche: Zeitgeist ist, was einem mit der Zeit auf den Geist geht. Und mit der Zeit geht der Geist. Oder geht der Geist mit der Zeit? Mangel an Pers”nlichkeiten und Programmen kann kein Parteimanager ausgleichen. Kein Wunder, daį Geiįler die Trffels„ue ausschickt, die noch diesen oder jenen aufschnffeln, der ein Stimmchen fr die Partei bringen k”nnte. PROSTITUTION KENNT VIELE FORMEN. Nun hat zwar auch Peter Glotz recht: "Die brutalen Probleme dieser Welt werden nicht dadurch gel”st, daį Politiker nicht mehr mit Fotomodellen schlafen, ihre Einknfte halbieren und nur noch in der Business-Class fliegen." Aber es mįte jeder ein Stck individueller Verlogenheit aufgeben, damit die allgemeine moralische Hemmschwelle wieder gehoben wird. "Ein biįchen weniger Gegensatz zwischen dem, was gesagt und getan wird", schreibt der "Stern". H”rt, h”rt! VIELES IST UNGEHEUER, ABER DAS GR™SSTE UNGEHEUER IST DER MENSCH. Solange die politischen Funktion„re wie in der arg strapazierten schleswig-holsteinischen CDU nach Barschel nur umtriebig und emsig sind wie vor Barschel, bleiben sie in den Augen des Brgers Schaumschl„ger und Fassadenkletterer. Ein langj„hriges Parteimitglied in der inneren Emigration hat einen Hoffnungsschimmer formuliert: "Durch das tiefe Barschel-TAL sind wir gewandert, den hohen Stolten-BERG werden wir auch noch berwinden!" Recht hat er, denn ohne Vergangenheitsbew„ltigung ist keine fundierte Neuorientierung m”glich. Somit kann es nicht nur dieser Partei passieren: am n„chsten Sonntag sind Wahlen, und keiner geht mehr hin. šber die schleswig-holsteinische CDU hinaus sind es fnf wesentliche Forderungen, die an eine Partei zu stellen sind, um das Schielen auf den Zeitgeist und die damit verbundene Doppelmoral in ersten Ans„tzen zu berwinden. FšNF ABSOLUTFORDERUNGEN AN EINE PARTEI Es ist dringend erforderlich, was Helmut Kohl als Oppositionsfhrer so h„ufig eingeklagt hat: geistige Fhrung. Die geistig-moralische Wende war keine. Nachbesserungen sind erfolglos versucht worden. Die alte Politik des reinen Machbarkeitswahnes muį reduziert werden auf eine christliche Dimension. Das Grundsatzprogramm der CDU, wenn man es kennen und beachten wrde (wie z.B. mehr und mehr Oskar Lafontaine), gibt hierzu alles Notwendige her. "Eine Politik der ”konomischen Bescheidenheit und ”kologischen Achtsamkeit statt einer Politik von immer mehr wirtschaftlichem Wachstum zu Lasten der Umwelt" (Franz Alt). Derartige ethische Umbesinnung verlangt Vorgabe von Grunds„tzen, nicht das Abklappern von W„hleroasen [...]. Zu deutsch: geistig-moralische Substanz, die zu entsprechender Fhrung legitimiert. [...] Nicht das reichlich vorhandene Gut Arbeit muį versteuert werden, sondern die grunds„tzlich begrenzt vorhandenen Konsumgter. [...] Verteidigungspolitisch unsinnige und abrstungspolitisch unverantwortliche Projekte wie der unbezahlbare "J„ger 90" mssen unterbleiben. "Nach allem, was wir heute ber Restrisiko, Strahlensch„den und Atommll wissen, heiįt das Gebot des Atomzeitalters: "Du sollst den Kern nicht spalten!" Eine Technik, die fehlerlos sein muį, eignet sich nicht fr diese [fehlerbehaftete] Welt." (Franz Alt) [...] Kein Rechtsstaat darf aus sozialen Grnden die Abtreibung legalisieren. Das T”ten eigener Kinder ist nicht sozial. Glaubwrdig w„re, im Grundgesetz den Schutz des geborenen Lebens um den des ungeborenen zu erweitern. WN 16111988 1 zwar 2 Zwei 1 zweifellos 1 €§8’’·J ģ0?JC:\TEXT\WORD4\,.27<@" cm p10 p12 pt zg 7xš^`cfjnq"1¾«§€³’’Ć’’ū’’ż’’8’’j’’l’’Ļxaxx’’#uøuå’’ ’’arórŻ r ’’<<< Ņ xŒ xH xU ’’ u> ’’˜ rkrž’’œo†o›oĢooUop’’±lÉl<<<<<ɃxWx<xĪx ’’$ ’’²#uō$uY&u'u?'’’0+rŹ+rŖ,rĢ,’’ .oā.’’É/l<<<<<É/,0x™0xf1xI2xq2’’£5uø6u¹7uš8uœ8’’Ø8’’0+rŹ+rŖ,rĢ,’’ .oā.’’É/l<<<<<  (11.16.8811.16.88'82 von 13 vor 3 vorbei