Resolution 1199 (1998) vom 23. September 1998
Der Sicherheitsrat,
unter Hinweis auf seine Resolution 1160 (1998) vom 31. März 1998,
nach Behandlung der Berichte des Generalsekretärs im Einklang mit dieser Resolution sowie insbesondere seines Berichts vom 4. September 1998 (S/1998/834 und Add. 1),
in Würdigung der Erklärung der Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Italiens, der Russischen Föderation, des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland und der Vereinigten Staaten von Amerika (der Kontaktgruppe) vom 12. Juni 1998 zum Abschluß des Treffens der Kontaktgruppe mit den Außenministern Japans und Kanadas (S/1998/567, Anlage) sowie der weiteren Erklärung, die die Kontaktgruppe am 8. Juli 1998 in Bonn abgegeben hat (S/1998/657),
sowie in Würdigung der gemeinsamen Erklärung der Präsidenten der Russischen Föderation und der Bundesrepublik Jugoslawien vom 16. Juni 1998 (S/1998/526),
Kenntnis nehmend von der Mitteilung des Anklägers des Internationalen Gerichts für das ehemalige Jugoslawien an die Kontaktgruppe vom 7. Juli 1998, in der er die Auffassung zum Ausdruck bringt, daß die Situation im Kosovo einen bewaffneten Konflikt im Sinne des Mandats des Gerichts darstellt,
in ernster Sorge über die jüngsten heftigen Kämpfe im Kosovo und insbesondere über die exzessive und wahllose Gewaltanwendung seitens der serbischen Sicherheitskräfte und der jugoslawischen Armee, die zu zahlreichen Opfern unter der Zivilbevölkerung geführt haben und nach Schätzung des Generalsekretärs die Ursache für die Vertreibung von mehr als 230.000 Menschen waren,
in tiefer Sorge über den Flüchtlingsstrom in das nördliche Albanien, nach Bosnien und Herzegowina sowie in andere europäische Staaten im Gefolge der Gewaltanwendung im Kosovo sowie über die zunehmende Zahl von Binnenvertriebenen im Kosovo und in anderen Teilen der Bundesrepublik Jugoslawien, von denen nach Schätzung der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Flüchtlinge bis zu 50.000 Menschen ohne Unterkunft und andere Mittel zur Deckung ihrer Grundbedürfnisse sind,
in Bekräftigung des Rechtes aller Flüchtlinge und vertriebenen Personen, sicher in ihre Heimat zurückzukehren, sowie unter Betonung der Verantwortung der Bundesrepublik Jugoslawien, hierfür die Voraussetzungen zu schaffen,
unter Verurteilung jeglicher Gewalttaten seitens aller Parteien und des Einsatzes terroristischer Mittel zur Verfolgung politischer Ziele durch Gruppen oder Einzelpersonen sowie jeder Unterstützung von außen für solche Aktivitäten im Kosovo, einschließlich der Lieferung von Waffen und der Ausbildung von Terroristen für die Durchführung von Aktionen im Kosovo, und in Sorge über die Berichte über fortgesetzte Verstöße gegen die durch die Resolution 1160 (1998) verhängten Verbote,
in tiefer Sorge über die rapide Verschlechterung der humanitären Lage im ganzen Kosovo und beunruhigt über die sich abzeichnende humanitäre Katastrophe, wie sie im Bericht des Generalsekretärs beschrieben wird, sowie unter Betonung der Notwendigkeit, dies zu verhindern,
ferner in tiefer Sorge über Berichte über zunehmende Verstöße gegen Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht sowie in Bekräftigung der Notwendigkeit sicherzustellen, daß die Rechte aller Einwohner des Kosovo geachtet werden,
in Bekräftigung der in Resolution 1160 (1998) niedergelegten Ziele, in der der Rat die Unterstützung für eine friedliche Lösung des Kosovo-Problems zum Ausdruck gebracht hat, die einen verbesserten Status für das Kosovo, ein wesentlich höheres Maß an Autonomie und eine tatsächliche Selbstverwaltung umfassen würde,
sowie in Bekräftigung des Eintretens aller Mitgliedstaaten für die Souveränität und territoriale Unversehrtheit der Bundesrepublik Jugoslawien,
feststellend, daß die Verschlechterung der Situation im Kosovo (Bundesrepublik Jugoslawien) eine Bedrohung des Friedens und der Sicherheit in der Region darstellt,
tätig werdend nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen,
1. verlangt, daß alle Parteien, Gruppierungen und Einzelpersonen im Kosovo (Bundesrepublik Jugoslawien) sofort die Feindseligkeiten einstellen und eine Waffenruhe einhalten, wodurch die Aussichten auf einen sinnvollen Dialog zwischen den Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien und der Führung der Kosovo-Albaner verbessert und das Risiko einer humanitären Katastrophe verringert würde;
2. verlangt außerdem, daß die Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien und die Führung der Kosovo-Albaner sofortige Schritte zur Verbesserung der humanitären Lage und zur Abwendung der sich abzeichnenden humanitären Katastrophe unternehmen;
3. fordert die Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien und die Führung der Kosovo-Albaner auf, sofort in einen sinnvollen Dialog ohne Vorbedingungen und unter internationaler Beteiligung sowie nach einem klaren Zeitplan einzutreten, der zu einem Ende der Krise und zu einer politischen Verhandlungslösung der Kosovo-Frage führt, und begrüßt die gegenwärtigen Bemühungen um die Erleichterung eines solchen Dialogs;
4. verlangt ferner, daß die Bundesrepublik Jugoslawien über die in Resolution 1160 (1998) geforderten Maßnahmen hinaus sofort folgende konkrete Schritte zur Herbeiführung einer politischen Lösung der Situation im Kosovo unternimmt, wie sie in der Erklärung der Kontaktgruppe vom 12. Juni 1998 niedergelegt sind:
a) Einstellung aller Handlungen der Sicherheitskräfte, die die Zivilbevölkerung schädigen, sowie Anordnung des Rückzugs der Sicherheitseinheiten, die zur Unterdrückung der Zivilbevölkerung eingesetzt werden;
b) Ermöglichung einer wirksamen und fortgesetzten internationalen Überwachungstätigkeit im Kosovo durch die Beobachtermission der Europäischen Gemeinschaft sowie in der Bundesrepublik Jugoslawien akkreditierte diplomatische Missionen, wozu auch die durch staatliche Stellen nicht behinderte Ein- und Ausreise der Beobachter von und nach Kosovo und deren völlige Bewegungsfreiheit im Kosovo gehören, sowie die zügige Ausstellung geeigneter Reisedokumente an internationales Personal, das an der Überwachungstätigkeit teilnimmt;
c) Erleichterung der sicheren Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen in ihre Heimat im Zusammenwirken mit dem UNHCR und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sowie freier und ungehinderter Zugang für humanitäre Organisationen und Hilfsgüter in das Kosovo;
d) Erzielung rascher Fortschritte in dem in Ziffer 3 genannten und in Resolution 1160 (1998) geforderten Dialog mit den Kosovo-Albanern nach einem klaren Zeitplan und mit dem Ziel, vertrauenbildende Maßnahmen zu vereinbaren und eine politische Lösung für die Probleme des Kosovo zu finden;
5. verweist in diesem Zusammenhang auf die vom Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien in seiner gemeinsamen Erklärung mit dem Präsidenten der Russischen Föderation am 16. Juni 1998 eingegangenen Verpflichtungen,
a) die bestehenden Probleme mit politischen Mitteln und auf der Grundlage der Gleichberechtigung aller Bürger und Volksgruppen im Kosovo zu lösen;
b) keine repressiven Maßnahmen gegen die friedliche Bevölkerung zu treffen;
c) den Vertretern auswärtiger Staaten und internationaler Einrichtungen, die in der Bundesrepublik Jugoslawien akkreditiert sind und die Lage im Kosovo überwachen, volle Bewegungsfreiheit zu gestatten und sicherzustellen, daß ihnen keine Beschränkungen auferlegt werden;
d) humanitären Organisationen, dem IKRK und dem UNHCR sowie humanitären Hilfsgütern vollen und ungehinderten Zugang zu gewährleisten;
e) die ungehinderte Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen auf der Grundlage von mit dem UNHCR und dem IKRK abgestimmten Programmen zu erleichtern, aus denen staatliche Hilfe für den Wiederaufbau zerstörter Häuser geleistet wird;
und fordert die uneingeschränkte Umsetzung dieser Verpflichtungen;
6. besteht darauf, daß die Führung der Kosovo-Albaner alle terroristischen Aktionen verurteilt, und betont, daß alle Elemente innerhalb der Volksgruppe der Kosovo-Albaner ihre Ziele ausschließlich mit friedlichen Mitteln verfolgen müssen;
7. erinnert an die Verpflichtungen aller Staaten, die durch Resolution 1160 (1998) verhängten Verbote uneingeschränkt umzusetzen;
8. unterstützt die Schritte, die zur Durchführung einer wirksamen internationalen Überwachung der Lage im Kosovo unternommen wurden, und begrüßt in diesem Zusammenhang die Einsetzung der Diplomatischen Beobachtermission im Kosovo;
9. fordert die in der Bundesrepublik Jugoslawien vertretenen Staaten und internationalen Organisationen nachdrücklich auf, Personal zur Erfüllung der Verpflichtung zur wirksamen und fortgesetzten internationalen Überwachung im Kosovo zur Verfügung zu stellen, bis die Ziele dieser Resolution sowie der Resolution 1160 (1998) erreicht sind;
10. erinnert die Bundesrepublik Jugoslawien daran, daß die Verantwortung für die Sicherheit aller in der Bundesrepublik Jugoslawien akkreditierten Diplomaten sowie für die Sicherheit aller Angehörigen internationaler und nichtstaatlicher humanitärer Organisationen in der Bundesrepublik Jugoslawien in erster Linie bei ihr liegt, und fordert die Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien und alle anderen Beteiligten in der Bundesrepublik Jugoslawien auf, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um zu gewährleisten, daß Beobachtungspersonal, das Aufgaben nach dieser Resolution wahrnimmt, nicht der Androhung oder Anwendung von Gewalt oder sonstigen Übergriffen ausgesetzt wird;
11. ersucht die Staaten, alle mit ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften sowie dem einschlägigen Völkerrecht im Einklang stehenden Mittel anzuwenden, um zu verhindern, daß in ihrem Hoheitsgebiet gesammelte Gelder dazu benutzt werden, gegen Resolution 1160 (1998) zu verstoßen;
12. ruft die Mitgliedstaaten und anderen Betroffenen auf, angemessene Mittel für die humanitäre Hilfe in der Region zur Verfügung zu stellen und umgehend und großzügig auf den konsolidierten interinstitutionellen Appell der Vereinten Nationen zur Leistung humanitärer Unterstützung im Zusammenhang mit der Kosovo-Krise zu reagieren;
13. ruft die Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien, die Führung der Kosovo-Albaner und alle anderen Beteiligten auf, uneingeschränkt mit dem Ankläger des Internationalen Gerichts für das ehemalige Jugoslawien bei der Untersuchung möglicher Verstöße innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Gerichts zusammenzuarbeiten;
14. unterstreicht außerdem, daß die Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien diejenigen Angehörigen der Sicherheitskräfte, die an der Mißhandlung von Zivilisten und der gezielten Zerstörung von Eigentum beteiligt waren, der Gerechtigkeit zuführen müssen;
15. ersucht den Generalsekretär, dem Rat erforderlichenfalls regelmäßig darüber zu berichten, wie nach seiner Einschätzung diese Resolution von den Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien und allen Elementen innerhalb der Volksgruppe der Kosovo-Albaner befolgt wird, so auch durch seine regelmäßigen Berichte über die Befolgung der Resolution 1160 (1998);
16. beschließt, weitere Schritte und zusätzliche Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens und der Stabilität in der Region zu prüfen, falls die in dieser Resolution sowie in Resolution 1160 (1998) geforderten konkreten Maßnahmen nicht getroffen werden;
17. beschließt, mit dieser Angelegenheit befaßt zu bleiben.
Auf der 3930. Sitzung des [UN-]Sicherheitsrats verabschiedet
Quelle: DIE WELT (Brennpunkt), Januar 1999