ODE AN EINEN VENTILATOR *)
I. DER TEXT
Du bist neu, Du machst viel Wind.
Das sei schließlich Deine ureigene Aufgabe, sagst Du.
Dein Wind pfeift über Wald und Flur,
Wirbelt Staub auf, bringt Dinge hervor,
Die besser geruht hätten.
Die alten Bäume,
Welk und verbraucht von Erfahrung und Leid,
Sie ächzen unter Dir,
Sie wollen Dich warnen,
Doch Du hast kein Mitleid.
Ein frischer Wind ist gut, sagst Du,
Verjagt den alten Mief
Von Stillstand und Lethargie,
Schreckt sie auf, die Geister des Beharrens,
Der Gewohnheit und Skepsis.
Hinweg fegst Du Altes, das sich nicht wehren kann,
Nur Standhaftes bleibt,
Das noch Würde hat und Kraft, sich zu behaupten,
Und Filter genug, um selbst in Deinem Brausen
Auf andere, ewig gültige Stimmen zu hören.
Der frische Wind, meinst Du, er bringt es.
Und es ist Dir egal, daß Du vieles hinwegwehst,
Das, wenn auch zart und gebrechlich,
Seinen Wert erst auf den zweiten Blick offenbart.
Irgendwann jedoch
Wirst Du alt.
Du wirst untertourig.
Dein Lager läuft heiß,
Deine Achse quält sich,
Mühsamer von Tag zu Tag,
Gegen den Verschleiß Deines Systems.
Dein Gebrechen fällt auf,
Wird offenkundig,
Ist denen ein Dorn im Auge,
Die einen neuen Ventilator brauchen,
Weil der alte nur noch brummt und quietscht,
Weil er verschnarcht klingt,
Ausgdient hat,
Nichts mehr bringt,
Reif für den Müll.
Es gibt doch Besseres,
Sagen die, die sich orientieren
Am Innovativen, und recht haben Sie,
Das ist nun mal der Lauf der Welt.
Und dann erkennst Du,
Im Scheiden,
Daß nur das Ewige gilt,
Das ewige Gute,
Dem das Ziel wichtig ist,
Nicht die Form,
Nicht der Schein,
Nicht kurzlebige Kraft.
Deine Pracht: sie war nur Schein.
Du erkennst es, doch ist es zu spät.
Deine Pracht ist vergessen,
Und das zu Recht.
II. EIN NACHWORT
Werden und Vergehen, Größe und Fall,
Kraft und Schwäche bestimmen als tragische Dichotomien
das dingliche wie das organische Sein und sind letztlich auch Landmarken
der menschlichen Existenz. Neu und Alt, Verwerfen und
Bewahren, Stürmen und Verharren werden hier ebenso
angesprochen wie die zeitlos gültigen Werte, die uns vielleicht
noch retten können, hören wir auf ihre schwächer werden Signale
in unserer immer schnellebigeren, oberflächlicheren Zeit. Wenn auch
auslegbar und damit auf Mißverständlichkeit hin programmiert,
sollen meine Worte an dieser Stelle zu Kritik und Besinnung anregen.
III. AUFGABEN
*) geschrieben im Juli 2000
Texte und Aufgaben: (c) Wolfgang NÄSER, Marburg, im Juli
2000