Wörter und Wendungen, SS 1997, Dr. Wolfgang Näser, Di 16-18 h, HS 207 Biegenstr. 14
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Petra und Markus
von Kathy VUDRAGOVICH
Petra und Markus sitzen in einer Kneipe. Draußen schüttet es wie aus Eimern. Der Kaffee schmeckt wie eingeschlafene Füße. Sie streiten miteinander.
"Das gibt's doch gar nicht!" schreit Petra. "Petra, du siehst heute aus wie deine eigene Großmutter. Mußt du immer diese altmodischen Kleider tragen?"
"Du hast Ideen wie ein krankes Pferd. Du bist nur böse, weil ich keinen Bock habe, über Roman Herzog zu reden. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold. Langer Rede kurzer Sinn." - "Lange Haare, kurzer Verstand. Wer hoch sitzt, kann tief fallen, Petra."
"Du kannst mich mal kreuzweise. Mach, daß du wegkommst!"
Er haut ab. Als er losfährt, sitzt er auf dem Moped wie ein Affe auf dem Schleifstein. Der Kellner, ein Freund der beiden, kommt und fragt, ob alles in Ordnung sei.
"Der ist dümmer als die Polizei erlaubt. Mit seinem dummen Gerede bringt der mich noch auf die Palme. Der ist zu dumm zum Milchholen", beschwert sie sich.
"Mach mal halblang! Mach doch nicht immer um alles so ein Wesen! Wenn du nicht sofort ruhig bist, dann gibt's was auf die Jacke", sagt der Kellner.
"Du steckst deine Nase immer in Dinge hinein, die dich nichts angehen. Du bist noch grün hinter den Ohren. Werd' erst mal älter, dann kannst du mitreden."
Der Kellner fragt beschwichtigend: "Was ist denn passiert?"
Er redet immer nur über Politik und Wirtschaft. Ich habe die Nase gestrichen voll davon. Er hat Ahnung von Romantik wie ein Esel vom Tanzen. Ich habe gedacht, er sieht so toll aus, er hat ein Moped, und ..."
"Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Wer liebt, muß leiden. Aber denk' daran, Markus ist nicht so schlimm, wie es dir jetzt scheinen mag. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wenn man nicht hat, was man liebt, muß man lieben, was man hat. Was nicht ist, kann noch werden."
"Quatsch keine Opern!" fährt sie ihn an. "Mit deinen ewigen Sprüchen gehst du mir wirklich auf den Geist!"
"Wirklich, Petra, du muß ihm mal die Zähne zeigen. Ich meine, doof bleibt doof, da helfen keine Pillen. Aber Markus kann lernen, romantisch zu sein. Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Nichts ist unmöglich - To-yo-ta!"
"Nein, jetzt ist alles zu spät. Aber eines Tages werd' ich mich rächen ..." -
Der Oberkellner kommt und verkündet: "Schluß, aus, finito, Feierabend!" Der Kellner wendet sich Petra zu:" Na ja, ich muß meine Sachen schnell noch in Ordnung bringen. Wartest du auf mich? Dann fahr ich dich nach Hause, und wir können über alles reden."
"Mit dieser Masche kannst du mich
nicht herumkriegen!"
"Was? Ich höre wohl nicht recht."
"Bist du taub? Ich weiß, was du willst."
Er schaut ihr ruhig ins Gesicht. "Du bist nicht der Nabel der Welt; merk dir das. Ich wollte dir nur einen Gefallen tun. Da kannst du jetzt warten, bis du schwarz wirst. Kein Mann ist dumm genug, sich mit dir abzugeben."
Petra fängt an zu weinen. Sie sieht aus wie eine Katze, wenn's donnert. "Bitte geh nicht. Es tut mir wirklich leid. Ich bin so durcheinander. Darf ich mitfahren?"
"Rin in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Ein Mann, ein Wort. Natürlich kannst du mitfahren. Noch ist Polen nicht verloren."
"Husch, husch, die Waldfee", ruft der Oberkellner von hinten. "Ich komme gleich wieder. Abwarten und Tee trinken,", sagt der Kellner und verschwindet.
In diesem Moment kommt Markus zurück. "Was ich dir jetzt sagen will, brennt mir sehr auf den Nägeln. Es geht mir sehr unter die Haut, wenn du so wie heute bist. Die Kritik hättest du lassen sollen; das war ein Schuß in den Ofen. Ich rede immer über Politik und Wirtschaft, weil ich Bundespräsident werden will. Dann verdiene ich viel Geld, und ich kann ein schönes Heim bauen. Aber wenn du mich nicht akzeptierst, wie ich bin, dann kannst du es vergessen! Es tut mir leid. ich habe es nicht so gemeint, wie ich gesagt habe. Du bist so schön wie die Sterne am Himmel, und dein Lachen gleicht der zarten Morgenröte ..."
Als sie das hört, ist sie platt. Aus der Küche hören sie den Koch rufen: "Wer nicht freit zur rechten Zeit, der muß nehmen, was übrig bleibt."
Petra sagt: "ich glaub', mich knutscht ein Elch. Soll das bedeuten, daß du mich heiraten willst?"
Markus lächelt. "Wenn du mich so fragst, wie könnte ich es ablehnen?" Sie küssen sich leidenschaftlich. Der Kellner wird Zeuge dieses Augenblicks. "Muß Liebe schön sein. Und wer küßt mich?"