Während der Fahrt wurde von Alfred Emde aus Mengeringhausen/Waldeck eine kurze Geschichte in niederdeutschem Dialekt (genau: Westniederdeutsch-Westfälisch) vorgelesen. Die lautlichen und syntaktischen Beziehungen zum Hochdeutschen und zum Niederländischen sollen durch untenstehende 'synoptische' Darstellung verdeutlicht werden, wobei, in unserer HTML-Version, die hochdeutsche, niederdeutsche und niederländische Zeile jeweils untereinander stehen. Den (nd.) Text besorgte der stets hilfsbereite und kompetente Alfred Emde, dem ich hier ein Denkmal setzen möchte.
1 Es war so in den zwanziger Jahren. In Vasbeck, das ist so ein Dorf bei Et wor sau in diän twintiger Johren. In Vasmecke, dat is sau en Duorp bi Het was zo in de twintiger jaren. In Vasbeck, dat is zo een dorp bij 2 Arolsen, da hatten sie eine Wasserleitung nötig. Die alten Brunnen und Orolzen, do hadden se 'ne Waterläidunge naidig. Däi allen Buörnere un Arolsen, daar hadden ze een waterleiding nodig. De oude waterputten en 3 Kümpe im Dorf reichten nicht mehr und hatten nicht mehr genug Wasser. Kümpe imme Duorpe schickeden nit mäi un hadden nit mäi genog Watere: vijvers in het dorp volstonden niet meer en hadden niet meer genoeg water. 4 Hinzu kam, daß das Trinkwasser nicht ganz in Ordnung war, so hatte der Da detau kam, dat 'et Drinkwater nit ganz in Uordnunge wor, sau hadde de Daarbij kwam, dat het drinkwater niet helemaal in orde was, zo had de 5 Doktor gesagt. In Vasbeck mußten sie nun eine Wasserleitung bauen. Als Doktor 'esiägt. In Vasmecke mosten se nu 'ne Waterläidunge buggen. An dokter gezegd. In Vasbeck moesten ze nu een waterleiding bouwen. Op 6 erstes brauchten sie eine gute Quelle, die genug Wasser hatte, und das 't äiste brochten se 'nen gudden Quell, däi genog Watere hadde, un dat de eerste plaats hadden se een goede bron nodig, die genoeg water had, 7 auch an den trockenen Sommertagen. Die Adorfer hatten solch eine Quelle; auk in 'en druigen Summerdagen. Däi Odroper hadden sau 'nen Quell; en dat ook in de droge zomerdagen. De Adorfer hadden zo'n bron; 8 die hatten sie nicht nötig. Gegen Bezahlung konnten die Vasbecker dieses diän hadden se nit naidig. Giägen Betalunge konnten däi Vasmeckschen düt die hadden ze niet nodig. Tegen betaling konden de Vasbecker dit 9 Wasser haben. Das war nun eine Sache, die das ganze Dorf anging. In Vas- Watere hawwen. Dat wor nu ne Sake, däi dat ganze Duorp anneging. In Vas- water hebben. Dat was nu een zaak die het hele dorp aanging. In Vas- 10 beck kamen an einem Abend alle Leute zusammen. Die Wirtschaft war an mecke käimen an äinem Owend olle Luide tesammene. Däi Wäiertschaft wor an beck kwamen op een avond alle lui samen. Het café was op 11 diesem Abend gerammelt voll. Der eine hatte diese Meinung und der andere düsem Owend gerappelt vuoll. Diär äine hadde düse Mäinunge un diär annere die avond stampvol. De ene had deze mening en de andere 12 dachte wieder anders. Zuletzt waren sie sich alle einig, daß die Wasser- dachte widder annerste. An't läste woren se sik olle äinig, dat däi Water- dacht weer anders. Op't laatst waren ze het allen eens, dat de water- 13 leitung zu bauen wäre. Da stand der alte Ottensmann auf und sagte: läidunge te buggen wöre. Do stunn däi alle Ottensmann up un siägte: leiding gebouwd moest worden. Daar stond de oude Ottensman op en zei: 14 "Leute, ich habe in den Kirchenbüchern nachgesehen; hier in Vasbeck ist "Luide, ik hawwe in 'nen Kiärkenboikeren no 'esäin: hie in Vasmecke is "Lui, ik heb in de kerkboeken nagezien: hier in Vasbeck is 15 noch niemand verdurstet; wir brauchen keine Wasserleitung!" na näimes verduorstet; wi bruket kiänne Waterläidunge!" nog niemand verdorst; wij hebben geen waterleiding nodig!" ------------------ Die niederdeutsch-mitteldeutsche Sprachgrenze (ik-/ich-Linie) verläuft quer durch den jetzigen Großkreis Waldeck-Frankenberg. Dies soll an der Sprache zweier Orte verdeutlicht werden: Helsen (nördl. der Grenze) und Sachsenberg (südl.); hierzu werden die Ende des 19.Jahrhunderts in beiden Orten für den Deutschen Sprachatlas abgefragten Wenker-Sätze herangezogen. Die folgenden Zeilen enthalten jeweils erst die hochdeutsche Version, dann die Helser und die Sachsenberger Realisation. 1. Im Winter fliegen die trockenen Blätter in der Luft herum. Im Winter fleget de drügen Bläddere dür de luft rümme. In Winter fliegen de trögen Bläder dörch de Luft rüm. 2. Er ist vor vier oder sechs Wochen gestorben. He is vür veer oder ses Weken gesturben. He is vör vier ebber sechs Wochen gestorben. 3. Er ißt die Eier immer ohne Salz und Pfeffer. He ittet de Eggere ümmer ouhne Salt un Pepper. He isset de Eiger ümmer ohne Saalz un Peffer. 4. Ich will es auch nicht mehr wieder tun. Ik will et auk ni mäi widder dhoun. Ich well et och nit meh wedder dun. 5. Ich schlage dich gleich mit dem Kochlöffel Ik schlo dik glik mit dem Koukeläpele Ich schla dich glich met den Kocheleffel -------- Satz 1: hd. ie > nd. [e:] (fleget, veer); tr- > dr- (drüge, cf. engl. dry 'trocken'; -tt- > -dd (Bläddere)2: -chs- > -ss- (sechs > sess); -ch- > -k- (Wochen > Weken, cf. engl. weeks); 3: -ss- > -tt-(he ittet, cf. engl. eat; ei > egg (Eggere, cf. engl. eggs); -z > -t (cf. engl. salt 'Salz'); -ff- > -pp- (cf. engl. pepper 'Pfeffer'); Peffer: mitteldt. (Anlaut unverschoben, Inlaut verschoben); 5: schlage kontrahiert zu schlo, eine dem Englischen, Niederländischen und Afrikaansen entsprechende Umsetzung. Vgl. auch: MARTIN, Bernhard: Studien zur Dialektgeographie des Fürstentums Waldeck. Marburg 1925 (=Dt. Dialektgeographie 15); ---: Streifzüge durch Waldecks Mundarten. Korbach 1937 (=Wald. Volkstum 3) (c) Wolfgang Näser 22081996