Textsorte: Gegenstandpunkt
zum Tode von Karol Wojtyla
von Hermann Ploppa, Sterup (eingesandt
am 4.4.2005)
VORBEMERKUNG. Gegenstandpunkte sind immer unbequem
und provokativ, verfolgen somit die unverblümte Absicht, zur Diskussion
anzuregen - besonders in Fällen, wo sich eine solche zu erübrigen
scheint, zum Beispiel nach dem Hinscheiden des in aller Welt geachteten und
auch in Deutschland als "Medien-Papst" sehr beliebten, aus dem polnischen
Krakau stammenden
Karol Wojtyla, vor knapp 27 Jahren zum Papst Johannes Paul II. gekürt.
Zahlreiche Nachrufe betonen sein geistlich-politisches Engagement zur Befreiung
Polens und als starker Befürworter der deutschen Wiedervereinigung.
Oftmals von rauschendem Beifall unterbrochen, wird der Heilige Vater vor
einer riesigen Menschenmenge und in Gegenwart von Vertretern anderer Religionen
und 200
prominenten Staatsgästen am 8. April von Kardinal
Ratzinger in einem schlichten Holzsarg beerdigt. In seinen vielen Reisen
besuchte er auch geistliche Oberhäupter anderer Weltreligionen, betrat
als erster Papst eine
Moschee, legte in
Yad Vashem einen
Kranz nieder und entschuldigte sich für Verfehlungen katholischer Menschen
gegen das Judentum. Weltjugendtage ließ er veranstalten und erfüllte
bis zum letzten Atemzuge seine Pflicht. Der "Medienpapst", dem 1979 sogleich
ein
"Vojtyla
Disco Dance" gewidmet wurde, der "Reisepapst, Friedensmahner und
Glaubenshüter" (dpa 2.4.2005) war auch entschiedener Gegner des
US-Überfalls auf den Irak 1). Der Theologe
Hans Küng, dem nach einem 1979 publizierten Artikel
die Lehrbefugnis entzogen wurde, spricht hingegen von einem
Pontifikat verhängnisvoller Widersprüche: Derselbe
Mann, der die Menschenrechte nach außen vertrete, verweigere sie im
inneren den Bischöfen, Theologen, vor allem den Frauen. Der "große
Marienverehrer" 2) predige hehre Frauenideale, werte jedoch
die Frauen ab und verweigere ihnen die Ordination. Vergessen scheinen in
diesen Tagen die unbeugsame Haltung des Papstes in Sachen
Empfängnisverhütung 3), die von ihm 1999 als
Reform verfügte Außerkraftsetzung der in Deutschland staatlich
anerkannten katholischen Schwangerenberatung, die Suspendierung eines
katholischen Geistlichen für ein
ökumenisch
gefeiertes Abendmahl 4) und das Dogma, nach dem allein
die katholische Kirche
den rechten
Glauben habe; dies alles führte hierzulande nachweislich zu zahlreichen
Kirchenaustritten und nicht nur an der Basis, sondern auch innerhalb der
kirchlichen Hierarchie zu einem Kommunikationsproblem im Verkehr mit der
Kurie, auch wenn viele Jugendliche im Heiligen Vater eine gütige,
charismatische Leitfigur sahen und es Persönlichkeiten wie dem Mainzer
Kardinal
Prof.
Dr. Lehmann gelang, in kritischen Fällen wenigstens zu vermitteln.
Der heute in
Sterup
bei Flensburg lebende, im Jahre 1953 geborene freie Journalist Hermann Ploppa
hat in seinen Schriften sich nie nach den jeweiligen "günstigen Winden"
gerichtet und will auch in seinem (türkis markierten) Text zu kritischer
Diskussion anregen. Als Mittelpunkt der Seite steht dieser zur Diskussion
(externe Beiträge sind willkommen!); die Seite hat jedoch inzwischen
ein Eigenleben entfaltet, da immer mehr interessante Fakten und Aspekte ans
Licht kommen und es auch aus kulturgeschichtlicher Hinsicht höchst dringlich
ist, sich mit Geschichte und Zukunft des Papsttums auseinanderzusetzen.
W. Näser, Marburg, am 15.4.2005
Moment mal - wo sind wir eigentlich?
Wir hören die Totenklage für den verstorbenen Papst Johannes Paul II. Wir hörten sie schon tausendfach, bevor der Oberhirte der Katholischen Kirche überhaupt verstorben war. Unermeßlich sei die Trauer. Eine große Weltgemeinde begleite den letzten Weg des Papstes mit innigen Gebeten. Moment mal ... Diese schöne Erde verlassen zu müssen ist nicht erfreulich. Dieser Aufbruch geschieht ohne Wiederkehr. Das tut immer unendlich weh. Jedenfalls schmerzt es uns weiterlebende Angehörige. Aber: warum ist der Tod dieses einen Menschen so viel bedeutender und wertvoller als der Tod der anderen sechs Milliarden Menschen auf dieser Erde? Was macht den Tod von Karol Wojtyla so viel bedeutender als den Tod eines von Bomben zerfetzten Irakers? Oder eines von Tellerminen zerfetzten afghanischen Kindes? Hat nicht Karol Wojtyla ein wahrhaftig gesegnetes Lebensalter erreichen dürfen? Er erreichte die obere Grenze des menschlicher Physis möglichen Alters. Warum trauern denn die gläubigen Katholiken um ihren Oberhirten? Die kirchliche Dogmatik besagt doch eindeutig, daß Päpste zusammen mit den vielen Heiligen unmittelbar nach dem Versterben in das Paradies aufsteigen. Die normalsterblichen, mit den Sakramenten versehenen Katholiken hingegen müssen nach ihrem Tode erst das Fegefeuer durchlaufen. Dem Papst muß niemand zu seinem transzendentalen Glück verhelfen. Ganz Deutschland wird unter einen Trauerflor gelegt. Allerdings müssen wir feststellen: nur etwa dreißig Prozent aller Deutschen sind als Katholiken von diesem mortalen Ereignis betroffen. Von diesen dreißig Prozent ist die überwältigende Mehrheit lediglich noch für die Steuerbehörde katholisch. Weltweit sind 700 Millionen Menschen als Katholiken erfaßt. Dem stehen 5,3 Milliarden Nicht-Katholiken gegenüber. Soweit diese 5,3 Milliarden Katholiken den Papst überhaupt kennen, stehen sie ihm, um es neutral zu sagen, distanziert gegenüber. Durch seinen störrischen Alleinvertretungsanspruch hat Papst Wojtyla allerdings eine nicht geringe Abneigung in weiten Kreisen erzeugt. Es ist schon erstaunlich, wie in den Medien der Eindruck erweckt werden soll, Papst Johannes Paul II. sei eine allseits anerkannte und geliebte Persönlichkeit. Eine Umfrage ergab unlängst, daß unter den deutschen Katholiken 37 % den buddhistischen Dalai Lama für den weisesten Mann der Erde hielten, aber nur 19 % der Befragten deutschen Katholiken ihr eigenes spirituelles Oberhaupt, Papst Johannes Paul II. Abgesehen davon, daß die Frage nach dem weisesten Mann der Erde alles andere als weise ist womöglich mußten die Befragten ein Kreuzchen in einem Multiple-Choice-Raster machen, wo als weitere Möglichkeiten neben den oben Genannten vielleicht noch Dieter Bohlen und Guido Knopp zur Verfügung standen - , enthüllt dieses überraschende Ergebnis durchaus, daß der Papst bei seinen deutschen Schafen ein Kommunikationsproblem hatte. Der engagiertere Teil der deutschen Katholiken hat sich in den 26 Jahren der Ära Wojtyla in die innere Emigration zurückgezogen. Etwas differenziertere Befragungen als die o.g. ergaben, daß innerhalb der deutschen Katholikenheit die Inhalte der katholischen Glaubenslehre weitgehend unbekannt oder vergessen sind. Der katholische Theologieprofessor Linus Hauser, kein Abweichler wie Küng, wertet die Umfragebefunde wie folgt aus: Die regelmäßigen Kirchgänger ... sind diejenigen, die sich oft dadurch auszeichnen, dass sie Glaubensvorstellungen unterschiedlicher religiöser Traditionen miteinander synkretistisch kombinieren. Wenn schon regelmäßige Kirchgänger sich ein Menue zusammstellen aus unterschiedlichsten Religionen dieser Welt, wie sieht das dann erst bei rein nominellen Katholiken aus? 26 Jahre unter Papst Wojtyla haben offensichtlich nichts zur Schärfung des Profils der katholischen Heilslehre beitragen können. Dem Pontifikat von Johannes Paul II. ging das Pontifikat des lächelnden Papstes Johannes Paul I. voraus. Dieser Papst, mit bürgerlichem Namen Albino Luciani, kam aus einer Arbeiterfamilie. Ihm brauchte kein Charisma angedichtet zu werden. In seiner bescheidenen und herzlichen Art gewann er die Menschen auf Anhieb. Und Johannes Paul I. gab sich nicht mit symbolichen Ersatzhandlungen zufrieden. Er ließ die sinistren Finanzaktivitäten der vatikanischen Behörden und der Banco Ambrosiano durchchecken. Albino Luciani war erkennbar entschlossen, auch kompromittierende Verbindungen zur Mafia, der Loge P2 und zu rechtsextremen Kreisen an die Öffentlichkeit zu zerren und diese verfolgen zu lassen. Doch da welch eine Seltsamkeit! wurde der kerngesunde Papst nach 33 Tagen Pontifikat in seinem Bett tot aufgefunden mit weit aufgerissenen Augen und Mund, wie nach einer Vergiftung. Der Vatikan unterband eine Autopsie und weitergehende Untersuchungen. Die mafiösen Verstrickungen flogen mithilfe mutiger italienischer Staatsanwälte später bekanntlich trotzdem auf. Als neuer Papst wurde Karol Wojtyla aus Polen präsentiert. Auch Wojtyla handelte sofort: als erste Amtshandlung überhaupt besuchte er das Grab von José Maria Escrivá, dem umstrittenen Begründer des rechtsradikalen Laienordens Opus Dei 5). Im Laufe von 26 Jahren Wojtyla-Pontifikat wurde Opus Dei in der Rangordnung der katholischen Orden erheblich angehoben. Gleichzeitig wurde der Jesuitenorden herabgestuft. Escrivá beschimpfte die Jesuiten als verkappte Kommunisten. Escrivá wurde von Wojtyla zunächst selig gesprochen, und vor wenigen Jahren dann sogar zum Heiligen befördert. Escrivá hatte seinen Orden im Schlepptau des faschistischen Diktators Franco gegründet. Opus Dei stellte in Francos Regierung etliche Minister. Der Geheimorden hat heute weltweit 85.000 Mitglieder. Es handelt sich dabei um von Escrivá-Leuten handverlesene Führungskräfte aus Wirtschaft, Politik, Presse und Militär. An hervorragender Stelle werden wir an die unzähligen Reisen des polnischen Papstes erinnert. Der Eilige Vater hat bis auf die Polkappen wohl fast jeden Ort bereist. Dabei führte er eine neue rituelle Geste ein. Hatte er die Gangway des Flugzeugs verlassen, begab er sich auf alle Viere und küßte den Boden des Gastlandes. Diese Übung stammt aus dem Repertoire von Opus Dei und wird als Bodenkuß 6) bezeichnet. Wojtyla soll die Polen zur Abschüttelung des kommunistischen Joches ermutigt haben. Allerdings gelang diese Abschüttelung im gesamten Ostblock weitgehend ohne pontifikale Hilfe. Vermutlich war die erstaunlichste Reisetat dieses Papstes sein Besuch in Kuba. Die Kubaner besuchten seine Freiluftmessen, unterließen es aber, sodann das dortige kommunistische Joch abzuschütteln. Wirklich nachhaltig war die Zerschlagung der Befreiungskirche in lateinamerikanischen Ländern. Diese katholischen Basisgemeinden, die ihre Mitmenschen nicht mit Versprechungen vertrösteten, sondern Hilfe zur Selbsthilfe gaben, wurden vom Papst verdammt. Die Sprengel der Bischöfe wurden derart neu verteilt, daß die zuvor mächtigen Befreiungstheologen neutralisiert waren. Es gab keinen Horrordiktator katholischer Prägung, sei es Pinochet, Duarte, Marcos oder Houphouét-Boigny, den Johannes Paul II. nicht gerne empfing und mit seinem Segen ausstattete. Den nicaraguanischen Sozialpriester Ernesto Cardenal 7) dagegen schmähte Wojtyla mit angewiderter Miene und einer Gestik, als wollte er teuflischen Schwefelqualm mit den Händen wegschaufeln. Die Folge: Katholiken laufen sowohl in Lateinamerika als auch in Europa scharenweise davon. Katholische Forschung und Lehre sind nach zahlreichen exemplarischen Verdammungen erstarrt und verödet. Die Kohorten sind geschrumpft. Und dabei, wie das bei zunehmender Isolation nicht ausbleiben kann, radikalisiert. Den Ton geben Hardliner wie Kardinal Ratzinger an. Von den Reformansätzen des Zweiten Vatikanischen Konzils ist nichts mehr übriggeblieben. Wojtyla hat viele Opus-Dei-Leute zu Kardinälen gemacht. Denn Opus Dei ist zwar ein Laienorden, hat aber dennoch zwei Prozent Kleriker in seinen Reihen. So hat Wojtyla höchstwahrscheinlich dafür gesorgt, daß sein Nachfolger wieder ein Opus-Dei-Mitglied sein wird. Jetzt beginnt nämlich das Auswahlverfahren für die Wahl des neuen Papstes: das Konklave. Wie der Name schon sagt, eine geheime Wahl, deren Diskussionen der Öffentlichkeit vorenthalten werden. Vermutlich mußte der körperlich schon lange anfällige polnische Papst bis zu seinem qualvollen Tod im Amt bleiben, damit Opus Dei in Ruhe einen ihm ergebenen Nachfolger auskungeln konnte. Opus Dei hat in der Kurie, das ist die Regierung der Katholischen Kirche, bereits 52 Ämter besetzt. Jeder siebzente katholische Priester ist weltweit Opus Dei verbunden. In der Hierarchie bekennt sich bislang nur der Bischof von Lima 8) offen zur Mitgliedschaft bei Opus Dei. 19 Kardinäle bekennen sich als definitive Sympathisanten der rechtsextremen Geheimloge. Weitere 30 Kardinäle nehmen offiziell nicht Stellung zu Opus Dei, haben aber intern ihre Verbundenheit bekannt. In Deutschland regiert u.a. der Opus-Dei-Kardinal Meißner im wichtigen Sprengel zu Köln. Von den 120 Kardinälen in der Konklave, die den neuen Papst zu wählen haben, hat Opus Dei also bereits fast die Hälfte der Stimmberechtigten auf ihrer Seite. Geleitet wird die Konklave von Joseph Kardinal Ratzinger, einem offenen Opus-Dei-Anhänger. Ob die restlichen 70 Kardinäle die Organisiertheit und Entschlossenheit besitzen, den Konspirateuren von Opus Dei einen neuen Albino Luciani oder einen Mann von der Redlichkeit eines Papst Johannes XXIII. entgegenzusetzen, darf bezweifelt werden. Opus Dei hat bereits seit Längerem einige Kardinäle als mögliche Wojtyla-Nachfolger in Position gebracht. Wundern Sie sich also nicht, wenn Sie im Zusammenhang mit der Papst-Kür folgende Namen hören sollten: Tetamanzi, Castrillón Hoyos, Sodano oder Lopez Trujillo. Aber wie es sich für eine veritable Geheimloge gehört, könnten auch noch andere Namen aus dem Hut gezaubert werden. Habemus Papam habemus clapam! 9) |
Quellennachträge von H. Ploppa:
Anmerkungen und Hinweise von W. Näser:
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Wird ergänzt. Stand: 22.4.2k5