Dr. Wolfgang Näser: Wörter und Wendungen in der aktuellen deutschen Zeitungssprache * WS 20001/2002

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Weltweiter Leistungstest: Deutsche Schüler fallen durch
Studie: Katastrophales Ergebis für deutsche Schulen * Ein  Niveau mit Brasilien

Berlin. Deutschlands Schüler haben beim weltweit größten Schulleistungstest "Pisa" ein katastrophales Zeugnis erhalten.
Im Vergleich mit 32 Industriestaaten landete die Bundesrepublik in allen drei Leistungskategorien - Lesen, Rechnen und Naturwissenschaft - jeweils auf einem der hintersten Plätze (20. bis 25.). Dies berichten "Spiegel" und "Focus" in ihren neuen Ausgaben. Spitzenreiter sind dagegen Finnland, Korea, Kanada und Japan.
Arbeitgeberchef Dieter Hundt sprach von einer "neuen Bildungskatastrophe". Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, sagte: "Schlimmer hätte es nicht kommen können." Beide verlangten radikale Reformen. Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) forderte, Deutschland müsse seine Kinder "besser und früher fördern". Die Kultusminister-Präsidentin Annette Schavan (CDU) kündigte massive Verbesserungen an und forderte eine Pflicht zur Fortbildung für Pädagogen.
Besonders erschreckend für die Schulforscher: Gut jeder fünfte deutsche Schüler (22,6 Prozent) erreicht bei der Lesekompetenz nur die niedrigste Leistungsstufe. Die Fähigkeit, einen Text zu lesen und den Sinn zu verstehen, gilt als eine der wichtigsten Voraussetzungen, um sich im Leben und Beruf zu Recht zu finden [sic!] und sich auch mathematische und naturwissenschaftliche Kenntnisse anzueignen. Eine Lehrlings-Einstellungsprüfung, wie sie bei den Kammern heute üblich sind [sic!], würden diese Schüler nicht bestehen.
Die Mehrzahl dieser leistungsschwachen Schüler ist männlich und stammt aus dem sozial schwachen Milieu. Aber selbst die besten deutschen Schüler lagen im Vergleich mit den Besten anderer Länder unter dem Durchschnitt. Und: In keinem anderen Land gibt es so krasse Diskrepanzen zwischen guten und schlechten Schülern wie in Deutschland.
Für die "Pisa"-Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung wurden weltweit mehr als 260.000 Schüler im Alter von 15 Jahren getestet, darunter rund 10.000 Deutsche. Deutschland liegt auf einer Niveaustufe mit Russland und Brasilien. In einem Fall landeten die Deutschen sogar auf dem vorletzten Platz vor Mexiko. Alle Länder mit Spitzenleistungen haben Ganztagsschulen. Auch werden dort die Kinder nicht wie in Deutschland üblich als Zehnjährige auf verschiedene Schulformen verteilt. Sie besuchen mindestens bis zur neunten Klasse gemeinsam die Schule.
Aus: OBERHESSISCHE PRESSE Marburg, 3.12.2001

HTML: W. Näser 3.12.2001 * wird ergänzt.