Dr. Wolfgang Näser: Wörter und Wendungen in der aktuellen deutschen Zeitungssprache * WS 20001/2002

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Wissenschaftler erforscht die "Kunst der Gabe"

Wenn kurz vor Weihnachten die fieberhafte Jagd nach Geschenken beginnt, steht das Telefon bei Friedrich Rost nicht mehr still. Rost ist Pädagogikdozent an der Freien Universität Berlin und ein Geschenke-Spezialist der besonderen Art: Er hat über die Theorie des Schenkens promoviert und weiß, was Weihnachtseinkäufer falsch machen können.

Gedankenlosigkeit gehört zu den Todsünden beim Schenken. "Verlegenheitspräsente können tief kränken", warnt Rost. Wer seiner Freundin, die sich durch zahlreiche Diäten quälte, teure Pralinen auftischt, wird keine Punkte sammeln. Auch das berüchtigte "SOS" für Männer - Schlips, Oberhemd, Socken - spricht nicht gerade für die Fantasie des Gebers.

Rost vergleicht Weihnachten mit staatlicher Diplomatie: Ein sorgfältig ausgesuchtes Geschenk, das Feinfühligkeit erkennen lässt, beeinflusst das Klima der Verhandlungen ganz entscheidend - und damit die Stimmung am 24. Dezember.

Grundregel Nummer eins des Schenkens lautet deshalb, sich Gedanken über Vorlieben der Mitmenschen zu machen, sich an Wünsche zu erinnern oder unauffällig danach zu fragen. Eine solche Gabe bewirkt nach Rosts Erkenntnis ein wichtiges psychologisches Wechselspiel: Der Beschenkte freut sich über eine originelle Idee, und das schmeichelt dem Geber.

Beim Schenken geht es laut Rost in erster Linie darum, Bindungen zu schaffen. Eine Einladung zum Essen oder eine Theaterkarte signalisierten beispielsweise den Wunsch nach einem "außerplanmäßigen" Wiedersehen. Da kann der Forscher aus persönlicher Erfahrung schöpfen: "Freunde haben mir mal eine Theaterkarte geschenkt. Seitdem bin ich ein Theaterfan. Ich bin ihnen ewig dankbar."

Ein Drittel aller Bundesbürger kauft nach einer Forsa-Umfrage Weihnachten Geschenke im Wert bis zu 200 Mark (102 Euro), ein weiteres Drittel lässt sich Gaben für Heiligabend bis zu 500 Mark kosten. Der materielle Wert eines Geschenkes ist für Friedrich Rost nebensächlich. Erwachsene könnten sich ihre Wünsche oft selbst erfüllen, sagt der Wissenschaftler. Was es nicht zu kaufen gibt, ist die persönliche Wertschätzung, die sich in einem gelungenen Geschenk ausdrückt.

Auf das Forschungsthema Schenken ist der 52-Jährige bei der Konfirmation seines ältesten Sohnes gestoßen. "Da ist das absolute Chaos ausgebrochen. Der Junge wünschte sich andere Sachen als die Verwandtschaft ihm schenken wollte. Und ich wollte wissen, was dahinter steckt." Ein griffiges Zitat über sein Forschungsthema hat Rost viel später beim Dichter Joachim Ringelnatz gefunden. Dort heißt es: "Schenke mit Geist, ohne List. Sei eingedenk, dass dein Geschenk du selber bist."

Kaufrausch bei klirrender Kälte
Wirtschaftsminister sieht Beginn einer Trendumkehr – Handel in Niedersachsen zufrieden

[...] Hamburg/Hannover. Bundeswirtschaftsminister Werner Müller sieht im Weihnachtsgeschäft eine Wende zum Besseren. „Grundsätzlich ist die Stimmung schlechter als die Fakten. Der Trend scheint sich bei den Konsumenten schon umzukehren: Der Einzelhandel beispielsweise spricht über gute Umsätze im Weihnachtsgeschäft“, sagte der Minister gestern in Berlin. Tatsächlich ist das Weihnachtsgeschäft in Deutschland nach einer kleinen Atempause in der vergangenen Woche am dritten Advents-Sonnabend wieder in Schwung bekommen. Wie der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) mitteilte, lief der Verkauf für die meisten Geschäfte „noch positiver“.

Rund 70 Prozent der befragten Händler hätten von einem Umsatzplus gesprochen, sagte HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr. Der Handel blicke optimistisch auf die kommende Woche und den letzten langen Sonnabend vor Weihnachten.

Zwei Tage vor Ausgabe der ersten Euro-Münzen in Deutschland waren Geschenke rund um den Euro gefragt. Als Renner hätten sich Portemonnaies mit Euro-Abmessungen, Euro-Rechner, DM-Gedenkbücher oder Euro-Gesellschaftsspiele erwiesen, teilte der HDE weiter mit. Daneben standen Uhren, Schmuck, Kosmetik, Mobiltelefone, Fernseher und Computer ganz oben auf den Wunschzetteln. Bei frostigen Temperaturen war auch Winterbekleidung gefragt.

Bei Eisglätte und Nebel lief das Weihnachtsgeschäft auch in Niedersachsen auf Hochtouren. Die Kaufhäuser und Elektronikmärkte in den Innenstädten zeigten sich überwiegend zufrieden mit den Umsätzen. Renner waren Computer, Multimedia, Kosmetikartikel sowie Damen- und Winterbekleidung.


Quelle: dpa, 17.12.2001

Zusatzaufgabe:
1. Suchen Sie möglichst viele Wörter (und Wendungen), die mit Weihnachten zu tun haben, und ordnen Sie diese

2. Schreiben Sie einen Aufsatz: "Wie verbringe ich das Weihnachtsfest in meinem Land?"

(c) Bearbeitung und Links WN 17.12.2001