Text 4 c: Schock auf Deutschlands Baustellen!
Die Banken wollen den zweitgrößten Baukonzern Deutschlands, die Philipp Holzmann AG, mit 28 000 Mitarbeitern sterben lassen!
Die Nachricht kam nach 15 Stunden Krisensitzung: Das Sanierungskonzept ist gescheitert, die Banken kommen nicht für die Milliardenschulden der 150 Jahre alten Firma auf. Die Arbeiter verraten und verkauft! - Politiker und Banken müssen jetzt handeln. BILD fordert: Lasst die Arbeiter nicht im Stich! Bundeskanzler Schröder will sich persönlich einschalten, auch die Stadt Frankfurt bietet Hilfe an. - Sie wussten, um was es geht: Eine ganz, ganz dicke Finanzspritze musste her. Mindestens 2,5 Milliarden Mark für die überschuldete Holzmann AG. Der letzte Versuch, 28 000 Arbeitsplätze zu retten. Und 240 000 Jobs bei Zulieferern und Sub-Unternehmern. 100 Manager für 20 Banken an einem Tisch. Fast 15 Stunden verhandelten sie am Ende kam für die Malocher vom Bau nichts dabei heraus!
Sonntagnachmittag, 15.30 Uhr: Das Treffen der Gläubigerbanken des Holzmann-Konzerns beginnt. - Der Ort: Hotel Frankfurter Hof, der Ballsaal. Tradition, Spiegeltüren, dicker Plüsch, erbaut von Holzmann-Arbeitern 18741876. - In den Saal darf kein Besucher. Bodyguards schirmen den Raum ab. Die Journalisten 20, 25 Meter weit weg. - Alle Banker setzen auf einen Mann: Carl von Boehm-Bezing (59). Vorstand der Deutschen Bank, Aufsichtsratsvorsitzender von Holzmann. 15 Prozent von Holzmann gehören der Bank und sie hat das Geld, Holzmann zu retten. - Zum Auftakt: Beaujolais, Käsewürfel, Frankfurter Würstchen. Stärkung die Nacht kann lang werden.
Mitternacht. Deutsche-Bank-Sprecher Dierk Hartwig kommt aus dem Saal. Er scheint hoffnungsvoll. Die Journalisten springen auf. Die Atmosphäre sei sehr sachlich, es werde gerungen, verkündet Hartwig. Die Wahrheit: Die haben sich gegenseitig angeschrieen, sagt ein Teilnehmer später. Weiter warten überall sitzen, liegen Reporter.
Die Saaltüren gehen auf, schließen sich in kleinen Runden wird weiter verhandelt. Nur der Kaffeewagen rollt regelmäßig in den Ballsaal. - Um vier Uhr morgens Gerüchte auf den Fluren: Das Scheitern zeichnet sich ab die Commerzbank will ihr Rettungsangebot nicht mehr nachbessern. 450 Millionen Mark fehlen noch.
6.30 Uhr: Mit versteinerter Miene tritt Holzmann-Boss Heinrich Binder vor die Presse. Neben ihm Boehm-Bezing. Wir haben alles versucht, und es hat dann gemeinsam nicht gereicht, gesteht Binder.
Am Tag formiert sich die Wut der Holzmann-Mitarbeiter. In der Frankfurter Innenstadt werden Zufahrtsstraßen blockiert, Arbeiter protestieren vor den Zentralen der Holzmann AG und der Deutschen Bank. Gesamtbetriebsrat Jürgen Mahneke wirft den Banken abgekartetes Spiel vor.
Gestern abend ein neuer Rettungsversuch Vertreter der Gläubigerbanken und des Konzerns trafen sich noch einmal im Gebäude der Hessischen Landesbank. Bundeskanzler Schröder schickte seinen Staatssekretär Hans Martin Bury. Ergebnis bei Redaktionsschluss noch offen.
Quelle: BILD on-line 23.11.99