Eine dokumentarische PC-Edition der "Zauberflöte"

Wolfgang NÄSER, Marburg, im Oktober 2000

Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791) komponierte seine letzte Oper im September 1791, nur wenige Wochen vor seinem Tode; die Uraufführung und wenige Vorstellungen konnte er noch selbst dirigieren. Das Libretto schrieb sein "Freund" Emanuel SCHIKANEDER (1751-1812), Freimaurer wie Mozart und Inhaber des mit über 1.000 Plätzen 1789 neueröffneten "Freihaustheaters an der Wieden". Das (nach Aussage ECKERMANNs) selbst von J. W. von GOETHE sehr anerkennend beurteilte Libretto enthält wesentliche Gedanken des Freimaurertums; erst nach mehrmaligem Genuß des Werkes und bei vertiefender Beschäftigung wird bewußt, wie genial Text und Musik hierauf abgestimmt sind.

Ich hatte das Glück, in der Stiftsruine Bad Hersfeld drei protokollarische Live-Aufnahmen von der "Zauberflöte" machen zu können: im August '99 saß ich mitten unter den etwa 1.600 Zuschauern, die Jecklin-Scheibe in Kopfhöhe auf dem Nebensitz, am - verregneten - 20. August 2000 stand das Mikro etwa 2 m hoch im Orchestergraben direkt neben der 1. Violine, am 22.8., dem letzten Aufführungstag, ragte es 30 cm hoch mittig über den Bühnenrand. Geleitet wurden die Aufführungen vom Künstlerischen Direktor der "Oper in der Stiftsruine", Siegfried Heinrich; das Dvorák-Sinfonieorchester (=RSO) Prag (mit seiner einfühlsam-virtuosen Konzertmeisterin Zdenka Pelikanova) begleitete ein aus hervorragenden Nachwuchs-Sänger/innen bestehendes Ensemble und den aus mehreren Chören rekrutierten Hersfelder Festspielchor. Die "3 Knaben" waren besonders stimmgewaltige junge Mitglieder des auch als "Polnische Nachtigallen" unter Wojciech A. Krolopp weltweit bekannt gewordenen Posener Knabenchors (-> Pressebericht).

Dokumentarische Live-Aufnahmen sind immer ein Kompromiß. Die mit Rücksicht auf die Zuschauer extrem niedrig positionierten Mikrofone (in meinem Falle ein selbstgebautes kopfbezogenes Einpunkt-Stereo-System mit OSS-Scheibe nach Jürg Jecklin) können aus ihrer Perspektive das akustische Geschehen nur sehr subjektiv "abbilden". Das mittig im Zuschauerraum plazierte Mikro ist noch am ehesten in der Lage, Musik und Atmosphäre einigermaßen "neutral" zu erfassen, allerdings kommen sehr viele Geräusche (Husten, Gespräche, Füßescharren, Stuhlknarren etc.) mit aufs Band. Das schräg vor dem Dirigenten im Orchestergraben stehende Mikro liefert ein ideales Klangporträt des instrumentalen Klangkörpers - beim RSO Prag ein Hochgenuß -, die etwas über den Bühnenrand "schauende" OSS-Scheibe läßt die Vokalisten zu vollem Recht kommen (wenn die doch bloß nicht dauerend hin und her laufen würden!) und drängt Teile des Orchesters, besonders die seidigen Violinen, in den Hintergrund, während andere (so das Fagott) übermächtig werden. Und wenn dann Platzregen und Gewitter hinzukommen, haben weder die Zuschauer noch das Mikrofon etwas von einer hervorragenden Darbietung.

Das Band von '99: zu viel Unruhe, einige Dialoge kaum zu verstehen, zu viele Umgebungsgeräusche - schade. In den anderen Fällen Details. Viel Arbeit wäre nötig. Was soll's. Aber nein. Warum hat man zwei Abende im kalten, zugigen Orchestergraben verbracht? Die Mühe umsonst? Nein, es ist die Zauberflöte. Diese Oper ist etwas ganz Besonderes. Sie ist eine Herausforderung, auch und gerade für jemanden, der "nur" und einzig aus Liebe zur Musik an die Sache herangeht. Es entsteht der Plan, aus allen 3 Aufnahmen etwas zu machen: keine schallplattenreife Einspielung, sondern eine Collage, ein Ton-Bild, das nicht nur die Atmosphäre der Aufführung(en), sondern auch und gerade das Gedankengut des Werkes nachzeichnen soll.

Von jeder Aufführung habe ich ein DAT-Band. Da, wie sofort klar wird, die Bühnenrand-Aufnahme vom 22.8. wunderschöne Stimmporträts der Solisten liefert, ist sie meine Haupt-Basis. Packende Orchesterklänge liefert die vom 20.8., allerdings sind die ersten 30 Minuten mehr oder weniger von Regengeräuschen unterlegt. Von einer Aufführung im August '99 habe ich auch ein paar Proben-Ausschnitte, die sollen mitverwendet werden. Ansonsten kommen hier wohl hauptsächlich die Chöre in Betracht.

Von den DAT-Bändern spiele ich Szenen, Arien, Duette usw. als "Module" auf Audio-CDs. Zwischengeschaltet ist ein 10-fach-Equalizer, als autonomer CD-Recorder fungiert ein PIONEER PDR-555RW. Fünfeinhalb CDs erstelle ich, als Grundstock für alles Weitere, das ich daraus im Urlaub gewinnen möchte. An die Nordseeküste nach Cuxhaven nehme ich mit: meinen mit 3 Festplatten (zusammen 45 GB) und 4-fach-Brenner ausgerüsteten tragbaren Midi-Tower, einen alten 12-Zoll-Monitor (8513002) von IBM, Tastatur, Maus, 2 kleine Aktiv-Boxen, das kleine DAT-Porti TCD-D7, viele Daten-Rohlinge, den Klavierauszug, andere schriftliche Unterlagen und viel Optimismus. Auf einer der Festplatten habe ich (mit WinDac32) von den CDs zunächst eine "Rohfassung" der Oper zusammengestellt, sämtlich aus Modulen der dritten, der "Bühnenrand"-Aufnahme vom 22.8.

In meinem Cuxhavener Hotelzimmer starte ich den PC, lade den Sound Editor und erstelle am 17. und 18. September mit zunächst nur jeweils wenigen Modifikationen aus insgesamt 45 Sub-Einheiten oder Modulen (denen die untenstehenden fettgesetzten Dateinamen entsprechen) eine erste Fassung der "Zauberflöte". Welche Wirkung schon diese erste Fassung ausübt, zeigt sich darin, daß ich am Dienstag, dem 19., morgens beim Anhören der zweiten CD meine Tränen nicht zurückhalten kann. Fix und fertig gehe ich erst einmal hinaus, genieße das rauhe Seeklima, fahre mit der Elbe-Ferry, besuche das Dithmarscher Land, laufe abends bei stärkstem Wind (ein Kutter sinkt in dieser Nacht ganz in der Nähe) am Strand bis Duhnen zurück und mache mich, da von jetzt an geh-mäßig stark gehandicapt, in den folgenden Tagen mit neuem Mut und Elan wieder an meine Aufgabe. Je mehr, je öfter man die Oper hört, je tiefer man in Libretto und kompositorische Struktur eindringt, desto offenbarer wird das Wunder dieses Werkes, wird dessen Zielsetzung und wächst damit die Verpflichtung, auch in einer "Amateur"-Aufnahme wie der meinen diesen Anforderungen optimal gerecht zu werden. Ich habe somit versucht, aus drei (bzw. vier) heterogenen Aufnahmen ein Neues Ganzes zu schaffen und somit eigentlich Unmögliches möglich zu machen.

01-Ouv Die Ouvertüre, höre ich, klingt am 22.8. sehr bedeckt, also muß eine andere Aufnahme her; die von '99 ist ein wenig distanziert, die vom 20.8. wäre ideal, hätte es dabei nicht in Strömen geregnet und wären nicht riesige Tropfen auf dem Bühnenboden laut zerplatzt. Doch gelingt es, mit den hervorragenden Noise Reduction Tools von Cool Edit einen großen Teil dieser Störgeräusche zu eliminieren, ohne daß die Brillanz und Seidigkeit der Geigen darunter leidet.

02-Int Dasselbe gilt für das Vorspiel von Szene 1: auch hier nehme ich die packendere Version 2, muß dann nicht nur "Zu Hilfe" anheben, sondern zahlreiche weitere Amplitudenkorrekturen vornehmen, an mehreren Tagen entsteht so durch immer neue Korrekturen und Schnitte ein, wie ich denke, nicht weiter verbesserbares Abbild der (oft den Standort wechselnden) "Drei Damen", die mit Asako MOTOJIMA (Sopran), Annabelle PICHLER (Mezzosopran) und Renate KASCHMIEDER (Alt) optimal besetzt sind. Besonders schwierig ist es, das beim Kulminationspunkt des Terzetts mit den Pauken übermächtig eingreifende Orchester so zu reduzieren, daß die Sängerinnen nicht "zugedeckt" werden. Wo möglich, selbst in kleinsten Abschnitten der Zeitstrecke, reize ich die Möglichkeiten des Programms voll aus. Alles in allem fast ein ganzer Tag, bis Szene 1 fertig ist - bis zum Schluß, wo in selbstgewählt-schwieriger Weise in der letzten Silbe ein Übergang stattfindet zwischen der sanglich (22.8.) und instrumental (20.8.) besten Aufnahmeversion. N: leichte Nachkorrekturen am 11.10.2k

03-A1 Die Vogelfänger-Arie ist insofern schwierig, weil der vom auch im Oratorienfach ausgewiesenen Ansgar HÜNING hervorragend gestaltete Papageno ständig seinen Platz wechselt (womit Klangänderungen einhergehen). Auch komme ich erst spät zu der Erkenntnis, daß die Flöten- und Orchesterzwischenspiele von '99 eigentlich die besten sind, also baue ich sie ein. So etwas wird schwierig, wenn es um Millisekunden geht und der Takt stimmen muß. Ein Durchhören aus zeitlicher Distanz wird zeigen, ob sich die vielen Bearbeitungsschritte gelohnt haben.

04-D2 Tamino (Vernon KIRK) trifft auf Papageno und die Drei Damen. Die Akteure verteilen sich auf der riesigen, nicht überdachten Bühne, viel Schall geht verloren, Dynamik-Kompression und Noise Reduction  (je 10 dB) sind angesagt; auch kommt es wieder darauf an, die hervorragend agierenden Drei Damen optimal zur Geltung zu bringen. Wenn  sie abgehen und Papageno mit seinem Mund-Schloß kämpft, dann müssen schon gewisse Lachmuskeln aktiv gewesen sein.

05-A2 "Dies Bildnis ist bezaubernd schön", singt Vernon KIRK mit wunderbar gefühlvollem Timbre; leider wechselt er auch relativ oft seinen Standort, so daß ein kleiner Satz vom 20.8. eingefügt werden muß - es klappt. N: Nachkorrekturen (Amplitude, Klang) und leichte Verhallung (2600 ms, concert hall light) am 11.10.2k. Eine aufgrund der Sänger-Position klanglich stark divergierende, ca. 20-sekündige Passage wird, da dort besser, aus der "Regen"-Version v. 20.8. importiert und muß deshalb mit Noise Red. -10 dB behandelt werden mit dem Ziel, daß nicht nur klanglich, sondern auch in bezug auf den Störabstand keine Verfremdung entsteht.

06-D3 Die Drei Damen "briefen" Tamino. Kurze, "kaskadiert" gestaltete, raffinierte Sprech-Szene; in Fassung 1 (s.u.) relativ leise und darum nicht wünschenswert verständlich, weswegen ich sie am 11.10.2k (und später) nachbehandelt habe: a) Dynamik-Kompression > 10 dB; b) Hiss Reduction 10 dB; c) Normalizing 65 % (würde mit > 70% als unproportional laut und aufdringlich empfunden).

07-A3 Nach geheimnisvoller Ankündigung in [06-D3] erscheint die von der aparten Barbara FUCHS so leidenschaftlich gestaltete, geheimnisvolle Königin der Nacht, um in ihrer Auftritts-Arie "O zittre nicht, mein lieber Sohn" den nichtsahnenden Tamino für ihre Vorhaben zu gewinnen. Orchestervor- und Zwischenspiele und den Schluß nehme ich nun aus Aufnahme 2 (20.8.) und habe viel damit zu tun, die oftmals nahezu überdeckte, aber packend und kristallklar intonierende Sopranistin so gut wie möglich aus dem Klanggeschehen nach vorn zu holen.

08-Q1 Papageno (nun wieder ohne Schloß), Tamino und die 3 Damen beenden den ersten Teil der Handlung. Nun gilt es, den angeblich verbrecherischen "Entführer" Sarastro in seiner Burg aufzuspüren; 3 Knaben sollen die Führer sein.

09-T1 Monostatos, der schwarze Diener Sarastros, will Pamina (Susanne GEB) in Ketten legen lassen, als Papageno erscheint; beide, der Vogelmensch und der Schwarze, erschrecken voreinander. Hier wie in [14-A4], [16-PS1], [25-KN1], [26-D7] und [45-end] kommt es darauf an, die von Holger SCHUMACHER sehr gut gestaltete Nebenrolle des skrupellosen, opportunistischen Dieners akustisch adäquat zur Geltung kommen zu lassen.

10-D4 Papageno identifiziert Pamina als "Fräuleinbild"; Pamina tröstet ihn über sein "Single"-Dasein hinweg im wunderbar gefühlvoll interpretierten Duett

11-Du1 "Bei Männern, welche Liebe fühlen".

12-3K1 Als "3 Knaben" (Genien) erscheinen die wohl besten jungen Sänger der "Polnischen Nachtigallen"; ich entscheide mich schließlich, die von der Probe '99 herrührende Aufnahme zu verwenden, auch wenn diese mit Bühnenarbeits-Geräuschen unterlegt ist, die ich so gut wie möglich zu tilgen bzw. abzusenken versuche. Taminos kurzer Einwurf ("Ihr holden Knaben, saget an") stammt natürlich vom 22.8.2000 und fügt sich nahtlos in das Taktmaß ein.

13-Fin1 Eine der inhaltlich wichtigsten, entscheidendsten und editorisch anspruchsvollsten Szenen. Nach sehr ausdrucksvoll gestaltetem Rezitativ ("Die Weisheitslehre dieser Knaben") betritt Tamino den Weisheitstempel Sarastros. In der aussagekräftigen Anfangsphase des Dialoges mit dem - sehr wohlklingend timbrierten - Priester fällt am 22.8. in Bad Hersfeld für etwa 10 Sekunden der Strom aus; das betrifft den ans Netz gekoppelten DAT-Recorder, während das vorgeschaltete und auch als Limiter fungierende Cassettengerät TCD 5 M mit seiner autonomen Batteriespeisung weiterläuft. Leider habe ich die beiden Kompaktcassetten nicht mitgenommen und nehme für die erste Gesamtfassung (s. unten) als Provisorium zunächst die entsprechende Passage von '99, was (wegen der Entfernung der Akteure) zur Einbettung diverse Kunstgriffe erfordert. Auch die Einwürfe des verdeckten Chors ("Bald...") nehme ich, weil optimal, von Aufnahme 1.
N: [7.10.2k] fehlende Dialogstelle vom Cassettenband (22.8.) eingefügt; danach weitere Nacharbeiten.

14-A4 Nach zartem Flöten-Vorspiel (20.8.) eröffnet Tamino mit seiner einfühlsam gestalteten Kurz-Arie "Wie stark ist nicht dein Zauberton" (alles leicht verhallt), wonach der von der Flöte herbeigerufene Papageno mit Pamina erscheint; das Treffen wird gestört durch Monostatos, der seine Sklaven herbeiruft, die jedoch durch das Spiel der Zauberflöte zum Tanzen gebracht werden. Mit "Könnte jeder brave Mann / solche Glöckchen finden" beenden Pamina und Papageno in moralisierendem Kurz-Duett die Szene.

15-ppc Der vom Chor der Priester angekündigte,

16-PS1 von Pawel IZDEBSKI in jeder Hinsicht würdig verkörperte Sarastro tritt auf. Nach drei warm klingenden Fanfaren ('99, verhallt) das schmachtend-unschuldige Bekenntnis der Pamina, die versöhnend-beruhigende Antwort des gottähnlichen Oberpriesters, der dreiste Auftritt des Monostatos und das erste Zusammentreffen der Liebenden, die unter dem jubelnden Schlußchor der Priesterschaft (Aufn. 1; Orch.-Ausklang Aufn. 2) zur Läuterung in den Prüfungstempel geführt werden sollen. Damit endet der erste Akt.

17-ma1 Akt 2 beginnt mit dem getragen und feierlich intonierten "Marsch der Priester". Aufn. 2 liefert eine hervorragende Interpretation, die durch angemessene Verhallung Atmosphäre gewinnt.

18-SP1 / 19-SP2 Im Kreise der "Eingeweihten" berät Sarastro über die Aufnahme Taminos, die durch dreimaliges Hornsignal bestätigt wird.

20-A5 Im Wechselgesang mit dem Priesterchor ('99, klangangepaßt) betet Sarastro für das neu aufgenommene Paar. Leichte Verhallung verstärkt die feierliche Atmosphäre. [Ende CD 1]

21-D5 Tamino und Papageno treffen auf zwei Priester, die ihnen Anweisungen geben für die zu erwartenden Prüfungen. Störende Nebengeräusche.und eine bisweilen im linken Kanal hörbare Handy-Störung werden mit definierter Noise Reduction (Prec. Factor 8, korrigierte NR-Kurve) nahezu eliminiert, wodurch andererseits ein gewisser "Cyber"-Effekt entsteht.

22-Du2 "Bewahret euch...": Ein sehr melodisch-harmonisches Kurzduett beider Priester (mit Orch.-Ausklang von Aufn. 2)

23-3D2 Erfolglos versuchen die 3 Damen, Tamino und Papageno zum Reden zu bringen; nach ihrem etwas spöttischen Abgesang werden sie vom Priesterchor ('99) in die Hölle verwünscht.

24D6 Tamino und Papageno werden von je einem Priester auf getrennten Wegen zu weiteren Prüfungen geführt. Störgeräusche im Hintergrund mit NR eliminiert.

25-KN1 "Alles fühlt der Liebe Freuden": atmosphärisch an die "Entführung aus dem Serail" erinnernde Feature-Arie des Monostatos, dessen Versuch, die ruhende Pamina zu verführen, von der mit Blitz und Donner erscheinenden Königin der Nacht vereitelt wird. Diese übergibt ihrer Tochter einen Dolch mit der verpflichtenden Forderung, Sarastro zu töten.

25-KN2 Mit ihrer schönen und zugleich grausamen "Rache"-Arie verleiht sie dieser Forderung Nachdruck. Die Orchester-Einwürfe wurden größtenteils aus Aufn. 2 übernommen und eingearbeitet.

26-D7 Pamina ist verzweifelt; als Monostatos versucht, ihre Unsicherheit und Bestürzung auszunutzen, tritt Sarastro auf den Plan; sie solle sehen, wie er sich an ihrer Mutter räche. Es folgt eine der wunderbarsten und feierlichsten Opern-Arien, nämlich

27-A6 "In diesen heiligen Hallen"; Vorspiel aus Aufn. 2; div. Amplituden-Korrekturen; das Ganze mit 2500 ms (Concert hall light) verhallt, um die Atmosphäre besser abzubilden, wodurch die Darbietung eindeutig gewinnt. Auch der Orchester-Ausklang vom 20.8., wegen der, wie ich notiere, "Seidigkeit der Violinen und der Luftigkeit der Flöten".

28-D8 Wegen extrem niedrigem Geräuschabstand mit definierter Noise Reduction (s.o.) bearbeitete Kurz-Szene mit den beiden Priestern.

29-D9 Papageno und Tamino sind nun allein; plötzlich erscheint die als altes Weib verkleidete Papagena; Donner und Abgang verhindern eine "Enttarnung". Der teilweise aus der Weite der Bühne geführte Dialog wurde mit NR und Amplitudenkorrekturen verständlicher gemacht.

30-3K2 Zum zweiten Male erscheinend, ermuntern die 3 Knaben zu Speise und Trank.

31-D10 Während Papageno ißt und Tamino auf seiner Flöte spielt, erscheint Pamina; todtraurig quittiert sie sein Schweigen mit der Arie

32-A7 "Ach, ich fühl's, es ist verschwunden".

33-D11 Die beiden Prüflinge wandern weiter. Tamino vertreibt mit seiner Zauberflöte Löwen, die sein Gefährte leichtfertig auf den Plan gerufen hat.

34-Ch "O Isis und Osiris", wichtigster und feierlichster Priesterchor der Oper. Mit full reverberation, auditorium atmosphärisch verstärkt.

35-DT Im Kreise der Priester trennt Sarastro das zu weihende Paar und entläßt Tamino in die letzten Prüfungen. Das auf den kurzen Dialog (NR -10 dB) folgende, "durchkomponierte" Terzett durch natural voice reverb, Dynamik-Kompr. 20 dB und Normalizing 90% zu beachtlicher Intensität gesteigert; Sarastros aus der Distanz kommende Einwürfe angehoben und mit NR im Geräuschabstand verbessert. Das stark einfallende Fagott durch Notch / cutoff 130 Hz abgeschwächt.

Der in 36-D12 äußerst niedergeschlagene, frustrierte Papageno trifft in 37-D13 auf einen Priester, der ihm Wein offeriert. Dieser animiert Papageno zu seiner zweiten Feature-Arie

38-PG2 "Ein Mädchen oder Weibchen", deren modular vorgehende editorische Bearbeitung mehr als einen Tag beansprucht. Eingearbeitet wird nicht nur das immer wieder interludierende Glockenspiel von '99 (weil virtuoser); auch diverse Orchester-Zwischenspiele vom 20.8., zuvor als Einzel-Dateien isoliert und abgespeichert, werden paßgenau an den entsprechenden Stellen eingefügt.

39-D14 Im wohl witzigsten Dialog der Oper nimmt das Alte Weib Papageno ein Bündnisversprechen ab und "enttarnt" sich zum Lohn, doch ein Priester interveniert.

40-Fi2 Mit dem weitbekannten "Bald prangt, den Morgen zu verkünden" eröffnen die zum dritten Male erscheinenden Drei Knaben das Finale und kommen gerade noch rechtzeitig, um die vor Gram fast wahnsinnige Pamina vom Selbstmord abzubringen. Mit der Gewißheit von Taminos Liebe und dem Terzett "Zwei Herzen, die von Liebe brennen" endet die gesanglich anspruchsvolle, dramatische Szene. In artikulatorischer (3 Knaben) und dynamischer (Amplituden) Hinsicht wurden noch zuletzt einige Korrekturen vorgenommen.

41-Sz8 Auf den an Bachsche Kompositorik erinnernden, feierlichen Choral der Zwei Geharnischten folgt die Vereinigung der Liebenden ("ich werde aller Orten / An deiner Seite sein"), noch verstärkt durch ein

42-PT an feierliche Märsche erinnerndes, abgezirkeltes Flötenspiel mit dezentem Paukenrhythmus im Wechsel mit dem Duett "Wir wandelten durch Feuersgluten". Vom Inneren besiegelt der Priesterchor mit "Triumph! Du edles Paar!" den nun heiligen, für die Ewigkeit geschlossenen Bund.

43-PP Papageno hingegen, seiner Papagena beraubt, ist in all seiner (hinreißend gespielten) Verzweiflung drauf und dran, seinem Leben ein Ende zu setzen, als die 3 Knaben "ex machina" erscheinen und ihn an die Zauberkraft des Glockenspiels erinnern.

44-PP2 "Klinget, Glöckchen, klinget": den mit bezaubernder Leichtigkeit vorgetragenen Wunsch erfüllen die 3 Knaben sogleich; nach einem kurzen Ritornell (20.8.) erscheint in süßer Jugendfrische Heike PORSTEIN als Papagena, und eine Turtelei sondergleichen beginnt. Das äußerst "dynamische", auf virtuose Synchronität bedachte Duett "Pa-pa-pa-pagena" mit häufigem Orts- und Lautstärkewechsel erfordert zahlreiche Amplitudenkorrekturen. Auch sind durch die Heftigkeit des Auftritts bedingte knarrende Bühnengeräuusche so gut wie möglich zu eliminieren (was auch für andere Szenen galt).

45-End Entsprechend dargeboten, bietet die weniger als 5 Minuten dauernde Schlußszene ein hohes Maß an Dramatik. Die einen vergehen, die anderen erstrahlen in überirdischer Apotheose. Begleitet von den 3 Damen und dem ihr jetzt zugewandten Monostatos (Pamina soll, so verlangt er, seine Gattin sein) dringt die Königin der Nacht in den Tempel ein, um Rache zu nehmen. "Dir, große Königin der Nacht / sei uns'rer Rache Opfer gebracht." Das Geheimnisvolle, Hingebende, Verschwörerische dieser Worte muß den Hörer anrühren bis ins Mark! In einer ersten Kulmination versinken die Übeltäter in der ewigen Nacht, dann ein zugleich wandelndes und erlösendes Interludium und der bewegende, fast überirdische Auftritt Sarastros: ein tiefer Baß mit strahlender Oberton-Krone eignet nicht jedem, aber Pawel IZDEBSKI hat ihn. "Die Strahlen der Sonne vertreiben die Nacht, zernichten der Heuchler erschlichene Macht." Und dann - ich habe die Aufnahme von '99 genommen und etwas verhallt - der ergreifende Schlußchor "Heil sei euch Geweihten." An das kraftvolle Orchesternachspiel schließt sich (ausgeblendeter) tosender Beifall - zu Recht.

Ich verneige mich vor dem darstellerisch und gesanglich perfekten Ensemble, dem virtuosen Orchester, dem großartigen Dirigenten Siegfried Heinrich. Hunderte von Bearbeitungs-Schritten waren nötig, um auf 28 CDs die zahlreichen Zwischenstationen zu verewigen auf dem Wege zu einer (vorläufigen) Endfassung, die ich am 6. Oktober anläßlich der c-Moll-Messe in Marburg zunächst Susanne GEB (Pamina), Vernon KIRK (Tamino) und Renate KASCHMIEDER (3. Dame) überreichen durfte (kleine Änderungen werden folgen, s.o. die mit "N:" markierten Nachträge). Ich danke Gott für die zweieinhalb Wochen, denen ich mich dem Werk widmen konnte. Jede Minute war ein Gewinn.

NACHWORT
Ein, wie ich es genannt habe, "gestaltender Zusammenschnitt" aus nur drei behelfsmäßigen Aufnahmen kann (und will) eine professionelle Einspielung nie ersetzen; letztere entsteht ohnehin unter ganz anderen, günstigeren Voraussetzungen. Wer sich auf eine solche PC-Bearbeitung einläßt, wird - wie in diesem schwierigen Fall - irgendwann frustriert sein. Das anzustrebende "Produkt" wird zur Dauer-Baustelle. Immer neu scheinen Details auf, die zu verbessern wären; aus dem Auge verloren hat man die Tatsache, daß das Ganze nicht a priori "aus einem Guß" entstand, nie homogen war, sondern daß es sich um ein aus vielen hundert Einzelteilen montiertes Puzzle handelt. Dann wird es Zeit, technischen Fetischismus und (hier unangebrachte) Perfektionsliebe aufzugeben und das Entstandene als Ganzheit zu sehen, als etwas Neues, das seinen gebührenden Platz mit Recht beansprucht.

Wenn also - aufgrund der Heterogenität der "Bausteine" und des behelfsmäßigen Verfahrens*) - technische Unvollkommenheiten vorliegen, so kann eine solche Collage dennoch Inhalte und Stimmungen aufzeigen, akustisch kolorieren, die einer nüchtern-perfektionistischen Platten-Produktion verwehrt sind. Ich habe viel in diesen Tagen gelernt, nicht nur über diese einzigartige Oper, sondern auch und vor allem Handwerkliches, galt es doch in einer Reihe von Fällen, sogar Silben und Einzellaute zu bearbeiten**). Klang- und Taktanpassungen waren nötig; ohne Libretto und Klavierauszug wäre ich verloren gewesen.

Die Arbeit an der Hüllkurve zeigt, wie stark Sprache und Musik verwandt sind, wie das eine nicht auskommt ohne das andere, wie beides zu demselben Recht kommen muß. Und insofern wird eine solche editorische Tätigkeit auch dann reiche Früchte tragen, wenn es etwa darum geht, dialektalen Nuancen optimale Repräsentanz und Wirkung zu verleihen.
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*) Für das primär auf Lautsprecherwiedergabe hin konzipierte Editing standen nur zwei kleine Aktivboxen zur Verfügung und ein durch 3 Ventilatoren ziemlich stark rauschender PC. Die daraus resultierenden hörphysiologischen und rezeptionsästhetischen Gegebenheiten (ver)führten dazu, daß - ganz im Sinne einer "Autoradio-Version" - leiser Gesang, leise Artikulation durch geeignete Maßnahmen auch in gewissem Störpegel  verständlich(er) wurden. Zudem ermöglicht die Dynamik-Kompression via PC radikalere, deutlichere Manipulationen des Klanggeschehens als etwa ein so guter, effektvoller Limiter wie der des SONY-TCD5M. Insofern unterscheiden sich dann auch die Resultate beträchtlich von denen einer computerlosen Nachbearbeitung; es ist und bleibt eine Geschmacksfrage, ob z.B. das eifersüchtige Buhlen der Drei Damen in [02-Int], der Kaskaden-Dialog [06-D3] und andere Sprech-Szenen nicht besser mit konventionellem Limiter bearbeitet werden sollten.
Ein professionelles Ton-Studio hätte den - hier unverzichtbaren! - PC räumlich-akustisch isoliert und mit 2 großen Abhör-Monitoren gearbeitet. Damit wären dann Kleinigkeiten hörbar gewesen, die aufgrund der o.a. Widrigkeiten untergingen; fraglich ist allerdings, ob solche Details sämtlich hätten "kuriert" werden können.

**) Je kürzer der modifizierte Teil auf der Zeitachse, desto größer die Gefahr neu provozierter Amplitudensprünge: hörbare Clicks sind die Folge und müssen durch kompensatorische Verstärkung beseitigt werden (damit die Hüllkurve wieder "geglättet" wird). Auf solche Weise lassen sich auch als unästhetisch empfindbare große Amplitudenschwankungen bei älteren Sänger/innen "lindern" (wobei allerdings die Frage entsteht, ob derartige Eingriffe noch "legitim" sind). Auf jeden Fall ist darauf zu achten, daß im Sinne der Rezeptions-Ästhetik eine kompositorische Einheit nicht durch allzuviele Manipulationen (die Technik verführt - leider - dazu) "verschlimmbessert" wird.
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Wird ergänzt.
(c) Dr. W. Näser, Marburg; Stand: 1.11.2012, mit MP3s aus der bearbeiteten Aufnahme (zuletzt: nur Text, 28.4.2004)