Möglichkeiten der Datenrettung bei überschwemmten PCs
von Wolfgang Näser, Marburg =>
Tips für Bildschirm-Arbeiter
Im Osten Deutschlands wurden durch eine verheerende Flutwelle
Milliardenwerte an Häusern und Inneneinrichtungen vernichtet: wie es
scheint, unrettbar. Es diesem Grunde wurden bei der ersten Schadens-Bilanzierung
auch -zigtausende von elektronischen Geräten als unrettbar defekt der
Müllentsorgung überantwortet. Viele der grauen Kästen hingen
irgendwo im Schlamm herum oder sahen so entsetzlich aus, daß jede Hoffnung
aufgegeben wurde. Opfer dieses Flut-Desasters wurden auch tausende von Betrieben,
deren unschätzbar wertvolle Daten mit den Massenspeichern dieser
Schlamm-Computer verdorben sind - könnte man meinen, doch sind solche
Aussagen relativierbar.
Die folgenden Zeilen vom 23./27.8.2k2 sollten in bescheidenem Maße
Tips bereitstellen, aber keinesfalls Firmen wie z.B.
RDE "Konkurrenz" machen.
Größtenteils basieren meine Ausführungen auf eigener Erfahrung.
Z.B. konnte ich feststellen, daß selbst eine "bewässerte" Platine
nach Trocknung noch funktionieren kann und daß es sich lohnt, elektronische
Geräte erst einmal daraufhin zu untersuchen (oder untersuchen zu lassen),
ob man sie ganz oder wenigstens teilweise retten kann. Strittig sind jedoch
einige Ausführungen, z.B. die zu den Festplatten gemachten; hierzu erhielt
ich am 23.10.2k5, also mehr als drei Jahre später, eine Mail von
rdewiesbaden <gr@ipw.net>, in der freundlicherweise auf die
Druckausgleichsmembran hingewiesen wurde. In diesem Sinne bin ich
natürlich dankbar auch für andere mögliche Korrekturen, sofern
diese wie im zitierten Fall auf konkrete Erfahrungen zurückgehen.
Im wesentlichen kommt es darauf an, ob Ihr Rechner
bei laufendem Betrieb oder ausgeschaltet vom Hochwasser
überrascht wurde; nur in letzterem Fall können die Platinen
und Steckkarten sowie das Netzteil u.U. wieder funktionsfähig
gemacht werden. Bei Festplatten könnten während einer
kurzschlußbedingten Spontanabschaltung die Steuer-Elektronik
(auswechselbar) und Daten(strukturen) beschädigt worden sein,
während der hermetisch gekapselte interne Plattenstapel mit
Schreibköpfen und deren Positionierungsmechanik noch intakt
sind. Sofern nicht durch Stoß oder Fall verzogen oder eingebeult, ist
das PC-Gehäuse voll wiederverwendbar. Das gilt auch für
andere rein mechanische Teile.
Da bei Computern und deren Zubehör in vielen Fällen
modularisierte Baugruppen und -elemente zum Einsatz kommen, ließe
sich überlegen, ob nicht aus mehreren teilbeschädigten Geräten
neue funktionsfähige Einheiten gebaut (und damit unnötige Ausgaben
vermieden) werden könn(t)en.
I. mechanische Grundreinigung
-
Zerlegen Sie das Gerät; legen Sie alle Schrauben und sonstigen Kleinteile
der Geräte-"Geometrie" entsprechend ab.
-
Reinigen Sie das Gehäuse mit lauwarmem Wasser; beseitigen Sie
alle Oxidationen mit Kontaktpflegemittel.
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Ziehen Sie von der Grund-Platine (Motherboard) alle entnehmbaren Elektronischen
Schaltkreise (Memory, CPU, Chips), die Steck-Karten und die
Steckverbindungen ab.
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Reinigen Sie das Motherboard ggf. mit klarem, lauwarmem Wasser, lassen
Sie es dann gut abtrocknen, ggf. auf einer antistatischen, saugfähigen
Unterlage. Sie können die Grundplatine auch vorsichtig
trockenblasen, sofern dabei keine statische Aufladung entsteht.
-
Reinigen Sie alle Steckverbindungen (Kontaktleisten) mit Alkohol,
Kriechöl oder einem Kontaktspray (z.B. Kontakt 60), als "Lappen" verwenden
Sie am besten ein nicht faserndes Einmal-Taschentuch. Überprüfen
Sie mit einer Lupe, daß sich nirgendwo zwischen isolierten
Lötstellen bzw. Kontaktstiften metallische Fremdkörper bzw.
Restflüssigkeiten befinden.
-
Desgleichen verfahren Sie mit den sog. Steck-Karten (Graphik, I/O,
Audio, Modem etc); auch von diesen sind alle entfernbaren Schaltkreise
(Prozessoren, Memory) abzuziehen und getrennt zu reinigen.
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Elektronische Schaltkreise (Chips) und Memory-Bausteine mit geerdetem
Werkzeug anfassen, ggf. vorsichtig absprühen und dann mit antistatischem
Tuch trocknen; alle Kontakte mit Alkohol oder Spezial-Spray von eventuellen
Oxidationen befreien. Danach Chips bis zum Wieder-Einbau in antistatische
Kissen einsetzen.
-
Reinigen Sie die Festplatte(n) ggf. mit etwas lauwarmem Wasser und
lassen Sie sie auf saugfähiger Unterlage abtropfen. Reinigen Sie die
Steuer-Elektronik und die Anschlußkontakte zusätzlich mit
Spezial-Pflegemittel (z.B. Kontakt 60). Berühren Sie leitende Stellen
der Elektronikplatte nur mit geerdetem Werkzeug. Ist Wasser an schlecht
zugänglichen Stellen eingedrungen, ziehen Sie auch hier evtl. entnehmbare
Schaltkreise ab.
-
Netzteil: öffnen, Ventilator (Gebläse) ausbauen;
Platine und Bauelemente ebenfalls mit lauwarmem Wasser
besprühen, vom Schlamm reinigen, dann mit Warmluft trocknen, mehrere
Stunden oder Tage nachtrocknen lassen. Alle Kontakte (auch Sicherungshalter)
und Lötstellen mit Kontaktpflegemittel behandeln, Oxidationen entfernen.
Zwischen den Leiterbahnen darf keine Feuchtigkeit mehr sein, die
Kriechströme oder Kurzschlüsse verursachen könnte.
Dasselbe gilt für die Spulen des Schaltnetzteils. Notfalls verdächtige
Teile mit Kriechöl behandeln (und danach mit feuchtigkeitsaufnahmendem
Tuch abwischen). Ventilator vorsichtig mit wenig lauwarmem Wasser
reinigen, ggf. Lager mit Sinterlager-Öl nachschmieren.
-
Monitore: die Bildröhren sind hermetisch dicht, sie dürften
noch verwendbar sein. Mit der Elektronik verfahren Sie wie oben beschrieben,
für das Netzteil, besonders die Hochspannungselektronik, gilt
dasselbe. Achten Sie darauf, daß in eventuellen Ritzen, Spalten keinerlei
Flüssigkeit oder Restfeuchtigkeit verbleibt.
-
Offene Laufwerke (Disketten, Streamer, auch DAT) enthalten Mechaniken
und Schreib-/Leseköpfe, die durch Verschlammung zerstört
werden können. Doch auch hier besteht noch geringe Hoffnung, sofern
es gelingt, mit reinem, warmem Sprüh-Wasser und Alkohol die letzten
Schmutz-Reste zu entfernen und dadurch auch die Köpfe wieder
arbeitsfähig zu machen. Für die Steuer-Elektronik, Ihre Schaltkreise
und Anschlußkontakte gilt das zu den Festplatten Gesagte. Mechanische
Kleinteile, die für den Transport des Schreib-Lesekopfes
zuständig sind, müssen Sie ggf. mit einem Q-Tip reinigen, der
zunächst mit oxidationslösendem Kontaktspray benetzt ist, später
sollte etwas Fein-Öl aufgetragen werden.
-
Tastaturen: werden sie wie beschrieben gereinigt, sie auch sie wieder
arbeitsfähig. Das gilt auch für Drucker - vorausgesetzt,
es ist kein Wasser und / oder Schlamm so in mechanische Teile gelangt, daß
es (er) nicht entfernt werden kann.
II. Daten-Rettung
-
Festplatten sind hermetisch versiegelt. Allerdings heißt es
in
http://www.rde.net/wasser-schaeden.0.html:
"Jede Festplatte hat eine (Luft-) Druckausgleichsmembrane, die auch einen
Betrieb in 10.ooo Metern Höhe möglich machen sollte. Diese Membrane
ist zwar staubdicht, aber wasserdicht brauchte sie nie zu sein." Sofern das
Gehäuse nicht eingebeult und / oder das Laufwerk (Motor und Achse) nicht
beschädigt wurden und sie nicht tagelang im Wasser gelegen haben, sind
Festplatten möglicherweise noch verwendbar. Nach der Grundreinigung
(Gehäuse, Steuerplatine, Kontakte, s.o.) jumpern Sie die Platte ggf.
als Slave, sofern kein Master-Port zur Verfügung steht,
und setzen Sie sie in einen intakten PC. Dessen BIOS wird die Platte automatisch
erkennen und als Laufwerk zuweisen. Sie können dann unter DOS oder Windows
auf die Daten zugreifen und mit ihnen weiterarbeiten, sofern sich die
nötigen Programme (z.B. Winword, Excel usw.) auf der Haupt-Festplatte
(Master) befinden. Achten Sie darauf, ob ihre Platte "normal" oder unter
FAT 32 läuft und daß im letzten Fall die Datenstruktur
nicht durch ein dafür untaugliches Betriebssystem oder Verwaltungsprogramm
(z.B. defrag, checkdisk) zerstört wird.
* sollte der Schaden bei laufendem PC-Betrieb geschehen sein, könnte
die FAT bzw. auch der Boot-Sektor der Platte in Mitleidenschaft gezogen worden
sei. Mit Spezial-Programmen wie den NORTON
UTILITIES oder der Systemwiederherstellungs-CD (nach dem Starten
Option "R") lassen sich zerstörte Boot-Signaturen und
FATs (und damit auch die Dateien-Strukturbäume)
wiederherstellen.
* Sichern Sie alle (wiegergewonnenen) Daten Ihrer Festplatte auf CD-Rs (für
künftige Fälle sollten Sie einen externen Brenner
verfügbar haben, der sich via LPT1 und / oder USB an jeden
stationären PC anschließen läßt).
-
Disketten: die 3,5"-Disketten mit 730 kB bzw. 1,44 MB
Netto-Kapazität sind - bis auf einen beim Lesen durch Schieber freigelegten
Ausschnitt - ebenfalls geschützt. Grobstrukturierter Schlamm könnte
da wenig ausrichten, so daß in diesem Fall möglicherweise noch
viele Daten erhalten sind. Befindet sich die Diskette in einem durch Wasser
und / oder Schlamm geschädigten Laufwerk und ist sie dort nicht eingeklemmt,
so versuchen Sie, sie vorsichtig und langsam herauszuziehen, damit
der ggf. freiliegende magnetisierte Teil der Diskettenoberfläche nicht
zusätzlich zerkratzt und die Diskette in ihrer Hülle nicht verklemmt
wird.
o Läßt sich die Diskette nicht einlesen, so könnten
Daten im Bootsektor beschädigt sein. Versuchen Sie zunächst generell,
die Diskette(n) in anderen Laufwerken zu lesen. Hat auch dies keinen Erfolg,
so hilft auch hier entsprechende Spezialsoftware (Norton u.a.), um wenigstens
einen Teil der Daten zu retten.
o Auch wenn Sie vielleicht einen Brief oder eine Tabellenkalkulation
nicht in korrekter Form wiederherstellen können, so hilft es vielleicht,
innerhalb einer undefinierbaren Datei mit einem Hex-Viewer bestimmte
Zeichen(folgen) wiederzuerkennen, die für Buchungsvorgänge
oder protokollarische Notizen von Wichtigkeit sind.
o Löschen Sie deshalb keinesfalls die mittels Check Disk aus
einer zerstörten Pfadstruktur gewonnenen *.chk-Dateien, bevor Sie jede
einzelne auf verwendbare Zeichen-Ketten untersucht haben.
-
Streamer- und DAT-Cassetten: hier könnte nur der jeweils freiliegende
Teil des Bandes beschädigt sein. Der Band-Wickel ist so dicht,
daß bei nur relativ kurzem "Bad" zwischen die einzelnen Lagen weder
Wasser noch Schlamm eindringen könnte. Seien Sie sehr vorsichtig beim
Handhaben der nur wenige tausend Millimeter "dicken" DAT-Bänder,
berühren Sie möglichst nicht die dem Tonkopf zugewandte (also die
Informationen enthaltende) sog. Schicht-Seite.
o Das gilt auch für Audio- und
Video-Cassetten(bänder), sofern diese wertvolle Informationen
beinhalten und gerettet werden müssen. Video-Bänder müssen
absolut trocken und frei von Fetten, Ölen u. dgl. sein, damit sie beim
Lauf nicht an der schnell rotierenden Kopftrommel festkleben.
-
CD(R)s bestehen in der Regel aus einer nur wenige Mikrometer
dünnen Informations-Schicht, die auf eine lichtdurchlässige
und gleichzeitig schützende Plastikscheibe bündig aufgeklebt ist.
CDs können in den allermeisten Fällen gerettet werden -
es sei denn, die Informations-Schicht hat sich von der Träger-Platte
abgelöst.
o Reinigen Sie die CD(R) in klarem lauwarmem Wasser und lassen Sie
sie danach gründlich abtrocknen. Sind dann noch Rückstände
vorhanden, so versuchen Sie, diese mit einem weichen, nicht fasernden Tuch
zu entfernen. Sie können die Unterseite (Datenseite) ruhig abwischen,
da es sich hier um das Trägermaterial handelt. Durch dieses Wischen
(Reinigen) dürfen allerdings keine Kratzer oder dauerhaften Verunreinigungen
entstehen, die das Lesen der geschriebenen Informationen (durch den Träger
hindurch) behindern könnten.
Wird ergänzt * (c) Dr. W. Näser, Marburg. Seite begonnen
23.8.2002; Stand: 17.10.2k5 (zuvor: 27.8.2k2)