Dr. W. Näser: UE Wörter und Wendungen in aktuellen deutschen
Medientexten (für ausländische Studierende)
Mi 16-18, Biegenstr. 14, HG 207
Text 7: "Nur vom Feinsten - Bei großen Turnieren ist für die deutsche NATIONALELF nichts zu teuer. Egal, ob Unterbringung, Verpflegung oder Training - Superlative sind angesagt". In: kicker, 19.Mai 2008, S. 90 + 92
DER TEXT
Aus didaktischen Gründen gebe ich hier obigen Text leicht verändert und in indirekter Rede wieder:
"Nur vom Feinsten" überschreibt Autor Rainer Franzke seine Reportage über die Vorbereitungen der deutschen Nationalelf für die kommende Europameisterschaft. Für sie sei nichts zu teuer, egal ob es sich um die Unterbringung handle, die Verpflegung oder das Training; stets seien Superlative angesagt.
Das darunterstehende Farbfoto zeigt das "Il Giardino" in Lugano; dieses Hotel biete der deutschen Nationalelf die nötige Abgeschiedenheit. Man reise, logiere (=wohne) und speise wie gekrönte Häupter. Wenn die deutsche Elf bei der Euro 2008 so exzellent (= ausgezeichnet) aufspielen solle wie sie versorgt werde, dann müßte sie zum vierten Male, also nach 1972, 1980 und 1996 den Titel gewinnen, mutmaßt der Autor. Denn keine der 16 teilnehmenden Nationen investiere mehr Geld in dieses Projekt und nie zuvor habe den DFB (= Deutschen Fußballbund) die Teilnahme an einer Welt- oder Europameisterschaft mehr gekostet als die vom 7. bis 29. Juni in Österreich und der Schweiz ausgetragene Endrunde; nie hätten sich mehr Betreuer um die Mannschaft gekümmert.
Sollte Deutschland wie in Portugal (2004) und wie davor (2000) schon in der Vorrunde ausscheiden, dann, so der Autor, würde dem DFB ein Verlust in Millionenhöhe entstehen. Generalsekretär Wolfgang Niersbach meine dazu, der Anspruch des DFB bestehe darin, das Team "top-professionell" in das Turnier zu entsenden. Da werde nicht gespart, aber auch nichts verschwendet. Nach Schatzmeister Horst R. Schmidt sei die EM für den DFB selbst dann noch defizitär, wenn man das Halbfinale erreiche. Nur beim Finale könne (durch die hereinkommnden Prämien, s. unten) ein leichter Gewinn erzielt werden.
Was das Reisen angehe, werde Deutschland auch hier "Weltmeister" sein; kein anderes Team habe sein Quartier weiter entfernt von den Spielstätten gebucht. Mit eigener Chartermaschine fliege man von Lugano zu den Gruppenspielen in Klagenfurt und Wien. Nach den Spielen gehe es direkt zurück; dazu sei in Lugano eigens das Nachtflugverbot aufgehoben worden. Die Gruppengegner Polen, Kroatien und Österreich reisten dagegen aus ihren österreichischen Quartieren mit Bussen an; nur Schweden reise ähnlich weit wie die Deutschen.
Als Quartiere seien Fünf-Sterne-Häuser gerade gut genug. Wie das "Arabella Sheraton Golf Hotel Son Vida" in Palma de Mallorca, wo die Deutschen bis Ende Mai residierten und von wo sie zum Spiel am 27. Mai gegen Weißrußland nach Kaiserslautern flögen (mageres Resultat gestern: 2:2, WN). In den ersten Mallorca-Tagen sei "Regeneration" angesagt und dürften die Spieler-Familien mit auf die Insel. Das Luxushotel mit 93 Zimmern und Suiten habe man komplett für das Nationalteam reserviert. Das spätere Quartier "Il Giardino" in Lugano sei laut Team-Manager Oliver Bierhoff das "Nonplusultra" und biete die nötige Abgeschiedenheit. 16 Suiten, 2 Juniorsuiten, 54 Doppelzimmer (als Einzel) und 130 Bedienstete stünden Kapitän Michael Ballack und seiner Mannschaft exklusiv zur Verfügung ebenso wie der angrenzende Golfplatz und der sogenannte Spa-Bereich (= Wellness- oder Erholungsbereich) mit Innen- und Außenpools und einem römischen Badetempel. In diesem - laut der Fachzeitschrift Bilanz - besten Ferienhotel der Schweiz hätten seinerzeit auch der Schriftsteller Hermann Hesse und der Maler Max Ernst gewohnt und hier solle man sich möglichst bis zum Finale wohl fühlen. Vor den Spielen in Klagenfurt wohne man, wie auch die Gruppengegner Polen und Kroatien, im Villacher "Holiday Inn Congress Center". Obwohl zunächst eine wechselseitige Hotelnutzung geplant gewesen sei, habe der DFB mit den Kroaten ausgehandelt, die ganze Zeit über im Holiday Inn bleiben zu können, und habe dafür dessen 3 oberste Stockwerke mit insgesamt 70 Zimmern und Suiten und 8 Büros für fünf Nächte gebucht, obwohl man nur zwei Nächte dort verbringen werde. In Wien werde vor dem Spiel gegen Österreich das "Hilton Plaza Vienna" bezogen, Österreichs erstes Designer-Hotel mit 1.000 Original-Kunstwerken an einer sogenannten Ringstraße.
Was das Essen angehe, so werde die Mannschaft erstmalig von einem sogenannten Sternekoch begleitet: der von Bierhoffs Agentur "Projekt B" vermarktete Holger Stromberg aus München treffe schon in Ascona auf seinen Kollegen Urs Gschwend, ebenfalls Sterne-Koch und Küchenchef im "Il Giardino". In allen EM-Quartieren gebe es englischsprachige Anweisungen über die Wünsche des deutschen Teams und englische Konversation sei Pflicht in den Küchen. Vorgeschrieben sei unter anderem, woher der Zucker zu kommen habe, wie die Nudeln aussehen müßten und in welcher Reihenfolge das Obst auf dem Büffet anzuordnen sei. Möglicherweise sei es psychologisch wichtig, wenn die Mineralwasserflaschen nur am Spieltag auf einer bestimmten Seite des Tisches stünden.
Neben Bundestrainer Joachim Löw, seinem Assistenten Hansi Flick, Torwarttrainer Andreas Köpke und Manager Oliver Bierhoff kümmerten sich weitere 21 Mann um die 23 Spieler. Dazu kämen noch Mediendirektor Harald Stenger, Euro-Lloyd-Reisebürochef Wolfgang Wirthmann sowie die zahlreichen Angestellten und Sicherheitskräfte in den Hotels. In allen Quartieren werde exklusiv für die Spieler je eine eigene Lounge eingerichtet mit Playstations, PCs, TV- und Videogeräten. Selbst für die jeweils eine Nacht in Villach werde ein Hotelbereich als "Spieler-Lounge" umgerüstet und sogar eigens das Kongreßzentrum umgebaut, um eine Fläche für "Fußballtennis" zu schaffen.
Und nun die Kosten. 7,5 Millionen Startgeld zahle die UEFA an jede Nation, pro Sieg in den Gruppenspielen gebe es eine Million Euro, pro Remis (= Unentschieden) eine halbe Million. Wer in das Viertelfinale einziehe, erhalte 2 Millionen, die Halbfinalisten bekämen weitere 3 Millionen. 7,5 Millionen bekomme der Europameister, 4,5 Millionen der Vizemeister. Laut DFB-Schatzmeister Schmidt verschlinge das "Projekt Euro 2008" etwa 15 Millionen Euro. Inbegriffen seien die Reisen der Funktionäre und die Errichtung von Medienzentren in Ascona und den VIP-Bereichen am Wörthersee. Allein die Vorbereitung auf den Mallorca-Aufenthalt koste 800.000 Euro, das Trainingslager am Lago Maggiore 900.000 Euro, die Reisen während der EM schlügen mit einer halben Million zu Buche.
Auch in den Trainingslagern würden für das Team eigene Einrichtungen geschaffen, zum Beispiel im "Estadion Son Moix" des spanischen Erstligisten RCD Mallorca mit einem eigenen Fitnessbereich. Im "Centro Sportivo Nazionale della Giuventú", dem nationalen Jugendsportzentrum in Tenero am Lago Maggiore, stünden unserem Team 3 der 6 Plätze exklusiv zur Verfügung; sie lägen in einer durch 2,5 Meter hohen Zahn mit Sichtblenden geschützten "Roten Zone", wo der DFB ein eigenes Medizinisches Zentrum und einen Fitnessbereich einrichte.
Nur die Fans mit Eintrittskarten zu den Vorrundenspielen würden die deutschen Spieler zu Gesicht bekommen; Öffentliche Trainings solle es während der ganzen EM wohl nicht geben. Die größte Chance, die deutsche Mannschaft einmal aus der Nähe zu sehen, bestehe wohl vor den Spielen in Klagenfurt vor dem "Holiday Inn" in Villach. Dort, wo auch die Polen und Kroaten übernachten, habe sich die Gemeinde auf einen großen Fan-Ansturm eingerichtet und für entsprechende Maßnahmen eine Million Euro investiert. 1.000 Busparkplatze habe man geschaffen, dazu 2 große Public-Viewing-Flächen, einen Campingbereich mit über 6.000 Stellplätzen und, für Karteninhaber, einen eigenen Busverkehr zum Klagenfurter Wörthersee-Stadion. Diese zusätzlichen Maßnahmen, obwohl man bei über einer Million jährlicher Übernachtungen sich schon bestens mit Touristen auskenne.
DIE DISKUSSION
Nach eingehender Lektüre und Wortklärung stellte ich die Frage, ob ein derart überwältigender Luxus wirklich dazu angetan sein könne, das deutsche Fußballteam zu auf das Wesentliche (nämlich den Sieg) konzentriertem und diszipliniertem Spiel zu bringen oder ob "Lounges" mit Playstations u.a. nicht eher eine kontraproduktive Ablenkung bedeuten könnten. Ist, im Gegenteil, nicht eher "zu loben, was hart macht", nämlich eine Askese, die sich nur auf das eigentliche Ziel, das Kämpfen und Siegen, ausrichtet?
Meine Teilnehmer/innen sahen das weniger dramatisch. So wichtige Leute wie unser Nationalteam müßten in entsprechend niveauvollem Ambiente untergebracht werden, hieß es bei einigen, das sei dem Training keineswegs abträglich.
Nun ja, wir werden sehen, was das alles bringt und in welcher Relation Aufwand und Nutzen letztlich stehen werden.
Ergänzungen vorbehalten (c) Wolfgang Näser, Marburg, am 28. Mai 2008