besonders nachdrücklich denen gewidmet, die schon den nächsten Krieg planen
Dokumentation von Wolfgang Näser, Marburg
"Die Staatslenker und Generäle der Großmächte haben nichts gelernt und wollen nichts lernen, sie haben seit ihrem traurigen "Sieg" kaum etwas für den Frieden, aber sehr viel für die Ermöglichung neuer Kriege getan. Wir halten sie, [die] bis zum letzten bei der Bombenfabrikation mitarbeitenden Physiker, für unsere Feinde und für die Feinde des Friedens und der Menschheit." (Hermann HESSE 1950)"Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, ... die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen." - Artikel 26,1 Grundgesetz (zit. in FR 7.4.99)
"Wer einen Angriffskrieg ..., an dem die Bundesrepublik Deutschland beteiligt sein soll, vorbereitet und dadurch die Gefahr eines Krieges für die Bundesrepublik Deutschland herbeiführt, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft." - § 80 StGB (zit. in FR 7.4.99)"Die Bundesregierung hat nicht viel Spielraum: Nach Artikel 26 des Grundgesetzes und Paragraph 80 des deutschen Strafgesetzbuches ist ein Präventivkrieg, also ein Angriffskrieg, strafbar. Die Bundesrepublik kann sich gar nicht aktiv einschalten. Enttäuschend wäre, wenn die Bundesrepublik aus außenpolitischen Interessen durch die Hintertür einsteigt, zum Beispiel mit flankierenden, unterstützenden Maßnahmen. Bundeskanzler Gerhard Schröder muß jetzt auch sagen, dass der Verweis auf Artikel 5 des NATO-Vertrages für die Bundesrepublik nicht akzeptabel ist, weil es sich nicht um Selbstverteidigung handelt." Hans Graf von Sponeck im November 2002 zum bevorstehenden Irak-Krieg
"Nach zweitägiger Anhörung mehrerer Zeugen aus der Bundesrepublik Jugoslawien und zahlreicher internationaler Sachverständiger sowie auf der Basis des Materials zweier Hearings vom Oktober 1999 in Berlin und vom Mai 2000 in Hamburg hat die Jury des Internationalen Europäischen Tribunals folgendes Urteil gefällt: Die Regierungschefs, Außen- und Verteidigungsminister der NATO-Mitgliedstaaten, die verantwortlichen Funktionsträger der NATO, die Mitglieder des Deutschen Bundestages der Bundesrepublik Deutschland, die der Beteiligung der Bundeswehr bei der militärischen Intervention gegen die Bundesrepublik Jugoslawien zugestimmt haben, sind schuldig der schweren Völkerrechtsverletzung durch den militärischen Angriff auf die Bundesrepublik Jugoslawien vom 24. März bis 10. Juni 1999 "(Quelle: Internationales Europäisches Tribunal über den Nato-Krieg gegen Jugoslawien)
"Krieg ist unmöglich. Wer sagt, daß Krieg Terror auf dieser Erde beenden kann, ist entweder blöde oder ein Lügner."
Joseph Weizenbaum bei der Kundgebung der Friedensbewegung in Berlin am 13. Oktober 2001
Ich habe aus technischen Gründen meine Themen-Seite in vier Module geteilt:
Die Themen-Seite wird - je nach Entwicklung und Erkenntnissen - sporadisch ergänzt, soll dokumentieren und ein Text-Corpus bereitstellen: nicht nur zum aktuellen Thema, sondern zur Sprache des Militärs und des Krieges allgemein. Die Wiedergabe von Zitaten und Meinungen schließt nicht zwingend ein, daß ich mich damit identifiziere.
Marburg, im Mai 1999 und November 2001 W.N.
Aus aktuellem Anlaß:
Deutschland wird bald eigene Truppen in einen Krieg entsenden, der nach offiziösem Sprachgebrauch gegen den internationalen Terror geführt wird, sich jedoch nach bisherigen Erkenntnissen in den tatsächlichen Zielen und Methoden nicht vom "konventionellen" Muster abhebt. Auch hier gelangen beispielsweise Splitterbomben zum Einsatz und werden rund 6 Tonnen schwere, mit Uranpulver gefüllte "Daisy Cutter" abgeworfen, die, unmittelbar über dem Boden detonierend, schwerste Verwüstungen anrichten. Aus Zeit- und anderen Gründen muß ich es mir versagen, an dieser Stelle eine ähnliche Themenseite zum sogenannten Anti-Terror-Krieg einzurichten. Andererseits glaube ich, daß allen, die noch heute an den Sinn von Friedensarbeit glauben, meine Ausführungen und Materialien zum Kosovo-Krieg eine Hilfe und Stütze sein könn(t)en. Bei aller gebotenen Loyalität und allem Respekt darf ein Staatsgefüge nicht dazu verkommen, daß nach Gleichschaltung der Öffentlichen Meinung ein kollektiver Marsch in den Untergang stattfindet. Die wissenschaftliche Betrachtung und Untersuchung von Sprache, auch der der Herrschenden und der Meinungsmacher, sind einzig und allein der Wahrheitsfindung verpflichtet. Dies gibt dem verantwortlichen Sprachwissenschaftler das Recht, jede Form sprachlichen Mißbrauchs objektiv und schonungslos darzustellen - auch mit dem Ziel, daß durch eine solche Darstellung langfristig ein Umdenken erfolgt zum Wohle der Menschheit.
Marburg, im November 2001 Wolfgang
NÄSER
Wenn ich nach fünfeinhalb Jahren meine (sehr stark emotional aufgeladene) Dokumentation wiederlese, so beschleichen mich selbst Zweifel - zugegebenermaßen. Denn die Zeiten haben sich geändert, und nur schwer sind Erregungen, Befürchtungen von damals nachzuvollziehen. Doch sie existierten wirklich, und die Welt stand am Rande eines Dritten Weltkrieges, denn die ehemalige Sowjetunion war noch nicht so lange zerbrochen und die Angst ging um vor einem wiedererstarkenden Ostblock und entsprechender militärischer Bedrohung. Die älteren Deutschen dachten an zwei furchtbare verlorene Kriege mit entsetzlich vielen sinnlosen Opfern - sollte eine Neuauflage kommen? Friedenssicherung: ja, sag(t)en viele, aber als Heimatschutz, und keine Söldnereinsätze irgendwo nach dem neuerdings in Mode gekommenen Slogan, daß Deutschland am Hindukusch verteidigt werde.
Wenn ich einerseits diese Dokumentation angefertigt und diskussionswürdige Texte gegen den Krieg ins Netz gestellt habe, andererseits jetzt ein Luftfahrttechnisches Glossar erstelle, in dem der militärische Fachwortschatz einen immer breiteren Raum einnimmt, und dann dem Marinefliegergeschwader 3 in Nordholz, dem Förderverein und dem Aeronauticum Dank schulde, so ist dies nur scheinbar widersprüchlich. Denn eine Demokratie muß wehrhaft sein und bleiben, und das ist ein Bekenntnis für die Bundeswehr.
Am Beginn des 21. Jahrhunderts sollte zumindest der größe Teil der Menschheit zu dem Schluß gekommen sein, daß jedweder Krieg schmutzig, verbrecherisch und anachronistisch ist - oder haben Dichter, Philosophen, Theologen und andere in Jahrhunderten sich umsonst die Finger wundgeschrieben? Si vis pacem, para bellum. Als Konstante gehört das leider zur Menschheitsgeschichte. Dennoch: es gibt immer eine Alternative zum Krieg. Das sollten wir bedenken, auch und gerade heute, und deshalb bleibt diese Dokumentation hier, an diesem Ort.
Marburg, im Oktober 2004 W. NÄSER
1. GRUNDSÄTZLICHES UND AKTUELLES
Krankes Handeln zerstört in Sekunden, was gesundes in Jahren erbaute.
- "Frieden ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne Frieden." - Willy BRANDT (zit. vom ehemaligen YU-Botschafter Horst GRABERT auf dem JuSo-Bundeskongreß in Leipzig, 7.5.99)
- "Wir haben heute die Möglichkeit, ausgehend von 50 Jahren Frieden in Europa unsere Völker und Staaten in freundschaftlicher Nachbarschaft immer enger zu verzahnen. Dies ist der Auftrag, den wir von unseren Vätern und Müttern, die zwei schreckliche Kriege auf diesem Kontinent erleben mußten, übernommen haben." - Gerhard SCHRÖDER in seiner Regierungserklärung vom 26.3.99
- "Was auch immer die Nato tut sie scheint nur Fehler machen zu können." - Katja RIDDERBUSCH in der WELT v. 22.3.99
- "Wer Menschheit sagt, will betrügen." - Carl SCHMITT (zit. in der ZEIT v. 29.4.99)
- "Der Balkan produziert mehr Geschichte, als er verbrauchen kann." - Winston CHURCHILL, zit. in NZZFolio 6/99
- "Heute nehmen die Serben einen zweiten Anlauf zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Beide, Serben und Albaner, sollten dies als eine Chance zur friedlichen Lösung der Kosovo-Frage begreifen." - Außenminister Klaus KINKEL in der WELT vom 10.3.97
- "Die Massenvertreibungen haben erst vor drei Wochen begonnen" - Kirsten WIENBERG, Medica mondiale (ARD-Frühstücksfernsehen, 16.4.99, 7:25)
- "Nach Beginn der Bombardements begann das Chaos." - Natasa KANDIC, serb. Menschenrechtlerin, in der SZ v. 3.5.99
- "Der Nato-Angriff hat, wie ein rollender Schneeball, die humanitäre Katastrophe ausgelöst und vergrößert" - Régis DEBRAY, franz. Philosoph und Schriftsteller, in der WELT v. 17.5.99
- "Der Krieg, der die Kosovo-Albaner vor der Vernichtung bewahren sollte, hat zur größten humanitären Katastrophe in der neuesten Geschichte Europas geführt, deren Opfer vor allem eben die Albaner wurden." - Sergej Kowaljow, Duma-Abgeordneter, in der WELT v. 31.5.99
- "Wer die antifaschistische, den Menschenrechten verpflichtete Rolle der UNO nicht nutzt, sondern die UNO ausschaltet und schwächt, der hat jedes Recht verloren, sich auf antifaschistische Postulate wie 'Nie wieder Auschwitz' zu beziehen, zumal er damit zugleich das Recht zum Krieg begründet." - Gruppe von Holocaust-Überlebenden an FISCHER und SCHARPING, in FR 23.4.99
- "Treiben Sie uns nicht zu militärischen Aktionen, sonst gibt es einen europäischen Krieg, vielleicht sogar einen Weltkrieg." - Präsident Boris JELZIN
- "Rußland ist verpflichtet, Jugoslawien mit allen Mitteln zu unterstützen." - Gennadi SJUGANOW (Moskau, 1.5.99)
- "Ein jeder Politiker, der da versucht, den Jugoslawen in den Rücken zu fallen, hat keine politische Zukunft in Rußland mehr." - Igor MAXIMYTSCHEW v. Moskauer Europa-Institut, ZDF 6.5.99
- "Man kann niemals Frieden schaffen mit Waffen. Nur mit Verhandlungen und Gesprächen können Konflikte gelöst werden. Die Nato ist im Unrecht." - Erika RIEMANN-NOLTENIUS, u.a. Vorsitzende des Fördervereins der Virginia-Woolf-Frauenuniversität
- "Even for the world's only superpower, the ends don't always justify the means." - Jimmy CARTER in der New York Times v. 27.5.99
- "Der Krieg gegen Jugoslawien ist Völkermord, und Völkermord muß bestraft werden." - Perez ROQUE (Havanna), zit. in taz 3.6.99
- "Der Verrat hat Konjunktur in diesen Tagen" - Jörg LAU (DIE ZEIT, 22.4.99)
- "Glauben Sie, es geht im Kosovo um Menschenrechte?" - Plakatinschrift bei Montagsdemonstration in Leipzig (=> WELT, 12.5.99)
- "Das erste, was im Krieg stirbt, ist die Wahrheit." - Angelika BEER, Verteidigungsexpertin der Grünen, im ZDF-Morgenmagazin v. 5.5.99, 8:19
- "Die Macht der Nato kennt keine Grenzen. Es wird das Grab Jugoslawiens und das Grab des Friedens in Europa sein, es wird eine totale Katastrophe." - Armando COSSUTA (72) im Gespräch mit Slobodan MILOSEVIC
- "Selbst ein gemäßigter serbischer Politiker an der Stelle von Milosevic hätte diesen Text niemals unterzeichnet." - Hermann SCHEER, SPD (zit. in taz 6.4.99; vgl. auch SZ 27.4.99)
- "[...] erlauben Sie mir zu fragen, wie kann man ein richtiges Ziel, ich wiederhole: ein richtiges Ziel, erreichen wollen, indem man das Völkerrecht verletzt? Wo ist das Mandat?" - Michail GORBATSCHOW in der WELT v. 11.5.99
- "Auf Bedingungen wie den völlig überzogenen Artikel 8 des Annex B zum Rambouillet-Abkommen braucht sich indes keine Regierung einzulassen." - Prof. Christian TOMUSCHAT in der WELT v. 14.4.99
- "Wenn ich die Eskalation des Grauens im Kosovo und die zahllosen Opfer sehe, sind für mich die sofortige Einstellung der Bombardierung und die Aufnahme von Friedensverhandlungen die einzige Alternative." - Umwelt-Staatssekretärin Gila ALTMANN in BILD am Sonntag, 18.4.99 [zu ihrem weiteren Verhalten s. taz 3.6.99!]
- "Wenn angesichts dieses Krieges neuerdings unsere bündnisgrünen Minister von 'innerer Zerrissenheit' sprechen, dann ekelt mich diese Jammerei an. Denn im selben Moment werden von ihren Bomben Menschen wirklich zerrissen - auch durch ihre innere Zerrissenheit." - Anja RÖHL, Bündnisgrüne vom KV Berlin-Neukölln, am 13.5.99 in Bielefeld
- "Wenn es keine diplomatische Lösung gibt, wird der ganze Kosovo frei von Albanern sein, während die Serben ohne Ende bombardiert werden." - UN-Hochkommissarin für Menschenrechte Mary ROBINSON, zit. in der SZ v. 3.5.99
- "Noch weitere vierzig oder sechzig Tage, und es wird keinen Kosovo mehr geben, den man noch befreien, und keine Bevölkerung, die man noch vor Vertreibung schützen könnte." - Ex-Pilot u. Schriftsteller Frederick FORSYTH in der SZ v. 3.5.99
- "[...] die Serben legten großes soldatische Heldentum an den Tag sowie eine noch eindrucksvollere Fähigkeit, Opfer zu ertragen." - Aus einem "Handbuch" für Offiziere des britischen Truppenkontingents in Bosnien, zit. in der WELT v. 21.5.97
- "Es war ein Fehler aller Nato-Regierungen zu glauben, Milosevic werde nach drei, vier oder fünf Tagen einlenken. Nun ist es die Verantwortung aller Nato-Mitglieder, diesen Fehler zu korrigieren." - Jürgen TRITTIN in Washington (20.4.99; später dementiert)
- "Wer hier die Katze und wer hier die Maus ist - die Frage muß wirklich gestellt werden; Milosevic ist im Moment nicht in der Lage, irgendjemanden als Katze zu jagen." - ZDF-Korrespondent Udo FRANK in Belgrad, 5.5.99, 8:41
- "Leider müssen wir hier erleben, was Mißbrauch und Umgehen des Rechts für ein Unglück bringen kann. Und gerade das sollten die angesprochenen Konventionen verhindern." - Danka WINTERFELDT, angehende Richterin aus Belgrad, im ARD-Morgenmagazin v. 12.5.99
- "Nach 53 Tagen Luftkrieg und einer Überzahl von Fehlern kann die Nato sich nicht mehr damit rechtfertigen, daß Hunderte von Kosovo-Albanern ihr Leben lassen müssen, nur damit kein einziger der Nato-Piloten sterben muß." - Kommentar in EL PAIS, zit. in der taz vom 18.5.99
- "Das ist ein Krieg mit typischen Merkmalen der Bestrafung eines Volkes." - Vuk OBRADOVIC, jugoslw. Ex-General, in der SZ vom 7.5.99
- "Wir müssen Milosevic eine Brücke bauen, damit er aufhört." - Wolfgang THIERSE, Bundestagspräsident, vor dem Berliner Reichstag am 19.4.99
- "Es muß Schluß sein mit Mord und Vertreibung im Kosovo, aber es muß auch Schluß sein mit den Luftangriffen." - Manfred STOLPE, 1.5.99 (zit. in der WELT v. 3.5.99)
- "Wegdrehen und Abwenden würde zu einer neuen Runde von Blutvergießen führen." - Joschka FISCHER, zit. in der WELT v. 11.5.99
- "Fischer ist eine der lautesten Stimmen dafür, die Luftschläge fortzusetzen." - US-Verteidigungsminister William COHEN, 15.4.99
- "Es sollte sich kein Staat berechtigt fühlen, das politische System eines anderen Staates zu verändern, dort Subversion anzustiften oder sich Territorien einzuverleiben [...]. Kriegführen ist ein unvollkommenes Instrument zur Bereinigung humanitärer Notlagen. [...] Einer friedlichen Lösung muß jede Chance eingeräumt werden". - Tony BLAIR im Gastkommentar der WELT, 27.4.99
- "In Zukunft wird die Behandlung von Bürgerinnen und Bürgern den Grad der Souveränität bestimmen, den ein Staat für sich in Anspruch nehmen kann." Ivo DAALDER, US-Politologe [zit.in NZZ 21.4.99]
- "There is no need to negotiate with President Milosevic." - Madeleine ALBRIGHT, in Kurzwellensendung 19.4.99, 11:06
- "Wir glauben, daß Milosevic wie ein Verbrecher behandelt werden muß - keine Verhandlungen mit ihm; man muß Serbien entnazifizieren. [...] die Serben sind heutzutage im Kopf vergiftet - eine Gehirnwäsche. Sie leben eine Art nationalistischen Wahn. Wir müssen sie davon befreien." - Antoine GARAPON, Chefredakteur der linkskatholischen Kulturzeitschrift Esprit (ARD-Tagesthemen v. 6.5.99, 22:55)
- "Es ist unanständig und politisch dumm, jeden militärischen Gegner zum Hitler zu stilisieren." - Thomas SCHMID in der WELT v. 17.5.99
- "Ein ganzes Volk Juden, Deutsche oder Serben a priori kollektiv als Verbrecher zu definieren, ist eines Demokraten unwürdig" - Régis DEBRAY in der WELT v. 17.5.99
- "Man kann nicht den Milosevic als Vorwand nehmen, um ein Kriegsverbrechen zu begehen." - Branca JOVANOVIC, Journalistin, im ZDF 26.4.99
- "Milosevic ist nicht das, was ich mir wünsche, aber von Clinton will ich mir auch nicht diktieren lassen, wer in Serbien regieren soll." - eine junge Mutter in Belgrad, zit. in der WELT v. 28.4.99
- "Die Nato hat mit ihrer Intervention vielen serbischen Intellektuellen die Wurzeln ihres Denkens beschnitten. [...] Eine brutalere Entmündigung derjenigen, die Jugoslawien nach Kräften in ein westliches Land verwandeln wollten, ist kaum vorstellbar." - Ulrich LADURNER in der ZEIT v. 29.4.99
- Mehrfach haben sich die USA - dieser im Grunde friedliche, verspielte, in sich selbst verliebte Gigant - aufgerafft, einem "Reich des Bösen" [...] die Stirn zu bieten. [...] Jetzt erweist sich, daß Völkermord mit Bomben nicht zu stoppen ist. Der Westen hat hoch gepokert, jetzt muß er gewinnen. Deshalb wird der Einsatz von Bodentruppen [...] unvermeidbar sein. - Uwe KNÜPFER, Mannheimer Morgen 21.4.99
- "Wer als Soldat im Dienst des Vaterlandes steht, betrachte sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker. Indem er diese Aufgabe recht erfüllt, trägt er wahrhaft zur Festigung des Friedens bei." - Erzbischof Johannes DYBA in der WELT v. 28.4.99
- "Wir verstehen heute auch die Soldaten als Boten des Friedens." - Bischof Karl LEHMANN, zit. in taz 25.5.99
- "Der Welt Frieden bringen, das ist unser Job." - Pilot der USS Roosevelt (ZDF-Morgenmagazin 3.5.99)
- "Pretty good damage on the building, but [it] has not been totally destroyed." - Gen. Chuck WALD beim DoD-Briefing v. 8.5.99
- "Good afternoon. A happy Friday to you all. [...] We hit a very impressive range of targets [... ]" - Dr. Jamie SHEA bei der NATO-Pressekonferenz v. 30.4.99
- "Dieser Krieg - man merkt es immer wieder - ist nicht nur einer der Waffen und Greueltaten, sondern es ist auch einer der Worte, der Propagandafälschungen und der Ausreden." - Gerd H. PELLETIER aus Brüssel, 14.5.99
- "I will never forget that I am an American, fighting for freedom, responsible for my actions, and dedicated to the principles which made my country free. I will trust in my God and in the United States of America." - CODE OF CONDUCT: Guide to Keeping the Faith, Article VI
- "Wir müßten wägen, was uns das Schicksal von einer Million Menschen wert ist; ob wir in Europa mit einem Herd von Rassismus und Krieg leben wollen und ob gerechte Prinzipien und richtige Politik durchzusetzen das Leben von Tausenden eigener Soldaten wert wäre." - Nikolaus BLOME in der WELT vom 5.5.99
- "Sie fragen, was unsere Politik sei. Ich sage Ihnen, Krieg zu führen mit allem in unserer Macht Stehenden, mit all der Kraft, die Gott uns geben kann . . . Sie fragen, was unser Ziel sei! Die Antwort lautet: Sieg! Sieg um jeden Preis" - Winston S. CHURCHILL jr. (zit. in der WELT 26.4.99)
- Ich glaube, es ist einfach der Rausch der einzig übergebliebenen Supermacht, [...] es ist wirklich nur die Demonstration eines unbändigen imperialen Machtwillens." - Peter SCHOLL-LATOUR (zit. in Monitor 22.4.99)
- "Meine Warnung an die europäischen und anderen Länder der Welt wäre: Ähneln Sie nicht zu viel den Vereinigten Staaten, sonst verlieren auch Sie Ihre Menschlichkeit, sonst werden auch Sie so eine kalte gefühllose Maschine wie die USA." - Thomas LEIMKÜHLER, US-Student, Marburg 15.12.97
- "[...] die zumeist innenpolitisch motivierte Rücksichtslosigkeit, mit der Washington seine aktuellen Interessen und seine Präponderanz durchsetzt, wird vielen Europäern zunehmend auf die Nerven fallen." - Ex-Kanzler Helmut SCHMIDT in der ZEIT v. 22.4.99
- "Es ist offenbar die Aufgabe der Nato, jeden zu zertrümmern, der nicht sofort und bedingungslos die sogenannte neue Weltordnung akzeptiert." - Regierungszeitung "Politika", zit. in der WELT v. 27.4.99
- "How many people must be killed, how many people must be left homeless, how many countries must be destabilized in order to punish that one single person?" - [übers.] Sergej LAVROV, UN-Botschafter am 8.5.99 in New York
- "There is little indication of success after more than 25,000 sorties and 14,000 missiles and bombs, 4,000 of which were not precision guided." - Jimmy CARTER in der New York Times v. 27.5.99
- "Wenn der Angriff auf die Stadt Nis und die chinesische Botschaft ohne Konsequenzen bleibt, dann weiß ich wirklich nicht mehr, wo die verdammte Welt hingeht." - Max WINTERFELDT per E-mail aus Belgrad (ARD-Morgenmagazin 10.5.99, 7:48)
- "Wenn Patriotismus heißt, daß wir für eine Idee getötet werden sollen, sind wir nicht einverstanden." - Zoran ZIVKOVIC, Bürgermeister von Nis, am 14.5.99 (zit. in taz, 20.5.99)
- "Ein Militärsprecher dementierte erneut, daß die Allianz wegen des Beschusses der chinesischen Botschaft Zurückhaltung übe. Lediglich das schlechte Wetter könne die Aktionen einschränken." - ARD-Morgenmagazin, Nachrichten v. 10.5.99, 8 Uhr
- "Die Nato-Mission dient den Menschen." - Javier SOLANA in der WELT v. 12.5.99
- "It is tragic that intransigence has made it necessary for the international community to resort to air strikes in order to reach a settlement." - Lt.Gen. Sir Michael JACKSON in Kumanovo, 9.6.99
- "Die Nato hatte vernünftige und gerechtfertigte Ziele. Aber sie hat die Sünde der Arroganz begangen. Sie hat Rußland ignoriert und die UN vernachlässigt." - CORRIERE DELLA SERA, ziut. in taz 11.6.99
- "Der Wiederaufbau von Städten, Dörfern und Fabriken wird allerdings einfach sein im Verhältnis zum Wiederaufbau der menschlichen Beziehungen." - EKD-Vizepräsident Hermann BARTH in der SZ v. 16.6.99
- "Ich glaube, daß der Flüchtling an sich für die Journalisten überhaupt nicht wichtig gewesen ist. Die Einseitigkeit diente wohl nur dazu, die deutsche Beteiligung als Nato-Staat irgendwie zu rechtfertigen und zu untermauern." - Richard MUNZ, Chirurg im Lager Stenkovac I, in der WELT v. 18.6.99
Vom 24. bis 30. März 1999 erlebte ich, aus dem kleinen Fernseher meines Cuxhavener Hotelzimmers, die erste Woche des Kosovo-Krieges. Wie viele andere glaubte ich, das Maß sei nun voll. Milosevic, der Diktator, der uns in Europa so viele Jahre "geärgert" hatte, sollte einen Denkzettel bekommen, einen Schuß vor den Bug. Vom 23.3. an hielt ich die Ereignisse fest, quasi protokollarisch mit dem bescheidenen Notebook; was da geschah, zwang zum Hinsehen, zum Nachdenken, erzwang Betroffenheit, die seitdem andauert, viele Gesichter hat, quält und krank macht.
Nach dem Urlaub beschloß ich, den Tagebuch-Text (mit wenigen Links) in mein WWW-Angebot aufzunehmen. Mit der Eskalation des Krieges entwickelte sich mein Vorhaben zur Themenseite.
Hauptziel ist, das Wesen des Krieges darzustellen, Genese und Verlauf nachzuzeichnen: anhand von Zitaten, Medienberichten, Zeitungsartikeln, sonstigen Dokumenten und eigener, subjektiver Reflexion. Da es sich um eine "dynamische" Seite handelt (und der Konflikt längst noch nicht beendet ist!) und auch im Nachhinein erhellende Tatbestände aufscheinen, muß fortwährend irgendetwas in passende Lücken eingefügt werden und folgen daher manche Informationen nicht der gewünschten Chronologie.
Viele Meinungen prallen hier aufeinander, vieles an sprachlichen Informationen ist in den Texten versammelt, das als Materialbasis dienen könnte für Forschungen zur Friedens- und Konfliktforschung; letztes und wichtigstes Ziel eines jeden verantwortlichen Sprachwissenschaftlers und -pädagogen sollte sein, Ressourcen zu liefern und Wege zu finden, mit denen dieser unruhige, aber doch so wunderbare Planet auf Dauer befriedet werden könnte.
Die wachsende Beschäftigung mit diesem Krieg führt zur Einsicht, wie schwer es ist, in diesem Dickicht historischer Vorgaben, politischer und kultureller Ideologien, persönlicher Ansichten und Befindlichkeiten beiden Seiten gerecht zu werden. Die Beweggründe der NATO scheinen - mindestens teilweise - verworren, vor allem angesichts des Verhaltens, das noch vor zwei Jahren seitens der USA und Großbritanniens den Kosovaren und Serben gegenüber an den Tag gelegt wurde.
Wenn gesagt wird, Japan und die Japaner verstehe man erst dann "ein wenig", wenn man sich mindestens drei Jahrzehnte in Japan aufgehalten habe, so scheint eine gewisse Analogie für den Balkan zu gelten, insbesondere für die Volksgruppen (und deren Mentalität) im ehemaligen Groß-Jugoslawien. Weiter muß gefragt werden, ob wir - aus den uns zugänglichen Quellen - wirklich alle für ein solches Verständnis nötigen Informationen erhielten (bzw. noch bekommen) und ob wir folglich in der Lage sind, die dortigen Verhältnisse korrekt zu beurteilen und vor allem den Interessen der Menschen gerecht zu werden, die sich möglicherweise von denen des - seit 1945 immer stärker von den USA beeinflußten - West-Europa unterscheiden, was nicht unbedingt ein negatives Qualitätsmerkmal sein muß.
Es bleibt die Frage: Muß(te) es ein Krieg sein? Wurden, im Gebiet des ehemaligen Groß-Jugoslawiens, in den acht Krisenjahren wirklich alle Möglichkeiten von 'Handel und Wandel' (z.B. auch und gerade Sport-, Kulturaustausch) genutzt? Wurden die Interessen und Erfordernisse der Opposition berücksichtigt? Wurden alle nachrichten- bzw. geheimdienstlichen Möglichkeiten ausgeschöpft? Warum keine wirksamen Sanktionen und / oder Handelsblockaden?
Die Geschichtsschreibung wird aufzuarbeiten haben, warum Diplomatie und Friedensmissionen scheiterten und warum, am Ende des Jahrhunderts voller Blut und Opfer, als "Rückfall in steinzeitliche Methoden" ein weiterer Krieg entfacht wurde. Ein Krieg, als Perversion menschlichen Seins wohl kaum besser zu charakterisieren als mit den Worten Gabriel FEHRENBACHs in der SZ vom 7.5.99:
"Krieg trägt Gewalt in alle Gesellschaften, die an ihm beteiligt sind, mag er auch weit weg stattfinden. Krieg bedeutet Gewaltausübung, die Zerstörung zum Ziel hat, Zerstörung von Raketen, Panzern, Gebäuden, Einrichtungen. Das sagt die Politik. Aber die Gewalt des Krieges hat auch immer den anderen Menschen zum Ziel. Die kurze Entfernung zwischen Leben und Tod, nirgendwo anders sind zwei Menschen so nah, nur getrennt von dieser dünnen Linie, wie zwei gegnerische Soldaten: des einen Tod ist des anderen Überleben. Der moderne Krieg hat eine Armada Technik dazwischen geschoben. Nicht mehr Speere bestimmen die räumliche Entfernung, sondern die Reichweite von Bomben. Am Kern des Krieges ändert sich damit jedoch nichts: Zum Kämpfen und Überleben gehört die Überwindung jeglicher Tötungshemmungen, das Abstreifen humanistischer Werte und die Zerstörung des Anderen. Gewalt gegen den Gegner ist auch Gewalt gegen sich selbst. Und einmal ausgeübte Gewalt läßt sich nicht einfach, je nach Bedarf und Gebrauch wieder ausblenden. Der Krieg mag die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sein. Seine Mittel jedoch sind nicht so funktional, wie sie es zu sein vorgeben. Denn sie entziehen sich der Vernunft, sind voll Emotionen und ihr Echo wird noch zu hören sein, wenn der Krieg längst schon vorbei ist."
Als - nach für uns alle quälender Ungewißheit - am 24.3.99 in der abendlichen Tagesschau der erste Luftschlag bestätigt wurde, waren die einen erleichtert, andere hatten schon jetzt dunkle Vorahnungen und / oder erinnerten sich des 1. September 1939. Die NATO, hieß es, habe "zum ersten Male in ihrer 50jährigen Geschichte einen souveränen Staat angegriffen"; im Wechsel dazu meldeten die Lautsprecher "Bomben auf die Bundesrepublik (man zuckte zusammen) Jugoslawien". Erst in den folgenden Stunden und Tagen sollte - vielen Beobachtern, so auch mir - das wahre Gesicht der "Luftschläge" offenbar werden; schon in der ersten Kriegswoche wurde offenbar der Grundstein gelegt zu einer von langer Hand geplanten großen Operation, zu einem militärischen Kraftschlag, der, rechtzeitig zum 50. Geburtstag, aller Welt die Macht der NATO demonstrieren sollte.
Angesichts der Tatsache, daß SCHRÖDER, FISCHER und SCHARPING nach den ersten hundert Tagen nichts vorweisen konnten (außer Spesen nichts gewesen) und CLINTON sein "Hurenbocks"-Image loswerden mußte, bietet sich eine andere Theorie an; sie folgt dem bereits historisch bewährten Patentrezept: in Friedenszeiten wenig erfolgreiche Politiker nutzen einen Krieg (wenn er sich denn schon anbietet), um sich hier zu profilieren und den Umstand zu nutzen, daß eine Krise Volk und "Führer" zusammenschweißt - hinsichtlich Rest-Jugoslawiens und Milosevics ist dies noch stärker der Fall (wodurch die von William COHEN und Madeleine ALBRIGHT so sehr gelobte deutsche "Meinungsführerschaft" nun mit den eigenen Waffen ad absurdum geführt wird).
Der "Kosovo-Konflikt" wurde zum ausgewachsenen Krieg mit - oder gegen - ganz [Rest-]Jugoslawien, dessen Nachbarn auch mehr oder weniger betroffen wurden - bis hin zu Tod und Zerstörung.
[Aus dem ARD-Brennpunkt vom 29.4.99, 20:16] "UN-Generalsekretär Kofi Annan hat heute zu verstehen gegeben, daß der menschliche Preis der Luftangriffe - so wörtlich Annan - unannehmbar sei. Die Politiker und Militärs der westlichen Allianz müssen erkennen, daß sie sich offensichtlich verschätzt haben über den Zeitraum, in dem sie Mord und Vertreibung im Kosovo beenden könnten. Daher scheinen sie jetzt noch einmal alles auf eine Karte zu setzen in einer beispiellosen Materialschlacht mit immer neuen Zielen in immer kürzeren Intervallen.Die NATO bombt Tag und Nacht und versucht, Druck zu machen auf Milosevic. Im zweiten Monat des Krieges bietet die Allianz eine doppelt so starke Streitmacht auf wie zu Beginn. 700 Flugzeuge sind dauernd im Einsatz 1): Tarnkappenbomber, F15, F16, B52-Langstreckenbomber, Tornados, Mirage, Jaguar, B2-Bomber, Thunderbolts und viele andere. Doch NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark reicht das noch nicht. Er hat dreihundert weitere Maschinen angefordert. Großbritannien hat bereits reagiert und stellt 8 Flugzeuge zur Verfügung, 4 Harrier und 4 Tornados [auch weitere B52 folgen, 2.5.99]. Doch was sich als überlegene Kampfstärke darstellt, scheint in Wirklichkeit ein Akt der Frustration zu sein. Über 5 Wochen hält Milosevic den Luftangriffen stoisch stand, unbeeindruckt von all dem Waffengerät der NATO setzt er seine Politik im Kosovo fort, und es scheint, daß die NATO allmählich nicht mehr weiter weiß. Wie viele Bomben müssen noch fallen, bis Milosevic wankt? Die Meldungen aus Brüssel wiederholen sich: jeden Tag werden die Angriffe der vergangenen Nacht als "jeweils bislang stärkste Angriffswelle" bezeichnet. Die Erfolgsmeldungen überschlagen sich: Kasernen, Ölraffinerien und andere strategische Ziele werden non-stop dem Erdboden gleichgemacht. Und doch hat die NATO ihr Ziel bislang nicht erreicht. Warum also eine weitere Verstärkung der Bombenangriffe? Zwei mögliche Antworten drängen sich auf: zum einen, die Bomben sollen die diplomatischen Bemühungen von Ost und West unterstützen; zum anderen, die NATO müßte Bodentruppen einsetzen und scheut sich, diesen Schritt zu gehen. Lieber weiterbomben aus der Luft - wie auch heute den ganzen Tag zum Beispiel in der montenegrinischen Hauptstadt Podgovica. Über 50 Raketenschläge wurden von hier gemeldet. Na und, scheint sich Milosevic zu denken, und macht Brüssel von Tag zu Tag ratloser."
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1) bis zum 7.5.99 mehr als 17.000 Einsätze, davon 1/3 als Angriffe auf konkrete Ziele, der Rest zur Unterstützung (Luftbetankung, Abwehr, ECM usw.); Quelle: BMVtdg-Pressekonferenz, Phoenix vor Ort, 7.5./15:20); bis zum 26.5.99 werden rund 25.000 Einsätze gemeldet und mehr als 1.000 Flugzeuge; bestimmte Details sickern nur gelegentlich durch, so z.B. der bereits seit Mitte April vorgenommene Einsatz der schweren Schlachtflugzeuge des Typs Lockheed AC-130: ein weiterer Beleg dafür, daß uns die tatsächlichen Kosten des NATO-Krieges weitgehend verschwiegen werden, um die Zielsetzung, den Krieg stetig zu intensivieren, nicht durch wachsenden Unmut der Bevölkerung zu gefährden. Bis zur vorläufigen Aussetzung (Clinton) der Luftangriffe (10.6.99) wurden lt. Medienberichten rund 33.000 Einsätze geflogen, bei denen kein einziger Soldat umgekommen sei.
Ende Mai 1999 ging dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg in den dritten Monat. Bomben ohne Ende, immer mehr zivile und ökologische Schäden, wachsende Kritik, besonders in Deutschland. Was haben die Angriffe gebracht, fragte man sich - und welchen Sinn hat es, sie fortzusetzen, womöglich zu intensivieren? Über die traurigen Resultate der NATO-"Luftschläge" variieren - je nach Quelle - die Angaben; so
Die NATO war hart geblieben. Vermittlungsversuche und "einseitige" Friedensangebote wurden in den Wind geschlagen. Ebenso instinkt- und kulturlos wie unmenschlich wurde auch über orthodoxe Festtage weitergebombt, wurden Kultur- und Bildungsstätten vernichtet, das Land fast aller Arbeitsplätze beraubt, die Umwelt nachhaltig vergiftet, die Infrastruktur zerstört. Während fassungslose Menschen aus verbliebenen Kellerlöchern die letzte Habe herausholen, andere mit erstickten Tränen um ihre Liebsten trauern, wiederholt sich in Washington, Brüssel, London und Bonn das tägliche Ritual der Pressebriefings: arrogante Polit-Yuppies und lamettabewehrte Vernichtungs-Profis dozieren über Statistik und liefern bestechend rationale Gründe für das Rechtmäßige des Tötens und dessen stetig intensivierte Fortsetzung.
"Jamie Shea: Ladies and Gentlemen, Good Afternoon. A happy Friday to you all. I will begin today and then General Marani will take over, in the usual fashion [...]So first of all on the intensification. As I mentioned this morning, yesterday was the most intense day thus far in our air operations over Yugoslavia. Benefiting from more than double the number of aircraft that we had one month ago, benefiting also from a spell of good weather, which we understand is going to continue over the next few days. We were able to launch 600 sorties and a large number of those being strike sorties.
We hit a very impressive range of targets, both the strategic and the tactical level - highway and railroad bridges, a petroleum depot, a ferronickel plant in Kosovo, a border post, an airfield, several groups of military vehicles including howitzers, tanks, petroleum tankers inside Kosovo, SA3 and SA6 Sam sites, the main TV transmitter in Belgrade, a headquarters of the Yugoslav Army, Federal Ministry buildings in Belgrade and police buildings as well, and an ordnance storage site. I think that is one of the largest and most diverse target lists thus far [...]" - NATO Press Conference, 30.4.99
Wie es aussieht, ein glänzender Erfolg; man habe noch mehr in petto, lassen die Strategen durchblicken. Für das Ziel, "das Morden im Kosovo zu beenden" und die "Mörderbanden aus dem Kosovo zu vetreiben" (Scharping), mußten bis Anfang Mai 99 rund 1200 serbische und andere Zivilisten ihr Leben lassen.
Während das gesamte Rest-Jugoslawien zum Schrottplatz verkommt, läuft die Angriffsmaschine weiter. Die Warner, von den Hauruck-Strategen als Defätisten und Waschlappen verachtet, sehen - aus der Geschichte heraus - die Gefahr der Wiederholung: auch dieser Krieg könne die gefürchtete Eigendynamik entwickeln, zum unkontrollierten Abschlachten entarten und den immer wieder ins Feld geführten humanitären Gründen Hohn sprechen. "Alles oder nichts": die Devise der Wesley CLARKs und Jamie SHEAs. Jeder Spieler weiß allerdings auch, daß daraus leicht ein "rien na va plus" werden kann.
Wer sich, trotz Kriegsräson, vergleichendes Werten und kritisches Denken bewahrt hat, denkt an die Geschichte: den Zweiten Weltkrieg. Hitler überfällt Polen: Blitzsieg. Ein halbes Jahr später dasselbe mit Frankreich. Dann - und das ist Tatsache - demobilisiert er einige Divisionen, schickt sie heim. Macht England Friedensangebote. Churchill lehnt ab - damit auch die Chance, Hitler Bedingungen stellen zu können, vor allem in Richtung auf einen Stop der deutschen Judenverfolgung. Mit dem sog. Adlertag (18.8.40) beginnt die Eskalation: Luftschlacht um England, versehentliches Bombardieren ziviler Objekte in London, britische Vergeltung, Sportpalastrede und noch mehr deutsche Vergeltung. Der Krieg gewinnt Eigendynamik. Dann, vier (!) lange, furchtbare, zerstörerische Jahre später, Geheimverhandlungen des deutschen Widerstands in Schweden: Man will eine ehrenvolle Kapitulation - die Alliierten lehnen ab, es wird weitergebombt, mit tausend Maschinen pro Einsatz, deutsche Großstädte versinken in Schutt und Asche, im letzten knappen Kriegsjahr sterben mehr Menschen als in den viereinhalb Jahren zuvor. Und als Japan noch immer nicht aufgeben will, die zwei Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki - High Tech im Namen der Humanität. Hunderttausende gehen qualvoll daran zugrunde. Und dann kommen die Reeducation Officers in blitzblanken Uniformen, verteilen Schokolade und erzählen denen, die im Dreck liegen und alles verloren haben, warum das alles so sein mußte, mit den gerechten Bomben gegen rechtlose Völker.
Und dann reißen, nach fünf Jahrzehnten des Vernarbens, alte Wunden auf, erinnern sich ältere Serben an das Massaker durch deutsche Soldaten, ältere Menschen hierzulande an das Leid von Millionen Deutschen, die - wie in Jugoslawien die Donauschwaben - grausam vertrieben und in unmenschlichen Lagern ermordert wurden; verängstigte, traumatisierte Menschen, die im Freien schlafen mußten, ohne daß Zelte mit Holzfußböden und warme Duschen bereitgestellt wurden. Andere - sehr beachtenswerte - Parallelen zieht Artur BRAUNER in seinem WELT-Essay vom 11.5.99. Brauner relativiert - er kann es sich leisten -, setzt Schikane, Brutalität, Flucht und Vertreibung, denen die Ostjuden ausgesetzt waren, in ein neues Licht.
Aus zahlreichen Zeitungsartikeln (s.u.) und anderen Berichten haben wir -
seit Mitte 1991 - von den Unruhen im ehemaligen Vielvölker- oder, wie
Helmut SCHMIDT sagt, "Kunststaat" Jugoslawien erfahren, dem
einst fortschrittlichsten Lande des Ostblocks, als einziges Mitglied der
Eurovision und zudem blühendes Urlaubsland, in dem Jahr für Jahr
viele Deutsche ihre Ferien verbrachten. Scheinbar problemlos für viele
"Außenstehende" lebten dort verschieden(st)e Ethnien friedlich
nebeneinander und, wie es von außen schien, hatte Josip Broz "Tito"
Gabe und Macht, diese Ethnien zusammenzuhalten, bis - nach seinem Tode -
das große, blühende Jugoslawien auseinanderbrach: wie offenbar
wurde, waren wirtschaftliche Gründe ebenso verantwortlich wie lawinenartig
wachsende Spannungen zwischen den Volksgruppen - Glücksfall für
all jene, denen ein starkes Jugoslawien zum Ärgernis geworden war.
Inzwischen sind fast acht Jahre vergangen, acht Jahre der Krisen und der
wachsenden Gewalt; der unruhige Balkan hat die Medien okkupiert, Europa und
der Welt große Sorgen gebracht. Internationale Organisationen
bemühten sich verzweifelt, Frieden zu stiften, IFOR- und SFOR-Soldaten
wurden tätig, viele Milliarden Dollar investiert, doch die Gewalt wuchs
- offenbar parallel zu externen Bemühungen. Allein rund 18
Milliarden DM kostete dem deutschen Staat das Engagement in
Bosnien und die Aufnahme von knapp 400.000 Flüchtlingen. Viele
sind zurück in ihrer Heimat, man hat ihre zerstörten Häuser
wiederaufgebaut, ihnen reichlich Starthilfe gegeben. Viele sind noch in
Deutschland, sträuben sich gegen die Rückführung, andere -
vor allem junge und gesunde - fanden Aufnahme in den USA.
Jetzt zahlen wir wieder: zwar hat man uns massenhaft eingeschärft, es
müsse eisern gespart werden, auch und vor allem im Gesundheits-
und Sozialwesen, doch plötzlich sind die Milliarden da: neue
Milliarden für den Krieg. Wir zahl(t)en:
Noch Mitte März 1999, so eine - ebenso kurze wie unglaubliche - ARD-Meldung vom 5.5.99 abends, habe man hierzulande kosovarische Asylbegehren zurückgewiesen mit offizieller Begründung, es gebe in Jugoslawien keine "staatliche Ungleichbehandlung" und damit so gut wie keine Gewalt gegen ethnische Albaner. Nur eine Woche später fielen die ersten NATO-Bomben auf Belgrad.
Seitdem wurden wir eingeschworen: die Serben sind Teufel, die Kosovo-Albaner
Engel. Vergessen, daß noch vor zwei Jahren in Deutschland weilende
Kosovo-Albaner bisweilen im Zusammenhang mit Drogen- und anderer
Kriminalität erwähnt wurden, daß noch 1997 im unregierbar
erscheinenden Albanien *) Chaoten aller Art mit aus Armeebeständen
geplünderten Schießprügeln herumballerten und daß es
internationalen Organisationen viel Arbeit und Geld kostete, dieses politische
Tollhaus zur Räson zu bringen.
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*) nach einem ZDF-Bericht vom 23.4.99 bilden sich an der albanischen
Grenze große Pulks von Lastzügen, die teilweise seit mehreren
Tagen auf Durchlaß warten; hierfür müssen pro Lastzug rund
2.500 DM bezahlt werden, Toiletten und sonstige Versorgung gibt es
für die Wartenden nicht. Die albanische Mafia beteiligt sich
an solchen Erpressungsversuchen derart, daß die Fahrer Angst haben,
weitere Einzelheiten preiszugeben. Ein britischer LKW-Fahrer, der sich für
den Transport zusammen mit seinem Freund eine Woche Urlaub genommen hatte,
will nun die an Bord befindlichen Lebensmittel an die Fische verfüttern.
Er sei es leid, sagte er, die Pässe seien schon seit 4 Tagen in Tirana,
er wolle weder Schutzgeld noch Zoll bezahlen; die "neue Gefahr aus dem Balkan"
beleuchtet in erschreckender Weise der WELT-Artikel vom
29.6.99.
"An jedem Tag, an dem dieser schreckliche Krieg stattfindet, müssen wir auch daran erinnern, was es vorher gegeben hat: es hat ja nicht nur Rambouillet gegeben, es hat ja nicht nur die Verlängerung von Rambouillet gegeben, und dann wieder eine Frist, und dann Rambouillet II gegeben; wie oft ist Holbrooke in Belgrad gewesen, was hat der Besuch von Joschka Fischer in Belgrad bewirkt, wie haben die europäischen Nationen und die Amerikaner versucht, mit diplomatischen Mitteln diesem schrecklichen - wie ich glaube - Völkermord Einhalt zu gebieten, ohne daß es irgendeine Wirkung hatte. Immer wieder verzögert, immer wieder Zusagen, die dann nicht gehalten wurden, man kann ja die Liste der gebrochenen Versprechen von Milosevic darstellen [...]" - Johannes RAU, Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten, im ZDF-Gespräch ("Was nun?") v. 6.5.99, 22:20
Schon im vergangenen Herbst waren die Luftschläge Bestandteil von NATO-Planungen; damals teilte SCHRÖDER - als Hoffnungsträger - noch die Bedenken vieler Deutscher:
"Der designierte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hat [...] bereits am Tag nach der Bundestagswahl erkennen lassen, daß er einen Nato-Einsatz im Kosovo-Konflikt nur auf der Grundlage eines Mandats des Weltsicherheitsrats für akzeptabel hält.Damit steht Schröder im Gegensatz zu den USA, deren Verteidigungsminister William Cohen - ähnlich wie Rühe - den Artikel 51 der UN-Charta (der sich zur Abwendung einer humanitären Katastrophe eignet) für eine militärische Intervention für ausreichend hält." (DIE WELT, 30.9.98)
Unzählige Verhandlungen, diplomatische Schritte, dann der für Milosevic unannehmbare Vertrag von Rambouillet, immer mehr Drohungen, ein letztes, ein allerletztes Mal Fühlungnahme - Milosevic scheint unbeugsam, unnachgiebig. Die NATO habe alles Menschenmögliche getan, ausgeschöpft, wird uns gesagt (diese dreiste Lüge wird sich hofféntlich nicht in späteren Geschichtsbüchern einnisten!). Die "Allianz" gerät in Zugzwang, will sich und ihre Handlungsträger nicht der Lächerlichkeit preisgeben. Noch 30 Minuten, bevor im Abenddunkel von Aviano die ersten Kampfjets mit gleißenden Auspuffstrahlen in den Himmel stoßen, heißt es, Milosevic brauche nur das Telefon abzunehmen und anzurufen, um im letzten Moment das Unheil abzuwenden (inzwischen bezweifle ich, ob man je bereit gewesen wäre, mit ihm zu verhandeln, ob man ihn nicht vielmehr immer als Lügner abgewiesen hätte).
Die Medien haben uns gesagt, warum wir im Krieg sind. Die uns übermittelte 'Wahrheit' verabsolutiert und berechtigt, auf moralischer Basis, zur Aggression. Milosevic hat den Vertrag abgelehnt. Die NATO muß durchsetzen, daß das Morden im Kosovo aufhört - als Instrument der Freien Welt und Agent der Humanität.
"Der Nato-Angriff hat, wie ein rollender Schneeball, die humanitäre Katastrophe ausgelöst und vergrößert. Vorher bestand keine Notwendigkeit, an den Grenzen Lager einzurichten. - Der Exodus ist dann weitergegangen: auf Aufforderung der UCK hin, aus der Furcht heraus, als Kollaborateur verdächtigt zu werden, aus der Furcht vor Bomben, weil das Vieh tot ist, weil Amerika gewinnen wird, weil es eine gute Gelegenheit ist, auszuwandern, nach Deutschland oder sonstwohin." - Régis DEBRAY in der WELT v. 17.5.99
Die Luftschläge werden zum täglichen Brot des Journalismus, wir konsumieren sie beim Abendessen. ARD und ZDF berichten sachlich, die Privaten geben Pfeffer hinzu. ARD und ZDF senden "Brennpunkte". Früher, erinnern sich einige Alte, gab es mal Sondermeldungen.
Bundeswehr-Uniformen im Fernsehen. Oberste und Generäle. Seltsam. Hat es doch früher nicht gegeben. Bis vor kurzem, noch unter Kohl, wurden Uniformierte schamhaft versteckt, auch und gerade in den Medien. Nun werden Männer vorgeführt mit vielen Orden und Zeigestöcken. Vorlesungen über Tod und Zerstörung. Und, für die, die mehr wissen wollen, Diskussionen. Warnende Stimmen. Einige. Aber es wird abgewiegelt. Dauert ja nicht lange, in ein paar Tagen ist alles vorbei.
Die NATO, erfahren wir, tut alles, um ihre Soldaten zu schützen, verwendet neuestes High-Tech, wahre Wunder an Präzisionsaufklärung und Treffsicherheit. Einige, denen sich der Magen umdreht, denken an den Kalten Krieg und das, was sie in Filmen gesehen haben: daß irgendwo in einem geheimen Bunker jemand, der oben total vernagelt ist, den Knopf betätigt, der die Interkontinentalraketen auf den Weg schickt, jede mit atomaren Mehrfachsprengköpfen bestückt, jede fähig, ein grauenhaftes Inferno in Gang zu setzen.
Hoch pokert die NATO - im Glauben an die eigene Macht, im blinden Vertrauen auf die Kooperationsbereitschaft eines still haltenden, daniederliegenden, einsichtigen, quasi statischen Rußlands. Jelzin, sagt man, habe sich immer wieder aufgerafft, habe, wenn es nötig gewesen sei, in Krisen Stärke gezeigt, recht gehandelt. Wie vom Schulkatheder herab verteilt man Noten. Iwanow: befriedigend (=annehmbar). Primakow: ungenügend (=ineffektiv; daher nach 50 Tagen abgesetzt). Tschernomyrdin: gut bis sehr gut (= brauchbar und willig, berechtigt zu schönsten Hoffnungen). Vergessen sind, nach sieben Wochen Krieg, die wütenden Proteste in Moskau, die unverhohlenen Drohungen aus dem Kreml, die Übungen in russischen Raketenbasen, wo man mit High-Tech-Radar NATO-Ziele anpeilte, bereit, die Todesraketen neu auszurichten.
Vergessen die Warnungen vor einer (nach Absetzung Jelzins möglichen) unheilvollen Koalition aus Nationalisten und Kommunisten, Ausgeburt elementarer Not und zehrender Unzufriedenheit - in den Wind geschlagen die Gefahr, daß nach 50 Jahren NATO und 54 Jahren Frieden, an der Schwelle zum hoffnungsvoll erwarteten neuen Jahrtausend, ein dritter Weltbrand entstehen könnte.
Dieser Weltbrand ist näher, als es schien: am 8. Mai treffen frühmorgens drei NATO-Bomben "aus Versehen" die chinesische Botschaft im Neu-Belgrader Diplomatenviertel: 4Tote, 26 Verletzte. In der Notsitzung des UN-Sicherheitsrates am frühen Morgen des 8.5.99 mischen sich Wut und Trauer. Die Volksrepublik China, mit ca. 1,3 Milliarden Menschen bevölkerungsreichstes Land der Erde und eine der Atom-Mächte, spricht von einem unerhörten Kriegsverbrechen. Der russische Botschafter : "We are really disturbed over this barbaric action." Beide verlangen ein sofortiges Ende des Bombardements. Der CNN-Kommentator spricht von engem Schulterschluß, von einem möglichen Aktionsbündnis zwischen Rußland und China. Was das bedeuten könnte für den Fall, daß die NATO weiterbombt: dies auszumalen verlangt wahrhaft nicht viel Phantasie. China, heißt es, behalte sich weitere Schritte vor. Die diplomatischen Bemühungen hätten einen Rückschlag erlitten. Am 9.5. fadenscheinige Entschuldigungen: 1. man habe eine militärische Beschaffungsstelle treffen wollen; 2. das Bombardement gehe auf falsche CIA-Informationen zurück; 3. man habe Kartenmaterial benutzt, in dem die Botschaft noch nicht eingezeichnet gewesen sei (!). Clinton entschuldigt sich formell bei der chinesischen Regierung. In Beijing gehen die Proteste weiter. Die amerikanische, britische und deutsche Botschaft werden von wütenden Demonstranten (meist Studenten) belagert, teils verwüstet - unter Duldung der Polizei. "Ein Militärsprecher dementierte erneut, daß die Allianz wegen des Beschusses der chinesischen Botschaft Zurückhaltung übe. Lediglich das schlechte Wetter könne die Aktionen einschränken." (ARD-Morgenmagazin 10.5.99, 8 Uhr) => CNN-Bericht, BMVtdg- und NATO-Briefing, "Frontal"-Brief an Gerhard Schröder; Chinas Reaktion v. 17.6.99
Ganz ohne Opfer scheint es nicht enden zu wollen, das grausame Jahrhundert, hat einen Protagonisten auf die Bühne gestellt, der uns vor die Wahl stellte: ihn, seine Taten und sein Volk sich selbst zu überlassen oder einzugreifen, regionales Handeln zu korrigieren mit dem blutroten Stift euro-atlantischer Moral.
Der Westen hat sich entschieden: für einen "letzten Kreuzzug in diesem Jahrhundert"; erst die Nachwelt wird wissen und entscheiden können, ob dies eine "gute" Wahl war. Der berüchtigte Annex B wird in späteren Geschichtsbüchern, sofern sie objektiv sind, die Schlüsselrolle spielen - als NATO-Analogon zur Emser Depesche -, und erst dann, nach vielen klärenden Jahren, wird man lernen können, welche Voraussetzungen wirklich vorlagen, wer von wem erpreßt wurde, was warum wirklich geschah.
A propos Opfer: Am 13.6.99 melden TV-Nachrichten, zwischen Indien und Pakistan könne ein Krieg nicht mehr ausgeschlossen werden: möglicherweise ein Atomkrieg. Ja ist denn die Welt verrückt geworden, könnte man fragen, und zu dem Schluß kommen, daß wohl erst dann ein globaler Friede eintreten könne, wenn man allen Soldaten ihre "Spielzeuge" abgenommen hätte.
"Wir führen keinen Krieg gegen das serbische Volk." - Rudolf SCHARPING, 22.4.99
"militärische Strafaktion gegen Jugoslawien" - Jürgen HABERMAS in DIE ZEIT, 29.4.99
Wie schon oben angedeutet, drängen sich Paralellen auf: zum Zweiten Weltkrieg:
1. Man läßt einen Diktator Amok laufen. Bei dieser Taktik, die ich bereits Mitte April vermutete, handelt es sich um ein ebenso raffiniertes wie perfides psychologisches Verfahren.
Die NATO wollte, so scheint es, nie mit Milosovic verhandeln. Schon nicht in Rambouillet, wo man ihn mit unannehmbaren Forderungen (Annex B) konfrontierte (und die Weltöffentlichkeit bis heute darüber belügt); die sehr anerkennenswerten russischen Friedensinitiativen waren - und sind weiterhin - zum Scheitern verurteilt, wurden schon dadurch entwürdigt, daß unmittelbar nach Abreise der hochrangigen Diplomaten (Primakow; Tschernomyrdin) die nächsten Präzisionsbomben fielen. Die russischen Unterhändler wurden "vorgeführt", die Chinesen erhielten einen (Präzisions-)Warnschuß vor den Bug.
Wie hatte es am Anfang noch geheißen? Milosevic brauche nur den Telefonhörer abzunehmen und anzurufen, und die NATO halte ein; doch meine These ist, daß er niemals angehört, sondern immer als Lügner abgetan worden wäre. Andererseits wäre es lächerlich anzunehmen, daß ein Milosevic, dem man alles, "was ihm lieb und teuer ist" (sagte im Februar schon Madeleine Albright), wegbombt, dann noch verhandlungsbereit wäre!
Je mehr der bekämpfte "Führer", mit dem Rücken zur Wand kämpfend, zum Desperado wird, desto mehr Schuld er auf sich häuft, desto unwürdiger ist er als Vertragspartner.
In dem kontinuierlich zum Schrottplatz zerbombten Kosovo wächst die Wut gegen alles, was irgendwie mit "NATO" zu assoziieren wäre, und das läßt man die Kosovaren fühlen. Je mehr unschuldige Kosovaren getötet, verschleppt, mißhandelt, vertrieben werden (und je öfter und drastischer wir das in den Medien zu sehen bekommen), desto mehr Motivation, den Krieg fortzusetzen, alles kurz und klein zu schlagen.
=> Der 27.5.99 wird zu einem Schlüssel-Datum der Kosovo-Krieggeschichte. An den europäischen Politikern und deren Friedensinteressen vorbeihandelnd, definiert die NATO zum zweiten Male geltendes Völkerrecht um, zerrt den Präsidenten eines [noch] souveränen Staates vor das Haager Tribunal: zusammen mit seinen engsten Vertrauten wird Milosevic zum angeklagten Kriegsverbrecher, die NATO ist lästigen Verhandlungsdrucks enthoben (der "Fischer-Plan" somit Makulatur!), gibt sich die Lizenz zu uneingeschränktem Weiterbomben und [möglicherweise] zum Beginn des Bodenkrieges. "Kollateralschäden" können nicht mehr gezeigt werden, das jugoslawische Satellitenprogramm wurde auf Betreiben der NATO kurzerhand vom europäischen Einspeisungspunkt abgekoppelt. Hierzu die entsprechende Tagesschau-Meldung [27.5.99/20:01 ff.] und "Heute"-Interview mit Joschka FISCHER. Klaus BELOW spricht am Morgen danach aus Belgrad mit Peter SCHREIBER: [28.5./8:06]:
"Die Menschen hier haben mit Entsetzen reagiert [...] nicht nur hinter vorgehaltener Hand [...] wird natürlich kritisiert, daß diese Anklage genau zum schlechtesten Zeitpunkt für die diplomatischen Verhandlungen gekommen ist. Man ist entsetzt darüber, weil dem Präsidenten Slobodan Milosevic im Grunde genommen jetzt keine andere Wahl mehr bleibt: er steht mit dem Rücken an der Wand, er ist eingekastelt in seiner Ecke, und man ist sehr, sehr ängstlich darauf, wie er jetzt reagieren wird." => hier weiter
(Derselbe Milosevic wird noch gebraucht ("auch für angeklagte Kriegsverbrecher gilt bis zum endgültigen Urteil die Unschuldsvermutung"), um am 9.6. das militärisch-technische Abkommen zum Truppenabzug aus dem Kosovo zu unterzeichnen. Was mit ihm danach geschehe, sei ungewiß. Solange er weiterregiere, so Washington, werde es keine Wiederaufbauhilfe für die BR Jugoslawien geben.)
2. Der vorläufige Abschluß des Krieges (10.6.99) entspricht
einer bedingungslosen Kapitulation - mit jedoch weit über das
betroffene Territorium hinausgehenden, bisher nicht abschätzbaren,
möglicherweise weltweiten Folgen:
3. Demoralisierung der Bevölkerung durch [Spezial-]Bomben und Raketen
[Aus der Tagesschau vom 3.5.99, 20:05] "Der Beschuß von 5 Elektrizitätszentralen, der in der vergangenen Nacht 70 Prozent der serbischen Stromversorgung für Stunden lahmlegte, erfolgte nach NATO-Angaben durch erstmalig eingesetzte neue Waffen. Sie setzen Wolken von Graphitstaub frei und produzieren Kurzschlüsse und Stromausfall. [NATO-Sprecher Jamie SHEA, übersetzt:] >>Eine Kommandozentrale oder ein Computer ohne Strom, das wird einfach zu einer Masse aus Metall, Kabeln und Plastik.<< Die Schäden wurden zwar noch in der Nacht binnen Stunden repariert, aber - so die NATO - man habe jetzt die Hand an Belgrads Stromschalter. - Die Bombardierung der Stromversorgung dient, nach offizieller NATO-Lesart, rein militärischen Zielen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn natürlich ist den NATO-Strategen genau so wichtig ... der ständig wachsende psychologische Druck auf die jugoslawische Bevölkerung und damit - so das Kalkül - auch auf Milosevic selbst."
Die Hand an Belgrads Stromschalter: damit auch die Macht über Leben und Tod in Krankenhäusern, in Kreißsälen, bei Operationen - vor allem dann, wenn der Not-Diesel nicht anspringt, weil Treibstoff fehlt; Raffinerien genug wurden ja zerstört. Gebärende Mütter, Herzpatienten im OP, sie werden zum Opfer eines erbarmungslosen, unmenschlichen NATO-Kalküls, in dem es immer mehr nur um Macht und Treffer geht und darum, das Gesicht zu wahren.
[Aus dem ARD-Brennpunkt vom 29.4.99:] "War light: der leichte Krieg. So sah die NATO-Strategie vor fünf Wochen aus. Angepeilt wurden zunächst etwa 50 kriegswichtige Ziele, vor allem militärische Einrichtungen, doch zu aller Überraschung: Milosevic lenkte nicht ein. Dann war die Infrastruktur dran. Hier die Zigarettenfabrik von Nis. Fabriken, Brücken, Bahnhöfe und Flughäfen, ebenso Universitäten, Wohn- und Geschäftsviertel - "kriegswichtige" NATO-Ziele.
Von hundert Milliarden Dollar Schaden spricht das Belgrader Regime; die ohnehin marode Wirtschaft, sie ist dem Ruin nah. Und mit ihr: Arbeitsplätze, Zukunftsperspektiven. Auch diese Eskalation brachte keine Erfolge. Und dann kamen die Fehltreffer. Aleksinac, Anfang April, Bilder von lokalen Fernsehstationen. Wahrscheinlich 26 Tote. Sie erzählt, wie ihre Eltern umgekommen sind: Wir haben sie ausgegraben aus dem Schutt, 20 Stunden lang; meine Eltern waren friedliche Leute, die niemals etwas Böses getan haben, wir haben sie zerschmettert an ihrem Tisch gefunden. Und die Mutter dieser Frau wurde von einer einstürzenden Wanne schwer verletzt, ihre Kinder stehen seitdem unter Schock, das Haus ist zerstört. Sie wissen nicht, wohin sie vor den NATO-Bomben fliehen können. - Albanische Flüchtlinge kommen am 14. April nach einem NATO-Angriff ums Leben, ihre Fahrzeuge wurden mit Militär-LKWs verwechselt. Zwei Tage vorher war's ein Personenzug: 17 Tote. Fehltreffer.
War light, der leichte Krieg, das ist vorbei. Kollateralschäden: sie bekommen zunehmend ein Gesicht. - Fünfte Kriegswoche. Gehen der NATO die Ziele aus? Zivile Opfer nehmen zu, bereits zerstörte Objekte werden zum zweiten Mal zerstört: Ausdruck einer zunehmenden Nervosität der Strategen, einer Planung, die niemals den schlimmsten Fall mitbedachte, daß nämlich Slobodan Milosevic den Luftkrieg aussitzt."
Novi Sad liegt in Schutt und Asche. Diesen einfachen Satz in seiner Tragweite verstehen kann wohl nur ein Volk, das, wie Deutschland, unsägliches Leid in kompromißlosem Bombenterror erlebte, wo - schlimmer als bisher Belgrad, Novi Sad u.a. - große Städte noch kurz vor Kriegsende in entsetzlicher, perverser Weise in Trümmer geschlagen wurden, wo unschätzbar wertvolle Kulturdenkmäler in Schutt und Asche sanken, wo hunderttausende von Zivilisten den Tod fanden, wo, wie in Dresden, am Tage "danach" die Bomber und Jäger Rettungsfahrzeuge attackierten, wo, als es nichts mehr zu zerstören gab, sich kanadische Jagdbomberpiloten den Spaß machten, mit ihren Bord-MGs Mütter mit Kinderwagen zu beschießen, ohne daß all dies irgendeinen "strategischen Wert" gehabt hätte.
"Ausgebombt" - damals, 1945, noch sprachlicher "Hit", heute fast obsolet. Nur der, der jahrzentelang gespart und gearbeitet hat für ein Haus, der in zahllosen Stunden mitgegraben, gemauert, gesägt, genagelt, Leitungen gelegt, tapeziert und lackiert hat, damit alles schön wurde, damit die Familie sorgenfrei leben konnte in den nächsten Jahrzehnten, nur der kann nachvollziehen, was es für eine Familie in Novi Sad bedeuten mag, wenn jemand dahergeflogen kommt, alles in Schutt und Asche haut und wenn dann erklärt wird, das sei geschehen im Namen der Menschlichkeit. - Das ZDF ("Heute") berichtet am 11.5.99 [22:00]:
Es sind keine Flüchtlinge, sie sind nicht vertrieben, und doch sind sie getrennt von den Familien und ihren Freunden. Es sind Bürger der serbischen Stadt Novi Sad; seit Stunden warten sie hier, um mit einer primitiven Fähre über den Fluß zu kommen. Die NATO hat vor Wochen schon alle Brücken zerstört. Für uns ausländische Journalisten in Jugoslawien wurde Novi Sad zum Synonym für permanente Bombardierung. Man gibt uns die Möglichkeit, in der Stadt zu drehen, mit den Menschen zu reden und das ganze Ausmaß der Zerstörung zu dokumentieren. Als wir gegen Mittag am Donau-Ufer drehen, erneut Bombeneinschläge. Nach einer Stunde intensiver Bombardierung retten die Leute ihr Hab und Gut.
Entsetzen und Sprachlosigkeit bei einigen. "Die Wohnung ist zerbombt, und ich weiß nicht, wo ich hin soll", sagt uns diese Frau. Seit Wochen leben sie mit der Bedrohung - bisher in der Hoffnung auf ein schnelles Ende. Doch inzwischen greifen die NATO-Bomber auch tagsüber an; wer kann, packt alles, was er noch besitzt, und verläßt die Stadt. "Ich weiß nicht, wo ich hin soll - auf ein Feld, unter ein Zelt, ich weiß es einfach nicht." Und dann fährt er weg, verläßt seine Heimatstadt mit dem Wenigen, was ihm geblieben ist, wie so viele in diesen Tagen.[Aleksander IRKOVAC, Sprecher des Bürgermeisters:] " Es ist logisch, daß die Menschen, die unter so schweren Folgen, wie Sie sie hier aufgenommen haben, leiden, daß die überhaupt realisieren, um was für ein Problem es geht. Die können nicht ehrlich um die Lage der Flüchtlinge in Kosovo oder von Kosovo aus bekümmert werden, solange sie gezwungen werden, ihr eigenes Leben, [das] Leben ihrer Kinder zu schützen."
Das ist ein Krater von einer schweren Bombe. Das Gebäude im Hintergrund: ein Schulzentrum. Das Geschoß schlug hier ein, am hellichten Tag um halb Drei. [A.I.:] "Die Menschen von Novi Sad fragen sich immer noch: warum die Brücken in Novi Sad, warum diese ruhige Stadt, wo so viele ethnische Minderheiten zusammen und in Frieden leben, wird so stark angegriffen - die Menschen sind außer sich vor Angst und, solange diese Bombardements weitergehen, werden sie nicht in der Lage sein, über die politischen Probleme, die auf uns zugestoßen sind, realistisch und pragmatisch zu denken."
An diesem Tag, bei diesem NATO Angriff wurden sieben Menschen schwer verletzt; Tote gab es nicht. Und ein Ende ist für die Bürger von Novi Sad nicht in Sicht.
Aus Novi Sad berichtet das Morgenmagazin v. 28.5.99:
"Novi Sad ist das Zentrum in der ehemals autonomen Region Vojvodina; da leben nicht nur Serben, da leben auch viele Ungarn, Ukrainer, insgesamt 24 verschiedene Nationalitäten. Besondere Freunde von Milosevic waren die Menschen in der Vojvodina eigentlich nie - im Gegenteil, immer wieder gab es Widerstand gegen das Zentralregime. Im Rathaus von Novi Sad haben Oppositionelle die Mehrheit. Umsomehr fragen sich dort die Menschen, warum auch sie Opfer von Bomben der Nato werden.
[Bericht:] Morgentliche Rush-Hour in Novi Sad, 80 km nördlich von Belgrad. Seit die Nato auch die letzte der drei Donau-Brücken wegbombte, ist die Fähre der jugoslawischen Armee die Nabelschnur für 60.000 Bewohner des Westufers. Wenn keine Luftangriffe drohen, strömen sie ins Zentrum: hier gibt es seit ein paar Tagen wieder Strom und Trinkwasser. Mit Trotz und manchmal auch mit Übermut versuchen die Menschen in der Hauptstadt der Vojvodina, an einem Stück Normalität festzuhalten, auch wenn Benzinmangel die City zur Fußgängerzone macht. Die Versorgungslage ist ausreichend, doch das Geld ist knapp, seit fast alle Fabriken schließen mußten. Auf der Uferpromenade verkaufen Fliegende Händler Postkarten mit Bildern der Verwüstung. >>Wir wohnen hier direkt gegenüber, es ist unbeschreiblich, unsere Kinder mußten wir evakuieren.<< - >>Der Kosovo, das ist doch eine andere Welt; warum bombardieren sie uns?<< - Viele Kinder sind an diesem Vormittag nicht im Hort; sie spielen jetzt neue Spiele, Bombenalarm zum Beispiel. Ihre Bilder spiegeln die Nächte der vergangenen acht Wochen. >>Sie haben die Brücke kaputtgemacht, jetzt müssen sie sie aber auch reparieren.<< - 'Zehn Tote und siebzig Verletzte' lautet bislang der inoffizielle body count der Stadtverwaltung. Der Treffer auf dieses Wohngebiet inklusiv Schule gilt der Nato als Kollateralschaden, als 'bedauernswertes Versehen'. >>Wir hatten diese Wohnung mit all unserem Ersparten gekauft, ich stehe jetzt buchstäblich vor dem Nichts.<< - Kein Kollateralschaden, sondern Kriegsziel: die Zerstörung der Raffinerie. Sie brannte 15 Tage, und eine schmierige Rauchwolke legte sich über Stadt und Umland. >>Die Schadstoffe gehen ins Wasser und dann in die Nahrungskette; Dioxine und Furane konnten wir gar nicht messen, weil uns die Geräte fehlen<< berichtet die Umweltbeauftragte der Provinz. Noch über 100.000 Tonnen drohen aus den lecken Tanks ins Grundwasser zu sickern.
Am Nachmittag scheint die Stadt durchzuatmen, Kino und Theater schließen um Vier. Doch mit der Dämmerung kommt die Angst. Nur für ein Drittel der 300.000 Einwohner Novi Sads gibt es Schutzräume. >>Wir müssen das durchhalten, egal wie, wir sind jede Nacht hier.<< - >>Die Mächtigen spielen mit uns statt miteinander zu reden; wenn es donnert, zittern meine Kinder vor Angst, auch wenn es nur ein Gewitter ist.<< - Auf den Fluren der Hochhäuser treffen sich die Alten; in den Bunker bringt sie keiner mehr. >>Wir sitzen hier und warten; warten, daß es irgendwann aufhört.<<
Am 14.5.99 hören wir im Morgenmagazin:
"[...] Nach serbischen Angaben kam es in den drei größten Städten des Landes - in Belgrad, Novi Sad und Nis - zu Stromausfällen. NATO-Maschinen hätten wieder Graphit-Bomben abgeworfen, die in den Kraftwerken Kurzschlüsse auslösten. Vom italienischen Stützpunkt Aviano aus flog die NATO in der vergangenen Nacht mit bislang 900 Starts die meisten Angriffe seit Beginn des Luftkrieges am 24. März. Nach Berichten serbischer Medien wurden dabei unter anderem zwei Kraftwerke südwestlich von Belgrad getroffen. In der Stadt Vrebac soll eine Brücke zerstört worden sein. Auch ein Wohngebiet wurde von Raketen getroffen; mehrere Anwohner seien verletzt, hieß es."
Danach eine Schaltung zu Klaus Below in Belgrad: wen der Stromausfall treffe?
"Dieser Stromausfall trifft ausschließlich und alleine die Bevölkerung. Die gesamte Bevölkerung, die ohnehin leidet und leidet und leidet - es gibt keine Arbeit mehr, nirgendwo, es gibt keinen Strom, sondern nur mit Unterbrechungen [...], und es gibt, bedingt durch den Strom, auch kaum noch Wasser, weil dadurch ja auch die Wasserkraftwerke außer Kraft gesetzt werden. [...] Und, ich muß es sagen hier, aus Belgrad, aus dieser Sicht, auch wenn es vielleicht in Deutschland nicht gern gehört wird: Was haben diese 51 Tage wirklich gebracht? Die Menschen sagen 'Unser Land ist endgültig kaputt. Wir waren schon eine Zeit lang auf dem Wege der Besserung, aber jetzt haben wir gar nichts mehr. Wir haben weder Arbeit, wir haben noch sonstwas, wir haben keine Existenz mehr, unsere Energieversorgung ist kaputt, unsere Arbeitsplätze sind kaputt, und es hat auch nicht das Problem im Kosovo gelöst."
Um ein solches hartes Kriegs-Konzept zu realisieren und durchzuhalten, ist
Geschlossenheit nötig (d. h. mentale Gleichschaltung).
Diese wird noch immer demonstriert: seit dem 50. Geburtstag der NATO.
Entschlossenheit, für Frieden und Freiheit zu kämpfen
und Werte zu verteidigen, die (Börsen-?)Werte des Abendlandes
1). Wie schon bei der NATO-Erweiterung
2) geht es um Geld - auch in Deutschland
3). Um viel Geld. Um Wohlfahrt und
Zukunftsperspektiven der Rüstungsindustrie. Ein "Tomahawk"-Geschoß
kostet rund 1 Million Dollar, eine "Harm"-Rakete 1,2 Millionen Mark. Die
A-10 mit ihrer Revolverkanone verfeuert in der Minute dreitausend
3,3-Zemtimeter-Granaten; ebenso wie die "Liebesgrüße" der
Apaches und der mobilen
Artillerie enthalten sie einen Kern aus abgereichertem Uran (einem
kostspieligen Produkt genialer militärischer Forschung; s. unten).
Waffenverbrauch und Logistik verschlingen Unsummen.
Pro Tag werden (entsprechend
dem früheren Ansatz von 125 Mio $ pro Nacht) ca. 200
Millionen Dollar (oder mehr)
verschossen und verbombt - das entspricht fast 1,5 mal dem
Jahresetat der
Marburger Philipps-Universität. Wohlgemerkt:
diese enorme Summe wird - täglich - nicht etwa zu Hilfszwecken
ausgegeben (was in der Geschichte wohl einmalig wäre), sondern für
Tod und Vernichtung durch Waffen, die der Menschlichkeit
zum Durchbruch verhelfen, im zerbombten Lande die Demokratie
aufbauen und nahezu einer Million Flüchtlingen die
Rückkehr in ihre Heimat ermöglichen sollen.
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1) Der Dow Jones überstieg am 27.4.99 erstmals 10.800
Punkte und erreichte damit einen neuen Rekord. "Aufgrund von Technologie-Werten",
hieß es. Inzwischen hat er vorübergehend die "Traumgrenze" von
11.000 Punkten überschritten.
2) "Man rechnete in Washington für die nächsten 15 Jahre
mit gewaltigen militärischen Investitionen der drei neuen
Nato-Mitgliedsstaaten: 60 bis über 100 Milliarden US-Dollar." - Helmut
SCHMIDT in der ZEIT v. 22.4.99
3) zu SCHARPINGs und FISCHERs Wandel von Gegnern zu Verfechtern des
Eurofighters die WELT vom 12.5.99
Bei diesem Krieg geht es ums Image. Um das CLINTONs, seiner Administration, seiner Partei, das von Senat und Repräsentantenhaus und das aller "aufrechten Demokraten". Die Weltlage scheint zu kippen, die Waagschale zugunsten Washingtons zu sinken. Jugoslawien, hieß es noch vor kurzem, könne zum zweiten Vietnam werden; die Materialüberlegenheit der Alliierten verwandelt das Land auf jeden Fall in einen Schrotthaufen. Während für lange Zeit das sogenannte Gleichgewicht des Schreckens, d.h. die Balance der beiden Weltmächte, einen Dritten Weltkrieg zu verhindern half, nimmt sich die NATO mit ungeheurer Material- und Kapitalüberlegenheit das Recht, die globale Politik zu bestimmen und alles nicht in ihr Konzept Passende zu ändern oder zu eliminieren.
"Deutschland hat eine Verpflichtung zum fairen Umgang mit Rußland." - Oskar LAFONTAINE auf der Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftbundes (DGB) in Saarbrücken (zit. in der SZ v. 3.5.99)
Im Rahmen des Bonner G8-Außenministergipfels vom 6.5.99 hat sich Rußland auf die NATO-Staaten zubewegt - zumindest, wie es scheint, auf einen Friedensplan mit der Handschrift Joschka FISCHERs; strittig bleiben nach wie vor Art und Zusammensetzung der ins Kosovo zu entsendenden Friedenstruppe. Im Gespräch mit Wolf von Lojewski [ZDF, 6.5.99/21:53] dämpft Igor MAXIMYTSCHEW vom Moskauer Europa-Institut (s. auch unten Tagebuch) die westliche Euphorie:
vL: Es gibt Streitpunkte, es gibt Punkte, über die man sich wahrscheinlich noch nicht 100%ig geeinigt hat. Hat Rußland nun eigentlich zugestimmt, daß jene Sicherheitstruppe und Kontrolltruppe - ob die NATO dazugehört oder nicht - daß es auf jeden Fall eine bewaffnete Truppe sein soll, die ins Kosovo einrücken soll, um wirklich zu kontrollieren, daß die serbische Polizei und daß das serbische Militär keine weitere Gewalt den Kosovaren antut?
M: Na ja, erstens: es soll eine Sicherheitstruppe sein, d.h., sie soll nicht nur gegen die Ausschreitungen oder Gesetzesübertret[ung]en von der serbischen Seite agieren, sondern auch gegen Übersetzesübertret[ung]en von der anderen, von der Kosovo-Seite, von der albanischen Seite aktiv werden. Also, in diesem Sinne, muß man schon eine genaue Benennung dieser Truppe im Auge behalten.
vL: Herr Milosevich hat sich ja bisher immer gestreubt, daß sozusagen fremdes Militär seine Souveränität beeinträchtigt; es wird eine richtig - auch aus russischer Sicht - eine richtig bewaffnete Truppe sein müssen.
M: Wissen Sie: das letzte Wort gehört doch Belgrad, doch Jugoslawien, weil es sein Territorium ist, weil der große Satz - Vorsatz - aller verhandelnden Seiten heute ist, daß Kosovo ein Teil von Jugoslawien bleiben muß, vom serbischen Staat bleiben muß. Deshalb muß man eben mit den Leuten in Belgrad sprechen, mit Milosevich, mit seinen Ministern, mit den Leuten, die demokratischer Weise die Macht in Belgrad haben. [...] Deshalb ist Rußland in diesem Sinne - natürlich - ein bißchen mehr als ein Vermittler; ... Rußland ist in diesem Sinne ein Bindeglied zwischen zwei Seiten, die im Moment im Kriegszustand miteinander stehen.
vL: Es wird aber in der Zwischenzeit von der NATO weiterhin gebombt - ich glaube, Rußland ist darüber nicht ganz glücklich. Aber - können wir beide übereinstimmen, daß das, [was] zu [...] einer Ausweitung des Konflikts, zu einem Streit, sagen wir, zwischen der NATO - sei es auch ein diplomatischer Streit - zwischen der NATO und Rußland sich ausweiten könnte, daß das erst einmal eingedämmt ist durch dieses Abkommen heute in Bonn?
M: Das stimmt - mit einer Einschränkung. Dieses Abkommen heute in Bonn sieht überhaupt nicht die Möglichkeit, daß die Bodentruppen nach Jugoslawien geschickt werden. Wenn das eintritt, wenn die Bodentruppen entsandt werden, dann wird die ganze Lage, die ganze Situation ganz schlagartig anders werden. Sie wissen: die Situation in Rußland ist so, daß die Sympathien der Bevölkerung fast ungeteilt an der Seite der Jugoslawen liegen. Und ein jeder Politiker, der da versucht, den Jugoslawen in den Rücken zu fallen, hat keine politische Zukunft in Rußland mehr. Das weiß Tschernomyrdin, das weiß Jelzin, und deshalb ist Handlungsfreiheit - also [die] Bewegungsfreiheit von [den] russischen Politikern ziemlich eng gesetzt.
vL: Das klingt noch nicht so 100%ig hoffnungsvoll. Ich bedanke mich, Herr Maximytschew.
Die Mutter Tolstojs, Tschechows, Puschkins und Tschaikowskys, das am Boden liegende Riesenreich, in dem verzweifelte Eltern Blut spenden, nur damit die Kinder Essen und Schulausbildung bekommen, dieses ehemals so stolze Rußland wird mit Geld gedemütigt: Milliardenkredite für die Entsolidarisierung mit dem slawischen Brudervolk, für "Briefträger-Dienste" im Auftrag der NATO:
[Anne Gellinek aus Moskau, Morgenmagazin 21.5.99/7:48:] Offenbar verlieren die Moskauer Vermittler langsam die Geduld. Kommt es zum Krach bei den Balkanverhandlungen? fragt die einflußreiche Nesawisima Gazeta und publiziert einen langen Artikel von über 70 russischen Politikern, die die Regierung beraten. Der Tenor ist deutlich: [Übers.] "Bis vor kurzem waren wir froh, daß wir überhaupt verhandelt haben, aber meiner Ansicht nach passiert nun bei diesen Gesprächen nichts mehr", sagt der Vorsitzende des Rates für Außenpolitik, Sergej Karaganow. "Bei uns Experten verstärkt sich der Eindruck, daß Rußland vom Westen benutzt wird, um die Bombardierungen fortzusetzen. Wenn das so ist, sollten wir lieber ganz aussteigen."
Die Nato-Aggression, die faktische Demütigung Rußlands, dessen Mißtrauen gegenüber dem Westen und die Demontage der bis in den Tod stolzen Serben wird letztlich das neu beleben, was wir am Ende des furchtbaren Jahrhunderts überwunden glaubten: neuen Revanchismus, damit die Basis für neuen, generationenlangen Haß, eine neue Entzweiung zwischen Ost und West.
Wer diese Befürchtungen für gegenstandslos oder läppisch hält oder das Mitleid für die Serben als "Krokodilstränen" abtut, verkennt die tiefgreifenden Wunden, die nicht nur Flucht und Vertreibung, sondern auch und vor allem Demütigung und dekretierte Würdelosigkeit in der Befindlichkeit eines Volkes anrichten können. Das sei denen entgegengehalten, die uns weismachen wollen, Südosteuropa sei einer permanenten Destabilisierung anheimgefallen, hätte die Nato nicht eingegriffen. Deutschland und Polen, Deutschland und die Tschechen haben fünfeinhalb Jahrzehnte intensiv daran gearbeitet, zu einem gutnachbarschaftlichen Verhältnis, zu einem produktiven Miteinander zu finden. Andererseits sind die noch lebenden deutschen Vertriebenen teilweise bis heute traumatisiert von den furchtbaren Erlebnissen des Hungers, der Vergewaltigung und des Todes in einem Niemandsland, wo man wochen- oder monatelang im Freien kampieren mußte und es keine Zeltstädte gab wie heute für die Kosovaren in Albanien oder Makedonien. Wer heute nach Art des arroganten James Rubin oder des zynischen Jamie Shea weit weg vom Schuß herumdoziert und erfahrene Journalisten belehrt, zelebriert damit sein profundes Unvermögen, sich in die Mentalität, die Sorgen und Nöte der "einfachen" Menschen einzudenken, die noch immer den Hauptteil einer gewachsenen Nation ausmachen. Bei der Frage, wer hier unbedingt gewinnen muß bzw. mit Sicherheit das Gesicht verliert (vgl. u.), muß es auch darum gehen, ob sich die Menschheit am Ende des 20. Jahrhunderts eine Renaissance des Kalten Krieges leisten kann oder ob es nicht vielmehr Aufgabe einer global handelnden Friedens- und Konfliktforschung sein muß, neue Strategien zu entwickeln, die derartige regionale Krisen auch friedlich lösen helfen. Sonst wird - zur Freude aller Waffenhersteller und -exporteure - die Erde nicht zur Ruhe kommen und wird das, was derzeit auf beiden Seiten im Balkan geschieht, weltweit neue Maßstäbe setzen, zumindest aber alte Verhaltensmuster bestärken. Wie das schnelle Geld, werden die schnellen Luftschläge zur Mode werden: die Bomben über dem Irak und das Kriseln zwischen Indien und Pakistan sind jüngste Beispiele. Es wird sich wieder "lohnen", mit Bomben zu erpressen, und einige werden sich vage erinnern an jene Zeit der 68er, als die Mode aufkam, Terroristen mit Bomben, Geiselnahme und Mord, also durch Terror, freizu"pressen". Mit Sicherheit werden dann einige Soziologen und Philosophen darüber akademisieren, wo - bzw. ob - denn bei solchen Strategien die Grenze zwischen Moral und Verbrechen liege. Und über all diesem Diskutieren werden sie die Geburt der nächsten Krise verschlafen.
Das Volk oder - wie die Arroganten sagen - die Straße ist näher am Puls der Zeit und handelt. Gefühle - und damit auch längst verloren geglaubte Ressentiments - brechen sich (wieder) Bahn.
Im ZDF-Morgenmagazin v. 6.5.99 berichtet Eberhard PILTZ aus Griechenland: "Seit Jahren macht er sich rar, aber jetzt hält es Altmeister Mikis THEODORAKIS nicht mehr. Mühelos füllt sein Konzert das Zentrum von Athen. 'Die Serben sind unsere Nachbarn', heißt die Botschaft, 'vielleicht sind wir die nächsten Opfer?' - Thessaloniki, Nordgriechenland. Ein Zwischenfall, wie er sich fast jeden Tag abspielt: eine junge Frau blockiert die Ausfahrt vorm Hafen, über den die NATO ihren Nachschub abwickelt. Im Nato-Staat Griechenland schlagen die Herzen für die serbischen Brüder im orthodoxen Glauben und gegen den großen Bruder in Amerika. Im Parlament wehrt sich der sozialistische Premierminister SIMITIS tapfer: >>Es gibt Forderungen, die Europäische Union und die NATO zu verurteilen, gar auszutreten; so einfach ist das nicht - populistisches Gerede.<< Der konservative Oppositionschef KARAMANLIS wirft der Regierung vor, lakaienhaft Ja zu sagen zu allem, was die Nato tut. - In Griechenland ist der Krieg ganz nah. Luftmessungen im Norden zeigen stark erhöhte Schadstoff-Konzentrationen. [...]
Straßentheater in Athen: Solidarität mit den Serben. Der Jugoslawien-Krieg verstärkt die Euro-Skepsis. Viele Griechen und das Gefühl, daß die übrige Welt die Besonderheiten des Balkan einfach nicht versteht."
Schwerste Vorwürfe erhebt am 7.5.99 auf dem Leipziger JuSo-Kongreß der Direktor des Belgrader Instituts für europäische Studien, Prof. Laszlo WEKELJ:
"[...] er sagte auch, die Intellektuellen und Politiker - und es wurden sogar konkrete Namen erwähnt - wurden ermordet, ebenfalls Dolmetscher und einheimische Mitarbeiter der OSCE. Als Rechtfertigung der Weiterung, Verschärfung der Luftangriffe teilte dies Verteidigungsminister Scharping persönlich der deutschen Öffentlichkeit mit, und dann hat er [sich] vier Tage danach genau mit diesen bei Namen erwähnten Leuten getroffen - in Bonn. Und natürlich von den KZs, und ...Fußballplatz, keine Spur. Und was können Sie dann [von] den Leuten, die in Kellern in Pristina gwesessen haben, die nur ihre albanischen Sender gehört haben, was könnten sie anders als Panik erwarten, was könnten diese Leute anders machen als flüchten? - [Die] NATO hat bewußt diese Flüchtlingswelle verursacht, damit sie ihre Taten durch eine moralische Heuchelei rechtfertigen könnte und das macht sie schon 45 Tage und bombt wegen diesen Flüchtlingen oder Vertriebenen [...] Krankenhäuser, bombt alle Brücken, bombt dort, wo nie ein Albaner [war] - ich meine [, was] nichts mit dem Kosovo zu tun hatte - was hat ein Grenzort zu Rumänien oder Ungarn mit dem Kosovo zu tun? Sie haben zerstört: alle Brücken an der Donau, die Brücken, die zwischen Koratien und Serbien sind. Was ist die militärische Rechtfertigung dafür? Daß die kroatische Armee die serbische Armee unterstützen würde? [zeigt einen Vogel] - Und diese Sprache: ich hab das nur bei Orwell und Huxley gehört - Brave New World - [...]: Krieg ist Frieden, Bombardierung ist humanitäre Hilfe. [...] Leider ist in Europa eigentlich Wirklichkeit geworden das, was wir nur als eine negative Utopie studiert hatten vor 20 Jahren - und nie geglaubt, daß so etwas vom Westen kommen wird. ... Es gibt jede Menge von diesen Lügen, Halbwahrheiten, ich kann Ihnen aus der heutigen Zeitung zitieren; [...] und diese blöden Geschichten, als ob zehn Jahre lang im Kosovo die serbischen Ärzte albanische Kinder ermordeten ... Ich erinnere mich sehr gut: im März 1990 ... sind an den Straßen im Kosovo albanische Schulkinder bewußtlos [hin]gefallen: zehntausende, fast hunderttausende. Sie haben geklagt, die serbische Regierung ... habe die albanischen Kinder vergiftet - als wenn es ein Gift gäbe, das Unterschiede auf ethnischer Basis machen könnte - es sind dann Untersuchungen gemacht worden vom Bundesministerium für Gesundheit, es sind ausländische Ärzte gekommen; natürlich gab es keine Spur davon. Aber hunderttausende von Leuten haben drei Tage lang Theater gespielt. Daß diese Sachen, die heute passieren, haben eine lange Geschichte.[...] Die Deutschen waschen eigentlich ihr schlechtes Gewissen auf drastischste Weise mit diesen Kosovo-Geschichten. [Fischers] eigenes Ministerium hat eine Woche vor dem [...] Anfang der Luftangriffe am 17. März seinen Landsreport vom November vorigen Jahres bestätigt; in diesem Report [...] steht, daß es eigentlich in Serbien, im Kosovo eine schwierige Lage gibt, aber niemand verfolgt wird wegen seiner ethnischen Zugehörigkeit [...] Ich zitiere: "Die durch die Presse wiederholt gemeldeten Massaker und Meldungen über Massengräber trügen zur Beunruhigung der Flüchtlinge bei, konnten jedoch durch internationale Beobachter, die dort waren, bislang nicht bestätigt werden." [...] Kurz zusammengefaßt: auf dem Kosovo hat die serbische Regierung eine falsche Politik getrieben, zehn Jahre lang, aber auf der anderen Seite hat auch die Kosovo-politische Elite eine falsche Politik getrieben. Sie haben zehn Jahre lang den Staat boykottiert. Sie wollten an den Wahlen nicht teilnehmen, sie wollten die Schulen nicht besuchen, sie wollten keinen Verkehr mit dem Staat haben. ... Gewalt als Antwort auf diesen passiven Boykott des Staates ist nicht zu unterstützen - im Gegenteil! Aber man kann nicht jetzt Gewalt mit noch mehr Gewalt beantworten. Und man terrorisiert eigentlich ein ganzes Land, einen ganzen Staat wegen falscher Politik - nicht nur von Milosevic, sondern auch von Rugova, von der Bundesregierung und von der amerikanischen Regierung. Und die Politiker [...] waren auch nicht fähig, eine friedliche Lösung des Konflikts [vor]zunehmen. [...] Die NATO hat mit diesem Krieg probiert zu beweisen, wer der Sheriff, der Weltpolizist ist, und das ist nur eine Demonstration der Macht und gegenüber dem Verlierer in dem Kalten Krieg. Die NATO möchte sich behaupten als Weltpolizist, und das soll das jugoslawische Volk - d.h. Serben, Albaner, Montenegriner, Ungarn usw., bezahlen. ... Und alles andere ist eine pure Heuchelei.
Niemand in Jugoslawien könnte [die] freiwillige Besatzung seines Landes bewilligen und ein solches Abkommen unterschreiben. Ich würde das auch nicht unterschreiben. [...] Mit diesem Krieg haben die Befürworter der Westernisierung, d.h. der liberalen demokratischen Westwerte und Westöffnung Serbiens, eine totale Niederlage erlebt. Ihre Vorstellungen sind eigentlich niedergebombt worden. [...] Und was kann man den Nationalisten, [...] Xenophoben [...] noch erwidern? Jede Bombe bringt politisch nur weitere Unterstützung für Milosevic. [...] Sie zerstören nicht nur das Land und töten die Menschen, Sie produzieren vielmehr auch sehr mächtige materielle Beweise für die politischen und geistigen Positionen der Antidemokraten und Antimodernisten, welche die Persönlichkeit Milosevics verkörpert. [Im] Sommer '97 glauben 75 % der Jugoslawen, daß die USA-Regierung eine feindliche Politik gegen das jugoslawische Volk betreibt. Über die Politik der Europäischen Union äußerten sich 56 % in dieser Hinsicht. [...] Jetzt können Sie sich vorstellen: was würden die Befragten heute sagen? Wenn die Sanktionen mit Bomben noch untermauert worden sind? Und - was kann ein Befürworter der Pressefreiheit zu Milosevic sagen: das er die Pressefreiheit begrenzt? Das stimmt. Die Antwort ist: Ja, ich begrenze die Pressefreiheit, aber ich zerbombe nicht die Fernsehstationen, wie es das Pressefreiheitsverständnis der NATO ist. [...]
Die meistgetroffenen Städte sind: Novi Sad, Belgrad, Kraguevac, Nis, Cacak *) - das sind die Hochburgen der Opposition. Dort hat man drei Monate lang gegen den Wahlbetrug demonstriert. Und dort sind die lokalen Verwaltungen in den Händen der Opposition. Was, meinen Sie, was denken jetzt diese Wähler, die noch drei Monate lang amerikanische, deutsche, französische und britische Fahnen [getragen haben, um] zu zeigen, daß Serbien ein Teil der Welt ist - welche Flagge würden sie jetzt tragen? Welche? Die Fahnen der Länder, die uns bombardiert haben? [...] Bitte tun Sie etwas, daß dieser Wahnsinn ... bald ein Ende findet [...]."
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[ARD-Morgenmagezin vom 10.5.99:] "Luftangriffe. Die NATO hat in der Nacht ihre Angriffe gegen Jugoslawien fortgesetzt. In den serbischen Städten Cacak, Kraljevo und Nis gab es Luftalarm. Aus Nis wird der Beschuß des Flughafens gemeldet."
In ihrer bis zum Jahre 1981 zurückgehenden Analyse erhebt Anja RÖHL vom Kreisverband Berlin-Neukölln noch schwerere, weitergehende Vorwürfe auf dem Sonderparteitag der Grünen am 13.5.99 [14:14 ff.] in Bielefeld:
"So wie damals, als Saddam Hussein der Teufel war, als den man heute Milosevic ausgibt, [als] der Irak ins Mittelalter zurückgebombt wurde, so ist heute das eingeengte Rest-Jugoslawien, ehemals eines der vom Westen hofierten sozialistischen Länder, nach Meldung der FR vom 30.4.99 schon auf den Stand von 1945 zurückgebombt worden. Das gesamte Gesundheitswesen ist zusammengebrochen, es gibt kein Wasser, keinen Strom, keine Medikamente. 1990 war Jugoslawien noch eines von 20 Ländern mit einer eigenen Auto-Produktion - in Zukunft wird dieses Land vollständig von Importen abhängig sein. Sogar das Abgeordnetenhaus der USA verweigerte Clinton die Zustimmung zu den NATO-Luftangriffen, bedeutende britische Friedensforscher sprechen sich öffentlich gegen den Krieg aus, auch ehemalige Offiziere und Generäle der Bundeswehr sowie Vietnam-Veteranen meldeten sich öffentlich gegen den Krieg zu Wort.Um auch die völkische Politik anzusprechen, muß man wissen, daß Kinkel 1981, damals verantwortlich für den Bundesnachrichtendienst/Verfassungsschutz, über hundert Agenten nach Jugoslawien zur systematischen Destabilisierung entsandt hat - mit dem ausdrücklichen Befehl, die ethnischen Probleme dort aufzurühren, von denen bekannt war, daß sie Jugoslwien langfristig spalten und zersplittern würden. Mindestens seit Anfang der 90er Jahre werden ethnisch motivierte nationalistische Minderheiten gegen Jugoslawien systematisch mit ... hochkarätigen Waffen versorgt. Gleich nach dem Ende des Kalten Krieges, sagte unser Außenminister vorhin, sind die völkischen Probleme angefallen. ... Das hat Außenminister Fischer richtig erkannt. Aber diese Probleme sind systematisch geschürt worden, und zwar auf dem Hintergrund handfester wirtschaftlicher Interessen, nämlich den osteuropäischen Raum in Richtung kapitalistischer Wirtschaftsordnung in die EU zu integrieren - wie es im zuerst genannten Satz treffend ausgedrückt wird.
Schon 1989 erhielt General Klaus Naumann den Auftrag, die Bundeswehr von Verteidigung auf Intervention umzustellen. Die Zerschlagung des alten Jugoslawien gehört zum Programm geostrategischer Neuordnung im Rahmen derselben neuen Weltordnung, wie wir sie schon anhand des Golf-Krieges kennenlernen durften. Eine starke jugoslawische Armee stört die Macht der NATO, hindert die wirtschaftliche Ausbreitung westlichen Kapitals und stünde russischem Einfluß offen. So finden wir auch in führenden Wirtschaftszeitschriften schon seit Jahren Bemerkungen über die Notwendigkeit der Schwächung der jugoslawischen noch-sozialistischen Wirtschaft: längst, bevor es den Kosovo-Konflikt gab - von dem es übrigens in einem Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawiens vom Auswärtigen Amt November '98 hieß, daß die serbischen Kampfhandlungen in Kosovo ein typisch militärisches Gepräge aufwiesen und lediglich darauf ausgerichtet seien, die Kontrolle über die UCK zurückzuerlangen. >>Die Wahrscheinlichkeit, daß Kosovo-Albaner im Falle ihrer Rückkehr staatlichen Repressionen ausgesetzt sind, ist insgesamt als gering einzuschätzen.<< So der Bericht des Auswärtigen Amtes - vor dem NATO-Angriff. Ich will damit nicht sagen, daß ich die nationalistische Politik Milosevics richtig finde. Aber ich zweifle die Motive dieses Krieges, die da genannt werden - Verteidigung der Menschenrechte - an. Kann man mit Bomben, die Menschen verletzen und töten, Menschenrechte verteidigen? Nein. Schon Brecht ließ Mutter Courage im Dreißigjährigen Krieg sagen: >>Wenn man die Großkopfigen reden hört, führens Krieg nur aus Gottesfurcht und für alles, was gut und schön ist. Aber wenn man genauer hinsieht, sinds nicht so blöd, sondern führen die Krieg für Gewinn.<< Das ist auch hier so. Und wenn die wirtschaftlichen Interessen, die in Wahrheit hinter diesem Krieg stehen, nicht erkannt und analysiert werden, dann sind wir Helfershelfer einer neuen befriedeten Weltordnung, wie sie seinerzeit 1991 das erste Mal postuliert wurde, und zwar unter uneingeschränkter Herrschaft des erstarkenden EU- und US-Kapitals.
Zum Abschluß möchte nur eine Sache noch von Alejandro Galeano ... geben: nach Meldungen des CIA sind vor dem NATO-Angriff im Kosovo 3.000 Tote und 100.000 Vertriebene zu verzeichnen gewesen. Es gab mal eine vergleichbare Situation in Guatemala, wo die US-Regierung in den 80er Jahren hundertmal so viele Tote und dreimal so viele Vertriebene zu verantworten hatte wie jetzt Milosevic. Dies wurde inzwischen von der US-Regierung zugegeben, und dafür wurde sich Jahre später sogar entschuldigt. Wenn angesichts dieses Krieges neuerdings unsere bündnisgrünen Minister von 'innerer Zerrissenheit' sprechen, dann ekelt mich diese Jammerei an. Denn im selben Moment werden von ihren Bomben Menschen wirklich zerrissen - auch durch ihre innere Zerrissenheit."
Während Jugoslawien weiterhin sturmreif gebombt wird, aus den Zielgebieten hohe Dioxin-Konzentrationen und eine beginnende Verseuchung der Donau gemeldet werden, soll das Ansehen der sog. Freien Welt keinen Schaden erleiden. Im deutschen US-Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem bezeichnet CLINTON am 5.5.99 den Nato-Einsatz immer noch als "Kampf für eine lebenswerte Welt" (OP Marburg, 6.5.99), kündigt sogar - trotz der überraschenden Ausreise des gemäßigten Kosovaren-Führers RUGOVA - eine weitere "Verschärfung der Angriffe" an.
Anfänglich gab es im Fernsehen den allabendlichen ARD-"Brennpunkt" zum Kosovo-Krieg. Das Hochwasser in Süddeutschland, das FA-Cup-Finale von Barcelona und andere Aktualitäten haben den mittlerweile zwei Monate alten Krieg zum "Hintergrundprogramm" werden lassen. Vielleicht wird es (wieder) anders, wenn wir Bodentruppen entsenden müssen.
Die Bevölkerung unseres Landes zeigte sich zum großen Teil wenig interessiert. Noch immer reagieren viele erstaunt - ja zum Teil verärgert -, wenn man sie anspricht. Ach ja, die Luftschläge. Das Morden im Kosovo muß aufhören, irgendetwas muß man doch unternehmen. Und dann geht es ins Wochenende, man hat Holzkohle eingekauft zum Grillen.
Die Kirchen verurteilen - in der Regel das Flüchtlingselend, nicht die Aggression. Die [meisten] Professoren schweigen (noch oder wieder; man sieht das auch im Internet: Erbsenzählen ist weiter angesagt). Deutschland, dessen Grundgesetz soeben fünfzig Jahre alt wurde, hat zur Zeit praktisch keine Opposition. Außer der - im Westen noch immer mit der Feuerzange angefaßten - PdS billigen alle "demokratischen" Parteien den Nato-Krieg. Die Grünen haben ihres Profils entsagt. Selbst der hochreligiöse und stets integre künftige Bundespräsident, "Bruder Johannes" Rau, geht konform. Daß er mit "zerrissenem Herzen" die Entwicklung verfolge, hat als Lippenbekenntnis wenig praktischen Wert und hilft den zahllosen Zivilisten, die durch Nato-Bomben Leben oder Gesundheit einbüßen, keinen Deut weiter.
Eine APO gibt es nicht; auch die ehemals so vehemente Friedensbewegung ist größtenteils auf der Strecke geblieben. Studenten sind heute Einzelkämpfer. Im PC-Zeitalter sitzen sie vor den Bildschirmen, das vereinsamt. Solidarität stört das Individualinteresse. Aber Vietnam - das damals alle so mobilisierte - findet möglicherweise bald vor der Haustür statt. Was sich damals im Protest zumindest theoretisch manifestierte, ist heute der Lethargie gewichen oder - aufs Volk bezogen - der Ohnmacht. Oder, um es anders zu sagen: einer merkwürdigen Erstarrung irgendwo im Niemandsland zwischen Schuld, Pazifismus, Saturiertheit, Egoismus, Indifferenz und Aufbruchsstimmung. Ein Volk, dem in fünf Dekaden jede Identität aberzogen wurde, ist besonders leicht zu mobilisieren für ein "hehres" Ziel, das neue, scheinbar bessere Identität verheißt. Bis fast zur Unerträglichkeit zum Büßer erzogen, soll sich, wie es scheint, in ebenso kurzer wie unglaublicher - ja geradezu perverser - Metamorphose dieses Volk seines mühsam erworbenen Antikriegsbewußtseins entledigen und, Lemmingen gleich, erneut ins Verderben ziehen.
Ziel des "Dritten Reiches" war die mentale Gleichschaltung aller "Volksgenossen" zur Erfüllung der angestrebten Staats- und Kriegsziele. Wer aus der Reihe tanzte, wurde zunächst diffamiert, erhielt alsbald Berufsverbot, wanderte möglicherweise ins KZ, wurde ermordet oder später, im Kriege, in ein "Himmelfahrtskommando" abgeordnet.
"Kinnmuskelspanner, unser Eins-WO. Junger Marschierer, weltanschaulich durchgeformt", charakterisiert in BUCHHEIMs "Boot" der erfahrene und kritisch denkende Kommandant den aus Argentinien "importierten" Ersten Wachoffizier. Wie unsere in Lichtgeschwindigkeit von Natur- und Randgruppenschützern und Häuserkämpfern zu Kinnmuskelspannern und Marschieren mutierten Grünen mit Abweichlern umgehen, zeigt der WELT-Bericht vom 10.6.99 zu einem Europawahl-Treffen. Interessant: wer gegen den Nato-Krieg agiert, redet - nach Cohn-Bendit - den Nazis das Wort, die ehemals die Juden aus Deutschland vertrieben oder sie ermordeten. Sind solche Demagogen noch zu retten?
Wir lernen neue Wörter: werden unschuldige Zivilisten durch NATO-Bomben getötet, so nennt man das Kollateralschäden - dasselbe semantische Strickmuster wie Endlösung aus dem "Wörterbuch des Unmenschen" (LTI). "Ein kleines Teilproblem" nennt NATO-Sprecher Jamie SHEA zynisch solche "Irrgänger" (Tagesschau 29.4.99, 20:06) - an die wir uns gewöhnen sollen: am 7.5. berichten die Medien von zahlreichen Todesopfern und Schwerverletzten durch eine sogenannte "Kassetten"- oder "Streubombe" (setzt viele kleinere Explosionskörper frei), die "versehentlich" (wie die NATO nach anfänglichem Dementi zugeben mußte), in Nis ein Wohnviertel verwüstete. Am 8.5. treffen um 1:50 morgens drei NATO-"Präzisionswaffen" (Jamie SHEA) die Botschaft der VR China in Neu-Belgrad, töten 3 Personen und verletzen viele schwer.
Als in der Nacht zum 23.4., die Sendezentrale des Fernsehens in Belgrad zertrümmert wird, dort von den über 70 teils ausländischen Journalisten in gelben und bläulichen Flammen siebzehn umkommen und viele verletzt werden, als dies in ganz Europa Abscheu hervorrruft, stört auch das die Militärstrategen nicht. Man habe das Propaganda-Nervenzentrum des Diktators ausgeschaltet. Tot ist damit auch die in diesem "chirurgischen", "humanitären" Krieg so unerwünschte Information über zivile Schäden. Und wenn man dann weiter bombt und alle Kommunikation zum Erliegen bringt, dann sind neben zivilen Ämtern, Schulen, Krankenhäusern auch die Universitäten betroffen, unsere Partner im Geiste, letzte Hoffnung für friedlichen Dialog und friedensstiftende Innovation. Dann haben Gewalt und Brutalität gesiegt: tabula rasa im Namen transatlantischer Humanität.
Die Aggression ist im Begriff, sich zu demaskieren. Nicht nur, wie erwähnt, in der Sprache:
"bevor Bodentruppen in das Kosovo einrückten, müsse die Nato-Luftwaffe ihre Arbeit erledigt haben" (sagte der britische Verteidigungsminister George Robertson: => DIE WELT 22.4.99) ,
sondern auch in der Methode:
"Erstmals gab die Nato nun zu, bei den Luftangriffen auch radioaktiv strahlende Munition eingesetzt zu haben. US-Kampfflugzeuge setzten Geschosse aus angereichertem *) Uran (Depleted Uranium, Uran-238) im Kampf gegen jugoslawische Panzereinheiten ein, sagte Nato-Sprecher Giuseppe Marani in Brüssel" (ebd.).
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*) korrekt: abgereichertem; die besondere Perfidie liegt darin, daß man das Uran so weit "ab"reichert, daß es mit Schutzkleidung ohne Schäden als Munition handhabbar ist, von ungeschützten, auf konventionelle Kriegführung eingestellten Gegnern jedoch in seiner Langzeit-Gefahr (chemisch-toxische Wirkung) nicht erkannt wird (W.N.)
Genozid auf Raten? Die hier neue Dimension des (schleichenden)
Tötens erinnert nicht nur an AUSCHWITZ (wo weibliche
Häftlinge zur "Registrierung" an einen Schalter treten mußten
und unbemerkt in Hüfthöhe mit Röntgenstrahlen "behandelt"
wurden) und an Winston CHURCHILLs Plan,
Milzbrandbakterien über Deutschland abzuwerfen, sondern auch
an den 8 Jahre zurückliegenden
GOLF-KRIEG, in dem, wie sich später
zeigte, [von den USA und Großbritannien] schon derartige
Geschosse eingesetzt worden waren: daher die vielen schon im Mutterleib
geschädigten Kinder und viele tausend zivile Folgeschäden. "Monitor"
bestätigte am 22.4.99 diese Tatsachen; wie, fragt der Bericht, sollen
die Kosovaren in ihre Heimat zurückkehren (können), wenn diese
Region kontaminiert ist, wenn dort tausende von strahlenden Geschossen
herumliegen? (Ganz abgesehen davon wird die Rückkehr der
Flüchtlinge immer illusorischer: niemand kann es ihnen verübeln,
wenn sie sich in den Gastländern wohler fühlen werden als
in einer Region, die noch vor kurzem ihre Heimat war und jetzt nur noch
Schrottwert hat.) Die zu erwartendenden Langzeit-Schäden und
sonstigen "Altlasten" des Krieges beleuchten ein interner Report des
Umwelt-Bundesamtes und die taz-Meldung zum Gift in der Donau v. 16.6.99.
Branka JOVANOVIC, Fernseh-Journalistin beim zerstörten Sender RTS in Belgrad und als Oppositionelle Mitgründerin der Grünen Partei, ist mit einem Kollegen unterwegs, um ihren Standpunkt klarzumachen. Von Bonn aus nimmt sie am 26.4.99 in den ZDF-Tagesthemen Stellung zur NATO-Aggression:
"Wir sind in derselben Situation wie 91, würde ich sagen. Die Welt versteht Jugoslawien nicht. Aus diesem Nichtverständnis von jugoslawischen Problemen hat man Jugoslawien zerstört - die einseitige Diplomatie, das Verkennen aller Potentiale der jugoslawischen Bürger, ihr Land zu reformieren. - Die Opposition ist nicht mehr mit den politischen Fragen konfrontiert worden, weil der politische Rahmen nicht mehr existiert. Wir sind jetzt mit dem Tod konfrontiert. Und dieser Horizont des Todes, in dem mein Kind steht, meine Freunde stehen, meine Parteigegner stehen - in diesem Feld sind sie alle einig mit einer einzigen Frage: Wie überleben wir das Ganze, um dann darüber nachzudenken, was dazu geführt hat, wie es dazu kam, wer da schuldig ist. -Man kann nicht den Milosevic als Vorwand nehmen, um ein Kriegsverbrechen zu begehen. Es ist eine alte Regel, die kenne ich aus dem Haager Tribunal: ein Verbrechen ... kann nicht durch ein anderes Verbrechen ... gelöscht werden oder ausgeglichen werden - und das passiert jetzt."
[Moderatorin:] Serben, die aus Angst vor den Bomben nach Bosnien flüchten: ein unbekanntes Bild im Westen. Diese Aufnahmen, nur wenige Tage alt, hat Branca Jovanovic aus Belgrad mitgebracht. Kriegs-Alltag. Nachts ist der Krieg am schlimmsten, erzählt die Journalistin; immer dann, wenn die Menschen in die Bunker flüchten. Gespenstische Stille herrscht über der Stadt.
"Sie ... sehen den Feind nicht, sozusagen. ... Sie sehen nicht Tomahawks. [Es ist] ganz schweigsam, und auf einmal hören Sie eine riesige Explosion, und dann wissen Sie nicht: ist Ihr Freund getroffen worden, ist Ihr Kollege ums Leben gekommen? Sind die Kinder ... oder die Freundinnen meiner Tochter jetzt tot? Und ... dann verbringt man die ganze Nacht unten im Keller mit diesen alten Omas, Opas, mit neugeborenen Babies ..., mit besorgten Müttern, und dann sagt man: Wir müssen überleben."
Serben fliehen vor dem Bombenhagel der NATO. Sie fliehen nach Ungarn, für 30 Tage Aufenthalt. Deutschland will sie nicht - auch wenn sie zu der kleinen Opposition gegen Milosevic gehör(t)en [Bericht "Kennzeichen D", 28.4.99, 21:15].
Den "ganz normalen" Kriegsalltag eines jungen Ehepaares in Belgrad porträtiert das ARD-Morgenmagazin am 10.5.99 gegen 7:44:
[...] Wie ist der Kurs? Na, 1:10, kann ich 100 Mark tauschen? Max Winterfeldt. Serbe, geboren in Belgrad, jawohl, und Max, der deutsche Vorname - und auch Nachname, mit seiner Frau Danka. Beide, 27 Jahre alt und von Beruf Anwälte, in der jugoslawischen Hauptstadt. Sie haben viel Zeit, eigentlich den ganzen Tag. Die Gerichte arbeiten nicht, Klienten gehen nicht zum Anwalt [...]. Danka arbeitet eigentlich als Richterin zur Anstellung. Max hat einen deutschen Vater, der sich in die Tochter eines serbischen Partisans aus dem Zweiten Weltkrieg verliebte und von der Freundin seiner Mutter versteckt wurde. Und wieder ein Krieg, aber anders. Max und Danka reden viel über ihre Eltern - gerade jetzt. Max hat noch einen Bruder und zwei Schwestern in Deutschland: von denen hat er schon lange nichts mehr gehört. Beide leiden unter der Aushöhlung des Rechtssystems durch Kriegsverordnungen, Verwahrlosung des Klimas und vor allem darunter, daß sie nichts tun können und nichts zu tun haben.
[Danka, übersetzt:] "Ich bin eigentlich der Meinung, daß es mir und auch allen anderen Menschen, die hier leben, am wichtigsten ist, folgende Nachricht zu hören: die Nachricht, daß die NATO-Angriffe auf unser Land aufhören und daß wir wieder ein normales Leben führen können. In dieser Situation ist es für mich vor allem wichtig, daß meine Freunde und meine Familie am Leben bleiben, daß niemand zum Krüppel wird und daß wir so weit wie möglich einen klaren Verstand behalten und daß wir versuchen, aus dem täglichen Horror eines Tages wieder heil heraus[zu]kommen."
Max Winterfeldt (ard-tv@EUnet.yu) schickt tägliche Mails ans deutsche Morgenmagazin (olaf.bock@wdr.de). Hier - exemplarisch - die vom 9.5.99:
Eine der schlimmsten Nächte ist hinter uns. Eigentlich sind ja alle schlimm. Aber die war furchtbar. Den Tag zuvor der Angriff auf das 'militärische' Ziel - der Grüne Markt - und das Krankenhaus in der Großstadt Nis - wobei wir alle gedacht haben, daß das immer noch ein Zufall sein könnte oder ein Fehler. Und dann, ein paar Stunden später, der Stromausfall, und dann der Anschlag auf die chinesische Botschaft. Ein paar Minuten später Hotel Jugoslavija, auch ein 'militärisches' Ziel. Zur Zeit bin ich immer noch im Büro. Meine Danka ruft an, weint, ist böse auf mich, weil ich noch nicht bei ihr bin. ich muß noch über die Brücke, um nach Hause zu kommen. Ich habe unheimliche Angst. Mit Tempo 150 sause ich über die Brücke und gucke, links, rechts, ob ich vielleicht sehe, wie eine Tomahawk auf mich zukommt. Wenn der Angriff auf die Stadt Nis und die chinesische Botschaft ohne Konsequenzen bleibt, dann weiß ich wirklich nicht mehr, wo die verdammte Welt hingeht." (Transkripte und Links: W. NÄSER 10.5.99)
Was den Angriff auf die chinesische Botschaft und andere "Fehlwürfe" betrifft, so hat er eine ganz private Meinung:
Letzte Nacht lag ich total gelähmt im Bett und schaute in die Dunkelheit durchs Fenster und versuchte, die Flugzeuge zu sehen. Furchtbares Gefühl. Sehr schnell danach eine Detonation, und dann noch eine und noch eine und noch eine. Am Anfang bezweifelte ich deren Präzision - aber dann wurde mir klar, daß die NATO ungeheuer präzise ist. In meiner Naivität glaubte ich, daß die NATO so unnötige Schäden vermeiden wolle - jeder normale Mensch weiß jetzt, daß jeder Angriff absichtlich war: auch die Chinesische Botschaft, das Krankenhaus in der Stadt Nis usw. Man kann nicht ein Volk strafen, um ein anderes zu retten. Ich gehe jetzt Musik hören: Hannes Beckmann. Spitze. Für eine kurze Zeit vergesse ich alles, in diesem Jazzclub. (ARD-MoMa 10.5.99/7:39)
Wer über den Jazz-Club lächelt, möge bedenken, daß es genug Alternativen dazu gibt, Bomben zu werfen. Heute müssen wir uns alle fragen, ob es nicht das einzig richtige gewesen wäre, die kulturellen Kontakte - auch und gerade zu Serbien - zu intensivieren und auf diesem Wege in gemeinsamem küstlerischem Handeln zu einem Konsens zu finden, der sich - als ewiger, höherer Wert - über die von Macht- und Geldgier beherrschten Polit-Interessen erhebt. Dort, wo man gemeinsam liest, gestaltet, diskutiert, musiziert, dort schweigen die Kanonen. Das deutsch-tschechische Verhältnis z.B. war Gegenstand eines jahrzehntelangen Strohdreschens und Problematisierens, während parallel dazu der künstlerische Austausch völlig problemlos und freundschaftlich verlief. In mehr als einem Jahrzehnt der Zusammenarbeit mit dem Radiosinfonieorchester Prag habe ich das in schönster Weise erlebt. Ein anderer Aspekt ist die Seenotrettung. Als das total zerbombte und demoralisierte Deutschland bedingungslos kapitulierte und nach jenem 8. Mai 1945 niemand in der übrigen, "freien" Welt mehr an dieses geschundene Volk glaubte, funktionierte in den Wogen der gepeitschten Nordsee die Zusammenarbeit mit Engländern, Holländern und Skandinaviern wie eh und je. Wo gutes Handeln vereint, da haben Hetze und Krieg keine Chance.
Auch den hier in Deutschland lebenden Serben wird es immer schwerer, den von der NATO gegen ihr Heimatland geführten Luftschlägen irgendeinen Sinn abzugewinnen. Marion GEIGER berichtet im ZDF-Morgenmagazin vom 4.5.99 [08:45-08:48]:
Deutsches Heim, deutscher Garten - doch das Herz schlägt jugoslawisch. Milan Kostic wünscht sich nichts sehnlicher, als daß der Krieg aufhört. Er will weiter im Frieden mit den Deutschen leben, wie seit knapp 30 Jahren. Als Ausländerbeirat in Speyer gibt er seinen serbischen Landsleuten eine Stimme.
>>Ob einer von dummen Bomben, intelligenten Bomben oder lasergesteuerten Bomben getötet wird, ob Zivilist oder Soldat, ist für mich Nebensache; Tod ist Tod, sag' ich.<<
Vorbei die Zeit der Heimaturlaube, der unbeschwerten Besuche. Statt dessen Angst. Kostics Mutter ist jetzt ganz allein in Serbien und schwerkrank.
>>Ja Gott - Schilddrüsenkrankheit, schwaches Herz oder was weiß ich, also es gibt nix, was sie nicht hat. Die ist angewiesen auf Medikamente, aber ich das Ding nicht schicken; wie soll ich das da runterschicken, da wo es Kriegsrecht gibt. Es geht kein Bus, es geht kein Flieger, es geht kein Zug, es geht gar nix.<<
Auch der Post traut Kostic nicht. Er gibt die Medikamente lieber Bekannten mit. Doch die Gelegenheit ist selten. Deshalb organisieren die hier lebenden Serben selbst einen Transport. Alle miteinander können sie es nicht recht begreifen, daß das Land, in dem sie arbeiten und Steuern zahlen, Krieg gegen ihre Heimat führt.
>>Das ist ja eine Schande, was die machen. / Katastrophe.<<
>>[übers.] Im Fernsehen hört man immer nur 'Kosovo, Kosovo, Kosovo' - haben denn die Serben keine Kinder?<<
Trauer und Wut. Kostic versucht zu beruhigen. Wo immer er kann, wird er sich als Ausländerbeirat einsetzen. Doch er ist machtlos, wenn Söhne wehrpflichtig werden in der serbischen Armee oder wenn Gastarbeiter um ihren Lebensverdienst bangen müssen.
>>Wir haben immer - 'ne ganze Menge schon gespart. Und jeden Urlaub runtergefahren und ein Stück weitergebaut. So 15 Jahre haben wir gebaut. Und jetzt: jetzt stehn wir da jeden Tag vor [dem] Fernsehen, [den] ganzen Tag und gucken oft, ob unsere Haus und Familie noch ganz ist und ob die alle am Leben sind.<< [...]
Hilflos schauen sie zu. Später werden sie in Serbien anrufen, um zu hören, was wirklich passiert ist: Kostic genau so wie alle anderen. Die Bilder brennen sich in das Gedächtnis ein, und für viele junge Serben ist nicht zu begreifen, warum sie vor aller Welt plötzlich Verbrecher sind.
>>Es tut mir richtig langsam ehrlich weh bei mir. Und irgendwann explodier ich, und ich halt es nicht mehr aus. Und, wenn's jeden Tag so kommt, daß sie sagen, die Serben sind<< [er bricht in Tränen aus].
Ältere erinnern die Situation der Deutschen in den USA - während des Zweiten Weltkrieges: wie schwer sie es hatten, wie schnell sie alle als Nazis, als Hitlers diffamiert und ausgegrenzt wurden. Und jüngere - so auch ich - befürchten etwas ganz anderes: daß wir nämlich den Krieg zwischen Serben und Kosovaren in unser Land holen, sozusagen als Nebenkriegsschauplatz, aber nicht weniger blutig und ungerecht - wenn sich die Verantwortlichen nicht rechtzeitig besinnen, endlich Deutschland herausziehen aus diesem ungerechten Krieg und damit verhindern, daß wir erneut "historische Schuld" auf uns laden. Das Bewußtsein wächst - vor allem in Ostdeutschland, wie das ZDF in derselben Sendung berichtet. 2/3 der Befragten lehnen dort die Luftangriffe ab, seit zwei Wochen gibt es in Leipzig wieder Montagsdemonstrationen, diesmal für ein Ende des Krieges in Jugoslswien. In der Leipziger Nicolaikirche versammeln sich die Menschen jeden Montag zum Friedensgebet (=> auch WELT-Artikel v. 12.5.99)
"Zu DDR-Zeiten war sie Symbol für den friedlichen Widerstand, gegen den Unterdrückungsapparat des SED-Regimes. Heute beten die Menschen hier für den Frieden in Jugoslawien. Scharf die Kritik an der Bundesregierung.
>>[Pfarrerin:] Ich bin empört darüber, daß grüne Politiker heute dem Einsatz von amerikanischen Kampfhubschraubern, bestückt mit atomaren Sprengköpfen, zustimmen.<< [...]
Pfarrer Christian Führer formuliert die Forderungen seiner Gemeinde:
>>Völkermord, Deportation und Bombardierung sofort beenden. Diese Spirale der Gewalt erschreckt uns. Zurück an den Verhandlungstisch.<<
Zum Verhandlungstisch will auch die NATO zurückkehren. Grundsätzlich jedoch hat sie sich, gerade anläßlich ihres 50. Geburtstages, eine ganz andere, weitreichendere, radikalere, kompromißlosere Politik verordnet.
[Die NATO] "fördert eine breitangelegte Partnerschaft, Zusammenarbeit und Dialogführung mit anderen Staaten im euro-atlantischen Raum mit dem Ziel, Transparenz, gegenseitiges Vertrauen und die Fähigkeit zu gemeinsamem Handeln . . . zu erhöhen. [...]
Das Bündnis wird bei der Erfüllung seines Ziels [...] auch weiterhin die legitimen Sicherheitsinteressen anderer Staaten achten und die friedliche Beilegung von Streitigkeiten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen anstreben . . . [...]
Im Zuge ihrer Politik der Friedenserhaltung, der Kriegsverhütung und der Stärkung von Sicherheit und Stabilität . . . wird die Nato in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen darum bemüht sein, Konflikte zu verhüten [...]"
(In: Washingtoner Erklärung, DIE WELT 26.4.99)
Diese ebenso markigen wie hehren Worte transportieren eine neue Machtkompetenz: die militärische Handlungsfreiheit "out of area": an der UNO vorbei. Hinsichtlich des Weltfriedens verkommt somit die UNO langfristig zum närrischen Debattierclub und die NATO kann nun ungefragt (= endlich frei vom lästigen UN-Veto) in jeden Konflikt eingreifen. D.h. sie kann jedes beliebige Land der Welt attackieren, in dem nach ihrer Meinung instabile und/oder inhumane Verhältnisse herrschen, die mittels einer Aggression zu "korrigieren" wären. Letztlich könnte sie auch jedes Land "in Schutzhaft" nehmen, das bündnisuntreu oder sonstwie zum Risikofaktor werden würde - so z.B. nach einem für die NATO-Pläne unvorteilhaften Regierungswechsel.
[Aus einer Reportage des ZDF-Morgenmagazins vom 3.5.1999] "Fast 100.000 Tonnen - größer ist weltweit kein anderes Kriegsschiff. Die USS Theodore Roosevelt ist die wichtigste NATO-Basis für die Angriffe gegen Jugoslawien. Ihr Flugdeck strotzt vor Waffen. Rund um die Uhr werden sie an die Bomber montiert. Vier Angriffswellen gibt es praktisch jeden Tag. Ein letzter Check: noch zwanzig Minuten, dann wird er wieder in der Luft sein - wieder im Visier der serbischen Flugabwehr. Und dann muß alles stimmen, auch die kleinste Einzelheit. "Ich habe immer bestimmte Socken an und ein bestimmtes T-Shirt, man geht immer durch dieselbe Tür raus, jeder Pilot hat da so seine Rituale. Man möchte halt nie was anderes machen, weil man denkt, das ist dann der Tag, an dem man nicht mehr zurückkommt." Von der Operationszentrale des Trägers werden die Piloten dirigiert: per Funk und Radar und auf den Meter genau. Jede Zeile auf der Leuchttafel steht für einen Kampfjet. [...] Der Kapitän ist stolz auf sein Schiff. Auch für eine Seeblockade gegen Jugoslawien sei die Roosevelt bestens vorbereitet. [...] Der Krieg in Jugoslawien - hier auf der Theodore Roosevelt wirkt er eher wie ein High-Tech-Spektakel. Von den Opfern, die das gewaltige Waffenarsenal dieses Schiffes auf der gegnerischen Seite fordert, bekommt hier niemand etwas mit. Für viele Besatzungsmitglieder ist ihr Schiff dann auch gar nicht im Krieg. - Ein eigenes Fernsehstudio, Supermarkt und Fitness-Center: unter Deck ist das Schiff eine Kleinstadt auf See, eine heile Welt weit weg vom Krieg. Der Alltag für die meisten der über 5000 Besatzungsmitglieder: das sind Routine-Jobs in endlosen Gängen. [...] "Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung, wo wir gerade sind. Ich weiß es einfach nicht." "Wir bekommen ein bißchen was gesagt in den Nachrichten. Aber zu hause wissen sie meist mehr als wir hier." "E-mail, das ist alles", meint er, "wir können ja nicht rausgucken, also wissen wir auch nichts." Und er sagt: "Na ja, wir haben einen Grund, hier zu sein: der Welt Frieden bringen, das ist unser Job." Nach knapp zwei Stunden kommen die Bomber zurück. Nach dem Luftkrieg über Jugoslawien für die Piloten eine letzte Herausforderung - die Landung auf einem winzigen Stück Beton mitten im Meer. [...] In den Abendnachrichten wird es heißen: 'Schwerste Luftangriffe auf Jugoslawien'. Für die Roosevelt war es ein ganz normaler Arbeitstag."
Einzig übriggebliebene Großmacht, beanspruchen die USA im kommenden 21. Jahrhundert die Vorherrschaft auch in Europa - und damit dort, wo, mit deutscher Beteiligung, Soldaten ihre Haut werden zu Markte tragen müssen, um diesem Anspruch der Weltdominanz zum Durchbruch zu verhelfen.
Amerikanische Militärbasen mit atomarer Munition und die europäische NATO-Befehlszentrale in Deutschland - Garantie des Schutzes für die einen, zur Farce verkommene Souveränität für die anderen. Damit relativiert sich die Frage, was "wir" hätten tun können, um uns aus dem NATO-Krieg herauszuhalten.
Europa, wurde uns versichert, wolle innerhalb der NATO das Heft in der Hand (be)halten, seine Geschicke selbst bestimmen. Das werde auch dadurch deutlich, daß - gerade jetzt in der End(?)phase des Luftkriegs, der Fischer-Plan erneute Relevanz gewinne. Wer sich angesichts dessen umdreht und weiterschläft, verkennt in eklatanter Weise, daß im kakophonen Konzert des nordatlantischen Säbelrasselns die USA den Takt angeben und damit auch, wann im FINALE DESTRUCTIVO - letztlich unter europäischer Beteiligung - Bodentruppen einzusetzen sind.
Entsprechende Pläne liegen schon in den Schubladen. Zunächst dementierten Madeleine ALBRIGHT und andere halbherzig oder täuschten Unwissenheit vor, während wir schon am 23.4.99 erfuhren: "Seit Herbst [sagte COHEN,] liege aber die Planung für einen solchen Fall vor. Dabei würden für eine umfassende Invasion in Jugoslawien 200 000, für einen begrenzten Einsatz im Kosovo 75 000 Soldaten benötigt." Nach 55 Tagen scheint mit Luftschlägen allein der Krieg nicht mehr zu gewinnen; die Amerikaner und Briten fordern Bodentruppen; gleichzeitig verdichtet sich der Eindruck, daß offenbar zwei verschiedene Kriege geführt werden: Die NATO bombt und bombt, die Apaches stehen bereit, die Briten üben Bodenkrieg; gleichzeitig laufen sich in Europa Politiker wie Schröder die Hacken ab und lädt Juugoslawiens Polit-Unternehmer Karic Joschka Fischer ein zu einem "Friedensgipfel": der Krieg würde nur noch zehn Tage dauern, und währenddessen besichtigt eine UN-Delegation das Zerstörungswerk der NATO, erkundet die "humanitäre" Situation und den Wiederaufbau-Bedarf des Landes.
Kampfbereit und kompromißlos *): die UCK
[Aus einem Bericht des ZDF-Morgenmagazins zum UCK-Geheimdienst vom 5.5.99:] ... Die sogenannte Befreiungsarmee des Kosovo hat hier ihr Hauptquartier. In Kukes sammelt sie ihre Kämpfer. Zwei von ihnen gehen trotz Verbotes vor unsere Kamera; sie haben jahrelang in Deutschland gelebt, in Bayern und in Berlin. Beide gehören einer Spezialeinheit der UCK an, von deren Existenz hier zum ersten Mal berichtet wird.
("Adrian":) "Unsere Aufgabe können wir direkt nicht verraten; wir sind auf der Spur der Geheimdienste ... des Serbien." - "Welchen Spionen sind Sie hier in Albanien auf der Spur?" - "Die sind - die Geheimdienste [der] serbischen Regierung." - Wie aktiv ist der [Geheimdienst] hier?" - "Also - zur Zeit können sie ja gar nicht viel tun, aber die versuchen." - "Sind Sie erfolgreich?" - "Ziemlich." - "Ja?" - "Ja." - "Schon welche geschnappt?" - "Ja." - "Was machen Sie mit denen?" - "Sie werden verhaftet und bei der Polizei geschickt." - "Sie kooperieren hier auch mit der albanischen Polizei?" - "Ja."
In dieser Straße, in einer ehemaligen Maschinenfabrik, rekrutiert die UCK ihre Kämpfer: streng geheim, nur aus dem Auto zu drehen. Die Angst vor ausländischen Kameras ist groß, auch wir werden als serbische Spione verdächtigt, als wir hier drehen. Wir erfahren von UCK-Leuten, daß sie von Offizieren der albanischen Armee ausgebildet werden; einige Kommandeure sind Albaner aus Tirana und Kukes, keine Kosovaren. Die enge Verzahnung von UCK und albanischen Sicherheitskräften soll nicht nach außen dringen, zu ihren Feinden, sagen sie uns.
"Welche Feinde hat die UCK?" - "Unsere Feinde sind alle, die uns nicht unterstützen und nicht lieben."
Der Hauptfeind sei Serbien, ergänzt FATIH, der zweite Feind sei Rußland, und alle Staaten, die mit Serbien kooperieren. - An einem Berghang zwischen Kukes und Kruma: UCK-Kämpfer beim Schießtraining. Von hier aus wollen sie die Serben aus dem Kosovo vertreiben, um die Rückkehr der Flüchtlinge zu ermöglichen. Die Führung der UCK will die Partisanenarmee in mögliche Bodentruppen der NATO einbinden. Ihr militärischer Chef - er nennt sich Leopard II, fordert die Ausrüstung seiner Kämpfer mit NATO-Waffen. Die Nato helfe ihnen, und sie werden der Nato helfen, meint Fatih, der Chef des UCK-Geheimdienstes in Kukes. Demnächst würden amerikanische Apache-Kampfhubschrauber ihnen den Weg freischießen, danach werde die UCK das Kosovo zurückerobern, ist er fest überzeugt. - Die Stadt Kukes, ein einziges Heerlager. Das Angebot deutscher Militaria-Läden findet sich hier wieder. Und man kann nur schwer unterscheiden: wer hier gehört zur Mafia und wer zur UCK."
Vierzehn Tage später zeichnet das ZDF in "Heute" am 18.5.99 [21:45] ein ganz anderes Bild der UCK:
[...] Nach sieben Stunden sind wir da: die UCK hat uns in den Kosovo gebracht. Auf beiden Seiten der Grenze sehen wir ihre Soldaten, dürfen wir aber nicht filmen. Dann: Pressetermin im eroberten Gebiet: alles schön und nicht zu überprüfen. Wie viel Land die Kosovo-Befreiungsarmee den Serben weggekämpft hat, ist geheim. Die Kaserne Kosare, ein paar Kilometer von Nordalbanien entfernt, auf jugoslawischem Gebiet. Viele Freiwillige kommen aus Deutschland. Die UCK bildet sie zwei Wochen lang aus, und dann ab in den Krieg. [1. Kämpfer:] "Ich bin sieben Jahre in Deutschland gewesen und ich durfte nicht nach Kosovo in normaler Weise und ich mußte nur als UCK-Kämpfer kommen. Und einmal und für immer den Kosovo befreien und nie wieder irgendwo anders hingehen." [2. Kämpfer:] "Es ist egal, wie die Serben bewaffnet sind. Wir kämpfen für unsere Heimat, für unser Land, und egal ob mit Kalaschnikow im Arm oder mit Panzer oder mit Tank oder mit Flugzeug - wir werden bis [zum] Ende kämpfen und wir werden diesen Krieg auf einmal gewinnen." - Die meisten haben keinen Kontakt mehr zu ihren Familien; sie bitten uns, in Deutschland anzurufen und zu sagen: 'Ja, Ihr Sohn lebt noch.' Über Verluste spricht hier keiner, angeblich gebe es kaum Tote. Doch die erste Frontlinie ist nur vier Kilometer entfernt, und alle paar Minuten hören wir schwere Detonationen. - Pressekonferenz. Die Kommandanten der UCK berichten von neuen Gebietsgewinnen, das läßt sich aber nicht überprüfen. Bei einer Offensive ihrer Spezialeinheiten seien am Vortag drei serbische Polizisten und ein Offizier ums Leben gekommen. [Übers.:] "Die serbische Propaganda behauptet, daß die UCK besiegt wurde, nicht mehr existiert. Was Sie hier sehen, ist der Beweis dafür, daß das nicht stimmt. Die UCK kämpft weiter und ist eine normale, gut organisierte Armee." [Kämpfer mit Lastesel passiert Kamera] - Wie gut die UCK bewaffnet ist, können wir nicht überprüfen. Wir sehen keine schwere Artillerie. Munition kommt mit Eseln oder Traktoren über die Berge - Hoffen, auf NATO-Hilfe. [3. Kämpfer:] "Waffen. Waffen, nur Waffen." - "Bekommen Sie Waffen von der Nato - oder von wem bekommen Sie Waffen?" - "Nein, nicht, selber. Mit unserem Geld haben wir gekauft alles, bis jetzt." - Die jugoslawische Übermacht ist trotz Nato-Luftangriffen zu stark. Die UCK hält nur wenige Gebiete im Kosovo. Diesen Posten haben die Männer erobert, stolz zeigen sie den serbischen Verlust der Presse. [Passieren Militärkolonne] Am Abend fahren wir zurück nach Albanien. Die Soldaten sind auf dem Weg in den Kosovo, wollen ihr Land freikämpfen, damit ihre Familien zurückkehren können.
"Wird die UCK einer völligen Entwaffnung zustimmen?" fragt Marion von
Haaren schon am 6.5.99 im ARD-Brennpunkt. Ein klares Nein, ergänzt sie,
werde aus Tirana signalisiert. - Die - je nach Lage und Dauer des Kriegs
dargestellte - Rolle der UCK-Kämpfer bleibt undurchsichtig; in den USA
und Europa ausgerüstet, werden sie ins Kosovo geschickt, als Vorhut
und Opfer, um NATO-Truppen zu schützen. Dort, betonte ein serbischer
Kommandeur schon Mitte April, stünden rund 150.000
MILOSEVIC-Soldaten bereit; wenn nur jeder 3. Schütze
treffe, könne sich die NATO ihre blutigen Verluste ausmalen [diese
Zahlenangabe wurde nie mehr wiederholt!]. Daß es eine "sehr blutige"
Sache werden könne, meinte am 18.4. auch ARD-Korrespondent Detlev
Kleinert in Tirana.
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*) Titel einer ARD-Reportage vom 9.6.99,
23 Uhr
"Jugoslawiens wirtschaftliche Basis ist doch ziemlich zerstört. Es gibt gravierende Umweltzerstörungen, das Informationsnetz ist so gut wie zusammengebrochen [...] Man sagt ja auch, Jugoslawien ist jetzt zurückgebombt worden auf den Stand kurz nach dem Zweiten Weltkrieg - muß man noch auf den Stand kurz vorm Ersten Weltkrieg zurückbomben?" - Moderator Cherno JOBATEY im ZDF-Morgenmagazin vom 5.5.99, 8:18
Kriege haben immer ein äußerst widerliches Gesicht; je länger und härter gekämpft (hier: völkerrechtswidrig angegriffen) wird, desto mehr bleibt die sogenannte Humanität auf der Strecke; gewisse NATO-Praktiken könnten der vielkritisierten Wehrmachtsausstellung alle "Ehre" machen:
[Aus den TV-Nachrichten vom 1. Mai 99:] "Gegen 13 Uhr, das meldete die jugoslawische Nachrichtenagentur Tanjug, zerriß eine NATO-Rakete diesen Bus auf einer Brücke nördlich von Pristina bei Luzani. Teile stürzten den Abhang hinunter. 40 Menschen, so die gleiche Quelle, fanden den Tod. Entstellte Leichen sahen Vertreter nichtstaatlicher Medien Stunden später. Bei einem zweiten Angriff auf die gleiche Brücke soll die NATO auch noch Ambulanzen und das Notfallärzte-Team vor Ort angegriffen haben."
Trotz vielfältiger Friedensbemühungen bombt die NATO weiter, verstärkt ihre "Luftschläge", verwendet auch und gerade in den Großstädten Bomben mit noch stärkerer Zerstörungskraft. Hier die neuesten "Erfolgsmeldungen":
[ZDF-Morgenmagazin, 20.5.99/7:31] "Wieder haben Luftangriffe der NATO auf Belgrad für diplomatische Verstimmung gesorgt. Schweden kündigte einen scharfen Protest an, nachdem seine Botschaftsresidenz beschädigt wurde. Es sei nicht akzeptabel, in einer Großstadt derart schwere Bombentypen zu verwenden. - Nach serbischen Angaben wurde in der Nacht auch ein Krankenhaus getroffen. Mindestens drei Menschen sollen getötet worden sein. Wie Ärzte mitteilten, wurden die Intensiv- und die Frauenstation zerstört." [Udo Frank aus Belgrad, 8:20:] ... Die Gynäkologie war getroffen, Mütter, die gerade entbunden hatten, sind schwer verletzt worden ..." [Tagesschau 21.5.99:] "15 Raketen [!] trafen im Kosovo das Gefängnis bei der Stadt Istok. Am frühen Abend gab das serbische Fernsehen die Zahl der Opfer mit 20 an und sprach von Dutzenden von Verletzten. Nach serbischen Angaben saßen in dem Gefängnis bis zu eintausend Gefangene, die unter 'Terrorismusverdacht' stehen - der in Serbien übliche Ausdruck für Albaner, die der Mitgliedschaft in der UCK verdächtigt werden."
[ntv 22.5.99/16:04] "In Belgrad gab es heute, am 60. Tag der Nato-Angriffe, schon mittags Luftalarm. Letzte Nacht wurde Belgrad wieder massiv bombardiert, dabei wurde zum dritten Mal das Treibstofflager in der Nähe des Diplomatenviertels Dedinie getroffen, daraufhin brach in Teilen der Stadt die Stromversorgung zusammen und - bemerkenswerterweise - wurde heute auch zum dritten Mal das Gefängnis in Istok im Kosovo angegriffen. [Bericht:] Die Gefängnisanlage von Istok im Nordwesten des Kosovo. Die Haftanstalt war auch bei der jüngsten Angriffswelle wieder ein Ziel der Nato-Bomben. [...] Für die Nato ist das Gefängnis ein legitimes militärisches Ziel: ein Stützpunkt der serbischen Spezialpolizei, die von dort aus gegen die UCK operiere."
[Tagesschau 22.5.99/20:01] "In der vergangenen Nacht wurden nach Angaben der Allianz so viele Einsätze geflogen wie noch nie seit Beginn des Krieges vor zwei Monaten. Ziele waren erneut serbische Truppen und Panzer im Kosovo, Depots, Verkehrsverbindungen und vor allem Elektrizitäts- und Umspannwerke. [Bericht:] In der Hauptstadt Belgrad sowie in großen Teilen Mittelserbiens gingen in der vergangenen Nacht wieder die Lichter aus. Mit Sprengbomben hatten Nato-Kampfflugzeuge das Großkraftwerk Kolubara 30 Kilometer südlich der Hauptstadt angegriffen. Wegen der Zerstörungen kam es in fast allen größeren Städten des Landes, in Nis, Cacak, Kraljevo, Leskovac und Uzice zum totalen Stromausfall. 14 Arbeiter wurden bei dem Angriff verwundet. Wegen fehlender Ersatzteile werden die Reparaturen längere Zeit in Anspruch nehmen, so daß große Teile des Landes ohne Stromversorgung bleiben werden. Sprecher der Elektrizitätsversorgung warnten vor einer drohenden Katastrophe, da neben der Wasserversorgung auch öffentliche Einrichtungen wie Krankenhäuser von dem Stromausfall betroffen sind. Da Militär und Polizei mit Stromgeneratoren ausgerüstet sind, ist es vor allem die Zivilbevölkerung, die von den Nato-Angriffen betroffen ist. In der Hauptstadt Belgrad fuhren heute keinerlei Straßenbahnen; bei der Stadt Sabac in Mittelserbien verfehlten Nato-Bomben eine Brücke über den Fluß Saba. Das serbische Fernsehen zeigte Bilder der in Brand geschossenen und zerstörten Häuser in der Altstadt am Save-Ufer. Brücken, Transformatorenstationen wie hier im ostserbischen Bor und militärische Ziele im Kosovo standen in den letzten 24 Stunden auf den Ziellisten der Nato-Bomber."
[ntv 24.5.99/15:06] "Nach serbischen Berichten wurde das Kraftwerk Kostolac 60 km östlich von Belgrad getroffen, das zweite Mal innerhalb von 24 Stunden. Nach Angriffen auf Stromversorgungseinrichtungen in der nordserbischen Provinz Vojvodina und auf Nis im Südosten sind die Bewohner in weiten Teilen des Landes ohne Strom. Auch das Wasser wird zunehmend knapp. [Bericht:] Für die Nato versorgen die Kraftwerke die jugoslawische Armee mit Energie und sind damit legitime Angriffsziele. Aber den größten Schaden dieser Angriffe nimmt die Bevölkerung Jugoslawiens. In weiten Teilen des Landes ist der Strom unterbrochen. Viele Belgrader verbrachten die Abende und Nächte an diesem Wochenende im Dunkeln. [...] Verheerendere Auswirkungen hat der Stromausfall in den Krankenhäusern - wie hier in einer Frauenklinik geht es um Leben und Tod. Fällt der Strom aus, dann können auch die Ärzte und Schwestern für das Leben der Frühgeborenen nicht mehr garantieren. Das Notaggregat reicht nicht für die ganze Versorgung. [Die Ärztin Snezana RACIC:] 'Das schwerste ist dann zu entscheiden, wem in diesem Moment am dringendsten geholfen werden muß. Ist es dieses kleine Baby oder jemand auf der Intensivstation? Das ist das große Problem.' Und dann wächst die Angst der Ärzte und Schwestern hier in diesem Belgrader Krankenhaus vor den sogenannten Kollateralschäden der Nato. Jederzeit könnte eine Bombe auch hier das Gebäude und ihr Leben zerstören." [wenn sich die NATO herausnimmt, auch dieses Krankenhaus zum legitimen Ziel zu erklären, weil sich vielleicht im Keller ein sogenannter Kommandobunker der Armee befindet, W.N.; vgl. die 3malige Bombardierung des Gefängnisses (s. oben), wo - nach Meldung v. 24.5. - 100 Menschen starben und 200 verletzt wurden].
Neue NATO-Rekorde vermeldet die taz unter dem Titel "Wieder voll getroffen" am 1.6.99.
(wird ggf. ergänzt) Stand: 29.6.99