W. Näser: Themenkreis "Gewalt in den Medien"
Briefe an das ZDF zum Film "Léon - der Profi"
1. [27.1.2004] Hinsichtlich der Ausstrahlung des sog.
Action-Thrillers "Léon - der Profi" am 26.1. um 22.15 Uhr drücke
ich hiermit meine höchste Empörung aus. Das Bekenntnis der Medien,
nach der furchtbaren Schulkatastrophe in Erfurt keine
gewaltverherrlichenden Beiträge (mehr) zu senden, scheint vergessen.
Wenn Menschen reihenweise erschossen werden, wenn blutige Körper über
den Boden gezerrt werden, die Todesangst der Menschen bildschirmgerecht in
Szene gesetzt und dann noch ein heranwachsendes Mädchen als Killer-Elevin
präsentiert wird, dann frage ich mich allen Ernstes, wieso ein solches
Machwerk überhaupt in die engere Wahl gezogen und gesendet wird. Pfui
Teufel. Sind denn nicht auch Geistliche im Programmrat? Ist dem ZDF die seelische
Befindlichkeit der Kinder und Jugendlichen nichts mehr wert? Es wurde
früher immer so viel von sogenannten Volksverderbern geredet. Nach diesem
Film ist mir klar geworden, wo diese a u c h angesiedelt sind.
Beitrag im EKD-Forum:
Gestern, am 26.1., lief um 22:15 Uhr im ZDF der sog. Action-Thriller "Léon
- der Profi". Da wurde zunächst eine Art Mafia-Boss mit Pumpguns und
Pistolen aller Mitarbeiter beraubt und mit Messer an der Kehle zu Konzessionen
gezwungen, dann wurde eine ganze Familie ausgelöscht, einer nach dem
anderen erschossen, der Korridor von Blut getränkt. Todesangst beherrschte
das Bild. Mittendrin zwei Kinder: ein Junge, der sich um Kugelhagel unter
einem Bett versteckte, ein heranwachsendes Mädchen, das schließlich
Zuflucht suchte bei einem noch ziemlich jungen Mann, der sich dann aber als
Killer erwies. Ich habe selten einen so blutrünstigen Film gesehen -
auch die späten James-Bond-Produktionen sind dagegen noch harmlos. Immer
wieder wird - nach der gräßlichen Schul-Katastrophe von Erfurt
- nach den Ursachen wachsender Verrohung in der Kinder- und Jugendlichenszene
gesucht, und die "Psychologen vom Dienst" machen es sich da zumeist einfach
und bedienen das Klischee der "Gewalt in der Familie", weil sie es meist
nicht besser wissen (sie sehen nicht fern). Wer sich aber - wie ich - öfter
aus dem TV informiert, wird alsbald feststellen, daß schon am
Sonntagnachmittag gegen Drei die Gewalt Triumphe feiert, und das nicht nur
bei den "Privaten". Das, was da gestern im ZDF lief, ist umso mehr
unverständlich, als auch Kirchenvertreter in Programm-Beiräten
mitarbeiten. Ich denke, wir sollten mal über dieses Thema diskutieren
und es nicht bei Worten belassen, sondern die, die es angeht, zum Handeln
bewegen.
(bisher einzige) Antwort vom ZDF:
Sehr geehrter Herr Dr. Näser,
Vielen Dank für Ihre E-Mail. Ihre Kritik an der Ausstrahlung des Films "Léon der Profi" ist der Programmdirektion und der Redaktion Spielfilm bereits zur Kenntnisnahme weitergeleitet worden. Allerdings wurde der Film entsprechend der Altersfreigabe FSK ab 16 nach 22:00 Uhr ausgestrahlt. Hier sollten dann doch Eltern von Kindern und Jugendlichen darauf achten, was im Kinderzimmer eingeschaltet wird. Im Übrigen ging es in diesem Film, wenn auch sehr drastisch, gerade um die seelische Befindlichkeit von Kindern/Jugendlichen hinsichtlich eines Aufwachsens im Milieu der Gewalt.
Mit freundlichen Grüßen
ZDF
Alexander Dinges
HA Kommunikation Zuschauerservice
55100 Mainz
2. [28.1.2004, wie abgedruckt im EKD-Forum] "Sehr geehrter Herr ...,
ich danke Ihnen für Ihre Antwort - die einzige, die ich vom ZDF bisher erhalten habe. Meine Kritik halte ich aufrecht. Die Altersfreigabe "ab 16" ist doch nur ein Witz; wer will denn kontrollieren, wer um diese Zeit noch vor dem TV sitzt, und die Eltern, das wissen Sie sicher auch, haben gegenüber Heranwachsenden, und gerade in diesem Alter, doch keine Macht mehr, die Kinder tanzen ihnen auf dem Kopf herum, außerdem sind viele Eltern froh, wenn die Kids vor der Glotze sitzen und sie Ruhe haben, das ist doch weitverbreitete Realität in bundesdeutschen Familien. Und dann soll der Film angeblich aufzeigen, wie schwer es für ein Kind ist, in und mit Gewalt aufzuwachsen, sozusagen ein Entwicklungsroman der neuen Zeit. Da kann ich doch wiederum nur lachen - wäre es nicht so traurig. Was wird denn durch einen solchen Film erreicht? Doch nur, daß die Verhaltensweisen menschenverachtender Brutalität (die Personen werden wie Tiere abgeschlachtet und es werden sogar noch "coole" Kommentare dazu gegeben") von vielen nachgeahmt werden, und dann kommen eben, wie in Erfurt, labile Charaktere mit Pumpguns in die Schulen und praktizieren dort das, was sie in den Medien "gelernt" haben. Diese aber haben einen Auftrag, und so auch und gerade das ZDF, dessen Programme die Steuer- und Gebührenzahler mitfinanzieren. Dieser Auftrag enthält sinngemäß sicher nicht das Ziel, durch Filme wie "Léon" die Jugend zu verderben - ja, ich will es so sagen. Es gibt nämlich ganz andere, positive, Ansätze, zu erziehen als solche Brutalität. Ich habe viel eher den Verdacht, daß mit solchen Filmen das ZDF versucht, den "Privaten", die solche Produktionen en masse senden, den Rang abzulaufen, da mitzumischen und was vom großen Quotenkuchen abzubekommen, nach dem Motto "Was die tun, das können wir auch". Dieser Film soll angeblich in den US-Kinos zum großen Hit geworden sein. Wie schön. Da sind wir ja genau auf dem richtigen Wege; gestern in Frankfurt gab es ein gutes Beispiel. Da wird, aus einem Auto heraus, einfach das Feuer auf Polizisten eröffnet, und dann sind die Schützen tot, ganz wie in "Miami vice". Es gibt also nicht mehr viel zu tun, um aus Deutschland ein Land des Verbrechens und der uneingeschränkten Gewalt zu machen und es auch so den USA gleichzutun, "Amerika, du hast es besser" -. Noch Fragen?"
Mit besten (und bitteren) Grüßen aus Marburg
Ihr Wolfgang Näser"
Und wie geht es weiter?
Ohne Ende. Das ZDF meldete sich nicht wieder und andere gehen ohnehin weiter zur Tagesordnung über. Computer-BILD legt seinem Sonderheft Audio Video Foto Nr. 3/2004 (Preis: 3,30 Euro) eine Bonus-DVD bei mit einem 1998 in den USA entstandenen Film des Titels "desperate measures / cop.killer.tod": Die Inhaltsangabe liest sich wie folgt: "Der Sohn des Polizisten Frank Conner (Andy Garcia) leidet an Leukämie. Als Spender für eine Knochenmarkstransplantation kommt nur der inhaftierte Killer Peter McCabe (Michael Keaton) in Frage. Der willigt ein. Doch kaum ist er in das Krankenhaus verlegt worden, flüchtet er. Um seinen Sohn zu retten, muss Conner ihn unbedingt lebend fassen." Kommentar: überflüssig.
Links:
(c) Dr. W. Näser, Marburg