Jürgen von Manger: ausgewählte Sketche

"Als Politiker muß man vorne lachen können -
 auch wenn man hinten mitte Zähne fletscht"

Am 6.3.23 in Koblenz geboren, kommt Manger mit 9 Jahren nach Hagen, besucht hier das Fichte- und später das Albrecht-Dürer Gymnasium, spielt 1939-41 als Statist im Stadttheater. 1941-45 Soldat (Rußland). 1945 Schauspieler in Hagen, 1947 in Bochum. 1954-58 Jurastudium. 1961 erfindet er Adolf Tegtmeier*), dieser verkörpert - zuerst in den WDR-"Stegreifgeschichten", später auch in Film und Fernsehen - die Sprech- und Denkweise der Menschen im Ruhrgebiet, den "Mann auf der Straße" mit all seinen liebenswerten Schwächen und Problemen. Über allem steht sein Lieblings-Motto "Mensch bleiben" (und damit wird er zum Heinz Erhardt des Ruhrpotts). Tegtmeier wird zur Kult-Figur, das "Mangern" zur Mode (besonders bei Schülern und Studenten). "Junge, Junge, dat is vielleicht ein Dingen..." Kumpel Tegtmeier spricht, wie ihm der Schnabel gewachsen ist; charakteristisch und liebenswert zugleich sind seine stets mißglückenden Versuche, sich korrekt auszudrücken. "Ich sach's, wie's is." Mit gesundem Menschenverstand sinniert er über das Leben, porträtiert Land und Leute und vermittelt dabei Themen wie Arbeitslosigkeit oder Zechen-Sterben. Anstrengende Tourneen führen ihn auf viele Bühnen (im Marburger Audimax brilliert er als Schwiegermutter-Mörder). 1985 erleidet er (wie Heinz Erhardt) einen Schlaganfall und kann als Schauspieler nicht mehr auftreten. Im Alter von 71 Jahren stirbt er am 15.3.1994.
Meine nachstehenden Transkriptionen lehnen sich so nah wie möglich an das Gesprochene an; die erste wurde seit 1978 mehrmals zur Lehre verwandt.

Amanda, nimm du dat Kind un ich dat Schierm - et fängt am Regen!

Die Charakteristika von Mangers Ruhrpott-Deutsch zeigen sich beispielsweise als Verwechselung von Dativ und Akkusativ und syntaktischen Besonderheiten wie er kommt am Tanzen (fängt an zu tanzen). Das Ruhrdeutsche ist (wie das Missingsch) eine Arbeitersprache, doch zeigt gerade unser Jürgen von Manger, daß man in ihr auch "philosophieren" kann.

Marburg, im März 1999 und Juli 2002        W.N.
zu von Mangers Sprache siehe auch: Erfahrungsbericht und Anmerkungen zum Material und zu meiner Übungsstunde (6.12.2k7)


1. Der Tanzkurs
     (transkribiert von Wolfgang Näser 1978, rev. 1999)

Ja, also mit diesem Benehmen in feinen Kreisen, wenn man da mal hinterkuckt, Junge, dat is vielleicht ein Dingen... Kucken Se mal, äh, wir ha'm doch jetzt so ein' Tanzkurs, ne, dat geht vom Personalrat aus, für fortgeschrittene Ehepaare alles, und richtig so ein' Tanzlehrer, der kommt zweimal de Woche, kommt er oben vom Münsterland oder Sauerland, wo er da weg is, nich, kommt er so mit sein' Mopped angejuckelt und bringt er dann diese ganze feine Anstandsregeln mit, aber, also ährlich, der Mann is eine Kanone, ne, da kommen die von weit her nur, öh, wie gesagt, weil er für dies feine Benehmen so berühmt ist, nich, und, dat is so'n ganz klein, unscheinbar Männeken, nicht, aber den müssen Se mal hören, wenn er dann loslegt mit seine Gesellschaftssitten, ne, sagt er: "Paßt mir ja auf, ihr alten Heinis, nich, glaubt ja nich, ihr kämt jetz' schon am Tanzen", nich, sagt er, "Hier, jetz wird mal erst ... öh..., nich wahr, dieser ganze Anstand da, öh, eingetrichtert", ne, und der will das erreichen, daß, also, hinterher, ne, jeder sich so aufführen kann - ööh - also, dat kein Mensch merkt, wat los is, ne, und jetzt klappert er so diese ganze Ereignisse ab, meintswegen eine Hochzeit, ne, sagt er, wär' ja - ööh - eine andere Sache wie eine Beerdigung, ne, und wenn man dann in diese vornehme Gesellschaft da schon mal 'n Witz erzählt, nich, dann müßte der auch den Ereignis schön angepaßt sein.

Aber: also, dat schlimmste, meint er, wären diese Tisch-Sitten. Also, was man sich da blamieren könnte, das wär' direkt ein Dingen. Zum Beispiel, stellen Sie sich jetz' mal vor, öh, nur mal angenommen, ne, Sie wären ein feiner Mensch, nich, und aus diese bessere Kreise alles, un' dat Se da zu'n Mittagessen eingeladen wären. Ja, jetz denken de meisten, also, dat genügt, wenn mer da hinmarschiert, ne, un' eben mal kurz de Wampe vollschlägt - ja, Junge, denkste, nich, dat - was einen da für Gefahren umlauern, also - ööh - ach, ich hab' mir überhaupt nich träumen lassen, dat mer bald gar kein' Appetit mehr hat, um überhaupt da - ööh,öhh - hinzugehen. Nich?

Zum Beispiel, das geht doch mit de Gefahren, schon, wenn man ankommt, nich? Die erste is dat Dienstmädchen. Ja, jetz' sagt der Tanzlehrer, also, da dürfte man nich meintswegen gleich so unter'm Kinn kitzeln, nich, oder dat se mal erst so richtig einen im, ööh, Dingens da, dat ma, hö, reinkneift, ne? Sagt er, das wär' doch wohl nicht fein genug, sondern, öhm, müßte mer sich gut benehmen, weil, könnt' ja auch sein, dat der Hausherr in der Ecke steht, nich, und dat der dat gar nich gern sieht, weil der selber da mit die Kleine irgendwie, nichwahr, da, wat vorhat, und, also, müsse man Mensch bleiben, und dat man dem da nich im Handwerk pfuscht. Und öh, also, das Dienstmädchen wär' eben nur für de Tür aufmachen und sonst nix, nich? Vielleicht dat man se noch das Papier von de Blumen überreicht, aber, auch nich gleich im Ausschnitt rein, nur so aus Jux un' Dollerei, ne, sondern richtig anständig, wie sich dat gehört, sagt man, öh, "Guten Tag, bitteschön, würden Sie mich denn einmal die Dame des Hauses ... da ... ööh ...Bescheid sagen, ich wär' da", ne, und dann nimmt dann dat Dienstmädchen, tut ein'n in de gute Stube, ja, und dann geht dat ja schon mit de Hausfrau los. Jetzt meint der Tanzlehrer, also dat könnt' nie verkehrt sein, wenn man die Damen - ööh - eine ... erstmal so'n bißken wat Freundliches sagt, nich, vielleicht so'n paar weibliche Schmeicheleien, ne, dat man vielleicht sagt "Aaach, öööh, wunderbar, heute ha'm Se aber de Haare viel schöner gefärbt wie damals, un überhaupt, sind auch gar nich mehr so dick", ne? Und, "Kumma da, der Pickel am Kinn is ja fast wie weggeblasen", nich? Dat sind natürlich Sachen dann, was die Hausfrau gerne hört. Nich, und, sagt der Tanzlehrer, "mit den Hute in der Hand kommt man durch das ganze Land", dat sin' immer so seine Schlagausdrücke, nich, und das ... also ööh ... sagte schon dieser Volksmund, nich, dat man da ruhig mal 'n bißken freundlich sein könnte.

Ja ... nun kommt aber eine andere Gefahr: dat sind de Blumen. Nich? Er sagt, wenn einer ankommt und mit rote Rosen bei die Hausfrau, also, is' schon Feierabend, nich, könnt` schon sein, dat er bei den Hausherr im Fettnäpfchen getreten hat un dat der 'ne noch am Ende de Treppe runterschmeißt: ööh aus Eifersucht, nich? Weil: rote Rosen, also, das dürfte man nur - ööh - als ein Zeichen, öh dat man mit die Dame schon richtig da wat gehabt hat, nich? Un sicher, wenn dat dann nich stimmt, ne, is klar, dat der Hausherr böse wird. Also müßte man - ööh - ja, weiße: wär' auch nich gut, das nähm' man lieber bei 'ne Trauerfeier, nich, un dat paßt ja auch nich zum Mittagessen, also - ööh - am besten dieser goldene Mittelweg, dat mer vielleicht so schön bunten Feldblumenstrauß, ne? Na ja, da ... läuft man natürlich wieder diese Gefahr, ne, das heißt, jau, man wär 'n schrappigen Hund, nich, un dat man nix anlegen wollte, oder sagen se ein'n vielleicht noch - ööh, hätt mer selber geflückt nur für de Pfennige zum sparen, nich? Na ja, jedenfalls, man müßte das dann dem Fingerspitzengefühl - ööh - wie soll ich sagen, also dat ... dat das Fingerspitzengefühl, nich? Das müßte da schon mal dann die Sache da - ööh - geradebiegen, ne?

Na ja, jetz inzwischen sind ja die andere Gäste eingetrudelt und geht dat auch schon mit diese feine Tischmanieren los, aber Junge, da .. da is vielleicht wat los! Jetzt krieg ich erst 'emal so eine Tischdame, ne, angewiesen, und zwar, öh, rechts die. Das is meine Tischdame - links, also, die geht mich nix an, nich, da brauch ich auch ei'ntlich gar nich hinzukucken, aber, wie gesagt, die rechte Dame bin ich für zuständig, ne, un' muß ich se erst mal schön den Stuhl unterm - ööh - Dingens, dat die da also da anständig am Sitzen kommt, und dann beim Essen, ne, muß ich kucken, ob so auch immer wat au'm Teller hat, schon mal de Kartoffeln hinschieben, ne, auch vielleicht 'en Witz erzählen, so'n bißchen plaudern, diese ganze Sachen.

Aber: jetz - damit is natürlich noch nich getan, sondern das allerschwierigste is jetzt, ne, man weiß ja nicht, wat die ein' au'm Teller tun, ne? Ja, jetz sagt der Tanzlehrer, ääh, wenn man nich weiß, was da für Manieren zuständig sind, wär gar nich nötig, dat man alles auswendig könnt'; sondern man soll nicht auf den Mund gefallen sein. Zum Beispiel - öh öh - dat schwierigste wären diese Meerestiere, nich, so ... Austern, Hummern, Tintenfische, da gib's sogar extra Bestecke für, un wenn die ein' jetz so ein' Hummer da hinlegen, müßte man also - ööh - vielleicht sagen: "Aaach, dat is aber ein Dingen, nää, unser Omma is da damals so an Fischvergiftung zugrunde", nich, dat man wegen diese Pietät jetz auch mit so ein Tier überhaupt nix mehr zu tun haben will, n' ich meine, dat is Ausrede, ne? 's klar, ne? Un Schweinefleisch, ne, könnt mer sagen: "Jau, wer weiß, vielleicht sind grad' heute wieder diese Trichinen da drin, ne, dat die richtig 'n Betriebsausflug machen", ich meine, soll man 'n bißchen witzig bringen, ne, und, nää, die wär'n ja so gefährlich, diese Biester, und, kann man das auch vermeiden, und, Geflügel, könnt' mer sagen, aach, man hätte ja selber Brieftauben zu Hause, oder 'n Kanarienvogel, ne, sagt man, nää, die kucken einen immer so treu - ööh - un warmherzig an, die Tierchen, nich, dat man das auch jetz gar nich über'm Herzen bringt, nich? Weinbergschnecken - ööh - is mer sowieso fies für, und so könnte man das ausbalancieren, ne, dat zum Schluß nur noch Speisen überbleiben, wo nix passieren kann, nich, keine Gefahr bei is, so ... Spinat un Kartoffelpüree, ne, Rotkohl un Sauerkraut - ja, nu, nää, Sauerkraut, sehnse, is schon wieder - kann sein, dat die da 'ne Mettwurst beilegen, un dann is schon wieder ... ööh, nich wahr, Gefahr, dat das inne Luft spritzt. Kuckense mal, jetz der Otto Flöttmann, nich, die Tage: in die Imbißhalle am Bahnhof, er so mit Schmackes in de Bratwurst rein un dat ganze Fett die Dame neben ihn auf'n Frack gespritzt. Ja: konnt' noch froh sein, dat se 'ne nich zu'n Krüppel geschlagen haben, nich? Hier dat Kleiderbad un - ööh - ganze Rechnung, dat mußt' er bezahlen, dat war klar. Nun - ööh - kann man eventuell, nich, wenn 't gar nich anders geht, sagt man auf einmal "Aaach, da merke ich ja gerade, ich hab' ja noch mein Butterbrot von heut' morgen inne Tasche und, nöö, dat wär' doch nich schön, wenn das verkommt, nich?", un dann bittet man die Gastgeber, ob sie was dagegen hätten, und dat man dann sein eigen Butterbrot ißt, nich, da is ja - kann ja nix passieren, nich, man da nur reinbeißen brauch. Un ich meine, warum soll'n die das nich erlauben, nich, is doch nur in ihren Int'resse, weil sie dann ihre eigene Sachen ja noch einsparen, nich, ha'm se ja auch noch diesen Vorteil von.

Ja, ach, also der Tanzlehrer meint, die Hauptsache wär' überhaupt, dat man immer über den Dingen steht und diese Sowweränität, nich, was die Engländer, die ... könnten dat so schön, nich? Nöö, die müßte man da schomma [=schon mal] haben, un meintswegen, wenn jetz, wenn ich jetz so ein Rotweinglas umkippe, nich, und vielleicht die Dame daneben alles, öh, auf'm Kleid bekleckere, ne, dann machten die Deutschen meistens den Fehler, dat se dann "Aach, dat is aber ein Dingen, nää, Frollein, dat tut mir ja so leid", nich, un sagt er, das wär' falsch, nich? Man müßte dann diese Überlegenheit von de Engländer, nich, und dat man, öh, andeutet, dat ein' so was jeden Tag passiert, nich, un dat man sich gar nix von annimmt, nich, un vielleicht, dat man inne ganz andere Ecke kuckt und ... so tut, als ... wär' dat Glas eben nich umgekippt, nich, un dann noch hätte man dann wunderbar diese Sowweränität un dat man da richtig ein Engländer wär ...

Jaaaa. Na, jetz, für morgen, ne, son'mer uns alle Mann hoch, sommer uns mal überlegen, ääh, diese feine Manieren beim Nachtisch. Nich? zum Beispiel, sagt der Tanzlehrer, bitteschön, wenn die jetz da Kirschkompott un dat se de Steine dringelassen haben; ja - ah, ha, dat is vielleicht 'n Problem, ne? Ich meine au'm Teppich - ööh - kann sein, dat die da so'n kostbaren Persianer, ne, das will man ja dann auch die Gastgeber nich antun. Sicher, so'n paar Steine könnt mer vielleicht selber runterschlucken, aber - wenn einer Malässen mi'm Magen hat, ne, hat auch kein' Wert - ich hab' jetz schon gedacht, ne, wenn gar nich anders is, nich, schreit mer vielleicht auf einmal "Aach, Jung, da, Achtung, de Kronleuchter!" ne, un die dann alle so angstvoll da oben raufkucken, denken, dat dat Dingen runterkäm, nich, in diesem unbewachten Augenblick kann man de Kirschkerne - ööh - öh weiß ich auch nich, vielleicht in de Blumenvase, ne, oder bei de Tischdame au'm Teller, nich, oder dat man se, wenn't gar nich anders geht, in de eigene Hosentasche, nich, un dann is man da fein, hat man die Ausrede, nich? Sicher, hinterher, muß man dann sagen, mit den Kronleuchter, aach, dat wär' nur so'n Witz gewesen, nich, und ööh ... die Kirschkerne kammer ja dann bei de nächste gute Gelegenheit au'm Klo rein, ne, und dann hat man sich da ganz schön aus de Schlinge gezogen, nich? Ja, aber, also ehrlich, ich muß sagen: dies ganze feine Benehmen in höhere Kreise - Junge, Junge, dat is vielleicht ein Dingen. Ehrlich, ich sag's, wie's is, Jau, jau!

2. Die Heiratsvermittlung
     (transkribiert von Wolfgang Näser 3/99)

     Personen: Adolf TEGTMEIER, Heiratskandidat (T); Baron von SCHÖNTHAU, Heiratsvermittler (S)

S -  So, bitte, kommen Sie her, immer hereinspaziert, nicht war, ich bin der Mann, der hier das Glück verwaltet. Mein Name ist Baron Schönthau.

T - Ha...jou, bitteschön, oder nää, also, is ja sehr angenehm, ne ..
S - Bitte, setzen Sie sich doch, machen Sie sich(s) bequem -

T - Jawoll, ich bin so frei - hier auf diesem Dingen? Oooh, Junge, Junge, dat is aber schön wackelig. der - Stuhl. ne, is egal, lassense mal, geht schon. Sie, da müssense - öh - den Schreiner mal sagen, brauch der nur so'n bißchen mit Tischlerleim, nich, könn'se noch schön paar Jahre drauf rumrutschen.

S - Na, danke schön, das ist ja ein guter Rat. Äh - jetzt darf ich aber erst mal ihren Namen notieren:
T - Jawoll -
S - Ja, bitte?
T - Öööh, ja, jetz weiß ich nich, wat Se da - anspielen.
S - Na ja, ich sagte doch: Ich bin Baron Schönthau - und und wie heißen Sie denn?

T - Ach so, ich wußte  - Junge, ich wußte gar nich, wat Se wollen - nä, also, tut mir leid, Sie, aber- ööh - Baron bin ich keiner, nich, oder: noch nicht, nö; wir hatten wohl beim Militär - in der Rekruttenzeit - Sie, der Kompaniechef, der war auch ein Baron. Also, hab ich dadurch schomma kennengelernt, so'n Mann, nich, sind Sie jetz Nummer Zwei von diese Sorte. - Ja, ooch, ich komm gar nich mehr auf den sein Name, aber mit so Säbelbeine war der, nich, so'n ganz verknitterten Kopp wie so'n Fakir, also, hatte ei'ntlich direkt bißken Ähnlichkeit mit Ihnen; ich meine, entschuldigense, aber, wat wahr is, nich, kammer ja nix dran machen.

S - Na ja, das is ja sehr, sehr nett, daß Sie mir - ööh - so was da sagen, Herr - ööh - Herr ... na, nun muß ich aber endlich mal Ihren Namen wissen!

T - Jou, könnse ja. Ööh, Teechtmeier, nich, schreibense ruhig auf, nich? Dat is mein Name.
S - Na Gott sei Dank. Das hätten wir dann doch geschafft. Nun also, Herr Tegtmeier, öh, was wünschen Sie nun hier?

T - Ääh ja - jetz - ou jetz geht dat los - mit meine Wünsche, nich? Also - passense auf: meine Wünsche sind - ööh, eine Dame, nich, wolln ma so sagen, ich hatte Ihnen ja bereits einen Brief geschrieben, dat ich des Alleinseins müde bin, nich, un dat ich auf diesem ungewöhnlichen Wege - da - ööh - also - mal kucken wollte, obse so'ne Dame da für mich auf Lager hätten, nich, irgendwie, richtig für zum Heiraten, alles, ne, diese Sachen.

S - No ja, öh, Herr Tegtmeier, das is ja unsere Aufgabe: als Ehevermittler - da - die Kandidaten zusammenzubringen, nich wahr, auf jedes Töpfchen paßt ja schließlich auch ein Deckelchen.

T - Jo-o-o, Sie, ou Junge, dat ham se aber vielleicht gut gebracht jetz hier mit ihr'n Deckelchen! Dat is ein Dingen! Hörnse mal, Herr Baron, bei uns vorje Woche, nich, wie der Alois Brockhoff, wie der die Ida Hülsmann geheiratet hat, die war vielleicht auch so'n Deckelchen - ich meine, er is ja auch keine Schönheit, nich, deshalb is er auch aus'n Turnerbund raus, ouh, weil er in kurze Hose, da hat er sich vielleicht geniert, nich, sollt' keiner - öh - sehen, wat los is. Aber Sie erstmaa - ährlich Sie - mit so Sauerkrauthaare war die  - och, die ganze Sommersprossen im Gesicht rum verteilt, nich, denn hatt'se noch'n Silberblick, dat überhaupt keiner wußte, wen se jetz - öh da, ööh - schomma ankuckt, nich, un meint. Also, Herr Baron, sindse froh: also auf dém Töpfchen, da wärn sogar Sie noch sitzengeblieben, ährlich, könnse für wetten.

S - Na ja, Herr Tegtmeier, das is ja alles, was Sie mir da erzählen, sehr - ööh - sehr nett, nichwahr, Sie sind ja ein recht amüsantes Temperament, aber was ist nun mit Ihrer Partnerin? Haben Sie da - öh - schon Vorstellungen?

T - ööja - jetz weiß ich nich, wieso: Vorstellungen? Ich meine, Sie sollen mir die doch erstmal vorstellen, nich? Ich - öh - kenn die Dame ja noch gar nich.

S - Nein, ich meine was anderes: wie stellen Sie sich Ihre Zukünftige denn vor? Nich wahr, das können ja Sie nur wissen.
T - aah, meinse wie die sein soll - oder - die im Gesicht, alles?
S - Ja!

T - Na jou, sicher, also, au, is ja sogar schön, wenn man da auch auswählen darf. Öh passense auf, dat will ich Ihnen genau - sagen: ich hätte gerne eine Dame - öh, wenn't geht, in blond, nich, und vielleicht mit so bißchen dickere Oberarme - wennse dat dann ma - einfädeln könnten - nich, öööh, ich will Ihn' auch sagen, warum: in'n Krieg, da hatt' ich ma so ein Krööschen mit eine Ukrainierin, nich, also war ja - au - war schwer verboten, nich, aber wußtense in den Dorf alle, ich hatte de meiste Changsen bei die, nich, und die war so richtig kurant, ne, un hatte, wie gesagt, diese wunderbare dicke Oberarme - also ährlich, Herr Baron, die hab' ich ei'ntlich auch nie ganz vergessen können, nich, träum ich sogar heut manchmal ganz schräge Sachen von, nich, und wenn se da so wat ähnliches zum Anbieten hätten, wär natürlich schön -

S - Na ja, nich, ich notier mir das dann mal. Also: offenbar etwas fülliger wird gewünscht und - blond. Sie sind ja auch Landwirt, Herr Tegtmeier?

T - Jooh, hatt ich Ihnen ja geschrieben, nich, Landwirt, und morgens inne Molkerei.
S - Na, dann wollen Sie wahrscheinlich - mit diesen Armen -, daß Ihre Frau dann und wann auch noch mal - äh - irgendwie mit tätig wird -

T - Njoo, nä, eigentlich woll' ich dat - öh - mehr für zum Spaß, nich, oder - öh,öh - richtig für' t Herz, nich - wie soll ich sagen - also ich find dat schön, nich, ich steh da drauf, womma sagen, dat is meine Geschmacksrichtung.

S - Na ja, das kann man ja auch durchaus - ööh - miteinander verbinden: wenn man jetzt ans Eheschließen denkt, dann kann man ja durchaus das Angemehme da - mit dem, na ja, ich-ich, also, ich versteh schon was Sie, was Sie meinen und wünschen, und - machen Sie sich mal keine Sorgen, das woll'n wir schon alles - mmmmh - besorgen, also die dicken Arme hab ich notiert, und - sind - sonst noch Wünsche?

T - Joooh, also wennse au noch - noch schöne Beine, nich, ich meine, man will ja nich unbescheiden sein, aber - wenn sich dat noch machen ließe, wär auch schön -

S - Na, das wollen wir alles mal sehen, also: schöne Beine, noch dazu, und - wie steht's dann mit Geist und Charakter?

T - Joh, sicher, Sie, also auch, nich, Charakter. Wär zu begrüßen, wennse - einen - hätte.
S - Und - öh - wie soll der im einzelnen sein, Herr Tegtmeier?

T - Nooo, weiß ich auch nich, angenehm, nich - oder, oder lieb, nich, lieblich - nää, aach nä, is Blödsinn, paß auf - nä, schreibense hin - äh - is besser: friedlich, ne? Also nich so'n Besen - Sie, ich hatte neulich nämlich ma so'ne Schwatthaarige - Junge, dat war vielleicht ein Deuwel! Sicher, hatte Temperament, alles, nich, die hab ich hier in Café Corso, hab ich die kennengelernt, ouh, dann hat se vielleicht bei uns zu Hause gleich Krach mit de Omma gekriegt, die ganze Teller Bratkartoffel anne Wand, also, ich hab se auch gesagt, ich sach, hömma zu, Mädchen, aber nicht mir mir. Ich sage, ich meine, wir sind ja immer noch zivilisierte - öh öh - öh da - Europäer, nich, sag ich noch so. Nä, ich wollt se gar nich wiedersehen, ich hab se rausgeschmissen, nich, und deshalb denk ich mir: blond, da is mer wahrscheinlich mehr vor so Überraschungen sicher - meinen se nich?

S - No ja, das könnte natürlich auch - eine Frage der Schulbildung sein. Stellen Sie da Anforderungen, Herr Tegmeier?

T - Na nöö, Bildung - ööh - muß nich sein, nich - aah Junge! - ne, die - sind da nur meistens viel zu karbitzig - ööh, bleibe im Lande und nähre dich redlich, dat is mein Wahlspruch - un bin ich immer gut gefahren mit, nich - nöö, könnse ruhig sein lassen, also: Bildung, Herr Baron - ööh - hat kein' Wert.

S - Na ja, wie Sie meinen. Dann will ich also noch mal wiederholen: blond, liebes Wesen - oder, friedliche Natur -

T - Jou, Sie - äh, äh - entschuldigense, is gut, datse dat sagen von Natur - nich, schreibense hin: nich so geschminkt, nich, nich so angemalte Puppe, mehr so richtig bißchen Naturkind, nich? Ich hab nämlich neulich ma in' Kinno - gesehen - ääh - wie hieß die? Nich Lolita, diese andere Kleine, nich, dies - Mädchen aus den Urwald, nich, die war auch die ganze Zeit, war die  - so Naturkind, nich, und - hatte diese herrliche dicke Oberarme - also wennse das da - schön hinschreiben -

S - Ja, das hab ich ja dann: dicke Oberar -
T - Herr Baron, unterstreichense ruhig ma zweimaa, nich? Nich vergessen.

S - Ja. Schön. Das ha'm wir dann. Und gute Beine - ja, nun, das ist natürlich, Herr Tegtmeier - woll'n wir mal sehen, wie wir das da - denn alles - ööh -

T - Na ja, ich meine, wenn dat zu viel is, kömm' wer ja de Beine - schließlich weglassen, nich - meine, Hauptsache, sie hat wat an de Füße.

S - Ööh - wie meinen Sie das? Meinen Sie da Geld?
T - Na ja, wär natürlich - nich zum Verachten, ne?
S - Ja, Herr Tegtmeier, das ist natürlich sehr wichtig.
T - Ja, sag ich auch, nich, man möcht doch mal im Leben auch noch au'm grünen Zweig kommen.
S - Ööh, öh - ist denn das bei Ihnen Bedingung?

T - Öa-ah, weiß ich nich? Darf man das? Ich meine: Sie dürfen dat - entschuldigense - nich falsch verstehen, un ich hätt Ihnen ja sowieso noch alles gestanden: ich wollte eigentlich eine Dame, wie gesagt in blond, nich, un mit diese dicke Oberarme, aber auch mit - öööhm - eine Einheirat, nich, womma so sagen, diese Sachen.

S - Na ja, schön. Also da weiß ich jetzt dann - dann auch Bescheid und muß das noch natürlich - na: gut, schön - aber, Herr Tegtmeier, ich glaube jetzt: am besten gehn wir endlich mal in medias res -

T - Wo is dat dann? Blei'm wer nich hier?
S - Nein! Das is lateinisch, nichwahr, das heißt: so, jetz geht's aber mal los!

T - A sou, jo-ou, Herr Baron, früher, Sie, war ich in Fremdsprachen also ganz groß, nich, war ich wirklich Könner, womma sagen, richtig Spezialist für. Aber, inne letzte Zeit, Sie, ich hab' einfach zu viel andere Sachen im Kopp, nich, kann mich nich mehr beschäftigen. Letzte Woche hatten wer erst Viehzählung, un dann gehn einem die Sachen doch schomma bißchen durchenander - aber is egal. Kommense, gehnse dann ruhig jetz in diese - Dingens da, nich?

S - Ja. Herr Tegtmeier, nun - öh - sehen Sie mal hier, was ich hier habe, geben Sie mir doch mal - da,da,da, das grüne Album, das grüne. Nicht wahr, da haben wir also - die Einheiraten, so, und, wolln wir mal sehen - also, hier haben wir - ja, schauen Sie mal, hier, das Fräulein Schäffler, die ist - Pianistin: na, das kommt vielleicht weniger in Frage -

T - Au nä, Sie, ich hab sowieso viel Last mit de Ohren.

S - Na ja, oder - hier - eine Dame, die ist - öh - Direktorin eines Museums.
T - Nö, Herr Baron, ööh, nich so alte Sachen, nich, schön, bißchen, dat man - auch noch wat davon hat.

S - Na ja, Herr Tegtmeier, es is ja noch - warten Sie mal - hier: sehen Sie mal, ööh, das is also - hier, Fräulein Stengel, die kommt nach allem aber dann wohl in Frage.

T - He, jou, ou, die is aber - darf ich die ma - inne Hand nehmen? Junge, die is  - also richtig Kandidatin, ja, die sucht ein'n, ne? Kannste ma sehn - ouhhh, jiaaah, aber - ou nä, Herr Baron, Sie, wemmer genau hinkuckt, ich weiß et nich, die Formen von diese Dame, die sind - also, womma sagen, die hat gar keine, richtig, is alles so spuchtig, Junge, da kriste ja blaue Flecken - nä, Sie, also ich glaube, dat weiß ich jetz schon auswendig - öh - diese Dame hat keim Wert, nich, is zu dünn. Sehnse, steht ja auch drunter: Almut Stengel. Nä, kommense -

S - No ja, Sie, Sie müssen das wissen, Herr Tegtmeier - schauen wir, schaun wir mal weiter -
T - Ja, schaumer ma weiter, is ja noch so viel  - in ihrem Büchsken drin, ne?

S - Na ja - wie, wie ist es - sehen Sie mal, wie ist es hiermit: Fräulein Beisenkötter, die is zweiundvierzig Jahre, von Beruf Lehrerin - na ja, das is Ihnen natürlich wieder 'n bißchen zu geistig?

T - Jooh, ich weiß nich, ich würd Ihn' ja - würd dat ja sogar auch ma in Kauf nehmen, aber - kuckense ma, die hat so'n Pferdegebiß, nich - ou nöö - Junge, Junge, nöö - komm schnell, Herr Baron, blätternse weiter - nää, au, die hat kein' Wert.

S - Na aber, Herr Tegtmeier, Sie müssen sich natürlich auch ernstlich mal - ööh, nich wahr, es gibt da auch - auch innere Werte; man muß doch erst mit der Dame mal  - da sich richtig befassen!

T - Na ja, is gut, befassen mer mit de nächste, Herr Baron, nich - ou nää, kuckense ma, die war nix wert - eben, ne? - Momentema, Sie! - Jau, Herr Baron, haltense ma, nää! Hier, davor - die Seite: zeigensema - wer is dat dann? Darf ich ma sehn? - Joouuh, Elfriede Hufnagel, hoho, kumma, wie se da kuckt mit ihrn Kompotthütchen auf - jiaaah, aber - ou nä, ich weiß nich - Herr Baron: Sie, kennen Sie diese - Sophia Loren?

S - No ja, sicher!
T - Und öh - Giena Lollobriggida?
S - Haha, Herr Tegtmeier, Sie sind mir aber ein Schmecklecker!

T - Nä, wollt ich nur sagen, hat hier diese Elfriede aber - öh - keine Ähnlichkeit mit die zwei Filmdivas, nich - kuckense ma, ooch, die is ja ganz schief -

S - Na ja, schon, aber - lesen Sie mal, was hier drunter steht - öh -, bitteschön, hier: Elfriede Hufnagel, 45, bietet Einheirat in elterliches Gut von 400 Morgen und 200 Stück Milchvieh.

T - Na ja, Papier is geduldig.
S - Dazu großer Schweine- und Hühnerbestand.
T - Ooch, macht nur Arbeit, Sie -
S - Also, ich meine, die ist doch nu wirklich ein Objekt, nich, dann is sie Vollwaise, auch das noch, also gar kein Risiko, kein Ärger zu erwarten. Und - öh - gesucht wird Landwirt mit Herz und Gemüt - na bitte -

T - Ho - ha, jou, sicher, öh, dat wär' ich dann ne? Ja, is klar. Aber, trotzdem, Herr Baron! Die is - kuckense doch ma -

S - No ja, nun, Gott, sicher, sie is da etwas - ööh - das Foto macht das aber auch zu schlimm, nich wahr? Und der Mensch kann sich ja nich selber malen. Das liegt bei ihr an einer Krankheit; da soll man ja auch ger nicht spotten.

T - Wie - is, is die krank?
S - Ja.
T - Njaa, sie is aber - ou nä, Sie (seufz) -
S - No ja, das is von Geburt an, nich wahr, sie ist da aber auch noch in Behandlung bei sehr guten Ärzten - das müßte man eben da mal sehen, wie das da weitergeht, nich, oder müßte es eben auch in Kauf nehmen; dafür wird ja dann allerhand Anderes geboten, Herr Tegtmeier.

T - Njaa, aber, Sie, kuckensema, Herr Baron, ich würd Ihnen ja gern jetz ma den Gefallen tun, aber - Junge, Junge, wemmer hinkuckt, dat wird ja immer schlimmer. Nä, kommense, tunse die - in Reserve, nich, tunse bißchen auf de Warteliste, nich? Wemmer nix anderes finden, kömmer ja nochma kucken.

S - Na ja, schön, also - blättern wir ma weiter -
T - Aaach, Sie ham noch so viel drin in Ihrem Büchsken; blättermer ma weiter -

S - Hier: Sigrun Bollmann. Blond - oh, sogar erst 29 Jahre, schuldlos geschieden, ööh, öh bringt allerdings drei Kinder mit in die Ehe - no ja, Sie sind aber doch kinderlieb, Herr Tegtmeier?

T - Öjaaooh, ich - öh - hatte ma ein' Hund, ne, Kinder - eigentlich weniger, hatt ich wohl noch nich, aber: von andere Leute, Sie, un gleich drei Stück, das is aber bißchen happig - naaa, zeigense ma her, darf ich ma? - Ou Junge, Junge, nää, Herr Baron, wat machen Sie denn mit mir? Kuckense ma, wie die aussieht! Als hättense mit ne Brotkruste aus'm Urwald gelockt! - Nää, also - öh - ährlich, diese Dame und ihre - drei - Nachkommenschaften, nee, den bin ich abhold.

S - Na, Herr Tegtmeier, sie sind aber beinah auch zu anspruchsvoll! Mein Lieber, das muß ich Ihnen jetzt aber mal wirklich sagen. Man muß auch im Leben mal Konzessionen machen, man muß nich immer alles so ganz, ganz genau nehmen, gleich auf die Goldwaage legen, nich, man muß auch mal fünf gerad sein lassen, sonst kommen wir ja nie zum Ziel.

T - Ja noo, aber doch nich mit so'n Stall voll fremde Blagen!
S - Ach was!

T - Hörnse ma zu, Herr Baron, dat tätense doch selber nich, sindse doch ma ährlich - nää, aber, Sie öh, wat anderes geht mir jetz dur'n Kopp: öh, diese Kan - didatin eben, nich, mit die Krankheit und ihrn großen Mustergut -

S - Fräulein Hufnagel?
T - Ja. Sie sagten also, die - is immer krank?
S - Nja, nun, immer? Das -

T - Na ja, dann lassense ma, is ja auch gar nich schlimm, ne, ööh, dann wär dat doch möglich, ich meine - also, mer will ja nix Schlechtes wünschen, nich, aber - öh - könnt' doch sein, dat die dann auch - gar nich so lange lebt.

S - Ja, das - hhhmmm - nun -

T - Njaa, Herr Baron, jetzt lassense mich nomma ausreden: äh - jetz wenn ma, nur angenommen, nich, dat die wat passiert - ich mein, wünscht mer nich und freut sich sogar, wenn se lange lebt, aber - könnt ja auma sein, nich, dann ging doch der Hof - der - gehört doch dann dem Mann, nich, also wär ich doch da - womma sagen, dieser Ärbe.

S - Ja na sicher, sicher! Natürlich! Das is ganz richtig, da würden Sie sofort Hoferbe, dann gehört Ihnen das alles.

T - Ja-aahh, Herr Baron, dürfense nich falsch verstehen, nich, man will das - natürlich - vermeiden, und ich wünschte ihr ja jetz schon alles Gute, aber - muß mer doch auch vielleicht ma die Zukunft da im Auge blicken.

S - Ja sicher, das is sehr, sehr richtig und bedacht von Ihnen.
T - Ööh, naja, ou, würd ich sagen, vielleicht dat man doch ruhig so eine Dame nimmt, die bißchen kränkelt.

S - Na ja, Gott, des Menschen Wille ist sein Himmelreich: also bitteschön, dann wolln wir ma - öh - was ham wer denn da noch - hier Fräulein Elvira Zimmermann, ohne Anhang - nein, ouh, das is ja Frau Zimmer - oh je, ach, das ist dieser Fall - ja, aber, sehen Sie mal, hier, nee, sehn Sie: 80.000 Mark Barvermögen, Herr Tegtmeier, jetz wird's doch interessant: größeren Hausbesitz - Sie ist allerdings, das muß ich Ihnen sagen, viermal geschieden - na ja, wer weiß, was da schuld war, und - öh, ich weiß nicht, ob Sie das stört. Die Kandidatin sieht doch noch sehr gut aus, is ja richtig knackig, das sehen Sie ja, sie ist aber 55 Jahre - ich meine, nach dem Paß. Schauen Sie mal selbst, das müssen Sie dann ja - ööh - entscheiden.

T - Jaa, aber, dat Fotto, Sie, das is so un deutlich - kuckense ma, vielleicht ham die dat sogar extra gemacht, damit mer nich erkennen soll, wat los is. Nöö nää, ich weiß nich, Herr Baron; also nich dat Se jetz sagen, ich wär so'n Querrelant, nich, aber - 55 Jahre, Junge, ich meine, man will doch noch mit die Partnerin oder Kan - didatin auch bißchen wat  - daa - machen, nich, oder haben vom Leben, nich, dat man paar schöne Jahre auch - gemeinsam - ööh - die Sache da - das Leben, nich, wat - genießt, nich, un kuckense ma, wenn die jetz zum - öh - vierma geschieden, dann heirat' die jetz zum fünften Mal, nää, Sie, wer weiß, wat die aber für Macken hat!

S - No ja, Herr Tegtmeier, ich sage Ihnen ja, dat Sie dafür die anderen Vorteile hat! - Sie wissen ja gar nicht, was Sie wollen: erst soll die Kandidatin beschränkt sein - öh, also - in der Lebenserwartung, dann wollen Sie aus durchsichtigen Gründen noch schöne Jahre verleben; mal soll sie dicke Arme haben und gleichzeitig totkrank sein - ach, ich verzichte auf solche Kundschaft! Heiraten Sie doch im Urwald!

T - Önoo, was' denn jetz passiert? Ja - Junge, Junge, kannste ma sehen, ja, dat is vielleicht ein Dingen: kumma, er is schlecht sortiert, nich, hat nix zum Anbieten, nur Ladenhüter in seine Albums - un will hier au noch frech werden! Ja no, kannste ma sehen, wer weiß auch, ob dat überhaupt stimmt mit die Krankheit eben. Nich, unsereins verläßt sich drauf un kuckt hinterher inne Röhre! Un so ein Mann, der will Baron sein! Hier is der Kunde König! Sonst nix! Geh mir doch weg, is doch alles Schiebung! Nich, die gute Partien, wer weiß, wo er die hintut - na ja, aber, ich meine, mer kehrt sowieso im Leben immer bei seine erste Liebe zurück. - Wissense, wat ich mach? Ja, ich - ich fahr inne Ukraine, ja ich brauch den Mann doch gar nich! Wat meinen Sie, wat die Taissa, wat die für Augen macht, wenn ich auf eima wieder an Ziehbrunnen steh - ou Junge, vielleicht hat se noch von damals diese durchbrochene Bluse an, nich, wo mer so richtig schön sehen kann, die ihre wunderbar, wunderbar dicke Oberarme! Jau, ich fahr los!

Transkriptionen: (c) W. Näser 3/99
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  1. Adolf Tegtmeier (Jürgen von Manger): Die Geheimversammlung


*) "Der Name "Tegtmeier" ist die bewußt gesetzte Verkörperung des Normalen, des Durchschnittstypen. [...]
Angetreten ist Adolf Tegtmeier als der unerbittliche Chronist des Milieus im Ruhrpott. Plötzlich standen scheinbar alltägliche Nebensächlichkeiten im Rampenlicht der Bühnenscheinwerfer, um sie ranken sich ganze Dramen. Hier liegt das Wesentliche: der Alltag der Malocher wird ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt und erobert sich einen eigenen künstlerischen Stellenwert. Und vor allem bewirkt dieser "Paradigmenwechsel", dat sich ein wirklich breites Publikum zuinteressieren und mit dem Ruhrgebietscharakter zu identifizieren beginnt.
Tegtmeiers Skizzierung des Alltags bleibt nicht bei sich selbst stehen, sondern wirft selbstverständlich Blicke auf übergeordnete Ereignisse. Themen wie Ökologie, Arbeitslosigkeit oder das Zechensterben bekamen ganz selbstverständlich eine ungeahnte Öffentlichkeit. Bis in die 80er Jahre schaffte sich von Manger damit - neben einem unglaublichen Popularitätsgrad in Deutschland und sogar über seine Grenzen hinweg - auch eine Menge Feinde. Sie glaubten, dat von Manger "mit seinen unsäglichen Späßen das Image des Ruhrgebietes schädige". Hat er nicht, kann man heute rückblickend und dankbar feststellen. Dankbar deshalb, weil er viele Künstler und auch Künstlerinnen ermutigt hat, ihm auf diesem - nicht immer leichten - Weg zu folgen." (Ruhr-Revue, 1999)

Jürgen von Manger ist nicht vergessen, das Ruhrdeutsch nicht ausgestorben. Eine sehr interessante und aufschlußreiche Probe fand ich auch im sog. Assoziations-Blaster, sie stammt von Voyager (19.11.2k4) und thematisiert Max und Moritz:

Text von Claus Sprick*) einige Wörter und Wendungen (erklärt von mir)
"Manche Leute, gaanich doof,
hamen Hühnerstall im Hof,
weil dann könnense im Gaaten
morgens auffe Eier waaten,
auch, weil man son Flattermann
inne Fanne hauen kann,
und die Federn von son Huhn
kannze dann im Kissen tun.
Weil wer sich inne Poofe knallt,
hattata nich gerne kalt.
Kumma, da is Witwe Bolte,
die dat onnich gerne wollte.
Mit drei Hühnern unnem Hahn
wolltesen paar Tacken spahn.
Max und Moritz, diese Blagen,
wolln dat Federvieh am Kragen,
undse schnibbeln, gaanich dulle,
Stückskes vonne Butterstulle.
Vier so Bröckskes, nich zu dick,
bindense an einen Strick,
dense dann mit flinke Foten
stickum über Kreuz verknoten.
Kuck, da lehngset hinterm Schuppen,
um die Viecher zu betuppen.
Der Gockel hatttat gleich geschnallt
und denkt: "Ich glaub, ich steh im Wald!
Jetz schreiße erstma Kikrikih,
sonz raffen dat die Hennen nie."
Die kamen dann auch angefitscht
und ham die Krümels aufgetitscht.
Doch plötzlich, ehse sich verkucken,
sindse am würgen und am schlucken,
se feckeln hin und feckeln her
und denken sich »Ich werd nich mehr«.
Dann flatternse bis auffem Baum
und hängen da und glaumet kaum
und schnallen datti Gurkel klemmt
und machen sich vor Schiß im Hemd.
En Ei noch legen könnse nur,
dann sindse alle inne Uhr.
Witwe Bolte in ihrm Bau
kricht wat mit von dem Radau,
springt verdaddert auße Poofe
und bekuckt die Katastrofe,
fängt am heulen "Ach o Graus,
dat hälze ja im Kopp nich aus,
die aamen Viechers, aus der Traum,
jetz hängense kaputt am Baum."
Se schnieft und holt dat Pittermesser
und denkt bei sich: et is wohl besser
wenn man die Öskes runterschnippelt,
wose schomma abgenippelt.
Dann quetschtse noch ne Träne raus
und schleppt dat Viehzeuch rein im Haus.
Doch nichenuch mit dieser Sache: '
Klops zwei is auch schon inne Mache!!"
auffe Eier waaten   auf die Eier warten
Flattermann
 Huhn, Hahn
kannze   kannst du
inne Poofe  ins / im Bett
hattata    hat dat (=das) da
Kumma    guck, schau mal
Tacken   Zehnpfennigstück, "Ruhrdollar"
spahn   sparen
Blagen   Kinder
schnibbeln   schneiden
Stückskes   Stückchen, Bröckchen
Butterstulle     Butterbrot
betuppen   überlisten
hattat    hat dat (=das)
geschnallt     begriffen, kapiert
schreiße     schreist, ruft du
raffen    merken
angefitscht    schnell angelaufen
ham    haben
ehse sich verkucken     ehe sie sich's versehen (=es gewahr werden)
feckeln     sich unruhig bewegen
glaumet      glauben es
Gurkel   Gurgel
machen sich im Hemd    machen sich in das Hemd (vergehen fast vor Angst)
kricht wat mit    merkt etwas, wird etwas gewahr
auße Poofe    aus dem Bett
fängt am heulen   fängt an zu weinen
dat hälze im Kopp nich aus  das hältst du im Kopf nicht aus (=glaubst du nicht)
Pittermesser  kleines, scharfes Schälmesser
wose schomma abgenippelt     wenn sie schon (mal) tot sind
nichenuch     nicht genug
inne Mache   in Arbeit























*) Der Text stammt aus Claus Spricks Wörterbuch "Hömma! Sprache im Ruhrgebiet", 12. Aufl. 2009, Klartext-Verlag Essen

Bildnachweis: obiges Foto wurde 12/2k7 als Quicktime-Standbild gewonnen aus einem mit Minolta Z1 vom TV-Bildschirm erstellten Movie.
Wird ergänzt * HTML, Transkriptionen, Gestaltung, Zusätze: (c) Dr. W. Näser, 1999 ff. * Stand: 21.10.2013
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