Siegfried Heinrich - ein Künstlerporträt

Anspruchsvolle Tages- und Wochenzeitungen lassen es sich nicht nehmen, zu gegebenen Anlässen hervorragende, verdiente Künstler zu porträtieren. Indem sie deren Lebensläufe nachzeichnen, die Werke und deren Entstehung behandeln und auch Privates beleuchten, bringen sie uns oft den Künstler als Menschen näher, was auch dazu beiträgt, von Lebensumständen und Motivation her das Schaffen und die Werke noch besser zu verstehen.

Schon seit langem gilt nicht nur im hessischen Raum, sondern in der gesamten Fachwelt Siegfried HEINRICH als einer der engagiertesten und einfühlsamsten Interpreten anspruchsvoller Kirchenmusik, und zwar mit einem durchaus ungewöhnlichen Skopus von Renaissance und Frühbarock bis hin zur absoluten Moderne. Noch ungewöhnlicher ist eine identische Bandbreite in weltlicher Hinsicht: von meisterhaft interpretierten Concerti grossi über große Sinfonien bis hin zu anspruchsvollen Opernaufführungen: ein von tiefem religiösem Ernst erfüllter Kirchenmusiker, der, auch in weltlichem Streben die Musik zum Lobe Gottes darbringend, eine "Carmen" in fesselnder Erdhaftigkeit und höchster Strahlkraft auf die Bühne bringt.

Unter dem Titel "Künstlerisches Wirken im Dienst des Versöhnens" bringen die DRESDNER NEUESTEN NACHRICHTEN vom 8./9. Februar 1997 ein von Hans Peter ALTMANN gezeichnetes Porträt des Kirchenmusikdirektors, Sinfonikers und Operndirigenten. Als interessantes Beispiel dieser Textsorte und als Hommage an den Künstler und Menschen Siegfried Heinrich zitiere ich den folgenden Text.
Marburg, 1. April 1997     Wolfgang NÄSER
=> Dankesrede S. Heinrichs zum 75. Geburtstag am 10.1.2010
=> Erwiderung Prof. S. Heinrichs zur Verleihung des Verdienstordens des Landes Hessen am 29.11.2014

(mein Foto vom 1.5.2004 zeigt den Maestro bei einer Konzertprobe zur Einweihung des Johann-Sebastian-Bach-Hauses in Bad Hersfeld)

Rudolf Mauersberger bescheinigte ihm 1953: "... berechtigt zu besten Hoffnungen". Inzwischen ist Siegfried Heinrich ein gestandener Musiker. 1935 in Dresden-Cotta geboren, hat ihn eine Kindheit in Kriegs- und Nachkriegszeit geprägt. Heute lebt der Dirigent, Bearbeiter alter wie neuer Meister und Kulturpolitiker im hessischen Bad Hersfeld.

Man muß keine Weltreise von Dresden aus antreten, um Siegfried Heinrichs wichtigste Wirkungsstätte kennenzulernen, die Besucher aus aller Welt anzieht. Da reicht die Fahrt über Thüringen ins Hessische, wo er in Bad Hersfeld seit 1961 zunächst die Festspielkonzerte leitete, bevor die Internationalen Bachtage und die Opernfestspiele in der Stiftsruine das dortige Spektrum erweiterten. Am 10. Januar 1935 wurde der Dirigent Siegfried Heinrich in Dresden-Cotta geboren.

Mir liegt ein Dokument vor, mit dem wir freilich eine ganze Reihe von Jahren überspringen. Es ist ein Zeugnis vom 1. März 1953 und lautet: "Der Schüler der 12. Klasse, Siegfried Heinrich, ist seit seinem 10. Lebensjahr Mitglied des Dresdner Kreuzchors gewesen. Er war dank seiner musikalischen Begabung ein vollwertiger Sänger. Darüber hinaus hat er sich ausgezeichnet durch künstlerisch hochwertige Klavierbegleitung, die infolge der unerhört starken Beanspruchung der Schüler von Seiten der Schule und des Chors durchaus nichts Alltägliches ist. Seine pianistische Begabung und seine bereits ausgeprägte Technik berechtigen zu besten Hoffnungen für seine musikalische Zukunft." Unterschrieben von: Rudolf Mauersberger, Kreuzkantor, Professor der Musik.

Das Haus der Kindheit Steinbacher Straße 15b, zwischen Kesselsdorfer Straße und Weißeritz gelegen, wurde vom Krieg nicht in Mitleidenschaft gezogen. Siegfried Heinrich erinnert sich, daß die elterliche Wohnung "Ort reger Begegnung" war, wo der Vater als vielgesuchter und anerkannter Ratgeber galt. Die Nazis hatten ihn um das Bürgermeisteramt gebracht. Übrigens trug man ihm - als eine Art "Wiedergutmachung" - nach dem Kriege die Nachfolge Walter Weidauers als Bürgermeister an, als jener im Dresdner Rathaus in das Amt des Oberbürgermeisters wechselte.

Der Mutter gedenkt Heinrich als einer "sehr gütigen Frau, die alte Menschen betreute und Kriegsgefangene und Juden heimlich unterstützte." Aus Speisung und dem Beschaffen von Kleidungsstücken bestand die damals höchst gefährliche Hilfe, die ein wenig dadurch erleichtert wurde, daß der Zugang zum Wohnhaus verdeckt von der Hofseite aus hereinführte, somit also nicht für jedermann einsehbar war.

Damit gab es schon in frühen Jahren die Konfrontation mit den Zwängen, denen Humanisten in unmenschlicher Zeit ausgesetzt waren. Es ist schon denkbar, daß Siegfried Heinrichs Wurzeln kulturpolitischer Konsequenzen (von ihnen wird noch zu reden sein) in jenen Tagen liegen. Neben der Haltung der Mutter wird die ehrenamtliche Tätigkeit des Vaters bei der Kirche und im sozialen Bereich den Knaben geprägt haben.

Den 13. Februar 1945 erlebte der Zehnjährige bewußt: "Wir verharrten beklommen im Keller. Die ungeheuren Druckwellen brachten das Haus zum Erbeben. Die erlittenen Ängste werden unauslöschlich bleiben, standen aber in keinem Verhältnis zu dem Leid, das die Menschen in der Innenstadt betroffen hatte. Tags darauf wurde die ganze Familie außer dem Vater, der den Luftschutzdienst weiterhin versehen mußte, nach Meißen evakuiert. Die Fahrt in einem verschlossenen Möbelwagen, in dem die Lüftungsklappe die einzige Verbindung zur Außenwelt ausmachte, ist mir noch heute in beklemmender Erinnerung. Ebenso der blutrote Himmel über Dresden, der von den Höhen Meißens sichtbar war."

Bleibende Erinnerung und Mahnung: 50 Jahre später brachte Siegfried Heinrich mit dem Polnischen Nationalorchester von Radio Kattowice (Kattowitz) 1995 zum Gedenken Anton Bruckners 9. Sinfonie in der Dresdner Kreuzkirche zur Aufführung. Genau an der Stelle, an der der Knabe damals mitgeholfen hatte, den Altarraum von Schutt zu räumen. Am 4. August 1945 fand zum ersten Male nach dem Kriege eine Gedenkvesper in den Mauern der Kreuzkirche statt. Rudolf Mauersbergers Trauermotette "Wie liegt die Stadt so wüst, die voll Volks war" erklang zusammen mit dem Gedenkspruch auf die elf Kruzianer, die ihr Leben hatten lassen müssen. "Ihr wart wie wir."

In diese Zeit fielen auch die Fußmärsche des Jungen von Cotta über Löbtau nach Dresden-Plauen, wo der Kreuzchor Asyl gefunden hatte. Dort galt es, unter Mauersbergers Aufsicht Noten handschriftlich zu kopieren, um überhaupt wieder Aufführungsmaterial zu haben.

Und dann jene Bruckner-Aufführung von 1995, zu der Heinrich sagt: "Ich habe dem Orchester bei der Sitzprobe einiges von meinen Erinnerungen erzählt, die bewirkt hatten, mein ganzes künstlerisches Wirken auch in den Dienst des Verstehens und Versöhnens zu stellen. Dem Orchester dankte ich für die Selbstverständlichkeit, mit der es dieses Werk der Aussöhnung mittrug. Die Aufführung wird allen Beteiligten nachhaltig in Erinnerung bleiben."

Hier haben wir den Ansatz für die kulturpolitische Grundhaltung, die sich im grenzüberschreitenden Wirken Heinrichs offenbart. Springen wir also schon hier getrost in die Gegenwart. Im Dezember 1995 gab es einen längeren Aufenthalt Heinrichs in Posen (enge Zusammenarbeit mit dem dortigen Knabenchor), wenig später dann die Aufführung des Weihnachtsoratoriums (Kantaten 1-3) von Johann Sebastian Bach mit eben jenem Chor, dem Hessischen Kammerorchester Frankfurt, deutschen Vokal- und tschechischen Instrumentalsolisten in Prag. Im Januar 1996 hörte ich im Saal von Polski Radio in Breslau ein Konzert mit einer Bach-Kantate und dem Requiem von Wolfgang Amadeus Mozart: Deutsche Solisten, Hersfelder Festspielchor, Orchester aus Kattowitz. Dieses Konzert erfolgte innerhalb einer vom Auswärtigen Amt in Bonn geförderten Reise, die das internationale Ensemble auch nach Kattowitz und Krakau geführt hatte.

BAD HERSFELDER FESTSPIELE ALS INTERNATIONALE BRÜCKE
Werfen wir einen Blick auf die Aufnahmen für Funk, Fernsehen und Schallplatte, dann finden wir auch jene Brücke, die Heinrich für so wichtig hält: Aufnahmen für Radio Warschau, Radio Prag, MTV Budapest, Jugoslawisches Fernsehen stehen neben solchen für ARD und ZDF, Hessischen und Norddeutschen Rundfunk sowie Stationen in Straßburg oder Madrid. Schließlich bestimmen Tschechische Symphoniker Prag, Mitglieder des dortigen Rundfunkchores, des Prager Balletts, Mitglieder von Knabenchor und Mozart-Orchester Posen gemeinsam mit einheimischen Kräften aus Bad Hersfeld, Marburg und Frankfurt das Niveau der Konzerte und Opernaufführungen in der Heimat. An übergreifender europäischer Zielsetzung war den Trägern der Festspielidee stets gelegen, längst vor dem Fall der Mauer.

"Das war von Anbeginn bis zur Wende nicht eitel Freude, zu groß waren die Hindernisse, die von der kommunistischen Bürokratie aufgebaut wurden. Diese zu überwinden, bedeutete, Demütigungen und mancherlei Strapazen auf sich nehmen zu müssen. Ich habe das gern getan, wußte ich doch aus meiner Kreuzchorzeit, was es für uns bedeutet hatte, auf Reisen in freie Länder andere Eindrücke bekommen zu haben. In diesem Punkt irrt Herr Genscher sicher nicht, wenn er die Leistungen der Musiker aller Länder auch als Beitrag zur internationalen Entspannung bewertet. Aber das war es nicht allein, aus den Begegnungen erwuchsen Freundschaften, es erwuchs Verantwortung für Menschen in Not. Die Hilfsaktionen der Mitglieder des Arbeitskreises für Musik (Freier Träger der Hersfelder Festspielkonzerte und der "Oper in der Stiftsruine") waren erstaunlich. Sie kamen gleichermaßen Menschen in der DDR, der CSSR, auch Polen und Ungarn zugute. Nicht zu vergessen die beachtliche Anzahl an Noten und Fachliteratur, die Kollegen auf diesem Wege erhielten, ebenso Medikamente und andere Hilfsgüter." In einem Schreiben vom September 1980 bestätigt die Künstler-Agentur der DDR den Empfang von 85 Schallplatten für den Dresdner Kreuzchor.

Wir sind weit vorausgeeilt. Kehren wir zum jungen Heinrich zurück. Erste Lehrer waren der Kantor der Cottaer Heilandskirche, Johannes Herklotz, später Fidelio F. Finke und der 1996 verstorbene Hans Otto. Frau Lange-Frohberg oblag die Vorbereitung auf den Kreuzchor. Vera Littner und Prof. Herbert Meissner waren spätere Lehrer. Die gesamte Kreuzchor-Atmosphäre in den Nachkriegsjahren hinterließ Spuren. Heinrich spricht vom "Hunger der Menschen nach geistlicher Musik, zunächst in der Garnisonkirche, dann in Dresden-Blasewitz in der Heilig-Geist-Kirche, in der Annenkirche und schließlich in der wieder benutzbaren Kreuzkirche." Er entsinnt sich der Bereitschaft, im ungeheizten Raum die dreistündige Matthäus-Passion zu erleben. In seine Zeit als Kruzianer fiel auch die Einweihung der Schütz-Kapelle. An der Orgel wirkte Herbert Collum, dessen Reger-Interpretationen bei ihm starke Eindrücke hinterließen. Dies gilt auch für Collums Bearbeitung von Johann Sebastian Bachs "Kunst der Fuge", die Heinrich zu einer eigenen Einrichtung anregte, die er 1993 in Dresden mit Mitgliedern der Staatskapelle Weimar aufführte.

KEINE STUDIENCHANCE AN MUSIKHOCHSCHULEN IM OSTEN
Kreuzkantor Rudolf Mauersberger zog den Kruzianer zu Gruppenproben heran, auch zur Orgelbegleitung. Die Mitwirkung bei einer Aufführung des "Weihnachtszyklus" Mauersbergers im Hygienemuseum brachte 1949 die ertste Erwähnung in einer Kritik von Herbert Meissner ("Die Union"): "Daß die Wiedergabe unter Leitung des Komponisten durch den Chor, die schönen Solostimmen (Volkmar Heschel, Günter Neubert, Peter Schreier) und den gewandten Begleiter am Flügel, Siegfried Heinrich, eine vorzügliche war, versteht sich von selbst." Hans Böhm rezensierte Heinrichs erstes Orgelkonzert in Dresden-Blasewitz.

Dankbar erwähnt Heinrich "eine würdige alte Dame", die Kruzianer besonders gefördert hat: Frau Charlotte Schurz. "Mit ihren zahlreich verschenkten Eintrittsbilletts zu den Konzerten von Staatskapelle und Philharmonie eröffnete sie manchem jungen Menschen den Zugang zu Sinfoniekonzerten und Opern."

Im Abiturjahr 1953 war Heinrich eingetragener Student der Kirchenmusikschule Dresden. Der Versuch, an einer der Hochschulen der DDR in der Dirigenten- oder Kirchenmusikklasse aufgenommen zu werden, schlug fehl, so daß sich zwangsläufig der "Gang in den Westen" ergab. Zur bestandenen Aufnahmeprüfung an der Frankfurter Musikhochschule gratulierte der damalige stellvertretende Direktor, Prof. Helmut Walcha, späterer Lehrer Heinrichs. Das Studium umfaßte Cembalo, Orgel, Klavier, Dirigieren. Kurt Hessenberg vermittelte kompositorische Anregungen.

In Dresden hatte Heinrich die aus dem benachbarten Pirna stammende Studentin Christa Ebert kennengelernt, die seine Frau wurde. "Bis zum heutigen Tage habe ich das Glück, mit ihr gute und schwere Stunden zu teilen." Am Schaffen ihres Mannes nimmt Christa Heinrich tätig Anteil. Für die Mitwirkung an Cembalo oder Orgel gilt stets ihr die erste Anfrage. Ihr Beitrag bei den Choreinstudierungen (Hersfelder Festspielchor, Kurrende und Jugendsingkreis) ist unverzichtbar. Das Musische hat sich auf die Kinder übertragen. Der älteste Sohn Matthias ist Solocellist in Baden-Baden. Tochter Dorothea spielte oft als Geigerin im Hessischen Kammerorchester Frankfurt, ist jedoch von Beruf Medizinerin. Mit einem sehr guten Examen an der Musikhochschule Freiburg wartete die jüngste Tochter Katharina 1996 als Cellistin auf. Sehr stolz ist der Vater, seinen Ältesten im Juni 1997 als Solisten in Haydns D-Dur-Konzert mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Kattowitz unter Antoni Wit im Rahmen der Festspielkonzerte vorstellen zu können. Der noch in Dresden ansässige Bruder Heinrichs ist Dozent für Mathematik an der TU.

Zurück zum Studium, dem verschiedene Angebote folgten. Die Wahl Heinrichs fiel auf Bad Hersfeld, weil ihn die Vielseitigkeit der Aufgabe reizte: Leistung der Kirchenmusik und der Festspielkonzerte an zwei beeindruckenden Aufführungsorten, nämlich der berühmten Stiftsruine und der Evangelischen Stadtkirche. Lehrtätigkeit an der Musikakademie, später an der Gesamthochschule Kassel und die Leitung des Hessischen Kammerorchesters Frankfurt waren von Bad Hersfeld aus zu bewerkstelligen. Eine Bindung zum Frankfurter Konzertchor bringt ständiges Musizieren in der Alten Oper.

Überhaupt kommt es im Laufe der Jahre zu einer ständig zunehmenden Konzerttätigkeit im In- und Ausland. Dabei zeigt sich gar bald die schon erwähnte Hinwendung zum Osten Europas. Auch bei der Wahl der Solisten schlägt Heinrich die Brücke über den "Eisernen Vorhang" hinweg. Man wird auf die Aktivitäten aufmerksam, nicht etwa allein in der Region, im eher "gemütlichen" hessischen Staatsbad, sondern auch in wichtigen Presseorganen wie FAZ, Süddeutsche Zeitung, Neue Züricher Zeitung, Frankfurter Rundschau, in einer Vielzahl von Fachzeitschriften bis zur "Fanfare" New York.

KONZERTE IN DER STIFTSRUINE EIN MARKENZEICHEN
Gelobt werden durchweg die Qualität der Aufführungen und Einspielungen und die enorme stilistische Vielfalt, von Guillaume de Machauts "Messe de Notre Dame" bis zu Krzysztof Pendereckis "Lukas-Passion" reichend. Und unter den Klassikern der Chorsinfonik finden wir neben den üblichen und überall zu hörenden Stücken vieles, was man im Konzertleben mit der Lupe suchen muß. Heinrichs Konzerte in der Stiftsruine wurden zu einem Markenzeichen.

Im Jahre 1980 wurde erstmalig eine Oper szenisch verwirklicht - seinerzeit ein Paukenschlag, der noch heute in der Schallplatteneinspielung nachvollziehbar ist: Claudio Monteverdis "L'Orfeo". Im Laufe der Zeit kamen Glucks "Orpheus und Eurydike", Beethovens "Fidelio", Mozarts "Zauberflöte", "Don Giovanni", "Die Hochzeit des Figaro", Strauss' "Salome", Smetanas "Die verkaufte Braut", Webers "Freischütz" hinzu, jeweils den Möglichkeiten, auch den Einschränkungen des Raumes angepaßt. So mußten die Regisseure (zuletzt Detlef Rogge mit "Carmen", Christoph Groszer mit "Die Entführung aus dem Serail" und Klaus Kahl mit "Nabucco") die Weite des Raumes und die langen Wege in Rechnung stellen. Das "Haus" bietet etwa 1500 Sitzplätze mit guten Sichtbedingungen und kann dank einer mobilen, 1600 Quadratmeter überspannenden Überdachung schlechtem Wetter trotzen.

Die Opernaufführungen in Bad Hersfeld stehen in der Gunst des Publikums ganz vorn. Von Jahr zu Jahr sind die Vorstellungen früher ausverkauft. 1996 gab es acht Aufführungen der "Entführung", neun von "Nabucco". Für diese Saison sind davon gar zehn auf dem Spielplan, Mozarts "Cosi fan tutte" wird die Neueinstudierung sein.

Heinrichs Anspruch an die Qualität der Aufführungen verknüpft er mit der Chance für junge Sängerinnen und Sänger, sich neben "gestandenen" Kräften zu bewähren. So gibt es alljährlich den Hersfelder Opernpreis und für junge Künstler den Orpheus-Preis, der 1996 an Jeanne Pascal Schulze (Absolventin der Dresdner Musikhochschule) ging, da sie die Jury mit einer "nahezu idealen" Verkörperung des Blondchens überzeugte.

Anerkennungen, Auszeichnungen? Schirmherr der Bad Hersfelder Aktivitäten ist Bundespräsident Roman Herzog. In der Reihe der Ehrungen erscheinen unter anderem Verdienstmedaille (1976) und Großes Verdienstkreuz (1988) der Bundesrepublik Deutschland, die Goethe-Plakette des Landes Hessen. Höchste Anerkennung freilich ist der Zustrom der Musikfreunde von nah und fern.

Probleme? Den 1996er Programmheften wurde eine Spendenbitte beigegeben, da "in Aussicht gestellte, aber nicht eingegangene Zuschüsse und nicht vorhersehbare Mehrkosten die Arbeit erheblich finanziell belastet" haben. Bad Hersfeld ist also keineswegs eine Insel, die ungefährdet erscheint, wo ringsum kulturelle Traditionen bedroht sind.

Heinrichs Arbeitspensum ist enorm, Dirigent, Bearbeiter alter und neuer Meister, Kulturpolitiker ... Rudolf Mauersbergers Prophezeihung von 1953 ist in Erfüllung gegangen.

Vorwort und HTML-Transkript: W. Näser 01041997 * Stand: 5.12.2014